Ruhr: Stadtgründung am 5.11. um 16.30 Uhr

Gerade wurde ich zu einer Stadtgründung eingeladen.

"Fünf Millionen Menschen lassen sich nicht länger übersehen. Das Ruhrgebiet muss eine Einheit werden, demokratisch regiert. Nur so vollendet sich der Wandel von Europas kraftsvollstem Industriegebiet zu Deutschlands größter Stadtlandschaft. 
Es ist höchste Zeit, das Ruhrgebiet auf eigene Beine zu stellen und Stärken zu betonen. Geeint – aber auch nur dann – hat das Ruhrgebiet das Zeug, zu einer der ersten Adressen Europas zu werden. Davon profitieren alle Städte an der Ruhr und drumherum.

Wir warten nicht länger – Wir gründen Deutschlands grösste Stadt und laden Sie herzlich ein, an diesem historischen "Zusammenraffen" teilzunehmen. Im Musiktheater im Revier wollen wir uns gemeinsam mit Ihnen zu Bürgern der Stadt Ruhr erklären – wie auch immer diese Stadt der Städte eines Tages heißen mag. Seien Sie dabei!"

Die Initiatoren haben groß aufgefahren: Lammert wird eine Rede halten, was immer gut ist, ex-WAZ/onruhr-Chef Uwe Knüpfer Kurztstatements von Dietrich Grönemeyer, Elmar Weiler, Christoph Zöpel moderieren und ein Aufruf wird auch noch verlesen. Dazu gibt es die Uraufführung einer "Ode an die Ruhr". Und: Um 18.00 Uhr Imbiss. Ich geh hin 🙂

Mehr zu den Initiatoren unter stadtruhr
(Dank an Marc für den Hinweis)

Ausstellung zu Israels 60. Geburtstag

Das Museum Bochum feiert den  60. Geburtstag des Staates Israel mit einer  Fotoausstellung über Kibbuze. Doch auch im Ruhrgebiet ist Israel immer wieder polemischen Angriffen ausgesetzt.

Foto: Patrick Faigenbaum

"Kunst zum Kibbuz"  ist der Name  einer Ausstellung, die am 18. Oktober im Museum Bochum beginnt und dort bis zum 11. Januar kommenden Jahres zu sehen sein wird. Zu sehen sind Werke der beiden international renommierten Künstler Patrick Faigenbaum und Penny Hes Yassour.  Der Fotograf Faigenbaum stellt 30 Fotos aus über Menschen, die im Kibbuz Ein Harod leben, während Penny Hes-Yasssour den monumentalen Kautschuk-Abdruck einer Theaterwand und Landschaftszeichnungen vorstellt.

Während also in Bochum aktuelle israelische Kunst zu  besichtigen ist, wird nur ein paar Meter weiter gegen Israel agitiert. Dr. Viktoria Waltz, Mitarbeiterin am renommierten Institut für Raumplanung, betreibt einen Blog, an Einseitigkeit und Polemik kaum zu überbieten ist.  Zionismus – Raumplanung – Israel ist der Name dieses Blogs, und wer ihn liest, bekommt den Eindruck als ob der einzig demokratische Staat des Nahen Ostens eine einzige Ausgeburt des Schreckens ist: Die Israelis enteignen beim Mauerbau die Palästinenser (Die vorher indes beinahe täglich Selbstmoranschläge verübten), Israel sabotiert  die Veranstaltung "Jerusalem, Arabische Kulturhauptstadt 2009" (Weil Jerusalem nun einmal nicht nur eine arabische Stadt ist) und dann  fantasiert Waltz noch davon, dass der Spiegel-Autor und Blogger Henryk M. Broder dabei ist, ein zionistisches Blognetzwerk zu schaffen, um Israelkritiker mundtot zu machen.  Bei Frau Waltz, die immer noch im öffentlichen Dienst tätig ist, scheint das ja nun so wenig wie bei ihren Unterstützern geklappt zu haben, zu denen Norbert Blüm, Claudia Roth und Thilo Bode gehören. Verfolgte sehen irgendwie anders aus.  Bei allem, was man am Umgang der Israelis mit den Palästinensern kritisieren mag  – für sechs Jahrzehnte im nahezu andauernden Kriegszustand ist Israel ein demokratischer Traumstaat. Ich möchte nicht wissen, was in Deutschland los wäre, wenn wir jeden Tag mit Rakten beschossen werden würden.

McCain führt in Georgien

Obama oder McCain – die Frage, wer nächster Präsident der USA wird, bewegt die Welt. Dank dem Magazin The Economist kann jeder wählen.

Das Magazin hat auf eine E-Voting-Site angelegt, auf der jeder an der Präsidentaschaftwahl teilnehmen kann. Das ergibt ein interessantes Meinungsbild: Obama führt in allen Ländern – mit einer Ausnahme: Georgien ist in republikanischer Hand. In Deutschland würden danach übrigens 88 % Obama wählen.

Verlässt Hagen das Ruhrgebiet?

Am Donnerstag entscheidet Hagen, ob es im RVR bleibt oder nicht. Der Verband versucht noch schnell sich etwas gute Stimmung zu kaufen. Ob es reicht?

Hagen. Foto: Wikipedia

40 Stimmen brauchen die Austrittsbefürworter in Hagen, um die zweidrittel Mehrheit im Rat  zusammen zu bekommen, um aus dem RVR auszutreten und  glaubt man  der Westfälischen Rundschau, stehen die Chancen nicht schlecht, dass diese 40 Stimmen am Donnerstag, wenn die Entscheidung fällt, auch stehen werden: RVR Austritt von Hagen steht bevor, so die Überschrift eines Artikels über die nahe Ratsentscheidung. Die WR rechnet:  Von der CDU könnten 18 Austrittsstimmen kommen, von der SPD (19 Stimmen) wird wohl mehrheitlich einem Votum des Unterbezirks folgen und auch für den Austritt stimmen. Bei den Grünen gibt es einen Austrittsbefürworter, die vier Ratsmitglieder von Bürger für Hagen sind wohl auch für den Austritt. Drei weitere Gruppen im Rat mit insgesamt sechs Sitzen haben sich noch nicht festgelegt. Ein Austritt ist also wahrscheinlich – und wenn nicht, wird es wieder sehr knapp. Auch dass der RVR im letzten Augenblick  eine Marketingkampagne für die Hagener Museen mit 85.000 Euro unterstützen will, wird daran kaum noch etwas ändern. Viele Hagener Politiker glauben, dass es sich für Hagen finanziell nicht lohnt, im RVR zu bleiben. Hagen ist pleite.  Die gleichen Politiker, die jetzt mit dem Pfennig fuchsen haben allerdings lange eine riskante Politik mitgetragen, die mit SWAP-Geschäften die Stadt an den Rand des Ruins und vielleicht sogar einen Schritt weiter geführt hat. Über 50 Millionen hat Hagen dabei verloren.

Wenn Hagen austritt, haben wir eine klare Entscheidung. Mit der kann man leben. Hagens Austritt aus dem Ruhrgebiet wird für Hagen schlimmer sein als für das Revier. Mehr Sorgen mache ich mir, wenn Hagen mit einer knappen Mehrheit im RVR bleibt. Dann haben wir neben dem Kreis Wesel ein weiteres RVR Mitglied, dass mehrheitlich nichts mit dem Ruhrgebiet zu tun haben möchte. Ich will aber Städte und Kreise, die zusammen arbeiten wollen und nicht durch reinen Zwang zusammen gehalten werden.  Statt einem knappen Verfehlen der 2/3 Hürde wünsche ich mir ein klares Votum für das Ruhrgebiet (Das es nicht geben wird) – oder einen Austritt  Hagens.  Dann haben wir klare Verhältnisse und können unseren Weg gehen – auch bei der Kulturhaupstadt, die dann ohne Hagen stattfinden sollte.

Werbung


Die Unis platzen aus allen Nähten…

Trotz Studiengebühren wächst die Zahl der Studenten in NRW. Grund: Die Karriereaussichten sind phantastisch.

Über 70.000 Erstsemester stürmen die Hochschulen in NRW. Insgesamt studieren im Land damit fast eine halbe Million Menschen. Auch alle Hochschulen im Revier wachsen – nur doe Ruhruni nicht. Vielleicht sollten sich die RUB-Verweigerer den Film von Lukas ansehen – immerhin gibt es regelmäßig Feuerspieße in der Mensa (und von dem Film drei Teile!)

Schön auch, dass die Zeiten vorbei sind, in den Literaturwisschenschaftler sich als Taxifahrer, Lagerarbeiter oder Journalisten verdingen mußten. Heute bekommen sie schnell eine eigene Fernsehsendung – vorausgesetzt, sie beleidigen alle, die beim Fernsehen arbeiten – aber die sind das ja wahrscheinlich gewohnt und verdient haben sie es eh.  Wie sagte schon Hape Kerkeling? Das ganze Leben ist ein Quiz – und wir sind nur die Kandidaten.

 

Kultur2010: Programm und Plattitüden

Heute wurde das Programm zum Kulturhauptstadtjahr 2010 veröffentlicht.

Klar, als Eingeborener kennt man vieles, was im  Buch1, ein übrigens nahezu biblischer Titel für ein Programmheft, vorgestellt wird. Das ist OK. Die Kulturhauptstadt muss, wenn sie erfolgreich sein will, Menschen von außerhalb des Reviers erreichen  und für die sind das Ruhrtal oder auch die Industriekultur (Über die hier ja schon kritisch diskutiert wurde) durchaus etwas neues und spannendes.

Für Aufmerksamkeit sorgt die Kulturhauptstadt schon heute. Der wirklich schöne Artikel im Stern vom vergangenen Donnerstag, der wohl Titelgeschichte geworden wäre, wenn die Finanzkrise nicht dazwischen gekommen wäre und auch das NRW-Special im heutigen Spiegel sind in Teilen sicher von der Kulturhauptstadt inspiriert worden.

Mission Statement
Das  Kapitel mit der Überschrift "Unser Auftrag" formuliert den Anspruch, dem sich die Macher der Kulturhauptstadt stellen.  Ziel  des Kulturhauptstadtjahrs  ist  es demnach

– die Kulturförderung und -vermittlung zu stärken
– die europäische Öffentlichkeit mit dem Ruhrgebiet vertraut zu machen
– Kindern Kund und Kultur näher zu bringen
– Mit Kunstprojekten den sozialen Zusammenhang zu stärken
– die Wirtschaftstätigkeit zu fördern
– das architektonische Erbe zu fördern und in neue Strategien der Stadtentwicklung zu integrieren
– Den Dialog zwischen den Kulturen zu fördern.

Die Ansprüche sind ebenso hoch wie vage formuliert. Schauen wir mal Ende 2010 nach, was draus geworden ist.

Plattitüden
Es gibt Sätze in diesem Buch, die zum Fremdschämen führen. Wer schreibt so einen Unfug wie "Von den Bohemiens des beginnenden 21. Jahrhundert wird die Metropole Ruhr gerade entdeckt" oder "Keine Karte, kein Städteatlas und kein Navigationsgerät geben Neugierigen, Reisenden und nicht einmal den Bewohnern selbst Auskunft darüber. Kein Wunder. Denn die Metropole Ruhr entsteht gerade erst. Jetzt! Als Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 betritt sie als echter Newcomer die urbane Bühne Europas." Das wir die Bühne nicht vorher betraten  lag an unserer eigenen Blödheit und den hiesigen Strukturen. Eine Metropole nennt man sich übrigens nicht selbst und im entstehen  sind wir auch nicht. Entstehen, das impliziert Wachstum. Wir schrumpfen. "Der Ort von RUHR.2010 ist Europa. Die Achse Warschau – Berlin – Brüssel kommt in Zukunft ohne die Metropole Ruhr nicht mehr aus" Ich glaube, dass kam sie schon vorher nicht.

Fünf
Das Ruhrgebiet wird in fünf Zonen eingeteilt – Duisburg, Essen, Oberhausen, Bochum und Dortmund. Jede dieser Zonen hat bekommt ein eigenes Besucherzentrum. Zentrum bedeutet indes nicht, dass es zentral liegt: Das Essener wird auf Zollverein sein. Von diesen fünf Zentren kann man dann das Umland und die Kulturangebote der jeweiligen Region erkunden: Von Bochum aus zum Beispiel  Recklinghausen, von Duisburg  aus Mülheim und  von Oberhausen aus Gladbeck. Da der Nahverkehr zwischen den Städten ohnehin desaströs organisiert ist, macht es nicht viel aus, dass sich die Planer nicht an den traditionellen Strukturen orientiert haben. Entweder, sie organisieren für das Jahr 2010 ein eigenes Netz oder die Besucher sollten mit dem Auto kommen. Wer mit dem ÖPNV von Oberhausen zur Maschinenhalle Zweckel fährt, wird unsere Leidensfähigkeit bewundern lernen und beim Wort Metropole in Brülllachen ausbrechen.  

Passagen
Auf vier Hauptpassagen (Lippe, Emschertal, Hellweg (A40) und Ruhrtal sowie einer Nebenpassage, dem Rhein, kann man die Region touristisch erkunden.  Neben  historischen und  einfach nur schönen Ausflügen wie im Ruhrtal werden an diesen Passagen auch Veranstaltungen wie  die Party auf der A40 (Still-Leben)  oder gewohntes wie das Krimifestival "Mord am Hellweg" stattfinden.  Zu sehen sein wird aber auch neues wie die Kunstinstallation "Ruhr-Atoll" auf dem Baldeneysee und der Ruhr in Essen. Bei dem Programm vermisse ich Aktionen wie Land for free, über die lange gesprochen wurde.

Erleben & Höhepunkte
Die klassischen Highlights – das was man von einer europäischen Kulturhauptstadt erwartet und auch erwarten kann. findet sich im Buch1 im  Kapitel  "Erleben": Das Folkwang Museum mit seinen Ausstellungen über die Impressionisten in Paris oder A Star is Born. Fotografie und Rock seit Elvis Presley.   Situation Kunst in Bochum mit Installationen von Serra und Nordman.  Der Austellungsparcour "Die zweite Stadt" unter Zollverein, der nur als Ausblick präsentiert wird und Klassiker wie das Emil Schumacher Museum in Hagen. Und noch vieles mehr: Das Dortmunder U, die Alte Synagoge in Essen, die Moschee in Duisburg-Marxloh – an den meisten der Orte wird es Ausstellungen und Konzerte geben – noch stehen nicht alle fest, aber es werden viele sein. Das ist gut. Das muss so sein. Und wir werden sicher auch Überraschungen erleben bei den Installationen der Biennale für Internationale Lichtkunst, bei einer besonders üppigen Extraschicht, beim National Poetry Slam, beim Baukultur Salon und und und…

Kreatives
Im Augenblick lese ich das Buch "Kinder, der Tod ist gar nicht so schlimm" von Tim Renner über den Niedergang der Musikbranche in Deutschland. Renner erwähnt nicht mit einem Wort Dieter Gorny – das nur mal so am Rande. Dieter Gorny hat  allerdings  in dem Programm seine Spuren hinterlassen und die meisten davon finde ich auch gut. Klar, es wird eine Strukturförderung für den Pop-Bereich geben – die wurde ja von Gorny in seiner Zeit im Rockbüro in Wuppertal quasi erfunden. Es wir deinen Pop-Kongress geben, was nicht weiter stört, einen Verband, die Ruhr Music Commission, was zur Netzwerkbildung beitragen wird und die ist sowieso immer gut und auch die Jazzfreunde, von denen ich manchmal den schmerzhaften Eindruck habe, dass sie schon alle als Autoren bei den Ruhrbaronen tätig sind, kommen mit dem Festival in  Moers und einem eigenen Netzwerkprojekt für die Musiker auch zu ihrem Recht auf Beachtung. Gorny setzt bei seinen Projekten weniger auf direkter Förderung als auf den Aufbau von Strukturen in den Bereiche Design, Pop, Jazz und Games – nicht alles davon wird über das Jahr 2010 bestand haben, aber alles was die Stadtgrenzen überschreitet und bei der Etablierung revierweiter Szenen hilft, ist gut. Da meckert man nicht.
Und auch die Kreativquartiere, die Wohn- und Lebensräume des sagenumwobenen Kreativen Klasse finde ich gut – weil ich daran glaube, dass es besser ist, wenn sich Talente konzentrieren. In dieser Frage scheint übrigens Realismus eingekehrt zu sein: "Das
Areal des Dortmunder U, das Viktoria Quartier Bochum sowie Unna-Massen stehen bereits jetzt als beispielhafte Areale fest."  Zur Erklärung: in Unna soll das ehemalige Spätaussiedlerlager Künstlern zur Verfügung gestellt werden. Ob das klappt? wer weiß. Aber ich finde gut, dass in dieser Liste Zollverein fehlt. Der Traum,  daraus ein Design oder sonst was Quartier zu machen scheint ausgeträumt. Das Viktoria Quartier (Umfeld des Bermudadreiecks) und die Gegend um das Dortmunder U (Klinik- und Kreutzviertel) sind gute Projekte. Das kann klappen.

Was fehlt in diesem Artikel?
Unmengen: Twins – eine Menge schöner  Aktionen mit den Partnerstädten  der Städte des Ruhrgebiets. Das Chortreffen !Sing,  ISEA, das Festival für elektronische Kunst  das Theaterquartier Ruhr auch und und und…wer sich über alles informieren will, kann sich Buch1 als PDF herunterladen. Die Kulturhauptstadt-Internetseite wurde übrigens auch überarbeitet. Auch beim Logo gibt es Neuigkeiten – daüber mehr beim Pottblog.

It´s The End Of The World As We Know It?

 

Selten gab es eine so dichte und beunruhigende Nachrichtenlage wie in der Finanzkrise. Die Komplexität der Hintergründe und Verflechtungen überfordern häufig sogar Experten. Erleben wir einen Epochenbruch und wenn ja, wann werden wir das wissen?

Ich habe in meinem Leben bislang zwei Epochenbrüche erlebt. Beide registrierte ich erst mit jahrelanger Verspätung. Als 1985 Michael Gorbatschow zum Generalsekretär der KPDSU gewählt wurde, kam niemand auf die Idee, dass vier Jahre später die Mauer fallen und sechs Jahre später die Sowjetunion Geschichte sein würde. In der Schule erklärten uns damals die Lehrer, dass die Bundesrepublik in spätestens zehn Jahren die DDR diplomatisch anerkannt haben wird und das Verhältnis beider Staaten so normal wäre, wie das zwischen uns und Österreich. Gorbatschow? Das einzige was man Anfangs bewusst registrierte war dass er laufen kann ohne abgestützt werden zu müssen – bei seinen Vorgängern Breschnew, Tschernenko und Andropov war das anders.

Als am 30 April 1993 das World Wide Web startete bekam ich (und die meisten anderen) davon schlicht nichts mit. Für das Internet begann ich mich Anfang 94 zu interessieren. Eines der Bücher das ich mir damals über das Internet kaufte (In acht Sekunden um die Welt) widmete dem WWW ganze zwei Seiten.

Vielleicht war das Frühjahr 2007 so ein Wendepunkt, denn damals begann die Finanzkrise in den USA – ihre Auswirkungen auf Deutschland wurden unterschätzt, die Bankenaufsicht blieb lange passiv.

Im Augenblick kann keiner sagen, wie sich das alles auswirken wird, und ob es nicht vor allem die Panik ist, die regiert. Ich weiß aus Düsseldorfer Agenturen, dass die großen Unternehmen im Augenblick hektisch ihre Anzeigenaufträge stornieren, aber auch, dass nicht wenige Vorstandsvorsitzenden froh sind, dass die Ära der jungen, oft schnöseligen Investmentbanker vorbei sein könnte, die sie auf langen Besprechungen regelrecht grillten und ihnen vorschrieben, wie sie ihre Unternehmen zu führen hätten.

Bleibt es bei diesen Auswirkungen, einer konjunkturellen Delle, dem Ende der Investmentbanker und eine Rückkehr des Bankensektors zu seiner Grundaufgabe als Dienstleister der Wirtschaft, alle wäre halb so schlimm.
Aber insgeheim wissen wir schon heute, dass es schlimmer ist. Die große Koalition steht kurz davor Banken zu verstaatlichen – die Briten haben es schon getan, die Isländer auch und die USA  denken ebenfalls darüber nach. Das Geld was die Staaten im Augenblick in die Finanzwirtschaft stecken, wird sich der Staat irgendwo herholen müssen: Er wird über lange Zeit weniger Geld für Bildung oder Infrastruktur haben, ausgeglichene Haushalte werden für die nächste Zeit eine Utopie sein. Und vielleicht besinnen sich ja die Staaten auf den klassischen Weg des staatlichen Schuldenabbaus: Der Inflation. Immerhin ist der Staat der einzige Markteilnehmer, der seine Schulden dadurch zurückzahlen kann, indem er das Geld, was er dafür braucht, einfach druckt.

Aber was passiert, wenn es wirklich zu der „Kernschmelze“ kommt, von der Banker sprechen, wenn die Mikrofone abgeschaltet sind? Wenn die Finanzmärkte und die Wirtschaft komplett kollabiert? Die Maßnahmen der Regierungen (Garantien, Verstaatlichungen, massive Zinssenkungen etc.) zeigen in ihrer Massivität, wie bedrohlich die Lage ist: Hier wird nicht gegen eine kleine Krise gekämpft, hier geht es um den Erhalt des Systems. Im Kern sehen wir in der Hektik einen Staat, der gegen den drohenden Notsand kämpft. Gelingt ihm das, werden die Konsequenzen hart, aber erträglich sein. Gelingt es ihm nicht, werden wir im Nachhinein sehen, dass 2007 der Beginn eines Epochenbruchs war. Die Welt wird sich verändern, für jeden von uns und wir haben es wieder einmal nicht gemerkt (zumindest die meisten von uns). Die Massivität der Nachrichten, die Summen die genannt und die Maßnahmen die ergriffen werden, stehen allerdings im radikalen Gegensatz zum Alltag. An der Fleischtheke bei Rewe ist alles wie immer,  der Intershop war gestern Abend auch nicht leerer als an anderen Tagen und auf den Straßen rollt der Verkehr wie jeden Tag. Vielleicht ist die Dramatik der Nachrichten und die gleichzeitige Banalität des Alltags ja typisch für große Katastrophen. In der Sekunde bevor der Komet einschlug und das Ende der Saurier einleitete, freute sich irgendein Brontosaurus sicher über die Blätter des saftigen Baumes, den er gerade entdeckt hatte.

Werbung


Warum nicht alle?

Essen, Gelsenkirchen, Bottrop, Herne, Gladbeck, Mülheim, Duisburg und Oberhausen wollen ihre Gewerbeflächen gemeinsam vermarkten. Warum machen die anderen Städte nicht mit?

Auf der Immobilienmesse Expo Real in München haben Essen, Gelsenkirchen, Bottrop, Herne, Gladbeck, Mülheim, Duisburg und Oberhausen verkündet, dass sie nun ihre Gewerbflächen gemeinsam vermarkten wollen. Vor ein paar Jahren haben Gelsenkirchen und Essen erste Schritte in diese Richtung unternommen und angefangen ein paar Flächen unter dem Label Neue Schlosslagen anzubieten. Dass die acht Städte nun zusammen arbeiten ist ein schöner Erfolg und natürlich ein Schritt in die richtige Richtung. Nur warum machen die anderen Städte nicht mit? Anfang des Jahres hatte auch die Wirtschaftsförderung in Dortmund Ideen, die in die gleiche Richtung gingen. Und jetzt fehlt Dortmund. Und Bochum auch. Und viele andere Städte. Ich weiß, dass sie in ein paar Jahren folgen werden – aber warum muß es immer so lange dauern? Warum können die Kirchturmpolitiker nicht über ihren Schatten springen? In Datteln werden Städte sogar bald gemeinsam ein Gewerbegebiet betreiben und sich die Steuereinnahmen teilen – übrigens wird Dortmund dort dabei sein. Ach, immer diese Lahmarschigkeit…