Gastarbeiter, Islamismus und die aufgeklärten Deutschen

Unser Gastautor Werner Jurga beschäftigt sich mit der Frage, ob Kritik am Islamismus sowie das Thematisieren von Parallelgesellschaften rechtspopulistischen Tendenzen in Deutschland in die Hände spielt.
Dr. Werner Jurga ist Sozialwissenschaftler und lebt in Duisburg. Er betreibt eine politische Website und ist Mitglied der SPD.

Türken beim Public-Viewing Foto: Flickr/ak42

1964 – ich besuchte die Grundschule – zog der erste Türke zur Untermiete bei uns ein. Etwas später folgte ein mit ihm befreundetes Ehepaar. Nein, ich komme nicht aus besserem Hause, wie man so sagt. Im Gegenteil: unser Haus war sogar ziemlich klein. Folglich waren die beiden Zimmer, in denen die Türken wohnten, auch verdammt klein. Aber meine Großeltern konnten die Mieten als Zubrot gut gebrauchen, und die Türken waren heilfroh, bei uns untergekommen zu sein. Sonst wären sie wohl in so einem Gastarbeiterheim gestapelt worden, mit denen sich windige Immobilienspekulanten eine goldene Nase verdient hatten.

Obgleich man schon etwas verunsichert war, ob so ein Südländer nicht einfach mal so auf die Idee kommen könnte, den armen, kleinen, blonden, blauäugigen Jungen, also mich, abzustechen, zumal „die ja alle immer ein Messer dabei haben“, lehrte man mich, freundlich zu den Mohammedanern zu sein. Erstens seien dies auch Menschen, und zweitens wollte man sich nichts nachsagen lassen. Schließlich waren es noch nicht bzw. eben gerade mal zwanzig Jahre her, dass sich Deutsche gegenüber einer anderen Minderheit extrem unfreundlich verhalten hatten. Also die Parole: „Wir verhalten uns anständig gegenüber den Mohammedanern!“ Für diese sprach immerhin, dass sie ziemlich fromm waren. Ganz puzzelig: „So wie wir an Gott glauben, glauben die an ihren Allah.“ Den gab´s natürlich nicht in echt, trotzdem: „Lach da bloß nicht drüber!“ Ich hatte verstanden: die sind zwar nicht ganz dicht. Aber man darf es denen nicht sagen, weil die alle ein Messer haben. Ansonsten sind sie ganz possierlich, so ähnlich wie unsere Haustiere, allerdings schon auch Menschen.

So oder so ähnlich wurde das auch im Fernsehen erzählt. So oder so ähnlich stand das auch in allen Zeitungen. Kurioserweise ist aus den ehrenhaften Absichten dann doch nicht so richtig was draus geworden. Erstens bedeutete nämlich der Umstand, dass die Gastarbeiter auch Menschen waren, dass sie sich nicht dauerhaft damit zufrieden gegeben hatten, sich als Hilfsarbeiter, Müllmann oder Straßenfeger ausbeuten und als Mieter abziehen zu lassen. Damit hatte man eigentlich nicht gerechnet und zog die üblichen Konflikte nach sich, die notwendig auftreten, wenn Zugezogene auf Eingeborene treffen. Zweitens wollten einige, ehrlich gesagt: eine ganze Menge Deutsche es nicht mehr einsehen, dass sie auch bei Konflikten mit den Kanaken – wie man sich inzwischen angewöhnt hatte, die Türken liebevoll zu nennen – freundlich zu sein hätten, „nur weil wir den Krieg verloren haben.“

Langer Rede kurzer Sinn: diese Generation der Deutschen erwies sich im Großen und Ganzen nicht als aufnahmebereit. So etwas wie Integration konnte überhaupt nicht gelingen, weshalb die Politik sicherheitshalber der Nachkriegsgeneration verschwiegen hatte, dass die Gastarbeiter in großer Zahl im Lande bleiben werden. Die nachwachsende Generation, die sich – wie ich – das ganze Elend ansehen und feststellen musste, sah ein, dass die Alten doch sehr stark von der Hitlerzeit geprägt wurden. Ihre Eltern und Großeltern waren folglich wieder einmal Opfer, weil ihnen ein menschlicher Umgang mit denen, die so anders waren, nicht gelingen konnte.
Die nächste, also meine Generation ist dann in der Demokratie groß geworden. Viele von uns konnten sogar die höhere Schule besuchen. Es konnte also alles nur noch besser werden! Wir waren nämlich direkt international. Wir gingen in ausländische Restaurants essen. Sogar beim Türken. Später kamen auch noch Araber, also auch Moha…, Quatsch – natürlich: Muslime. Haben Sie schon einmal beim Ägypter gegessen? Klasse!

Es musste endlich Schluss sein mit dieser Ausländerfeindlichkeit! Die gab es nämlich immer noch. Bei den Alten, klar. Und auch bei den – ach, wie sagt man: einkommensschwachen und bildungsfernen Schichten. Die wohnten und wohnen zwar in denselben Vierteln wie unsere muslimischen Einwanderer, die wir sicherheitshalber zunächst einmal Zuwanderer nennen wollen. Niemanden verschrecken! Aber da gibt es halt Reibereien, und die einfachen Leute sind halt nicht so weltoffen wie wir.
Gehen wir ins Jahr 1989! Ein Vierteljahrhundert später als 1964, heute vor zwanzig Jahren. Schon seit einiger Zeit ist das Wort „Ausländerfeindlichkeit“ – auch bei cleveren Einwanderern – zum Kampfbegriff mutiert, gegen den sich ein anständiger Deutscher, der ja auch anständig gegenüber Muslimen zu sein hat, zu wappnen hatte. Aber es gab 1989 auch Ausländerfeindlichkeit. Und zwar mächtig! Kein Vergleich mit der heutigen Situation.
Zur Erinnerung: als 1990 die deutsche Nationalmannschaft Fußballweltmeister geworden war, wurden in etlichen deutschen Städten wahllos Türken verprügelt. Die Wiedervereinigung war in vollem Gange, Weltmeister: wir waren wieder wer.

Im Februar 1989 verurteilte der iranische Staatschef Khomeini den indisch-britischen Schriftsteller Salman Rushdie zum Tode. Khomeini rief die Moslems in aller Welt zur Vollstreckung auf. Um die Durchführung zu beschleunigen, wurde ein Kopfgeld von drei Millionen US-Dollar ausgesetzt.

Obwohl das Kopfgeld zwischenzeitlich verdoppelt wurde und das iranische Mullah-Regime bis heute an dem Mordaufruf festhält, lebt Salman Rushdie bekanntlich noch heute – gut versteckt und strengstens bewacht. Einige Übersetzer der Satanischen Verse sind allerdings islamistischen Anschlägen zum Opfer gefallen.
Auch in Deutschland herrschte große Aufregung allerorten. In der Duisburger WAZ debattierten Politiker wie Leserbriefschreiber wochenlang – in der Regel hochemotional. Eine sozialdemokratische Ratsfrau mahnte alle Seiten zur Besonnenheit und gab zu bedenken, dass einen streng gläubigen Muslim eine Beleidigung des Propheten tief verletzen müsse.

Damit hatte sie selbstverständlich nicht den Mordaufruf legitimieren wollen, doch die mit ihrem Verständnis für das muslimische Seelenleben verbundene Schuldzuweisung war freilich weder zu übersehen noch zu überhören. Sie bildete ja den Sinn der Wortmeldung.

Der „Fall Rushdie“ ist das erste mir erinnerliche Beispiel in einer langen Kette von Ereignissen, die in den zwanzig Jahren bis heute folgen sollten. Und wie in dem Film „Und täglich grüßt das Murmeltier“ schließt sich daran eine Reaktion an, die mich an die zitierte Duisburger Stadträtin erinnert. Es könnte doch alles so schön sein, wenn …
… ja wenn da nicht ewig diese Störenfriede wären! Was muss der Herr Rushdie auch über den Herrn Mohammed herziehen?! Warum müssen diese dänischen Karikaturisten auch unbedingt den Herrn Mohammed zeichnen?! Das ist doch allen ausdrücklich gesagt worden, dass das streng verboten ist. Das haben die uns doch so gesagt! Oder vor einem Vierteljahr in Duisburg dieser antideutsche Student, der israelische Flaggen in die Fenster seiner Wohnung gehängt hat. Das war doch die reinste Provokation. Da darf man sich doch nicht wundern! So ein Schnösel: bringt aus ideologischen Gründen alle möglichen unschuldigen Menschen, die Polizeibeamten und nicht zuletzt sich selbst in Gefahr!
Wie leicht dieses Argumentationsmuster inzwischen in die Tasten geht! Vor einigen Tagen brachte es der Polizeigewerkschaftler Frank Richter in den Streit um den Duisburger Flaggenskandal ein. Und zwar mit einer Bräsigkeit, die – als sei es nicht ohnehin schon allen klar – jedem vor Augen hält, wie selbstverständlich eine solche Sicht der Dinge inzwischen geworden ist. Wie gesagt und wie man weiß: die genannten drei Beispiele könnten beliebig ergänzt werden.

Die Serie islamistischer Einschüchterung hat dabei ihre Wirkung bei denjenigen, welchen sie gegolten hat, keineswegs verfehlt. Die Rede ist von der aufgeklärten Intelligenzija, den Lehrern, Journalisten und Intellektuellen, den Linken und Liberalen. Die Rede ist von all denen, die in jedem neuen Computer für die Polizei einen Überwachungsstaat Orwellschen Ausmaßes wittern, und die sich bei jeder x-beliebigen reaktionären Einlassung irgendeines x-beliebigen CSU-Zweitligapolitikers berufen fühlen, vor einem vermeintlichen Wiedererstarken des Faschismus zu warnen. Die Zivilcouragierten pflegen dann Unterschriften gegen die Zensur zu sammeln und mobilisieren zum Kampf gegen Rechts.
Doch viele von ihnen haben es vorgezogen zu schweigen, als die Schere der Zensur in einem bislang nicht für möglich Ausmaß Einzug in unsere politische Kultur hielt. Eine Rezension der Satanischen Verse? Das Publizieren – sagen wir – einer einzigen Mohammed-Karikatur? Oder auch nur eine beiläufige – bislang als Zeichen der Selbstidentität unerlässliche – religionskritische Äußerung. Über den Koran? Oder auch nur über einen reaktionären Geistlichen. Ich meine: einen muslimischen? – Fehlanzeige.
Nun gut, ließe sich sagen, was soll´s. Auf derartigen nicht einmal akademischen Schnickschnack reagieren wir ganz aufgeklärt säkular nach dem Motto: lieber einmal feige als immer tot. Okay.
Aber auch Beobachtungen wie Zwangsheiraten – etwas vornehmer: arrangierte Ehen – oder „Ehrenmorde“ – wobei sich die „Ehre“ durch vollständige Abschottung von der europäischen Gesellschaft und deren Kultur definiert – konnten, jedenfalls bis vor Kurzem, das Schweigen nicht brechen. Und es waren auch nicht die linken und liberalen, „multikulturell“ gesonnenen deutschen Mittelschichtler, die derartige Themen auf die Tagesordnung setzten.

Es waren türkische Intellektuelle, in den meisten Fällen Frauen, die das Schweigen in der deutschen Öffentlichkeit und in der türkischen Community einfach nicht mehr länger hinnehmen wollten. Es sind türkische – und damit meine ich selbstverständlich auch türkischstämmige – Schriftstellerinnen und Rechtsanwältinnen, Künstlerinnen und Politikerinnen, die ein ungleich höheres Maß an Mut und Courage aufbringen, als das einen deutschen Durchschnittslinken kosten würde, wenn er (oder sie) einfach einmal sagen würde: „Du ey, irgendwie finde ich das nicht so gut, dass die MigrantInnen so für die Frauenbewegung und so Sachen noch nicht das Feeling haben.“
Folglich wäre es zu kurz gegriffen, erklärte man das Schweigen der kritischen Öffentlichkeit allein mit Feigheit. Es ist auch die (richtige) Lehre der Eltern, dass die muslimischen Einwanderer als Menschen in all ihren Facetten zu respektieren sind. Und dazu gehört nun einmal auch die Tradition, die Kultur und die Religion. Und so erinnerte man sich an den Hinweis der Großeltern, freilich ohne dies derart angestaubt zu formulieren, dass Türken nun einmal eine ganz andere Mentalität hätten. Und genau deshalb durfte man gegen die nichts sagen und über die nicht lachen. Alles andere wäre ja mehr als ausländerfeindlich. Es wäre rassistisch.

Die kritischen Intellektuellen scheuen aber nichts mehr als den Vorwurf, rassistisch zu sein. Und weil es nun einmal in der ganz anderen Mentalität der Muslime begründet liege, schweigen deutsche Linke und Liberale auch dann, wenn die Ehefrauen geschlagen und die Töchter sexuell ausgebeutet werden. Man greife diese Grässlichkeiten ja durchaus auf und an, ohne sie freilich einer bestimmten Bevölkerungsgruppe zuzuordnen. Wer will denn auch bezweifeln, dass Gewalt gegen Frauen und sexuellen Missbrauch auch in der deutschen Mehrheitsbevölkerung anzutreffen sind? Dasgleiche gilt auch für die Kriminalität unter – vorwiegend männlichen – Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Auch hier lassen sich die Beispiele beliebig fortführen …bis das Problem tabuisiert und das Phänomen verschwunden ist.

Abgesehen von der Wirklichkeit: da hat die Welle der Islamisierung in der muslimischen Welt die türkische Bevölkerung in Deutschland längst erreicht. Umfragen belegen, dass die Frömmigkeit unter den Türken erheblich zugenommen hat. In der Wirklichkeit gibt es, wie jeder weiß, auch Erscheinungsformen wie (das Entstehen einer) Parallelgesellschaft, also Gettobildung. Es gibt islamistische Netzwerke, die antidemokratisches und antisemitisches Zeug unter die Leute bringen, auch einige wenige, die heilige Kriege für den Dschihad in Zentralasien oder den Terrorismus hier rekrutieren. Und es gibt die jugendlichen Kleinkriminellen, die ihre Opfer freilich vorwiegend unter den (sozial) Schwachen finden.
Weil Demokraten nicht darüber schreiben oder reden wollen, ist das Feld – im Grunde zwingend – den Antidemokraten überlassen: den Ausländerfeinden, den Rassisten, also, wie man seit einiger Zeit zu sagen pflegt, den Rechtspopulisten.
Selbstverständlich ist von den Braunen nicht zu erwarten, dass sie klar machen, was eben auch zur Wirklichkeit gehört, nämlich dass

•    die überwältigende Mehrheit der Türken in Deutschland, auch der nach eigenem Bekunden gläubigen bzw. stark gläubigen, mit islamistischen Netzwerken und Ideologien nichts am Hut hat,
•    fast alle Türken in Deutschland ein „normales“, sprich: westliches Leben führen wollen,
•    die meisten Türken ihren Kindern eine gute Bildung und Ausbildung anstreben, und
•    sich die türkischen Erwachsenen, und in ganz starkem Maße die frommen, sich schämen, weil recht viele türkische Jungs auf die schiefe Bahn geraten sind.

Insofern lassen die aufgeklärten Deutschen die „integrationsbereiten“ Türken ein zweites Mal im Stich. Erst sehen die, denen die Frauenemanzipation ein besonders wichtiges Anliegen ist, weg, wenn Frauen unterdrückt, misshandelt oder gar ermordet werden. Nämlich dann, wenn es sich um muslimische Frauen handelt. Und als zweites überlassen sie die – ohnehin notwendige, im Superwahljahr wahrscheinlich intensiv geführte – politische Diskussion über die Schwierigkeiten, Defizite und Rückschläge im Prozess der Integration denen, die der türkischen Bevölkerung alles Mögliche wünschen, nur eben nichts Gutes.

Aber was will man erwarten? Soll man auf die Solidarität derer setzen, die sich selbst nicht viel zu bedeuten scheinen? – Ja, man soll. Und man soll nicht nur. Man muss!
Den Zuwanderern oder Einwanderern, Türken und Türkischstämmigen oder – das ist das Neueste – „Neuen Inländern“ bleibt gar nichts Anderes übrig, als auf ein Bündnis mit den kritischen, demokratischen und aufgeklärten Intellektuellen zu setzen.
Diese wiederum werden nicht darum herumkommen, noch einmal gründlich nachzudenken, um zu erkennen, dass das Böse auch dann böse ist, wenn es türkisch spricht.
Und dass, wenn man drüber nachdenkt, ein Mädchen auch dann ein Recht auf eine gewaltfreie Erziehung und eine gute Schulbildung hat, selbst wenn es weder blonde Haare noch blaue Augen vorweisen kann.

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Café Sachs: Neustart mit Niwo

Nach mehrmonatiger Pause hat das Sachs, die angebliche Mutter aller Szenecafés, am Donnerstag wieder seine Pforten geöffnet. Es gibt bestimmt Menschen, die sich darüber freuen.

Ausriss Sach-Homepage

Es war schon ein wenig traurig, den Niedergang des Sachs in den letzten Jahren zu beobachten – auch wenn die Tränen bei mir, der das ganze in gewohnter Lässigkeit aus dem benachbarten Intershop beobachtete, nicht ganz so dick flossen. Immerhin: Das Sachs war in Bochum eine Institution, ich war gerne ab und an mal tagsüber drin, mied es am Abend und fand es schade, wie der Laden seinem Ende entgegenlitt.

Doch nach Problemen, neue Pächter zu finden, fanden sich dann doch noch drei junge, hoffnungsvolle Gastronomen, die das Lokal an der Viktoristrasse übernehmen wollten, und am Donnerstagabend konnte man das Ergebnis ihrer Mühen bewundern. Kennt ihr die Verzehrbereiche der aufgehübschten Backstuben in Rüttenscheid? Dort hatte man sich, was das Konzept der Inneneinrichtung angeht, wohl inspirieren lassen. Eine Brötchentheke konnte ich allerdings nicht ausmachen.

Aber es war voll am Donnerstag – das konnte man vom Stromkasten vor dem Intershop gut beobachten, war aber auch keine besondere Leistung, denn am Donnerstag war in Bochum alles heillos überfüllt. Nicht hinein kamen jedoch zum Teil  langjährige Stammgäste des alten Sachs, die aus Neugier und alter Verbundenheit einen Blick in das neue Sachs werfen wollten. Sie scheiterten schon an den schwerst wichtigen Türstehern. Ein etwas genauerer Blick durch die Fenster gab vielen von ihnen jedoch Trost: Herner-Paris-Hilton-Verschnitte sollen das Lokal in großer Zahl bevölkert haben. Schön, dass sich die neuen Inhaber den verspotteten Minderheiten unserer Gesellschaft öffnen und das Konzept des eher snobistischen Szenelokals gegen eines der Offenheit gegenüber jenen, die einen tiefergelegten Dreier noch zu schätzen wissen, großzügig austauschen.

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„Rechte Demonstrationen künftig anders bewerten“

Künftig sollen Demonstrationen von Rechtsextremisten in Dortmund nicht mehr so schnell genehmigt werden. Opfer der Übergriffe auf die DGB-Demo sollen sich bei der Polizei melden.

Hans Schulze Foto: Polizei Dortmund

Der Sprecher der Polizei Dortmund, Manfred Radeck, hat gesagt, dass die Polizei Dortmund künftig Genehmigungen von rechten Demonstrationen kritischer als bislang prüfen werden. Hans Schulz, Dortmunds Polizeipräsident, war in der Vergangenheit immer wieder für seine liberale Genehmigungspolitik rechten Gruppen gegenüber kritisiert worde. Auf einer Pressekonfenerenz heute Abend hat Schulz angesichts der Ausschreitungen von Nazis gegenüber einer DGB-Kundgebung angekündigt, die Genehmigung von rechte Kundgebungen neu zu bewerten. Das soll auch für eine von Rechtsextremen für den 6. September geplante Demonstration in Dortmund gelten.

Radeck ist sich sicher, dass die Geschehnisse des heutigen Tages – neben Dortmund gab es auch in anderen Städten Angriffe von Rechtsradikalen auf – Auswirkungen auf die Genehmigungspraxis der Gerichte haben werden: "Bislang hat der Bundesgerichtshof ausgesprochene Demonstrationsverbote häufig mit dem Hinweis aufgehoben, dass es auf den Demonstrationen nur selten Gewalttaten von den Rechtsextremen gab. Dieses Argument gilt seit heute nicht mehr."

Die Polizei hat 280 Rechtsextremisten vorläufig festgenommen – 20 von ihnen waren noch Jugendliche und wurden den Eltern übergeben. Noch immer befinden sich zahlteiche der Festgenommenen im Gewahrsam der Polizei. Auf sie wartet mindestens eine Anklage wegen Landfriedensbruch. Es könnten aber auch noch weitere Anklagpunkte dazukommen: "Wir suchen Zeugen der Vorfälle und vor allem Menschen, die von den Rechtsextremen angegriffen und verletzt wurden. Alleine von unseren Beamten wurden fünf verletzt. Betroffene sollen sich bei der Polizei Dortmund melden. Wir brauchen die Informationen der Opfer um auch wegen Körperveletzung und andere Delikte effektiv ermitteln zu können.       

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„Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr“

Im Januar brach die Duisburger Polizei eine Wohnung auf und riss eine Israelflagge aus einem Fenster. Islamistische Demonstranten hatten begonnen, das Haus anzugreifen. Ein Gutachten gibt den Beamten Recht. Merkwürdig zu lesen ist es teilweise trotzdem.

Ausriss: YouTube

Am 10. Januar fand in Duisburg eine Demonstration gegen den Gaza Krieg statt. Als die Demonstranten in der Duisburger Innenstadt an einem Haus an der Claubergstrasse vorbei kamen, in dem eine Israelflagge im Fenster zu sehen war, eskalierte die Situation: Gegenstände wurden gegen das Haus geworfen, Demonstranten skandierten antisemitische Parolen und die Polizei griff ein: Nein, sie schützte nicht das Haus vor den Angriffen der Islamisten, sie nahm nicht diejenigen fest, die das Haus bewarfen und antisemtische Parolen skandierten, sondern sie stürmte zwei Wohnungen – die Beamten irrten sich zuerst im Stockwerk – und nahmen die israelische Flagge aus dem Fenster. Die Begründung: Die Fahne habe verschwinden müssen, weil ansonsten die Situation hätte weiter eskalieren können.

Dieser Ansicht schloss sich auch der Jurist Prof. Dr. Jürgen Vahle von der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW in einem Gutachten an, das heute dem Innenausschuss des Landtages vorgelegt wurde, das auch mir mittlerweile vorliegt: Die Aktion gegen die Israelflagge sei "(…) legal, weil Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für die öffentliche Sicherheit (…)" notwendig gewesen sei. Laut einer von Der Westen veröffentlichten DDP-Meldung fordert die Polizeigewerkschaft eine Entschuldigung von den Landespolitikern, die damals erklärt hatten, die Polizei hätte rechtswidrig gehandelt.

Dabei wirft der gutachterliche Blankoscheck für die Duisburger Polzei einige Fragen auf: Warum war die Polizei nicht darauf vorbereitet, dass eine solche Demonstration eskalieren konnte? In anderen Städten war das zu diesem Zeitpunkt schon der Fall gewesen. Das Gutachten hat dafür eine Antwort:  "Art und geplanter Verlauf der Versammlung boten keinen Anlass für Schutzvorkehrungen, die über die tatsächlich getroffenen hinausgingen." Vielleicht hätte ein Blick in den aktuellen Verfassungsschutzbericht der Polizei und dem Gutachter geholfen. Angemeldet hatte die Demo vom 10. Januar die islamistische Organisation Milli GörüÅŸ. Über die ist dort zu lesen: "Ziel der Bewegung (Milli GörüÅŸ) ist es, dieses heute herrschende, als „westliche“, „bürokratische Ordnung“ bezeichnete demokratische System zu überwinden und durch die in „Adil Düzen“ skizzierte „gerechte Ordnung des Friedens und der Verständigung“ zu ersetzen, die auf dem Islam basieren soll. Dieses Ziel wird zunächst für die Türkei, dann aber auch für die gesamte Menschheit angestrebt. Die Ablehnung „westlicher Demokratie“ und damit auch der freiheitlichen demokratischen Grundordnung durch die ‚Milli-GörüÅŸ‘-Ideologie ist evident. Dies zusammen mit den antisemitischen Einstellungen und Aussagen des Führers der ‚Milli GörüÅŸ‘, wie auch anderer maßgeblicher Anhänger der Bewegung, macht eine Beobachtung (…) durch den Verfassungsschutz (…) erforderlich."

Dass die Anhänger einer antidemokratischen und antisemitischen Gruppierung sich nicht an Regeln der ihnen verhassten Gesellschaft halten, kann nur die Naivsten überraschen. Während die Duisburger Polizei und auch Prof. Vahle von Milli GörüÅŸ nichts Böses erwarten, begegnet man dem jungen Mann, der die Flagge in sein Fenster gehängt hatte, mit deutlich mehr Misstrauen. Der, so das Gutachten, gehöre zu  den Antideutschen und habe auch schon Plakate von Rechtsradikalen beschädigt. Klar, dass so einem alles zuzutrauen ist, und so lässt Vahe in seinem Gutachten seiner Phantasie freien Lauf – der könne ja alles nur inszeniert haben: "Eine gewisse Indizwirkung kommt in diesem Zusammenhang der Tatsache zu, dass der Polizeieinsatz – mit hoher Wahrescheinlichkeit von der gegenüber liegenden Straßenseite – gefilmt und die Aufzeichnung anschließend zusammen mit einem Kommentar im Internet publiziert wurde. Hieraus könnte gefolgert werden, dass es den betroffenen Personen (Mieter bzw. Gästen der Wohnungen im Haus Clausberger Str.) maßgeblich darauf ankam, die Polizei zu einem – aus ihrer Sicht rechtswidrigen – Zugriff zu veranlassen und das (angebliche) Fehlverhalten anschließend publik zu machen. Zwingend ist der Schluss auf eine intendierte Inszenierung freilich nicht. Gegen die Wohnungsinhaber oder ihre Gäste bestehen nur Verdachtsmomente."

Nun, dass die Polizei in Deutschland eine Wohnung stürmt, um eine Israelflagge abzunehmen, damit Demonstranten, die zum Teil Fahnen von in Deutschland verbotenen Organisationen wie der Hamas schwenkten, glücklich und zufrieden sind, konnte sich bis zu diesem Zeitpunkt niemand vorstellen – auch der Wohnungsinhaber nicht, der den Ruhrbaronen damals  ein Interview gab.

Vielleicht sollte sich der Innenminister überlegen einen zweiten Gutachter zu bestellen. Jemand, der Polizisten in NRW ausbildet, ist vielleicht nicht der objektivste Gutachter, den man sich vorstellen kann. Es gibt in diesem Land viele Juristen. Das Land würde gut daran tun, die Stimme eines weiteren zu hören – und vielleicht ist der dann auch ein wenig unabhängiger. Aber das ist nur die Frage der juristischen Auseinandersetzung, diese ist jedoch in dieser Frage nicht die eigentlich interessante: Die Frage, ob das Verhalten der Polizei in Ordnung war, ist eine politische, und sie muss auch politisch beantwortet werden. Auf wessen Seite steht die Polizei? In Duisburg stand sie auf der Seite von einem gewalttätigen, antisemitischen Mob und tat alles, um diesen zu beruhigen. Auf der Seite des Bewohners der Clausbergstraße, der seine Solidarität mit Israel zeigte, stand sie nicht. Sein Recht auf freie Meinungsäußerung war anscheinend kein schützenswertes Gut.  

Pleitgens Pleite

Keine große Kulturhauptstadtparty in der Arena, keine abendliche Übertragung im ZDF. Warum hat man eigentlich Fritz Pleitgen zum Direktor der Kulturhauptstadt gemacht?

Firtz Pleitgen Foto: Ruhr2010

Firtz Pleitgen ist eine Journalistenlegende. Er moderierte souverän den Presseclub und gehörte zu den großen Auslandskorrespondenten. Für das Ruhrgebiet hat sich der in Duisburg geborene Pleitgen indes nie eingesetzt und daraus ist ihm kein Vorwurf zu machen: Seine beruflicher und privater Lebensweg führte in aus dem Revier heraus. Kein Problem.  Aber warum wurde er Direktor der Kulturhauptstadt? Weil er lange Jahre Intendant des WDR war. Pleitgen sollte die Aufmerksamkeit der öffentlich-rechtlichen Senderfamilie sichern. Sein Renommee und seine Kontakte sollten bei der medialen Vermarktung des Ruhrgebiets helfen. 

Daraus wurde nichts: Weder gelang es, ein tragfähiges Konzept für eine große Kulturhauptstadtshow zu entwickeln, noch konnten ARD oder ZDF dazu gebracht werden, eine solche Sendung in ihr Abendprogramm aufzunehmen.

Ein solche Sendung vom Konzept her zu entwickeln, kann so schwer nicht sein. Die Zutaten für eine große Samstagsabendshow sind bekannt. Prominente, Prominente und noch einmal Prominente. Sie hätte die Aufmerksamkeit garantiert, die Menschen dazu gebracht hätte sich für die Kulturhauptstadt zu interessieren und  – vielleicht – das Ruhrgebiet zu besuchen. Sie hätte dazu beitragen können, das Image des  Ruhrgebiets zu verbessern. Letzteres ist meiner Ansicht nach die wichtigste Aufgabe der Kulturhauptstadt. Also: Peter Lohmeyer und Iris Berben führen durch den Abend, Grönemeyer singt,  Chöre der Opern im Ruhrgebiet treten auf und die Orchester spielen populäre Melodien.

Dann Schalten zu prominenten Ruhrgebietlern im Ausland: Funke und Möller aus Hollywood erzählen, wie toll es im Revier war und wie gerne sie immer wiederkommen. Ein paar Fußballstars treten auf, etwas Comedy und von mir aus noch ein wenig Ballett. Fettich is.

Das wäre ein Aufschlag gewesen, der die Kulturhaupstadt populär gemacht hätte. So ein Konzept hätte entwickelt und ZDF oder ARD hätten es übertragen müssen. Am besten die Sender hätten eine solche Show gleich konzipiert. Aber allen voran die Mainzelmännchen haben sich geweigert, diese Leistung zu erbringen. Mehr noch: sie haben zwei Millionen Euro von der Ruhr 2010 GmbH gefordert. Sonst würde nicht gesendet. Das ist beinahe so etwas wie eine Erpressung, die als Beteiligung an den Produktionskosten getarnt ist. Das ist eine Unverschämtheit für einen Sender, der gefühlt wöchentlich den Samstagabend fröhlichen Volksmusikanten als Vermarktungsplattform für Konzerte und CD-Verkäufe zur Verfügung stellt.

Fritz Pleitgen hätte der Mann sein müssen, der das anders hinbekommt, der hinter den Kulissen den Druck organisiert, um eine solche Show möglich zu machen. Ein Ex-Intendant ist immer auch ein Strippenzieher – und als Strippenzieher hat Pleitgen versagt.

Zur Not hätte man das ZDF öffentlich angreifen müssen, hätte der WDR sich für das Ruhrgebiet ins Zeug legen müssen, denn hier leben über fünf Millionen Menschen und verdammt viele von ihnen bezahlen Fernsehgebühren mit denen solche kulturellen Höhepunkte wie die Übertragung des Neusser-Schützenumzugs, Karnevalssendungen oder der Fassanstich auf dem Oktoberfest finanziert werden. Die Übertragung einer Show aus der Arena und von mir aus auch die Unterstützung bei der Konzeption sind schlichte Pflichtaufgaben für Sender, die von den Bürgern finanziert werden. Das muß einfach gehen – auch während der Wirtschaftskrise. 

Nun wird am 9. Januar am Samstagmittag die offizielle Eröffnung auf Zollverein live im ZDF übertragen. Zwischen den Pausen eine Biathlonsendung. Honoratioren TV vom Feinsten. Viele Sportfreunde werden sich über die lange Pinkelpause freuen.