Klink: Nur nicht anecken

Gleich hält RVR-Chef Klink seine Rede vor dem Ruhrparlament: Ihre Überschrift: "Zukunft des RVR"

Visionäres hat ohnehin kaum jemand von Heinz-Dieter Klinks Rede erwartet – und diese eher geringe Erwartungshaltung enttäuscht Klink nicht: Vor allem ist seine Rede, deren Manuskript mir vorliegt, geprägt von Rücksichtnahme auf die Städte. Was ist das Ruhrgebiet?  Klink: "„Metropole Ruhr“ ist in diesem Sinne keine allein administrative Einheit, schon gar keine hierarchische Begriffskategorie einer Überordnung der Region gegenüber den Städten und Kreisen des Ruhrgebiets, es ist auch keine einfache Addition der kommunalen Potentiale, sondern „Metropole Ruhr“ ist eine politische Strategie, die die Qualitäten, Dynamiken und Perspektiven der Kommunen der Region durch Vernetzung und gemeinsame Profilschärfung in einen größeren Bezugsrahmen stellt, der auch externer Aufmerksamkeit sicher sein kann. So verstanden, kann und will Metropole Ruhr ihre Städte nicht ersetzen, sondern gestaltet eine gemeinsame Qualität von Urbanität, ein Mehr gegenüber den Teilen, aber ein Nichts ohne ihre Teile."
Naja, für mich ist das Ruhrgebiet allemal eine hierarchische Begriffskategorie, es steht über den Städten  – wäre es anders, man müsste sich noch nicht einmal die Mühe geben, es zu benennen – und schon gar nicht mit dem immer etwas peinlichen Begriff Metropole, den Klink in seiner Rede ständig verwendet.

Klink eiert, wo er Position beziehen müsste – zum Beispiel beim Thema Nahverkehr, einem der großen Probleme der Region und einer, bei der das Versagen der Städte, die nach belieben kooperieren könnten und es dennoch kaum tun, offensichtlich ist. Klink kritisiert nicht das Versagen der Kommunen und ihrer Nahverkehrsunternehmen – sondern das Land, dass den Kommunen noch immer das Recht, den Nahverkehr zu organisieren überlässt – allerdings auf etwas schwurbelige Art:

"So gibt es z.B. nur für den Teilbereich des Schienenpersonennahverkehrs eine ausgewiesene regionale Kompetenz, die beim VRR liegt. Dies behindert aktuell noch die Entwicklung und Durchsetzung von Gesamtkonzepten für den ÖPNV in der Metropole Ruhr. Die Stadtgrenzen stellen leider immer noch zu oft auch Attraktivitätsgrenzen für den ÖPNV dar. Der Verband ist dennoch gewillt in diesem Bereich, regionale Aktivitäten zu inszenieren. Seine Tochter – die Wirtschaftsförderungsgesellschaft – hat hier bereits Vorarbeiten geleistet."

Die Vorarbeiten waren ein Gutachten, und das Papier seiner eigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft hätte Klink vielleicht einmal lesen sollen – es stellt dem ÖPMV in der Region ein verheerendes Zeugnis aus.

Und dann ist da noch die Planung. Klink wollte sie nie, seine Partei, die SPD, wollte nicht, dass der RVR sie bekommt, und jetzt ist sie da. Gut, dagegen sein kann er jetzt nicht mehr, aber nutzen will er sie auch nicht – am liebsten wäre Klink, man könnte die Schlüsselkompetenz gleich wieder an die Städte weiterreichen – die bei der Erstellung des Regionalen Flächennutzungsplan bekanntlich gepatzt haben:
"Hierzu zählt auch das Instrument des Regionalen Flächennutzungsplans. Die Kooperation der sechs Städte hat zu einer an Intensität kaum vergleichbaren interkommunalen Kooperation geführt, zu einer Einübung regionaler Konsensfindung beigetragen und so einen hohen regionalen Mehrwert erzeugt.
Deshalb habe ich mich bereits im Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Landesplanungsgesetzes dafür eingesetzt, die Kommunalisierung der Regionalplanung künftig gesetzlich stärker zu verankern. Hier sind wir leider nicht durchgedrungen. Ich sehe daher eine vordringliche Aufgabe des Verbandes darin, in den kommenden Wochen und Monaten und insbesondere im Dialog mit dem Land zu erreichen, die kostbare ruhrgebietsspezifische Planungskultur in  die Regionalplanung zu integrieren."

Die Rede ist lang – sehr lang (hier klicken, wer das alles lesen will). Das Wichtigste kennt ihr jetzt ja schon.

Wie die Rede ist? Ich bin positiv überrascht. Kein Wort gegen die Pläne des Landes, einen eigenen Bezirk-Ruhr zu schaffen, (damit hatte ich fest gerechnet) und an einer Stelle fordert er sogar weitere Kompetenzen vom Land ein. Aber Klink nimmt ansonsten zu viel Rücksicht auf die Befindlichkeiten der Städte und weigert sich, für den RVR eine zentrale Rolle für das Revier einzufordern. Es fehlt jede Idee für das Ruhrgebiet, es ist kein Mut in dieser Rede und kein Wille zur Gestaltung. Für Klink ist es eine gute Rede. Für das Ruhrgebiet ist sie – wie Klink – nicht gut genug.
 

Ex-WAZ-Chef Uwe Knüpfer: „Der Fisch stinkt vom Kopf“

Uwe Knüpfer, von 2000-2005 Chefredakteur der WAZ, zum Stellenabbau bei der WAZ-Gruppe und den Perspektiven von Regionalzeitungen. Mit er der WAZ als Tageszeitung ist er aufgewchsen.

Uwe Knüpfer Foto: Privat

Ruhrbarone: Die WAZ hat am Freitag das Aus für 260 Redakteure  verkündet. Wäre so etwas in Ihrer Zeit denkbar gewesen?
Uwe Knüpfer: Nein, die WAZ war damals eine erfolgreiche Zeitung, die in
einem erfolgreichen Verlag erschien. Außerdem verstand sich die WAZ immer als „entschieden sozial“, und Anneliese Brost achtete in der Tradition ihres verstorbenen Mannes, des WAZ-Gründers Erich Brost, darauf, dass mit den Mitarbeitern menschlich umgegangen wurde.

Ruhrbarone: Aber die WAZ-Gruppe macht im Ruhrgebiet Verluste.
Knüpfer: Es werden von der Geschäftsführung Zahlen genannt, die nicht überprüfbar sind. Aber man darf nicht vergessen: NRZ, WR und WP wären seit Jahrzehnten defizitär, wenn sie nicht  in der WAZ Gruppe aufgegangen wären. Aufwändige  Lokalausgaben im ländlichen Raum und in Konkurrenzgebieten erhält  man nicht aus betriebswirtschaftlichen Gründen, sie wurden aufrecht erhalten, weil man darin einen publizistischen Auftrag sah.

Ruhrbarone: Künftig sollen die Mantelteile von WAZ, NRZ und WR von einem gemeinsamen Newsdesk erstellt werden und in keiner Stadt es soll mehr zwei Lokalteile geben.
Knüpfer: Dass die WAZ Mediengruppe in Strukturen der 1970er Jahre erstarrt war und sich daraus befreien muss, weiß jeder, der sich über das Zeitungs-Angebot im Ruhrgebiet ärgert. Aus  einer Ansammlung zechenfixierter  Industriedörfer ist hier eine komplexe Riesenstadt geworden. Wenn das Publikum sich rasant ändert, das publizistische Angebot aber kaum, entsteht ein wachsendes Problem. Nur sollte man, wenn man ein hergebrachtes Porzellangeschäft renoviert, tunlichst nicht damit beginnen, sämtliches Porzellan im Laden zu zerdeppern. Newsdesk ist ein Modebegriff. Dahinter steht die Idee, Zeitung so zu produzieren wie Brötchen: Da ist ein Teig, und aus dem knetet man nach Bedarf Semmeln oder Baguettes. So funktionieren Zeitungen aber nicht. Zeitungen sind lebendige Organismen, sie sind wie Bäume, sie wachsen langsam und brauchen Wurzeln.

Zeitungen werden geprägt von den Menschen, die sie machen: den Redakteuren, den freien Mitarbeitern und auch den Boten. Mit diesen Menschen werden Zeitungen identifiziert. Wer glaubt, beliebige  Zeitungen mit wechselnden Mitarbeitern von einem Newsdesk aus machen zu können, hat nicht verstanden, wie Zeitungen funktionieren.

Ruhrbarone: Mit 209 Stellen fallen die Personalkürzungen im
Lokalbereich besonders drastisch aus.
Knüpfer: Die Lokalteile sind die Stärke der Zeitungen der WAZ-Gruppe. Die Geschäftsgrundlage von NRZ, WAZ, WR und WP ist die Verankerung in den Städten und Stadtteilen. Geben die Titel diese Verankerung auf, gefährden sie ihre Existenz. Das konnte man ja gut im Vest Recklinghausen sehen, wo die
WAZ die Schließung der Lokalredaktionen offenbar mit heftigen Auflagenverlusten bezahlt hat.

Ruhrbarone: Wie werden die Leser reagieren?

Knüpfer:: Treue Leser lassen sich viel gefallen. Der wichtigste Grund für die Kündigung eines Abonnements ist die unpünktliche Lieferung. Die Toleranz ist sehr groß, wenn sich die Leser ernst genommen fühlen. Leser leben mit den Zeitungen, sie reden nicht umsonst von „ihrer Zeitung“. Das ist eine ganz andere Bindung als die zu einem Schuhgeschäft oder einem Friseur – und viele kennen ihren Zusteller persönlich, kennen gerade in den kleineren Städten Mitarbeiter der Zeitung und verbinden Menschen und Gesichter mit ihr.
In dem Maße, in dem diese persönlichen Beziehungen zwischen den Menschen und den Mitarbeitern abbrechen, bricht auch die Beziehung zur Zeitung ab und es fällt dem Leser leichter, das Abo zu kündigen.

Ruhrbarone: Regionalzeitungen verlieren überall an Auflage. Wie sollten sie sich positionieren, um zukunftsfähig zu sein?

Knüpfer: Ihr Kerngeschäft pflegen: soliden Journalismus und Kundenpflege. Guter Journalismus wird immer gebraucht, das wird sich herumsprechen, wenn der Blog-Hype sich gelegt haben wird. Und Menschen wollen immer wissen, was um sie herum geschieht.  Also: Lokales und Regionales hat Zukunft.

Verleger und Journalisten müssen akzeptieren, dass Zeitungen  nicht mehr eine solche Rolle  spielen und so profitabel sind wie in den 1950er bis 1980er Jahren. Das Rubrikengeschäft findet im Internet statt. Aber: Die Auflage der WAZ ist schon zu meiner Zeit und der meines Vorgängers gesunken; schon allein, weil die Bevölkerungszahl im Ruhrgebiet sinkt. Damit muss man umgehen können. Die offenbare Verschärfung der krisenhaften Entwicklung bei der WAZ-Gruppe ist die Folge katastrophaler personeller, organisatorischer und publizistischer Fehlentscheidungen der Verlagsleitung – nicht der Redakteure, Fotografen und Freien oder gar der Boten, die dafür jetzt bluten sollen. Jeder Markthändler weiß: Der Fisch stinkt vom Kopf.

SPD kontra WAZ-Sparpläne

Der Landesvorstand der SPD hat sich mit einer Erklärung gegen die Pläne der WAZ gestellt, Lokalredaktionen zu schließen und Redakteure zu entlassen.

Die Sozialdemokraten befürchten, dass die  Pläne der WAZ-Gruppe zu einem "demokratisch fragwürdigen Meinungsmonopol führen." Zudem erklärte die SPD, dass wegen des bevorstehenden Kulturhauptstadtjahres eigentlich ein Ausbau des journalistischen Angebotes nötig wäre.

Werbung


Schacht 8: Soziokultur light

In den 90er Jahren war der Schacht 8 in Marl eines der wichtigsten soziokulturellen Zentren des Revier – 2001 kam dann das vorläufige Aus. Nun soll es wieder losgehen. Ganz ordentlich.

Der Kreis Recklinghausen ist nicht gerade bekannt für sein aufregendes Nachtleben: Das Flexi in Recklinghausen Süd – ältere Menschen werden sich noch daran erinnern – wurde durch immer absudere Auflagen so lange gefoltert, bis es schließlich geschlossen wurde und auch der Schacht 8 in Marl hatte ein ähnliches Schicksal:  Zur dauerhaften Finanznot gesellte sich noch der Ärger mit querulantisch-veranlagten Nachbarn und so kam 2001 dann das endgültige Aus für den Schacht 8.

Nun soll es  weiter gehen – eine gute Nachricht für die Stadt Marl, denn so muss sie  die in den Jahren 1993 und 1995 bereits für die Herrichtung des soziokulturellen Zentrums gezahlten Fördermittel nicht mehr zurückzahlen. Die Landesregierung hat einen Schacht8-light akzeptiert: Konzerte und Party, einst die Aushängeschilder des Schachtes, wird es nicht mehr geben. Stattdessen Veranstaltungen, die eigentlich überall stattfinden könnten und für die es auch im Kreis Recklinghausen und sogar in Marl genug Räume gibt: Kabarett und Kleinstkunst statt Party und Pogo. Hui klingt das spannend. Und natürlich soll auch die Qualifizierung von Jugendlichen künftig im Mittelpunkt stehen. Hoffentlich stören die nicht auch die hellhörigen Nachbarn.   

Aufguss 2008 – Coffee & TV lässt wählen

Coffee & TV bereitet den Aufguss 2008: In 20 Kategorien "die besten Irgendwasse des zurückliegenden Kalenderjahres" geählt werden.

In 20 Kategorien wie "Album des Jahres", "Beste Fernsehserie" oder "Beste Website" können die Leser ihre Lieblinge angeben und mit ein wenig Glück auch etwas gewinnen. Zum Beispiel Grand Hotel van Cleef Fanpakete oder ein Mixtape von Coffee & TV.
Mit große Spannung wird in Berlin sicher auch die Wahl zum "Depp des Jahres" erwartet. Im vergangenen Jahr sicherte sich Wolfgang Schäuble diesen begehrten Preis – mal schauen, ob es für ihn auch in diesem Jahr wieder reicht.

Hier geht es zur Wahl

Gewerkschaftsfunktionär wird WR-Chef

Kurz vor der Betriebsversammlung am morgigen Freitag in der Lichtburg muss sich ein Kollege aus der WAZ-Gruppe keinen Sorgen um seinen Job machen.

Malte Hinz, seines Zeichens Vorsitzender der Deutschen Journalisten Union (DJU) bei verdi, wird neue Chefredakteur der Westfälischen Rundschau. Er folgt nach einem Bericht der FAZ der bisherigen WR-Chefin Kathrin Lenzer, die überraschend gekündigt hat und sofort beurlaubt wurde.

Im Blog der WAZ-Mitarbeiter hält sich die Begeisterung über die Berufung von Hinz, der auch im Betriebsrat der WAZ-Gruppe ist, in Grenzen. Was die FAZ als einen "geschickten Schachzug der Geschäftsführung" bezeichnet, kommentieren die WAZ-Mitarbeiter in ihrem Blog durchaus differenziert.   

Werbung


Arbeitsmarkt: Die Welle baut sich auf

In den Arbeitsagenturen des Landes stehen die Unternehmen Schlange. Der Grund: Sie lassen sich über Kurzarbeit beraten. Auf den Arbeitsmarkt kommen harte Zeiten zu.

"Die Abfolge ist folgendermaßen: Erst bauen die Unternehmen die Zeitarbeiter ab, dann werden die befristeten Verträge nicht verlängert, schließlich werden die Überstundenkonten abgefeiert", dass alles oist, so Werner Marquis, der Sprecher des Arbeitsagentur in NRW, in den letzten Wochen und Monaten passiert. Jetzt kommen die nächsten Schritte: "Von August auf September ist die Zahl der Kurzarbeiter in NRW um 25 % gestiegen. Über die aktuelle Entwicklung haben wir noch keine sicheren Zahlen, aber die Zahl der Kurzarbeiter wird sich in den nächsten Wochen steigen – um deutlich mehr als das Doppelte." Aktuell sind in NRW 14.600 Menschen von Kurzarbeit betroffen. Die Zahl wird sich also bald vervielfachen.

Und nach der Kurzarbeit kommen die Massenentlassungen – über die Voranfragen für Massenentlassungen gibt es allerdings keine  Zahlen.  Und Marquis, seit über 20 Jahren im Job, glaubt auch, dass es noch ein paar Monate dauern wird, bis die Industrie Massenentlassungen vornehmen wird: "März, April und Mai werden die Monaten der Wahrheit." Für sechs Monate kann Kurzarbeit von den Unternehmen beantragt werden. In Ausnahmefällen kann diese Zeit auf bis zu 24 Monaten verlängert werden.

Allerdings seien viele Unternehmen mitterwerweile so schlank aufgestellt, dass sie sich nicht mehr ohne weiteres von Fachkräften trennen werden: "Wer Fachkräfte entlässt, muss häufig ganze Betriebsteile endgültig schließen. Die Unternehmen haben bei ihrer Kernbelegschaft kaum noch Spielräume." Und Fachkräfte sind rar – wer sich jetzt von ihnen trennt, wird  beim nächsten Aufschwung  kein Personal mehr haben, um  zu den Gewinnern zu gehören. Sie sind sogar jetzt noch gesucht: "Zerspaner und Fräser gibt es auf dem Arbeitsmarkt nicht.  Jedes Unternehmen wird sich gut überlegen, sich von diesen hochqualifizierten Leuten  zu trennen." Die Verlierer der Krise würden jetzt aber schon feststehen: Schlechtqualifizierte.

Aber alles, so Marquis, sei letztendlich eine Frage der Konjunktur. Die Welle auf dem Arbeitsmarkt baut sich auf, sprunghaft, jetzt wird es schnell gehen, und wenn sich nicht alles ganz anders entwickelt, als es jeder Experte voraussagt, wird es ein Frühjahr mit sehr schlechten Nachrichten.