Oberhausen hat sich verzockt

Oberhausen ist pleite und sucht die Schuld bei anderen – zu Unrecht. Oberhausen hatte mehr Chancen als die meisten Städte im Ruhrgebiet.

In den 90er Jahren waren Tourismus, Freizeitwirtschaft und Medien die großen Heilsbringer. In einem viel höheren Maße als heute die Kreativwirtschaft setzten einige Städte auf diese Branchen. Vorreiter war Oberhausen. Polilisch perfekt vernetzt – der Oberhausener Sozialdemokrat Heinz Schleußer war Finanzminister unter Johannes Rau, erhielt die Stadt Mittel zum Strukturwandel die auch aus heutiger Sich atemberaubend wirken  – Über 100 Millionen Euro an staatlichen Fördermitteln aus den unterschiedlichen Töpfen flossen in das Projekt HDO, das am Anfang weit mehr sein sollte als das Trickfilmzentrum, als dass es heute den meisten in Erinnerung ist: Bei HDO sollte das Fernsehen der Zukunft entwickelt werden: Hochauflösend und analog. Schon damals in den Augen vieler Experten nichts als reiner Unfug, denn spätestens seit dem Siegeszug der CD war klar, dass die Digitalisierung der Medien der zukünftiges Entwicklungspfand sein würde – Clement sah das allerdings anders und gehörte zu den Unterstützern von HDO – wie immer unbelehrbar und für den Steuerzahler mit verheerenden Wirkungen.

Doch der ganz große Wurf für Oberhausen sollte nicht das HDO werden sondern die Neue Mitte Oberhausen. Der aus den drei Teilen Alt-Oberhausen, Sterkrade und Osterfeld 1929 zusammengefügten Stadt fehlte ein Zentrum: Dort lag die Gutehoffnungshütte. Als die in den 80er und 90er Jahren Betriebsteil für Betriebsteil schloss träumte man in der Stadt vom großen Wurf: Auf einer Fläche von 143 Hektar sollte eine Neue Mitte entstehen. Nach verschiedenen gescheiterten Anläufen wurde 1996 schließlich mit Fördermitteln von weit über 400 Millionen Euro das Centro angesiedelt. Auf dem Rest der Fläche sollte ein Projekt Namens O.Vision entstehen.
Um das Centro herum sollten sich zudem zahlreiche Unternehmen ansiedeln und die große Brachfläche mit neuem Leben erfüllen – und Jobs bringen. Alleine im Centro sollten 10.000 neue Arbeitsplätze entstehen.

Die Rechnung ging nicht auf – zwar war das Centro ein Erfolg, aber nur gut 5000 neue Jobs sind entstanden – gut die Hälfte davon in Teilzeit. Sie wurden erkauft durch einen massiven Jobverlust in den traditionellen Zentren Oberhausens und seinen Nachbarstädten.
2500 Vollzeitjobs für fast 500 Millionen Euro Förderung – keine wirklich gute Bilanz.

Und neben den Jobs fehlen Oberhausen die Steuereinnahmen – deshalb ist die Stadt heute mit 6759 Euro pro Einwohner die am höchsten verschuldete Stadt in ganz NRW. Sie hat auf das falsche Pferd gesetzt. Die Situation wäre heute noch schlimmer, wenn das Land bei den Plänen zum Gesundheistpark O.Vision, für den es nie ein vernünftiges Geschäftsmodell gab, 2006 auf die Bremse getreten hätte. Eine der Hauptverantwortlich hatte das zu diesem Zeitpunkt längst erkannt: Burkhard Drescher, erst Stadtdirektor und später OB Oberhausens trat 2005 nicht mehr an und wechselte in die Privatwirtschaft. Heute ist er Vorsitzender der Geschäftsführung der GAGFAH Group, einer Immobilienverwaltung im Besitz der Fortress Investment Group. Als er ging galt er vielen als ungeschlagener Held des Struktutwandels.
Und anstatt nach den Fehlern im eigenen Handels zu suchen, macht sein Nachfolger Klaus Wehling alle für das Scheitern der Stadt verantwortlich, nur nicht diejenigen, die auf das falsche Pferd gesetzt haben. Perl-Online vermutet gar eine Intrige der Landesregierung. Klar, die Finanzlage der Städte ist prekär, für viele Belastungen können sie nicht, aber Oberhausen gehört zu den Städten, die sich erst einmal an die eigene Nase fassen sollten.

Oh Gott, die Orchester streiken!

Die Krise hat das Ruhrgebiet voll im Griff: Opel vor dem Kollpas, ThyssenKrupp will einsparen, die WAZ plant Entlassungen – und jetzt streiken auch noch die Orchester.

Bochumer Symphoniker Foto: BoSy

In Dortmund haben sie es schon getan:Schockierte Zuschauer mussten am Freitag erleben, dass es statt der Aufführung von „Im weissen Rössl“ nur Flugblätter  und Erklärungen gab. Das Dortmunder Orchester war in den Streik getreten. Eine ähnliche Klassik-Krise bahnt sich auch in Bochum an: Dort drohen die Philharmoniker damit, die Bratsche in die Ecke zu werfen und zur Schalmei des Klassenkampfes zu greifen. In Duisburg musste schon ein Orchester durch zwei Klaviere ersetzt werden.
Die Gründe sind nachvollziehbar: Statt Lohnerhöhungen gab es seit Jahren nur Applaus und der Tarifpartner Deutscher Bühnenverein will lieber mit dem einzelnen Orchester statt mit deren Gewerkschaft, dem Orchesterverband, verhandeln. Die Bochumer Symphoniker sind überdies noch sauer, dass in den vergangenen Jahren so viele Orchester geschlossen wurden.
Der Streik kann sehr lange dauern und wird den Arbeitgeber so wenig schockieren wie streikende Bergleute – jeden Tag, an dem die Orchester streiken sparen die Arbeitgeber Geld – sie müssen dann nicht mehr jeden einzelnen Konzertbesucher mit ein paar hundert Euronen subventionieren. Es würde sich sogar lohnen, jeden traurigen Kartenbesitzer dessen Konzert ausfällt auch noch zu einem opulenten Mahl einzuladen – alles billiger als ein Konzert.
Wollten die Orchester ihren Arbeitgebern wirklich drohen dann nicht mit Streik sondern mit Zusatzkonzerten, Matinees und einer Reihe hinterlistiger Kammerkonzerte – wie die Bergleute, deren Streik dieses Land über Jahrzehnte aushalten könnte – Überschichten hingegen die Haushalte ruinieren würden.
Im Pop-Bereich, der wirklichen Welt also, wo Musiker von dem Geld ihrer Hörer leben, habe ich bislang nichts von Streiks gehört – allerdings auch noch nie von Tarifen. Bands spielen brav auch vor halbleeren Hallen – es sei denn ihr Name ist Oasis.

Markus Klimmer: Von Bochum 2015 zu Steinmeiers Wirtschafts-Berater

Laut Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung wird  Markus Klimmer ab Januar nicht mehr für die Unternehmensberatung McKinsey  abeiten sondern für den SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier

Markus Klimmer Foto: McKinsey

SPD-Kanzlerkandidat Franz-Walter Steinmeier hat sich wirtschaftlichen Sachverstand von aussen geholt – OK, innerhalb der eigenen Partei sind die Fachleute wahrlich rahr gesät. Nachhilfe bis zur Bundestagswahl soll ihm Markus Klimmer geben.
Bei Mckinsey mitverantwortlich für den Bereich "Öffentlicher Sektor" war Klimmer an der Reform der Arbeitsagentur ebenso beteiligt wie an Initiativen die laut FAS zur Gründung der Hartz-Kommission führten. Klimmer war nach eigenen Angaben auch dabei, als der rot-rote-Senat in Berlin einen Stellenpool für überflüssige Mitarbeiter einrichtete – damals im  Spiegel auch als Guantanamo Bay Berlins verspottet  Auch im Ruhrgebiet ist Steinmeiers Wirtschafts-Vordenker kein Unbekannter: Er beriet die Stadt Bochum 2005/2006 bei der Neustrukturierung der Wirtschaftsförderung und riet zum Aufbau einer eigenen Abteilung für die Förderung von Wachstumsbranchen nach dem Vorbild des Dortmund Projects, was zur Gründung von Bochum 2015 führte.
Klimmer riet Bochum zudem sich auf die Wachstumsbranchen Medizintechnik, Maschinenbau, Software-Entwicklung und Verkehrstechnik zu konzentrieren. Die Chancen der Stadt im Bereich Kulturwirtschaft sah Klimmer damals skeptisch.

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Neuer Duisburger Imagefilm

Duisburg wirbt mit einem neuen Imagefilm um Besucher. Die Grafikeffekte fand ich komisch, ansonsten sieht er so aus wie Imagefilme heute nun einmal aussehen – manch ein Besucher, der nur den Film kennt, dürfte überrascht sein, wenn er in Duisburg ankommt. Gibt es eigentlich originellere Beispiele für gelungene Imagefilme einer Stadt oder ist es ein Gesetz, dass sie alle immer gleich aussehen?

4500000000

Hohe Zahlen haben derzeit Konjunktur. Seit Wochen werden milliardenschwere Rettungspakete diskutiert, für Banken, für Autofabriken und bald wohl auch für andere „Schlüsselbereiche“ der deutschen Wirtschaft. Von Dirk E. Haas

Besichtigung anlässlich des Erhalts der Scharoun-Schule auf Initiative des BDA (Bund Deutscher Architekten). Foto: Mengedoht

Einige Monate bevor wir uns an die Zahlen mit den sehr vielen Nullen gewöhnen mussten, hat das Deutsche Institut für Urbanistik (difu) eine Studie mit dem Titel „Investitionsrückstand und Investitionsbedarf der Kommunen“ vorgelegt, die den mittelfristigen Investitionsbedarf für kommunale Infrastruktur berechnet hat: 704 Milliarden Euro müssen die deutschen Städte und Gemeinden bis zum Jahr 2020 in Straßen, Schulen, Abwasserbeseitigung, ÖPNV, Krankenhäuser, Sportstätten usw. investieren (daran sollte man sich erinnern, wenn man jetzt über Konjunkturprogramme oder Steuersenkungen nachdenkt).

Den zweitgrößten Anteil am Gesamtvolumen nehmen die städtischen Schulen ein: Innerhalb von ca. 15 Jahren (das difu betrachtet den Zeitraum von 2006-2020) müssen laut Studie ca. 73 Milliarden Euro für die Sanierung, den Umbau und die Erweiterung vorhandener Schulen verausgabt werden, damit sich die Leistungsfähigkeit der Schulinfrastruktur nicht weiter vermindert. Die Rede ist wohlgemerkt einzig und allein von Schulen – Sanierung, Erweiterung und Neubau von Fachhochschulen und Universitäten sind darin gar nicht enthalten, weil sie in den Zuständigkeitsbereich der Länder fallen.

Was bedeutet das für das Ruhrgebiet? Ermittelt man der Einfachheit halber den Investitionsbedarf für Schulen im Ruhrgebiet proportional zum Gesamtansatz (was man streng genommen nicht tun sollte, da der Investitionsbedarf in den neuen Bundesländern wegen der vielen Schulneubauten in den letzten 15 Jahren dort vergleichsweise geringer ist), geht die Rechnung folgendermaßen: 73 Mrd. Euro bei ca. 82 Mill. EW – das entspricht in etwa 900 Euro pro EW. Im Ruhrgebiet mit seinen 5 Millionen Einwohnern wären dies also ca. 4,5 Milliarden Euro, die bis 2020 in die Schulen der Region investiert werden müssten – es dürften eher mehr sein, denn das Ruhrgebiet hat einen überproportional hohen Besatz an veralteten Schulgebäuden.

4,5 Milliarden Euro – ist das nun viel oder wenig? Hamburg wird sagen: „Das ist nicht viel. Das sind gerade mal zehn Elbphilharmonien“, und auch die Blitzrechner im Ruhrgebiet dürften nur mittelmäßig beeindruckt sein: „4,5 Mrd. Euro geteilt durch ca. 15 Jahre, das sind 300 Mio. Euro, geteilt durch 5 Mio. EW sind das doch nur 60 € im Jahr, also 5 € pro Monat – meine Güte, das ist EINE Margherita, ohne alles. Wo ist das Problem?“     

Es ist auch dringend notwendig, dass diese viereinhalb Milliarden Euro kein Problem darstellen, denn sie sorgen lediglich dafür, dass das vorhandene System weiter funktioniert: Veraltete, undichte Fenster werden ausgetauscht, neue Heizungssysteme eingebaut, gesundheitsgefährdende Baustoffe entfernt, Wärmedämmung angebracht, Datenleitungen verlegt, neues Schulmobiliar angeschafft, Fachräume renoviert und neu ausgestattet, Mensen, Cafeterien für den Ganztagsbetrieb eingerichtet usw.

Falls die Ruhrgebietsstädte in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren rd. viereinhalb Milliarden Euro in Schulgebäude investieren, ist das also noch lange keine „Bildungsoffensive“. Bildungsoffensive – das würde nämlich auch bedeuten: eine Anpassung vorhandener Schulräume an zeitgemäße Lern- und Unterrichtskulturen, eine Neuordnung der verschiedenen kommunalen Einrichtungen zu lokalen Bildungslandschaften, und natürlich eine Schaffung von bestmöglichen, Kreativität fördernden Arbeitsplatzbedingungen in den Bildungs- und Ausbildungseinrichtungen, wie sie etwa im modernen Bürobau völlig unstrittig sind  (– ja, Kinder, Jugendliche und Lehrer „arbeiten“ in der Schule, und wer sich die immergleichen 60qm-Lernboxen anschaut, in denen heute noch 30 Kinder Tag für Tag im Gleichtakt mit Wissen instruiert werden, wundert sich über den kompletten Widersinn eines solchen Konzepts und muss die Schule, neben dem Callcenter, als letzte Bastion des fordistischen Arbeitsprinzips empfinden; aber das nur am Rande).

Bildungsoffensive – das würde auch bedeuten, Bildungseinrichtungen für eine aktive Stadtentwicklung einzusetzen. Denn Schulen sind – das wird in den zahlreichen Programmgebieten der „Sozialen Stadt“ besonders deutlich – mit neuen Aufgaben und Anforderungen gesellschaftlicher Integration verbunden, sie fungieren dort als sozial stabilisierende Zentren eines Quartiers oder Stadtteils. Aber es geht noch weiter: Die Qualität von Schulen ist immer häufiger ein Ausschlag gebendes Motiv für Wohnortwechsel, und zwar im positiven wie im negativen Sinne. Familien ziehen in solche Städte oder Stadtteile, in denen die aus ihrer Sicht guten Schulen gelegen sind, nicht selten – und nicht nur in Berlin – fingieren sie sogar solche Wohnortwechsel, damit die Kinder an den betreffenden Schulen angenommen werden. Und aus den Stadtteilen mit den vermeintlich schlechten Schulen ziehen sie weg. Das mag man für kleinbürgerliche Mittelschichtenpanik halten, es ändert aber nichts daran, dass dies stattfindet, also Realität ist. Und es verweist auf einen generellen Trend, dem sich gerade die Ruhrgebietsstädte stellen müssen: Mit dem Wandel von der alten Industrie- zur Wissensgesellschaft werden jene Städte und jene Orte einer Stadt, in denen Wissenserwerb und Wissensvermittlung besonders gut gelingen, auch besonders attraktiv und erfolgreich sein. Den Schulen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu: aus ihnen, den „Wohnfolgeeinrichtungen“ der Vergangenheit, werden nämlich Standortbildner der Zukunft – noch ein Grund mehr, künftig sehr viel stärker in qualitätvolle Bildungseinrichtungen zu investieren.

Was heißt das nun wieder für das Ruhrgebiet? Es heißt: 4,5 Milliarden werden nur der Anfang sein. Wer aus dieser Region auch noch eine international anerkannte Wissenslandschaft machen will, wird in den nächsten Jahren einiges mehr investieren müssen. Mehr Geld, mehr Ideen, mehr Aufmerksamkeit.

?Mehr Unabhängigkeit fürs Ruhrgebiet?

Heute wurde Oliver Wittke als Nachfolger von Norbert Lammert zum Chef der CDU-Ruhr gewählt. Im Sommer habe ich ihn in Düsseldorf interviewt.

Oliver Wittke Foto: Görges

?: Im Ruhrgebiet staut sich der Verkehr – auch Oliver Wittke konnte daran bis jetzt nichts ändern. Was halten Sie von diesem Satz?
Oliver Wittke: Nichts, weil er nicht stimmt. Autobahnbau ist ein langfristiges Geschäft, aber wir sind in den vergangenen Jahren deutlich weitergekommen. Die Blockade-Politik von Rot-Grün ist zu Ende und wir drängen beim Bund auf den Ausbau von Bundesstraßen und Autobahnen. Der dreispurige Ausbau der A 40 hat auf Bochumer Gebiet begonnen, aber auch in Dortmund müssen wir ihn vorantreiben, denn die B1 ist ein Nadelöhr.

?: Ein anderes Nadelöhr ist die B 224 – sie kann den Ausbau der A 52 zwischen Gelsenkirchen-Buer und Essen-Ost nicht ersetzen.
Wittke: Der Ausbau der A 52 muss kommen und ich bin mir sicher, dass wir noch in diesem Jahrzehnt den ersten Spatenstich
für den Ausbau zwischen Gladbeck und Bottrop erleben werden.

?: Gladbeck wehrt sich mit Händen und Füssen gegen den Ausbau und verlangt einen Autobahntunnel im Bereich seiner Innenstadt.
Wittke: Gladbeck und der Bund müssen sich aufeinander zubewegen und ich bin gerne bereit, mich für eine Tunnellösung beim Bund einzusetzen, doch der will sie nicht bezahlen. Aber klar ist auch, dass jede Lösung besser ist als der Ist-Zustand. Der
Verkehr wird zunehmen. Wenn auf der B 224 Stau ist, weicht er heute schon auf die Gladbecker Innenstadt aus. Das ist nicht
zumutbar.

?: Im Kulturhauptstadt-Jahr 2010 hofft das Ruhrgebiet auf zahlreiche Besucher, ist aber im Öffentlichen Personen-Nahverkehr extrem schlecht aufgestellt. Das Angebot ist schlecht und teuer. Blamiert sich das Ruhrgebiet?

Wittke: Es gibt objektive Schwierigkeiten und es gibt hausgemachte Probleme. Im Gegensatz zu anderen Metropolen verfügt
das Ruhrgebiet nicht über den einen Kern, auf den alles zuläuft, wie Berlin, Paris oder London oder auch Städte wie München
oder Frankfurt. Das Ruhrgebiet ist polyzentrisch: Es gibt große Zentren wie Dortmund, Duisburg und Essen und mittelgroße
wie Bochum, Gelsenkirchen oder Oberhausen. Das ist ein objektives Problem. Ein anderes ist: Es gibt nicht den einen, für den
Nahverkehr zuständigen Dezernenten und nicht das eine, für das ganze Ruhrgebiet zuständige Nahverkehrsunternehmen.

?: Und die hausgemachten Probleme?

Wittke: Die Bereitschaft zur Kooperation zwischen den Städten und ihren Nahverkehrsunternehmen ist weit unterentwickelt. Es
gibt zwar erste erfolgreiche Einkaufsgemeinschaften von Nahverkehrsbetrieben, aber das reicht nicht aus. Wir haben zwar den
VRR, der versucht im Rahmen seiner Möglichkeiten etwas zu bewegen, aber immer wieder an den Stadtgrenzen und an den
Eitelkeiten der Verantwortlichen scheitert. Das fängt schon bei der Frage an: Braucht jede Stadt einen eigenen Hauptbahnhof?
Ich sag jetzt mal was Böses: Der Hauptbahnhof von Herne ist Bochum und der von Gelsenkirchen ist Essen.

?: Hätten Sie das  als Oberbürgermeister von Gelsenkirchen auch gesagt?

Wittke: Das hätte ich damals nicht gesagt, aber wenn man es objektiv betrachtet, ist das so. Die Städte brauchen natürlich Bahnhöfe, aber es reichen Nahverkehrsbahnhöfe mit guten Regionalexpress-Anbindungen, so wie es in vielen Berliner Stadtteilen auch der Fall ist. Im Moment kämpft jedoch jeder Bürgermeister darum, möglicht viele ICE-Verbindungen zu haben – nur die werden ja von den Bürgern selten genutzt. Man kann den Bürgern durchaus zumuten, wenn sie einen ICE benutzen wollen, in die Nachbarstadt zu fahren, die ja woanders gar nicht Nachbarstadt wäre. Wir brauchen weniger prestigeträchtige ICE-Haltepunkte, aber einen insgesamt besseren Nahverkehr.

?: Warum haben wir den nicht?

Wittke: Es ist natürlich auch nicht hilfreich, dass fast jede Stadt sich ihre eigene Nahverkehrsgesellschaft leistet. Die Effizienz
und auch die Bürgernähe könnten deutlich steigen, wenn es eine Nahverkehrsgesellschaft für das ganze Ruhrgebiet gäbe. Aber das müssen die Städte tun. Da, wo wir Landesgelder vergeben, geben wir effizientere Strukturen vor. Es wird bald nur noch drei Verkehrsverbünde in NRW geben.

?: Schön, aber was nutzt das dem, der mit dem Nahverkehr von Gladbeck nach Dortmund will?

Wittke: Dem wird der Rhein-Ruhr-Express von Dortmund nach Köln etwas bringen. Da errichten wir mit leistungsfähigen Zügen und einer verbesserten Taktung eine Korsettstange für den Nahverkehr, auf den die Städte ihren Nahverkehr ausrichten müssen.

?: Und wenn die Städte sich nicht nach dem Korsett richten und ihre Streckenplanungen nicht neu ausrichten?

Wittke: Das werden sie tun, denn es ist im Interesse der Kunden.

?: Das scheint die Städte aber nicht zu interessieren: Gladbeck beispielsweise ist besser an Recklinghausen und Gelsenkirchen angebunden als an Essen, da lässt man städteübergreifende Buslinien durch die Vororte juckeln, obwohl Essen Gladbecks Oberzentrum ist.
Wittke: So etwas würde sich ändern, wenn es eine Nahverkehrsgesellschaft für das ganze Ruhrgebiet gäbe, aber ich kann nicht auch noch die Planung für den Busverkehr übernehmen. Da sind die Städte in der Verantwortung und müssen sich an der neuen Magistrale ausrichten.

?: Der Nahverkehr gewinnt als Standort-Faktor mit der Benzinpreis-Erhöhung an Bedeutung. Bayern zwingt die Bahnverkehrsgesellschaften zur Kooperation – ohne Kooperation und Abstimmung kein Geld vom Land.

Wittke: Ich bin ein großer Verfechter der kommunalen Selbstverwaltung. Die Städte müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Bayern ist da zentralistischer…

?:…aber erfolgreicher als NRW!

Wittke: Wir haben in NRW eine andere Tradition und Struktur. Bayern hat ein Zentrum und ein paar, nach unseren Maßstäben, kleine Großstädte. Da wird alles auf München ausgerichtet und dann passt das. In NRW geht so etwas nicht. Übrigens funktioniert die Kooperation in anderen Landesteilen. In Aachen sind Stadt und Kreis sehr eng zusammen gerückt, weil sie eingesehen haben, dass sie gemeinsam stärker sind als alleine.

?: Warum funktioniert so etwas im Ruhrgebiet nicht? Hier kooperieren die Städte in der Regel doch nur auf dem kleinsten, gemeinsamen Nenner.
Wittke: Ich habe die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Politiker endlich verstehen, dass das Ruhrgebiet nur wieder stark werden kann, wenn es sich einigt. Da müssen die Langemeyers dieser Welt ein Stück ihrer Eitelkeit zurücknehmen. Die Frage ist doch: Wie kann ich die Region stark machen, damit es meiner Stadt besser geht, oder auch, wie können die starken Städte vom Ruhrgebiet profitieren – aber nur an die eigene Stadt zu denken, nutzt doch niemanden, zu allerletzt der eigenen Kommune.

?: Was kann das Land tun?

Wittke: Von der Landesebene aus können wir die Strukturen schaffen, die es dem Ruhrgebiet ermöglichen, sich selbst zu helfen.
Ab Herbst kommenden Jahres kann die Region wieder für sich selbst planen. Das ist ein historischer Schritt – wir geben dem Ruhrgebiet ein großes Stück der Unabhängigkeit wieder, die ihm von den Sozialdemokraten genommen wurde. Der Regionalverband Ruhr (RVR) wird große Teile der Kompetenzen der Regierungsbezirke übernehmen – von der Regionalplanung über die Sportstättenplanung bis zur Schulenentwicklungsplanung wird das Ruhrparlament, die Regionalversammlung des RVR, künftig die Geschicke des Ruhrgebiets bestimmen. Und das ist nur der erste Schritt einer großen Verwaltungsreform in NRW.

?: Was sind die weiteren Schritte?

Wittke: Am Ende dieses Prozesses werden drei Landschaftsverbände die neue Mittelinstanz im Land bilden und die Aufgaben der alten Bezirksregierungen auf diese Landschaftsverbände übertragen. Auch da werden die Städte und Bürger einen größeren Einfluss haben als heute. Wir werden von den Bürgern gewählte Parlamente auf regionaler Ebene haben und auch einen gewählten Repräsentanten. Es wird eine bürgernahe Struktur werden und keine obrigkeitsstaatliche.

?: Aber innerhalb der Koalition gibt es Widerstände. Gerhard Papke, der Fraktionsvorsitzende der FDP ,hat erklärt, das Thema Verwaltungsreform habe sich erledigt.
Wittke: Das ist ein wenig so wie mit Familienangehörigen. Ich möchte nicht jede Bemerkung meines Sohnes kommentieren und
ich will auch nicht jede Bemerkung irgendeines Politikers kommentieren.

?: Es gibt aber auch Widerstand in Ihrer Partei: Vor allem in Westfalen ist die Begeisterung für die Verwaltungsreform eher gering ausgeprägt – hat dort die CDU nicht ihre Hochburgen?
Wittke: Es gibt im Ruhrgebiet mehr CDU-Wähler als im Münsterland und wir brauchen, wenn wir die Wahlen gewinnen wollen, jede Stimme. Aus Rücksicht auf das Münsterland das Ruhrgebiet aufzugeben wäre auch aus wahltaktischen Gesichtspunkten Unsinn. Wir müssen eine Politik für das ganze Land machen – und auch im ganzen Land die Wähler überzeugen. Außerdem haben wir in der CDU klare Beschlüsse und die gelten für mich ebenso wie der Koalitionsvertrag, in dem die Verwaltungsstrukturreform vereinbart wurde.

Pottblog startet Serie zum DerWesten Jubiläum

Mit Interviews und Analysen beleuchtet der Pottblog die Situation 13 Monate nach der Gründung des Projektes.

Immer wieder hatte sich Jens Matheuszik im Pottblog dem Westen gewidmet: Ob technischer Probleme, fehlender Content oder Fortschritte – Jens hat das Projekt mit Kritik und Sympathie begleitet.  In einer Serie wird er sich nun dem etwas krummen Jubiläum widmen.

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Linke in Dortmund könnte mit Pohlmann leben

Wenn CDU und FDP im Dortmunder Rat keine Mehrheit hätten, könnte die Dortmunder Linkspartei mit dem CDU-OB-Kandidaten Pohlmann gut leben.

Das deutete Utz Kowalewski, Kreissprecher der Linkspartei in Dortmund,  in einer Erklärung zur Wahl Ullrichs Sieraus zum SPD-OB-Kandidaten an: "Nach den Skandalen in der Verwaltung mit Sierau als Stadtdirektor ist er für mich zu recht eher der Außenseiter. Pohlmann ist zwar als Quereinsteiger recht unerfahren und seine Nominierung war nicht gerade ein Lehrbeispiel für Demokratie, aber die Leute wollen schlicht den ganzen Filz mal aufgeräumt haben. Wichtig wäre es aber, dass der Wähler zwischen Verwaltungsspitze und Stadtrat unterscheidet. Denn dann kann auch ein wirtschaftsliberaler Kandidat wie Pohlmann keinen großen Schaden anrichten, wenn er keine Mehrheit im Rat hat." 

Kowalewski gratulierte Sierau zur Nominierung, machte aber klar, dass seine Partei Stüdemann favoritisiert hätte. Zur Frage ob die Linkspartei in Dortmund zur Kommunalwahl mit einem eigenen Kandidaten antreten wird, wollte sich auf Nachfrage niemand äussern.

Brauser: „Das Gutachten war keine lokale Gefälligkeit“

Ruhrgebietes-Wirschaftsförderer Hanns-Ludwig Brauser antwortet auf die Stellungnahme der Grünen zum Thema Flughafen Essen/Mülheim.

Hanns-Ludwig Brauser. Foto: Ruhrbarone

Brauser wehrt sich gegen den Vorwurf der Grünen, die Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH hätte gemeinsam mit dem Flughafen Essen/Mülheim ein Gutachten über die Perspektiven des Flughafens in Auftrag gegeben: "Der Auftrag erfolgte durch den Flughafen Essen / Mülheim. Die wmr hat die regionalen Aspekte des Gutachtens begleitet."  Der Gutacher sei einer der renoomiertesten Experten auf diesem Feld und das Gutachten keine lokale Gefälligkeit, Auf den Vorwurf der Grünen, es sei nicht das erste Mal, dass er die Politik mit seinen Alleingängen vor vollendete Tatsachen stellt bemerkt Brauser:  "Wenn damit gemeint ist, dass politisch Verantwortliche sich bereits vor vollendete Tatsachen gestellt fühlen, wenn die wmr Vorschläge zu den Kompetenzfeldern und Infrastrukturentwicklung der Region unterbreitet, dokumentiert dies kein besonderes Selbstbewusstsein."