Mit der Klage gegen Wikipedia hat sich der Linkspartei-Abgeordnete Lutz Heilmann nicht viele Freunde gemacht. Auch in seiner Heimatstadt Lübeck liegt er mit einigen seiner Parteifreunde über Kreuz. Ist die Wikipedia Anzeige der Höhepunkt eines länger laufenden Konfliktes? Heilmann selbst ist die Sache allerdings wohl zu heiß geworden.
Josef Stalin Foto: Wikipedia
Der 18. Dezember scheint für einige Mitglieder der Linkspartei nach wie vor ein ganz besondere Tag zu sein. Nicht nur Sarah Wagenknecht dürfte an dem Geburtstag von Josef Stalin ihrem Dutt eine Extraportion Haarspray gönnen, auch der Chef der Lübecker Linkspartei, Ragnar Lüttke feiert schon mal gerne das Wiegenfest des Diktators. Das berichtete zumindest der SHZ online am 7. Oktober. Lüttke, der die Feier als rein privates Ereignis darstellte (Das zufällig in den Parteiräumen begangen wurde), war sich sicher, wem er sein Outing als Anhänger des schnauzbärtigen Diktators zu verdanken hatte: SHZ: Dahinter vermutet Lüttke Parteikreise um Lutz Heilmann, denen er vorwirft, zu "Stasi-Methoden" zu greifen, "um mich fertig zu machen".
Wie zufällig beschäftigte sich kurz darauf die BILD mit Heilmann. Das Blatt berichtete Heilmann würde seinen ehemaligen Lebensgefährten per SMS bedrohen, was Heilmann zurück wies. Es ermittelt die Staatsanwaltschaft. Die Immunität des Abgeordneten schützt Heilmann in diesem Verfahren nicht. Der Immunitätsausschuss des Bundestages hat nach Aussage Heilmanns festgestellt: „ dass der mich betreffende Sachverhalt kein Sachverhalt ist, in dem Immunität herzustellen ist, da die fragliche vorgetragene Handlung nicht im Zusammenhang mit meiner Mandatsausübung steht.“ Nun sieht Heilmann es so, dass die Immunität nicht aufgehoben wurde, weil sie in diesem Fall nie bestand, andere sehen es anders – ein Frage für geübte Verwaltungsjuristen.
Während also in Lübeck über SMS, Bedrohung und Trennung getratscht wurde, rückte ein Unternehmen in den Mittelpunkt des Interesses, dass der ehemalige Lebensgefährte von Heilmann gemeinsam mit ihm geführt haben soll – was aus den Unterlagen über seine Einkommenssituation auf Heilmanns Homepage nicht ersichtlich ist. Die Lübecker Nachrichten dazu: „Flutsch-Express.de“: Wer Kondome oder Sex- Spielzeug-Pakete sucht, scheint hier richtig zu sein. Betreiber: Die „Heaven Media“. Als Geschäftsführer ausgewiesen: Marcel Müller. Doch wer Müller anrufen will und die angegebene Telefonnummer wählt, hat in der Tat sofort Lutz Heilmann am Apparat. Gegenüber den LN wiegelt der Abgeordnete allerdings ab: „Ich betreibe solche Geschäfte nicht!“
Aber irgendwer gibt diese Infos an die Medien weiter – und das nicht, um über gezielte PR die Geschäfte des Flutsch-Express zu beflügeln, der mittlerweile offline ist. Mag sein, dass Heilmann auch bei den Autoren des Wikipedia-Artikels Intriganten am Werk sah – es wurden ja auch drei Personen von ihm persönlich angezeigt. Nur wenn man den Wikipedia-Artikel über Heilmann liest, kann man die Aufregung nicht verstehen. Es hat den Eindruck, als ob Heilmann schlicht die Nerven verloren hat und durchgedreht ist – und dabei dankenswerter Weise auch sein Verhältnis zum ungehinderten Zugang zu Informationen offenbart hat. Mittlerweile rudert Heilmann zurück und will den Rechtsstreit mit Wikipedia beenden: "Mir ging es dabei keineswegs um Zensur, sondern schlicht um eine wahre Tatsachen-Darstellung. Der juristische Weg hat sich dafür insoweit als problematisch erwiesen, als durch die Struktur von Wikipedia die anderen Userinnen und User in Mitleidenschaft gezogen werden. Das war nicht meine Absicht. Gemeinsam mit Wikimedia e.V. werde ich nach anderen Wegen suchen, um den offenen und freien Charakter von Wikipedia so weiter auszugestalten, dass Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben." Tja, hätte der Jurist Heilmann mal an der Uni besser aufgepasst, wären ihm die Konsequenzen seiner Klage wohl klar gewesen. Zeit genug Wissen anzuhäufen hatte er jedenfalls: Heilmann studierte satte zwölf Jahre.