Für Hagen und den Kreis Wesel lohnt sich der Ausstieg aus dem RVR nicht.
Die Niederrhein bleibt ein starkes Stück Ruhrgebiet. Foto: Ruhrbarone
Ich mag die Diskussion über die Kosten des Ausstiegs oder dem Verbleib im Regionalverband Ruhr nicht. Sie hat etwas kleinkrämerisches, denn ich bin mir sicher, dass die Zusammenarbeit der Städte, das Zusammenwachsen der Region für die Menschen im Ruhrgebiet zahlreiche Vorteile bringt, die sich nicht einfach nur in Zahlen ausdrücken lassen: Wie viel ist die Kulturhauptstadt wert oder die Route der Industriekultur? Man kann natürlich in beiden Fällen die Kosten errechnen – aber nicht was sie dem Ruhrgebiet bringen: Aufmerksamkeit, Identität und neue Ideen die durch Kooperation entstehen können, sind nur sehr schwer und ungenau zu beziffern.
Zudem bin ich mir sicher: Je stärker das Revier zusammen rückt, umso größer werden die Vorteile: Weniger Bürokratie, ein besserer Nahverkehr und vieles mehr könnten Wirklichkeit werden, wenn im Ruhrgebiet der Mut und nicht das Kirchturmsdenken regieren würden.
Trotzdem spielte die Diskussion über Kosten im Ruhrgebiet immer eine große Rolle – keine Überraschung angesichts der finanziellen Lage der meisten Städte, die im Kern pleite sind.
So scheiterte Wolfgang Clements (Für die Jüngeren unter uns: Wolfgang Clement war einmal Ministerpräsident in NRW und Mitglied der SPD. Die SPD war früher einmal ein große Partei und regierte in NRW) Vorstoß den damaligen Kommunalverband Ruhrgebiet durch eine Agentur Ruhr zu ersetzen an den Kosten für die Städte. Die wollten den ungeliebten KVR behalten, als der ihnen vorrechnete, wie teuer sie die Agentur Ruhr zu stehen kommen würde.
Und auch im Moment werden die Fragen der Kosten im Kreis Wesel und in Hagen diskutiert – vor allem vor dem Hintergrund eines möglichen Austritts aus dem RVR, zu dem sich Hagen und der Kreis Wesel noch in diesem Herbst entschließen müssten – danach ist ein Austritt aus dem Ruhrgebiet erst wieder in zehn Jahren möglich.
Der Kreis Wesel legt vor ein paar Wochen ein Gutachten einer Dinslakener Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vor, nachdem der Kreis Wesel bei Einmalkosten von 3,9 Mio Euro mit einer Austrittsdividende von rund 2,5 Mio. Euro im Jahr rechnen könnte. Nun hat der RVR auf das Gutachten reagiert. In einem Brief von RVR-Chef Heinz-Dieter Klink (SPD) an den Landrat des Kreises Wesel, Ansgar Müller (SPD), der den Ruhrbaronen vorliegt, dass es zu anderen Ergebnissen kommt, verwundert nicht. Bislang zahlt der Kreis dem RVR3,1 Millionen Euro im Jahr Verbandsumlage. Nach dem Austritt würde diese Summe um 100.000 Euro jährlich auf 3 Millionen Euro sinken – denn der Kreis Wesel wird sich auch in den kommenden zehn Jahren an den laufenden Kosten des RVR beteiligen müssen. Mitzubestimmen hätten die Weseler dann allerdings nichts mehr. Zu diesen laufen Kosten zählen die Ausgaben für die Route der Industriekultur und 7,9 % der Personalkosten des RVR. Auf den Kreis Wesel kämen aber noch weiter Kosten zu: Klink in seinem Brief an Müller: „Zusätzlich müsste der
Kreis Wesel jedoch die Unterhalts- und Entwicklungskosten für all jene Liegenschaften/ Projekte, aus denen sich der RVR nach Verbandsaustritt zurückziehen würde, alleine erbringen bzw. gegenüber der Öffentlichkeit rechtfertigen, warum auf diese Leistungen, die den Bürgerinnen und Bürgern zugute kommen würden, in Zukunft ggf. verzichtet werden soll. Weitere Nachteile für den Kreis Wesel ergeben sich dadurch, dass zukünftige Projekte, wie z. B. die Weiterentwicklung der Xantener Südsee, ohne Beteiligung des RVR und damit allein aus Mitteln des Kreises
Wesel finanziert werden müssen oder möglicherweise sogar in Frage gestellt sind.“ Zu den Projekten, auf die Klink anspielt, gehören vor allem das Freizeitzentrum Xanten, die Halden und die Bislicher Insel.
Auch für Hagen würde sich der Austritt aus dem Ruhrgebiet finanziell nicht lohnen: 1,6 Millionen Euro zahlt Hagen jährlich an den RVR – und auch diese Summe würde sich bei einem Austritt aufgrund der laufenden Verpflichtungen nach RVR Angaben kaum ändern. Hagen und Xanten müssten also künftig für das Ruhrgebiet mitzahlen, ohne von den Leistungen des RVR weiter zu profitieren – und ohne jedes Mitspracherecht. Für alle Städte und Kreise im RVR eigentlich ein gutes Geschäft – nur für den Kreis Wesel und Hagen nicht.
Unabhängig von den neuen Zahlen sind die Austritte ohnehin unwahrscheinlich: Im Kreis Wesel sind Städte wie Moers vehement gegen einen Austritt und auch die SPD wird wohl gegen den Austritt stimmen. Eine Perspektive des Kreises Wesel als Vorort von Düsseldorf und dem Ruhrgebiet ohne jede Mitsprache scheint den Genossen nicht so attraktiv zu sein – und ohne die Stimmen der SPD geht es nicht: Der Austritt muss mit einer 2/3 Mehrheit im Kreistag beschlossen werden. Auch die FDP könnte sich angesichts der Zahlen gegen eine Austritt entscheiden. Und dann sind da noch die gemeinsamen Projekte im Logistikbereich, die der Kreis mit dem Ruhrgebiet gemeinsam angeht – und die mit einem Ruhrgebiet, das Wettbewerber und nicht Partner ist wohl kaum verwirklicht werden können.
Der reizvolle Niederrhein wird künftig also wohl ebenso ein Teil des Ruhrgebiets bleiben wie die Ausläufer des Sauerlandes in Hagen – und damit dazu beitragen, dass das Ruhrgebiet auch landschaftlich eine sehr vielseitige Region bleibt.
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