Chemiepark Marl: Hoffen auf Obama

Auch im Chemiepark Marl  ist die Krise angekommen. Anlagen wurden schon heruntergefahren und wenn sich nicht bald die Lage ändert droht in einigen Betrieben Kurzarbeit.

Das Jahr 2008 war für Infracor sehr erfolgreich. „Die erssehr gutdie Besten in der Geschichte des Unternehmens“, sagt Infracor-Sprecher Volker Hilbt. „Bis Ende September die Produktion bei zahlreichen Unternehmen im Chemiepark einbrach.“ Das vierte Quartal sei sehr schlecht gewesen. Infracor versorgt die Unternehmen im Chemiepark Marl mit Rohstoffen und Energie, stellt den Betrieb des Chemieparks Marl sicher und unterstützt bei Bedarf auf die Logistik der Unternehmen auf dem Gelände der ehemaligen Chemischen Werke Hüls.
Evonik Industries (früher Degussa) hat hier einen Standort mit über 7.000 Mitarbeitern aber auch Lanxess, Linde oder Vestolit sind auf dem Gelände aktiv. Insgesamt über ein Dutzend Unternehmen sorgen dafür, dass über 10.000 Menschen hier einen Arbeitsplatz finden. Die Stadt Marl plant den Chemiepark zu erweitern. Wirtschaftlich hängt das nördliche Ruhrgebiet an ihm.
Bei Infracor denken sie noch nicht an Kurzarbeit. Bei Evonik ist das anders. 

Dieter Peters, Betriebsrat des Gemeinschaftsbetriebs Evonik im Chemiepark Marl: „Wir haben unsere Produktion zum Teil um 50 Prozent heruntergefahren.“ Bei den anderen Unternehmen im Chemierpark, das weiß er von Kollegen, sieht die Lage nicht viel besser aus. Im Moment nutzen die Evonik-Mitarbeiter im Chemiepark ihre Arbeitszeitkonten: Mit 300 Stunden kann das Unternehmen so auf Boom- und Krisenzeiten  reagieren. „Wenn es bis Februar nicht besser wird“, erklärt Betriebsrat Peters, „haben sich die Möglichkeiten der Arbeitszeitkonten erschöpft.“ Dann wollen sie noch ein paar Tage mit Fortbildungsmaßnahmen herausholen, aber Peters weiß, dass es ab Mitte Februar kaum noch ohne Kurzarbeit gehen wird, wenn bis dahin die Wirtschaft nicht wieder anspringt. Kurzarbeit, das Bedeutet für die Männer und Frauen in der Tagschicht, dass 90 Prozent ihres Gehaltes weiter gezahlt wird. Für Wechselschichtler sieht das anders aus: Sie können nur mit 60-70 Prozent ihres Gehaltes rechnen. Ihre Zulagen werden nicht angerechnet.
Für Peters ist der 20. Januar ein wichtiges Datum. Dann hält Barack Obama seine erste Rede als Präsident. „Ich hoffe er kündigt ein großes Konjunkturprogramm an und die Bundesregierung folgt ihm, damit endlich die Wirtschaft wieder anspringt.“ 
Wenn nicht, wird es für die Arbeiter und Unternehmen im Chemiepark Marl im Frühjahr ernst.

 

Gericht stützt Zwergfraktionen in den Räten

Das Landesverfassungsgericht hat einer Klage der Ökologisch Demokratischen Partei  (ÖDP) statt gegeben. Nun wird es in den  Räten weiter Mini-Fraktionen und Einzelkämpfer geben.

Die ÖDP hatte dagegen geklagt, dass eine Partei, wenn sie bei der Wahl nur 0,99 Prozent der nötigen Stimmen für einen Ratssitz keinen bekommt, aber bei 1,51 Prozent der für einen zweiten Sitz nötigen Stimmen zwei. Das Landesverfassungsgericht hat der Klage der ÖDP heute Recht gegeben – das Land muss diese im letzten Jahr gemacht Änderung des  Wahlrechts wieder zurücknehmen.

Damit wird eine Entwicklung weiter gehen, die mit dem Ende der Fünf-Prozent-Hürde 1999  begann.  Gegen die Fünf-Prozent-Hürde in den Räten bei den Kommunalwahlen hatten damals die ÖDP und die PDS erfolgreich geklagt. In den Räten finden sich seitdem eine Vielzahl von Einzelkämpfen und Mini-Fraktionen mit nur zwei Mitgliedern. In den Räten von  Bochum, Recklinghausen und  Marl sind sieben Fraktionen und Grüppchen im Rat und in vielen Städten sieht es nicht viel anders aus. Auch die NPD verdankt ihren Sitz in der Bezirksvertretung Wattenscheid dem Wegfall der 5-Prozent-Hürde.

 Was auf den ersten Blick gut klingt – die genauere Abbildung des Bürgerwillens in den Parlamenten – ist im politischen Alltag ein Problem: Die Minis sind kaum in der Lage sich durch die gesamten Vorlagen durchzuarbeiten, oft sind sie nicht in den Ausschüssen vertreten, die ja deutlich kleiner sind. Dort findet allerdings die politische Diskussion statt.

Und noch etwas kommt hinzu: In den Räten wird es immer schwieriger, stabile Mehrheiten zu organisieren.  Die Abstimmung mit wechselnden Mehrheiten klingt nur am grünen Tisch gut. In der Praxis bedeutet sie häufig, dass es Mehreiten für Ausgaben und schöne Projekte gibt, aber niemand für Kürzungen und Streichungen verantwortlich sein will. Ich habe über viele Jahre zersplitterte Räte erlebt und kann Gelsenkirchens OB Frank Baranowski gut verstehen, der neue Sperrklausen fordert. Durch das Urteil des Verfassungsgerichtes sind sie erst einmal in weite Ferne gerückt.

Plogbar im Konkret

Heute ist wieder alles ganz normal bei der Plogbar

Das größte regelmässige Bloggertreffen des Ruhrgebiets findet um 19.00 Uhr im Café Konkret im Bochumer Bermudadreieck statt. Die letzten beide Male fand die Plogbar im Café Zentral statt – Raucher wurden dort bei Frost vor die Tür getrieben – oder nach einem Besuch des Weihnachtsmarktes. Ebenfalls eine kalte Angelegenheit.  

Recklinghausen bekommt ein neues Einkaufszentrum

Die Löhrhof Arcaden haben alle Chancen eine Bausünde aus den 70er Jahren durch eine Bausünde des frühen 21. Jahrhunderts zu ersetzen.

Mit eine Gesamtfläche von knapp 60.000 m und einer Verkaufsflächen von 30.000 m werden die Löhhof Arcaden, die der Essener Investor mfi an Stelle des heutigen Löhrhof-Centers und auf angrenzenden Flächen errichten will, nicht zu den großen Einkaufszentren des Landes gehören. Für eine Stadt wie Recklinghausen, die über eine gesamte Einzelhandelsfläche von gerade einmal 70.000 m verfügt, sind die Löhrhof Arcaden allerdings eine ziemlich große Nummer. Kritiker, darunter die Nachbarstädte Marl unn Gelsenkirchen, verdi, SPD und Grüne sowie die IHK und das Regierungspräsidium in Münster haben Kritik an der Verkaufsfläche des Zentrums geäussert. In Marl und Gelsenkirchen prüft man Klagen gegen das Projekt.

Mehrere Gutachten haben nachgewiesen, dass  durch den Bau der Löhrhof-Arcaden die Innenstädte rund um Recklinghausen Käufer verlieren werden. Um die ist es sicher weniger schade als um die Recklinghäuser Innenstadt. Die gehört zu den wenigen schönen Innenstädten des Ruhrgebiets und verfügt noch übermittelalterlichen Charme – und viele Fachwerkhäuser. Kritiker befürchten, das durch den Bau der Arcaden die Leerstände in der Altstadt ebenso zunehmen werden wie die 1-Euro-Shops.

Vom Investor Multi Development vorgelegte Pläne zu einem Quartier am Markt, in die auch das Karstadt-Kaufhaus einbezogen ist, wurde im Rat heute nicht diskutiert. Karstadt hat eine Schließung seines Kaufhauses für den Fall des Baus der Arcaden angekündigt.

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Neue Heimatdesign-Ausgabe erschienen

Nach längerer Pauser erscheint wieder eine neue Ausgabe von Heimatdesign.

Das Magazin Heimatdesign ist ohne jeden Zweifel die schönste Zeitschrift die jemals im Ruhrgebiet erschienen ist. 
Heimatdesign versteht sich als Plattform  für junges Design aus dem Ruhrgebiet.  Die Mischung der Designbereiche Mode, Grafik, Objekt und Fotografie ist dabei das Markenzeichen des Magazins.
Die erste Ausgabe erschien im Sommer 2004 – die bislang letzte Heimatdesign, Nr. 4,  2006. Zwischendurch habe ich schon die Sorge gehabt, die Macher hätten sich aus dem Verlagswesen zurürck gezogen und kümmerten sich nur noch um Ausstellungen und die Agentur. Zum Glück ist es jetzt anders gekommen. Heimatdesign ist kostenlos, aber immer schnell vergriffen.     

Dudenhöfer: Geht GM in die Pleite folgt Opel ein halbes Jahr später

GM steht vor der Pleite. Nach Ansicht des Autoexperten Ferdinand Dudenhöfer könnte Opel der Mutter schnell folgen.

Opel Bochum Foto: Stadt Bochum

Eigentlich ist es um Chrysler, GM und Ford nicht schade: Die Konzerne bauen in den USA Autos die die Welt nicht braucht und nicht will. US-Autos sind ausserhalb der USA etwas für Freaks. Die US-Autoindustrie ist nicht innovativ, die Qualität der Wagen ist mau und niemand würde ihre Produkte vermissen. Dumm nur, dass von ihren  Produkten Millionen Menschen leben und das die Pleite viele in den Abgrund reissen würde. In der momentanen Krise wäre das Aus der US-Automobilindustrie ein Brandbeschleuniger. Auch Opel könnte es erwischen: Im Bochumer Werk arbeiten immer noch gut 7.000 Menschen. Insgesamt dürften in Bochum und Umgebung gut 20.000 Jobs an Opel hängen.  Autoexperte Ferdinand Dudenhöfer schätzt, dass Opel  der US-Mutter mit einer Verzögerung von sechs Monaten in die Pleite folgen würde und das auch eine Bürgschaft des Bundes Opel nicht retten könnte: Das Geld würde automatisch in die Insolvenzmasse eingehen.

Das verdiente Aus von GM würden wir also voll zu spüren bekommen. Aber die Pleite könnte auch eine Chance sein, wenn bei GM, Ford und Chrysler Manager mit Ideen wären, denn das US-Innsolvenzrecht gilt als recht flexibel. Zahlreiche US-Fluggesellschaften leben mit Chapter 11 ganz gut. Der Nachteil: Unter Chapter 11 kann ein Management weiter wurschteln. Und eigentlich wäre die Zeit für einen großen Schnitt längst gekommen. Und die ganz großen Verlierer wären die Bezieher des Betriebsrenten und die Zulieferer, die auf ihren Forderunge sitzen bleiben würden und nicht das unfähige Management.

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FDP will Sparmentor für Dortmund

Die FDP glaubt nicht mehr daran, dass Dortmund aus eigener Kraft aus der Schuldenfalle kommt. Die Liberalen forden einen Sparmentor.

Annette Littmann Foto: FDP Dortmund

Waltrop, Hagen, Marl: Drei Pleite-Städte im Ruhrgebiet hatten bislang einen Sparkommissar, offiziell auch  Schuldenmentor genannt. Ganz freiwillig haben sich die Städte dem Mentor, den sie selbst gezahlen mussten, nie unterworfen: Immer stand die Drohung des Landes dahinter, wenn sich die Städte nicht selbst für einen "Mentor" entscheiden würden, einen Richtigen Sparkommissar zu schicken. Nach §124 der Gemeindeordnung Nordrhein Westfalens kann das Land einen Beuftragten entsenden, der über die Finanzen bestimmt, wenn der Rat und die Verwaltung ihre Haushaltsprobleme nicht selbst lösen können. Ein scharfes, rechtliches Schwert, dass das LAnd ungerne einsetzt so dass sie in der Regel den Städten ein Angebot macht, was sie nicht ablehnen können: Die Einsetzung eines freiwilligen Sparmentors.

Trotz der eher schlechten Erfahrungen der Städte mit diesen Mentoren – in der Regel sparen sie an den freiwilligen Leistungen, gehen aber nicht an die Kernverwaltung heran – will nun die FDP in Dortmund einen solchen Sparmentor einsetzen: "Die Stadt braucht dringend externe Unterstützung bei der Haushaltskonsolidierung, bevor der Etat völlig aus dem Ruder läuft“, fordert die Fraktionsvorsitzende und Finanzexpertin Dr. Annette Littmann (FDP). „Von Anfang an waren die Haushaltsprognosen viel zu günstig. Deshalb mussten die Annahmen fast im Monatstakt korrigiert werden." Die SPD hat das Ansinnen der Liberalenin einer Erklärung brüsk zurückgewiesen:  „Eine solche Maßnahme ist weder notwendig noch sinnvoll. Die Dortmunder Haushaltslage ist entschieden besser als diejenige vergleichbarer Städte. Die bisher tätig gewordenen Sparkommissare in Waltrop und Hagen haben keinen nachhaltigen konstruktiven Beitrag zur Verbesserung der dortigen Finanzen erbracht“, so Jutta Starke, finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.

Nur auch in Dortmund wird die Finanzsituation schnell eskalieren: Im kommenden Jahr werden auch dort die Gewerbesteuereinnahmen durch die Rezession massiv einbrechen. Alle Planung sind daher heute in Dortmund wie in allen anderen Städten schon Makulatur. Allerdings haben die Sozialdemkraten Recht was die bisherigen Mentoren betrifft: Viel haben sie nicht bewegt und wenn haben sie eher bürgerfeindlich abgiert.

Die Städte werden sich jedoch was ihre Finanzen betrifft mehr als den Ruf um Hilfe einfallen lassen müssen: Nur durch weitgehende Kooperationen und das Zusammenlegen und Abgbegen von Aufgaben können sie effektiv sparen. Das sind allerdings Diskussionen, die politisch geführt werden müssen – und diese Diskussionen können die Mentoren nicht leisten. Die Forderung der Liberalen nach einem Sparkommissar ist daher eher ein politischer Offenbarungseid denn ein politischer Lösungsansatz. Den hat allerdings noch niemand in den Räten formuliert, denn er geht an die politischen Strukturen der Region.    

Nicht alle trugen Tennissocken

Seit Jahren habe ich die Denunziation der 80er Jahre klaglos ertragen. Habe Sendungen auf RTL (Rammeln, Titten, Lallen) mit Oliver Geissen gemieden aber nun habe ich in der Rundschau wieder einmal einen Text über die 80er gelesen und wieder einmal hatte ich das Gefühl, dieses Jahrzehnt zufällig verpasst zu haben. Das kann aber nicht sein, denn in die 80er fiel meine Jugend.

Suchbild: Auf dem Foto ist der Verfasser versteckt. Ausnahmsweise ohne schwarzes Hemd. Foto: Privat

Mit einem Rubrik-Würfel konnte ich ungefähr so viel anfangen wie ein Schimpansenjunges: Meine Versuche, innerhalb von 30 Sekunden auf dem Schulhof mit dem Ding einen Zufallstreffer zu landen scheiterten kläglich – und spielten sich im Übrigen Ende der 70er ab, als der angebliche Zauberwürfel auf den Schulhöfen des Landes reüssierte.

Die Sache mit dem Würfel ist aber auch nicht das Einzige, was mich an der ganzen, mittlerweile ja zum Glück zurückgehenden Publikationsflut zum Thema 80er irritierte. Meine Erinnerung – ja ich weiß, sie malt mit goldenen Lettern – ist eine gänzlich andere.
In meinem Freundeskreis trug kein Mensch bunte Jogginghosen. Wir trugen schwarze Jeans und dazu Lederjacken. Manchmal auch ein schwarzes Jackett.  Eigentlich trugen wir immer nur schwarz: Schwarze Hemden, schwarze Lederschuhe. Dass man keine weißen Socken trägt, wusste eigentlich jeder.
Boris Becker fanden wir peinlich, Steffi „Die Nase“ Graf ebenfalls. Wir gingen in Filmnächte und schauten uns dort Godard, Truffaut und Achternbusch an. Und das taten eigentlich ziemlich viele – oft waren diese Filmnächte ausverkauft.

Klar, wir legten mehr Wert auf Kleidung. Der Unisex-Stil der uns verhassten 70er, diese gammligen Parkas und unförmigen Pullover, fanden sich in unseren Kleiderschränken nicht. Wir lasen Spex, waren links, aber mit einem gewaltigen Maß an Zynismus, machten Musik und spielten mit Videokameras herum. Über die Friedensbewegung machten wir bevorzugt herbe Scherze – ihre Protagonisten kamen vor allem aus dem Lager unserer Lehrer und mit deren Betroffenheit konnten wir nichts anfangen. Das Herumtragen der eigenen Gefühle, dieses widerwärtige „Das weiche Wasser bricht den Stein“-Gelaber empfanden wir als abstoßend. Wir entdeckten die Ironie, das freie Spiel mit Formen und Inhalten.
Wenn wir etwas waren, dann Realisten: Wir sahen sehr genau, dass die, die uns als unpolitisch denunzierten längst ihr Schäflein ins Trockene – sprich: Öffentlicher Dienst – gebracht hatten – und wir wussten, dass sie so jung waren, dass sie diese Jobs noch inne haben würden, wenn wir auf den Arbeitsmarkt kommen würden.

Also stürzten wir uns auf andere Bereiche: IT und Medien waren beliebte Brachen. Sozialwissenschaften, noch ein paar Jahre vorher  angesagte Studiengänge, mieden wir wie der Teufel das Weihwasser und so fluteten wir die Informatik-, Kommunikationswissenschafts- oder Theater, Film und Fernsehwissenschafts- Studiengänge. Da wir im Gegensatz unserer jeder technische Innovation skeptisch gegenüberstehenden Vorgängergeneration keine Berührungsängste mit modernen Technologien hatten und deutlich pragmatischer waren, fanden wir schließlich unseren Platz – und das bevorzugt nicht im öffentlichen Dienst.

Und wenn ich mir meine Altersgenossen der 40+ Generation anschaue, dann zeichnet uns noch etwas aus: Ich kenne kaum einen, der mit Arroganz auf die nachfolgenden Generationen blickt. Diese Arroganz ist meiner Einschätzung nach auch kein Problem der 68er sondern derjenigen, die ihre Jugend in den 70er Jahren hatten und sich heute im Glanz der 68er sonnen, die sie nur als Kinder und Jugendliche an den schwarzweiß Fernsehern erlebten. Es ist schon blöd, wenn man zu jung für die Kommune 1 und den SDS war und einem nur noch der lächerliche KBWuchtig blieb.

Ich habe das ganze 80er-Bashing nie verstanden. Die 70er, deren Ausklang ich noch miterlebte, waren viel schlimmer – die Schmuddelästhetik, diese Plastikpullover und Hemden in denen man einen Stromschlag bekam und die immer zu warm oder zu kalt waren, die ganze Paranoia des Deutschen Herbstes und die nach 68er Depression – sorry, das war wirklich kein gutes Jahrzehnt. Ideen? Aufbruch? Fehlanzeige. Erst ganz zum Schluss brachte dieses Jahrzehnt zwei Ideen hervor, die erfolgreich waren und es bis in die heutige Zeit geschafft haben: Die Grünen und die taz. Beide setzten erst in den 80er durch.
Wir mochten Kohl nicht, der in einem Maß Scherze über sich ergehen lassen mussten, wie kein zweiter aber das Angebot der SPD war zum Gruseln: Vogel und Rau waren die Kandidaten der SPD jener Zeit. Stillstand pur. Uns war das egal: Bei simulierten Wahlen in den Politikkursen waren zumeist eh die Grünen die Partei mit dem meisten Stimmen. Für die SPD im Übrigen heute ein Problem: Als ganze Generation fehlen wir dieser Partei als Mitglieder und Wähler.

Vielleicht mögen sie uns deshalb nicht – wir lebten in einem recht langweiligen Jahrzehnt – und langweilige Zeiten sind für die Menschen immer gute Zeiten. Und wir wehren uns nicht: Ein Angriff auf die 68er und das Feuilleton. Wir zucken mit den Schultern und machen weiter. Die uns zugedachte Clownsrolle lassen wir über uns ergehen: Wir nehmen uns nicht so wichtig. Selbst dass ein nordhessischer Provinzbub wie Florian Ilies ein Buch über Teile von uns geschrieben hat, hat uns kaum berührt.  Das bessere Buch kam eh aus den USA: Generation X von Douglas Coupland.

Also: Es war nicht alles Modern Talking in den 80er – sie waren ein ganz normales Jahrzehnt, höchstens ein wenig langweilig. Und ich könnte die Hosen und Hemden aus der damaligen Zeit noch immer ohne Scham tragen – wenn sie nicht am Bauch so spannen würden.