RVR-Chef Klink: Und er bewegt sich doch…

Im Kreis Wesel diskutieren sie über den Ausstieg aus dem Regionalverband Ruhr – nun meldet sich der RVR-Chef zu Wort.

Heinz-Dieter Klink. Foto: RVR

Einen schienen die Auflösungstendenzen indes nicht sonderlich zu interessieren: Heinz-Dieter Klink, der Chef des RVR hielt sich aus den ganzen Diskussionen um den RVR – Austritt weitgehend raus – und auch der Verband hielt sich politisch zurück. Intern hatte Klink die Parole ausgegeben, dass die Austrittsdiskussionen interne Probleme der Verbandsmitglieder wären, aus denen sich der RVR raushalten solle. Erst wenn es um die konkrete Frage des Austritts ginge, solle sich der RVR äußern. Die ausgebene Verteidigungslinie: Ein Austritt aus dem RVR kommt den Städten und Kreise teurer zu stehen als die Mitgliedschaft. Kein Argument, das von Selbstbewußtsein strotzt. Doch nun hat Klink es sich wohl anders überlegt. In einem Schreiben vom 30. Juni, das Klink an die "Hauptverwaltungsbeamtinnen,
Hauptverwaltungsbeamten und Fraktionsvorsitzenden der Städte und des Kreises im Kreis Wesel" schickte, schreibt Klink: "bei der im Kreis Wesel anstehenden Entscheidung über den Verbleib im Regionalverband Ruhr geht es um eine wichtige Zukunftsfrage für das Ruhrgebiet und damit auch für Ihre Stadt. Viele gute – ich meine sogar zwingende – Gründe wie das bisher gemeinsam Erreichte sprechen dafür, am kommunalen Verbund im Ruhrgebiet festzuhalten und ihn künftig noch enger zu gestalten. So soll die beigefügte Auswahl von 10 prägnanten Argumenten nicht bloß werben, sondern überzeugen, wo vielleicht noch Unsicherheit über die Bereitschaft zur aktiven Rolle der eigenen Kommune in der Metropole Ruhr besteht. Ich bitte Sie daher, die genannten Gründe für eine weitere Mitgliedschaft im RVR bei Ihren politischen Beratungen zu berücksichtigen."

Die zehn Gründe, warum es für die Kreise und  Städte besser ist, im RVR zu bleiben als auzutreten sind laut Klink:

1. Der RVR bildet mit seiner landesgesetzlichen Grundlage die einzige demokratisch legitimierte und damit verlässliche regionale
Klammer des Ruhrgebiets. Er war und ist auch für andere Regionen in Deutschland das Vorbild, eine Regionalorganisation auf der Basis eines eigenen Gesetzes zu errichten (z.B. Regionalverband Stuttgart). Keine selbst organisierte themenbezogene kommunale Kooperation kann diese Qualität ersetzen.
2. Der RVR bietet das einzige Forum für alle Städte und Kreise im Ruhrgebiet; nur sein räumlicher und inhaltlicher Zuständigkeitsbereich
definiert die Metropole Ruhr. Ohne Zugehörigkeit zum RVR keine Zugehörigkeit zur Metropole Ruhr.
3. Nur der RVR sichert auf der Basis politischer Abstimmungsprozesse in der Verbandsversammlung als „Ruhr-Parlament“ ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Kommunen, sorgt für einen fairen Interessenausgleich innerhalb der Region und trägt damit entscheidend zu einer gleichmäßigen Entwicklung des Ruhrgebiets bei. Die Tatsache, dass sich mit „Essen für das Ruhrgebiet“ die gesamte
Metropole Ruhr erfolgreich um den Titel „Kulturhauptstadt Europas 2010“ beworben hat – und ihn auch nur als Gesamtheit gewinnen
konnte -, ist der Fähigkeit des Verbandes zur Herstellung des regionalen Konsenses zu verdanken.
4. Der RVR organisiert in seinen Gremien als einziger den kommunalen Konsens über die Metropole Ruhr und ist so besser als alle anderen in der Lage, regionale Entwicklungsstrategien und Projekte anzustoßen, zu erarbeiten und umzusetzen. So widmet sich der RVR regionalen Handlungsbedarfen mit seinem Instrument der Masterplanung, aktuell etwa zu Themen wie „Saubere Luft“, „Kultur“ und „Sport“.
5. Der RVR verleiht der Metropole Ruhr mit markanten städte- und landschaftsbaulichen Verbundprojekten eigener Art ein unverwechselbares
Gesicht. Beispielsweise mit der Route der Industriekultur, dem Emscher Landschaftspark und der Kette der Haldenereignisse schafft der
Verband eindrucksvolle, über die Grenzen der einzelnen Städte hinausgreifende Verortungen der Metropole Ruhr, die aufgrund ihrer
Polyzentralität durch punktuelle Wahrzeichen alleine nicht in ihrem viele Kommunen umfassenden Charakter repräsentiert werden
kann.
6. Der RVR akquiriert durch die Initiierung und Profilierung regionaler Projekte Fördermittel des Landes, des Bundes und der EU, die für den Aufbau der Metropole Ruhr unverzichtbar sind. Alleine in den Jahren 2004 bis 2007 hat der RVR Fördermittel in einer Größenordnung von rund 50 Millionen Euro für die Region gesichert.
7. Der RVR verschafft seinen Mitgliedern national wie international eine Wahrnehmung, die kein Mitglied alleine erzielen kann. Im Rahmen seiner regionalen Öffentlichkeitsarbeit, operativ an vielen Stellen unterstützt durch eigens gegründete RVR-Gesellschaften wie z.B. die Ruhr Tourismus Gesellschaft und die Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH, stellt der RVR z.B. durch sein Internet-Kulturportal KIR (einzige regionalweite Veranstaltungsübersicht) und auf Messen wie der ITB, der Expo Real und der Mipim die Leistungen der Metropole Ruhr und ihrer Kommunen dar.
8. Der RVR kann Aufgaben durch Synergien deutlich günstiger erledigen als jedes Mitglied alleine. Beispiele hierfür liefert der Verband mit seinem Geodatenverbund im Stadtplanwerk Ruhr, dem Rad- und Wanderwegebau und der Freiraumpflege.
9. Der RVR kann durch seine zahlreichen Spezialisten und eng eingebunden in eine Vielzahl von Netzwerken mit externen
Partnern auch komplexe Projekte flexibel und nachhaltig realisieren. Ohne sein spezifisches regionales Know-how sind Metropolenprojekte
wie der Emscher Landschaftspark, die großräumigen Freizeitangebote wie Revierparks, Erholungswälder und dazugehörige
Infrastrukturen sowie Events wie die Ruhrolympiade und Extraschicht nicht machbar.
10. Der RVR hat 88 Jahre Erfahrung im Regionalmanagement. Dieser Vorsprung gegenüber allen anderen deutschen Regionen
bildet die verlässliche Basis und Voraussetzung, dass die Zukunftssicherung als Metropole Ruhr gelingt. Never change a winning team.

Gut, dass Klink in diesem Schreiben auf die Stärken des RVR hinweist: Es gibt ein (wenn auch schwaches) Parlament. Besser als nichts – man könnte es ja stärken. Klink hat Recht: Viele Projekte, wie die Route der Industriekultur und die Kulturhauptstadt 2010 hätten die Städte ohne den RVR nie hinbekommen. Auch ob es eine gemeinsame Wirtschaftsförderung je gegeben hätte, wenn die Städte sie hätten gemeinsam gründen und finanzieren müssen, ist eher unwahrscheinlich – auf viel mehr als warme Worte konnten sich die Städte untereinander bislang nur selten einigen. Auch gemeinsame Messeauftritte hätte es kaum gegeben. Dass das Internetportal KIR von etlichen privaten Internetseiten lässig getoppt wird – geschenkt. Zu kleinkrämerisch bin selbst ich nicht.
Aber die Kritik der Grünen im RVR an dem Papier von Klink ist nachvollziehbar. Deren Fraktionsspitzen Sabine von der Beck und Martin Tönnes kritisieren in einem Schreiben an Klink vom 8. Juli, dass Klinks Papier nicht nur ein Alleingang war – was  wohl Klinks gutes Recht  ist, sondern auch, dass er kaum auf die besondere Situation im Kreis Wesel eingeht. Weder auf die Stärken des RVR, der sich in den vergangenen Jahren besonders im Kreis Wesel engagiert hat (Üfter Mark, Bislicher Insel, Freizeitzentrum Xanten) noch die spezifischen Probleme des Kreises mit dem RVR werden benannt: " (Es) fehlt eine Auseinandersetzung mit dem Thema AGR, die im Kreis Wesel mit der Verantwortung für die Deponienachsorge in den öffentlichen Diskussionen eine durchaus zentrale Rolle spielt. Hierbei wird ja auch gezielt mit den Ängsten der Bürgerinnen und Bürger gespielt, dem Sachargumente durch entsprechende Investitionsplanungen und andere Aktivitäten öffentlich entgegen zu stellen sind.

Auch wollen die Grünen Zukunft darfür sorgen, dass es deutlicher wird, dass die Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr GmbH, die Revierparks oder auch der Ruhrtriennale Veranstalter Kultur Ruhr GmbH ganz oder zum großen Teil Tochtergesellschaften des RVR sind.

Die Grünen fordern von Klink auch mehr Eigenintiative und Ideen – daran herrscht im Verband ein großer Mangel: Ein Nachfolgeprojekt für die Kulturhauptstadt 2010? Niente. Schade nur, dass auch die Grünen im RVR einen Dienstleister der Städte sehen. Das könnten Agenturen besser erledigen als ein Verband. Der RVR müßte Taktgeber sein, Ideenschmieder und laut zu vernehmender Interessensvertreter der Region. Doch bis der RVR das (wieder) wird, ist es wohl noch ein weiter Weg.

Rekordparade im Ruhrgebiet

"Pott schlägt Hauptstadt: Die Loveparade 2008 in Dortmund hat mit 1,6 Millionen Ravern einen Besucherrekord aufgestellt – und die letzten Spektakel in Berlin bei weitem übertroffen" schreibt SPON – und dabei war das Wetter gestern wirklich mies.

Loveparade. Foto: Stadt Dortmund

Es ist das alte Problem der Kulturkritik, dass sich eigentlich kaum jemand für ihre Diskurse interessiert – so auch bei der Loveparade. Ob die (dämlichen) Reden von Dr. Motte wichtig waren, Techno noch einen wichtigen Beitrag zur Popkultur liefert oder die 1989 in Berlin gestartete Loveparade ihre  Autentizithät verloren, seitdem sie vom Betreiber einer Fitnessstudiokette gemanagt wird, fanden zumindest die 1,6 Millionen, die gestern in Dortmund für einen neuen Besucherrekord sorgten und vor allem ihren Spaß haben wollten, nicht ganz so spannend. Die Loveparade ist Karneval im Sommer und das ist OK. Wem es nicht gefällt, der muß ja nicht hingehen und hat täglich zahlreiche Gelegenheiten, seinen elaborierten Geschmack unter Beweis zu stellen. Im nächsten Jahr kommt die Loveparade nach Bochum – mal schauen ob ich sie mir dann anschaue, denn eigentlich mag ich keine Bässe – ein Problem, bei einer Technoparty, aber einen Teil des gestrigen Lineups hätte ich mir ganz gerne angeschaut: Moby und Underworld – vielleicht sind sie ja nächstes Jahr auch dabei. Übrigens: Eine schöne Fotostrecke gibt es  auf der Internetseite der Stadt Dortmund.     

Update: Schicht im Schacht

Heute Abend lohnt es sich, um 20.15 Uhr einen Blick ins Fernsehprogramm zu werfen: Der neue Schminanski läuft im Ersten.

Schimanski (Foto: Wikipedia)

In den 80ern probten wir mit unserer Band, deren Namen nicht erwähnt werden muß, weil ihn schon damals niemand kannte, jeden Sonntag in einem Bunker in Gladbeck-Brauck. Der Termin war heilig, nicht zur Probe zu erscheinen ein Sakrileg. Es sei denn, die ARD zeigte einen Schimanski-Tatort – das ging natürlich vor. Da schwiegen selbst die Stromgitarren. Der neue Schimanski heißt "Schicht im Schacht" und die Kritiken in der Süddeutschen, der Welt und der Rundschau sind gut, die taz hat auch noch ein paar lustige Anmerkungen veröffentlicht, wie es auch der Stern tat.

Für das Ruhrgebiet war Schimanski in den 80er Jahren, die erste Folge "Duisburg Ruhrort" wurde am 28. Juni 1981 ausgestrahlt,   eine außerordentlich wichtige Figur: Die von dem Berliner Schauspieler Götz George verkörperte Figur des Duisburger Hauptkommissars Horts Schimanski wurde vor allem für die damaligen Kids zu einem Symbol des Ruhrgebiets. Schimanski war kein alter Bergmann, wie der von Jürgen von Manger dargestellte Tegtmeier, sondern ein unkonventioneller Ermittler im Stil amerikanischer Action Serien. Mit Schimi konnte man sich indentifizieren. Das Ruhrgebiet wurde als Dschungel dargestellt. Eine Gegend mir rauem Charme, nicht von klassischer Schönheit, aber dafür einzigartig. Das Ruhrgebiet war etwas besonderes geworden.  Bei der Beurteilung der Schimanski Tatorte ging ein Riß durch die Bevölkerung. Während die einen die Tatort-Folgen mit Götzt George liebten, stieß er in den traditionell orientierten Kreisen der Bevölkerung auf Ablehnung. Zu realistisch war das dort gezeigte Bild des Ruhrgebiets als  Region im Niedergang, als das man sich damit identifizieren wollte.
Doch den Aufstieg Schimanskis zu einer Ikone des Ruhrgebiets konnte auch dieser Widerstand nicht verhindern.
Auch heute noch wird über Schimanski genörgelt. Die gute, alte WAZ bemängelt, dass der neuen Schimanski nicht in ausreichendem Maße die Fortschritte des Strukturwandels würdigt, die erfolgreichen Neuansiedlungen preist und ohnehin ein nostalgisches Ruhrgebietsbild transportiert. Am Besten, so der Autor, Schim sollte in Rente gehen. Ach, es ist wie immer.

Update: War ein richtig guter Krimi. Dramatisch, klar, ein wenig Ruhrgebietskitsch (Aber das darf bei einem Schimanski sein) und eine wirklich gut erzählte Geschichte. Auch die Musik hat mir gut gefallen – und so etwas fällt mir bei einem Fernsehfilm nur selten auf. Kein Grund für Schimi in Rente zu gehen – nur mir fehlt immer noch Thanner.

Huhu – wo seid ihr?

Ja ja, im Ruhrgebiet kann man sich noch aussuchen wo man wohnt. Und wie. Aber wieso wohnen nicht alle meine Freunde in meiner Nachbarschaft? Ist doch schön hier.

Auch nett: Kreuzviertel in Dortmund. Foto: Ruhrbarone

Als meine Eltern – genauer meine Mutter und ihr damaliger Lebensabschnittsgefährte – Ende der 70er Jahre eine Wohnung in Frankfurt suchten, ging es um die Größe: Drei Zimmer sollten es sein, davon sich den Stadtteil aussuchen zu können, wagten sie selbst als Doppelverdiener nicht zu träumen. Ein paar damals ganz üble Quartiere wie Bonames, Nordweststadt oder das Gutleutviertel waren tabu, aber ansonsten wurde in der ganzen Stadt gesucht. Am Ende zogen wir nach Bornheim – Glück gehabt.
Als ich 1996 nach Bochum zog nahm ich eine Wohnung in der Nähe vom Marabo. Erst später erfuhr ich, dass ich nun im Ehrenfeld wohnte und dass etwas Tolles ist. OK, das Bermudadreieck war nicht weit entfernt und einen Supermarkt gab es auch um die Ecke. Außerdem war es ruhig.
Als meine Freundin und ich im vergangenem Sommer in Bochum begannen nach einer Wohnung zu suchen, gingen wir deutlich wählerischer vor: Ehrenfeld, Altenbochum oder am Stadtpark waren die drei Viertel, in die wir wollten. Auf Angebote aus Riemke oder Dahlhausen reagierten wir noch nicht einmal und am Ende landeten wir am Stadtpark – zu einer Miete, für die man in guten Lagen Frankfurts eine Doppelgarage nutzen kann, bekamen wir eine renovierte vier Zimmer Altbauwohnung. Bingo.
Eigentlich müssten die meisten die wir so kennen in den drei oben genannten Stadtteilen wohnen. Oder im Kreuzviertel in Dortmund, in Essen-Rüttenscheid, im Dellviertel in Duisburg. Kleine Zusammenballungen müssten entstehen, Quartiere, in denen man sich schon morgens beim Bäcker trifft und sich gegenseitig Salz ausleiht. Dörfer in der Stadt. In anderen Städten ist das so und auch, wenn es teuer ist: Vielen ist eine kleine, miese Wohnung in Köln Lindenthal lieber als eine Gehöft in der Eifel. Im Ruhrgebiet ist das anders. Mein Freundes- und Bekanntenkreis, der nicht in Bochum wohnt (Da wohnen sie fast alle in den drei Vierteln, in die es auch Irene und mich zog)  verteilt sich über: Gladbeck-Ost, Gladbeck-Mitte, Dortmund-Barop, Gelsenkirchen Horst und Buer, Bottrop, Bottrop-Kirchhellen, Duisburg-Rheinhausen, Herten, Recklinghausen-Süd und Herne (Herne und Wanne!). So wird das nie was mit der Metropole – wir knubbeln uns nicht genug! Nur warum nicht? Ist dieses ungewöhnliche Siedlungsverhalten, bei dem die Mieten kaum eine Rolle spielen können, ein Beleg für die Metropole neuen Typs, von der auch hier immer mal wieder geschrieben wird, oder kommt da noch was?

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Venite ad Dispargum, studiosi!*


Duisburg will Studenten der Uni Duisburg-Essen, die ihren Hauptwohnsitz nach Duisburg verlegen, die Studiengebühren erstatten. Eigentlich eine gute Idee – aber nur eigentlich.

Jürgen Dressler. Foto: Stadt Duisburg

Jürgen Dressler gehört unter den hunderten von Dezernenten des Ruhrgebiets zu den Beachtenswertesten. Er ist eine eigenwilliger Geist, was ihn schon einmal von den meisten seiner Kollegen und Kolleginnen wohltuend unterscheidet und kommt auch immer mal wieder mit einer ausgefallenen Idee um die Ecke. So forderte er im vergangenem Jahr die Gründung einer eigenen Ruhrgebietspartei und griff die Vertreter aller Fraktionen im Duisburger Rat an – Dressler provoziert gerne, macht aber einen guten Job: Seit 1995 ist er Stadtentwicklungsdezernent. In dieser Zeit ist der Innenhafen groß geworden und hat Duisburg als Standort erst wieder attraktiv gemacht. Den Masterplan für die Innenstadt ließ man von Star-Architekt Norman Foster entwickeln und sorgte auch so für Aufmerksamkeit. Das Duisburg heute nicht mehr  die rote Laterne im Ruhrgebiet inne hat und in der Arbeitslosenstatistik hinter Gelsenkirchen und Dortmund liegt, ist sicher zum Teil der Verdienst einer guten Stadtentwicklungsarbeit, für die auch der Name Dressler steht.
Und nun hat Dressler wieder eine neue Idee. Gemeinsam mit Thomas Lambertz, dem Personalchef der Duisburger Stadtverwaltung, will er Studenten nach Duisburg locken: Wer dem Ruf folgt und in Duisburg seiner Erstwohnsitz anmeldet, soll bei der Stadtverwaltung pro Semester ein 60stündiges Praktikum absolvieren und dafür die Studiengebühren von 500 Euro, die pro Semester an der Uni Duisburg-Essen fällig werden, erstattet bekommen. „Wir stehen in einem Wettbewerb mit vielen anderen Kommunen im Land, die den Verbleib oder Zuzug qualifizierter Fachkräfte fördern, die sonst sogar ins Ausland abwandern" – so Dressler in einer Presseerklärung der Stadt.
In Essen ist man über den Alleingang Duisburgs nicht erfreut und fragt sich, wie eine Stadt, die unter Haushaltssicherung steht und notorisch Pleite ist, so eine Ansiedlungspolitik überhaupt finanzieren  will. Nun, wahrscheinlich gar nicht: Der Vorschlag hat das Potential vom Regierungspräsidenten in Düsseldorf, der über den Duisburger Haushalt wacht, gleich wieder kassiert zu werden. Und dann stellt sich noch die Frage, wieso die klammen Ruhrgebietsstädte sich gegenseitig die attraktiven Bürger abspenstig machen sollten. Duisburg hat wahrlich andere Sorgen als Studenten zum Umzug von Oberhausen nach Duisburg zu bewegen, denn wie alle Hochschulen des Reviers ist Duisburg-Essen vor allem eine Pendler-Uni.
Die Idee ist also Unsinn.
Und die Idee ist richtig, wenn man sie etwas größer denkt und das Dresslersche Provokationspotential mit einrechnet. Denn das Problem Duisburgs ist das gleiche wie das des Ruhrgebiets: Der Bevölkerungsmix stimmt nicht. Das Ruhrgebiet ist überaltert, zieht zu wenig jungen Mensche von außerhalb an und auch das Qualifizierungsniveau dürfte etwas höher sein.  Dafür gibt es die verschiedensten Grüne:
–    Die bald vielleicht wieder kehrende Pendlerpauschale macht es möglich, billig in der Pampa zu bauen, aber im Ruhrgebiet zu arbeiten. Sie subventioniert den Wegzug aus den Ballungsräumen und die Zersiedelung des Umlandes.
–    Es fehlen attraktive Jobs.
–    Das Image des Ruhrgebiets ist immer noch schlecht. Wer hier wohnt mag es, aber wer hier nicht wohnt, glaubt immer noch, dass hier die Briketts durch die Luft fliegen.
Dresslers Grundgedanke ist gut: Stadt sich damit abzufinden, dass es nun einmal so ist, wie es ist, will er die Bevölkerungsstruktur seiner Stadt ändern. Bingo – der Ansatz ist richtig und sollte die Grundlage für eine regionale Bevölkerungspolitik sein: Wir müssen uns überlegen, wen wir hier haben wollen und um diese Menschen werben. Warum nicht Studenten, die ins Ruhrgebiet ziehen eine preiswerte Wohnung garantieren? Es stehen genug leer. Warum nicht mehr attraktive Baugrundstücke ausweisen, damit weniger junge Familien ins Umland ziehen? Warum werben wir nicht im Ausland um Studenten? Warum nicht eine zielgruppengenaue Werbung um potentielle Zuzügler entwickeln?
Die Städte im Ruhrgebiet sollten sich nicht schon wieder gegenseitig Konkurrent machen und das wenige Geld dass sie haben verbrennen, sondern sich gemeinsam überlegen, wie sie national und international besser auftreten können.
Wenn Dressler mit seinem Vorschlag eine solche Diskussion anstoßen wird, wäre viel gewonnen.

* Dank an Weltkind für Korrektur

Andreas Baaders Sonnenbrille…

"Wo seid ihr?" "An der Ringbühne!" "Was läuft?" "Extrabreit!" Oh Gott – aber was soll man machen, wenn der gesamte sich auf Bochum Total herumtreibende Freundeskreis von Retrogefühlen übermannt wird – und auch noch einen Rucksack mit kaltem Dosenbier dabei hat? Man stürzt sich ins Gedrängel und wirft ein Ohr auf Extrabreit.

Das Beste an Extrabreit ist, dass sie, gemeinsam mit anderen Bands aus Hagen, dem Spiegel als Anlass zu dem heute noch legendären Artikel "Komm nach Hagen, werde Popstar" dienten, dessen Titel ein Zitat aus einem Stück der Band ist – und natürlich habe ich auch als Schwerstpubertierender ganz subversiv gekichert, wenn "Hurra, Hurra die Schule brennt" auf Partys gespielt wurde, aber es findet sich bis heute kein Tonträger dieser Kapelle in meinem Besitz. Und gestern sah ich sie dann live – und ich glaube, dass alle, die Extrabreit mögen, ihren Spaß hatten – wie die Band auch, die sich erstaunlich frisch präsentierte. Ich fand es eher lustig neben Peter Podewitz zu stehen und mit ihm hämische Kommentare auszutauschen, aber auch das sorgte für einen geselligen Abend. Anders übrigens als bei den Fehlfarben vor zwei Jahren, die ihren Auftritt auf Bochum-Total eher übellaunig absolvierten – da half auch die deutliche besser Musik nicht. (Obwohl: "Große Liebe" noch einmal live zu hören hatte natürlich was). Peinlich wurde es zum Teil bei den neuen Stücken, die nicht durch die Erinnerung an Feiern in den Partykellern von Reihenhäusern in Gladbeck-Rentfort, die wahlweise im maritimen- oder alpinen Look ausstaffiert waren, erträglich wurden. "Andreas Baaders Sonnenbrille" war so ein Stück. Klar, Lebenslang für Baader wäre in Ordnung gegangen, aber sich von Kai Hawaii posthum betexten lassen zu müssen, verstößt sicher gegen irgendeine Menschenrechtskonvention der Uno.

Trailer ist richtig gut geworden

Nein, dass ich jetzt das Hohe Lied auf Trailer singe, hat nix damit zu tun, dass in der aktuellen Ausgabe David Schraven einen kleinen Text veröffentlicht hat und Christoph Schurian interviewt wird. Beides hat mit dem Ende der taz-nrw vor einem Jahr zu tun und ist lesenswert – aber das Besondere ist, dass Trailer in den letzten Monaten eigentlich immer lesenswert war.

 

Jahrelang habe ich mich geärgert, wenn in der Döneria meines Vertrauens weder Heinz noch Coolibri (die basteln gerade an einer neuen Homepage!) zu finden oder gleichmäßig mit scharfer Soße und Zaziki bestrichen waren: Bei einem Kalb vom Rundspieß ließ ich mir den Gedanken an Gammelfleisch gerne mit der Lektüre der beiden kostenlosen Stadtmagazine vertreiben. Lag stattdessen Trailer da, wußte ich genau: Das Ding ist so dünn, da steht so wenig drin, das habe ich durchgelesen, bevor der erste Zwiebelring meinen Magen erreicht hat.

Das hat sich geändert. Ich weiß nicht genau warum, aber vor nicht allzu langer Zeit wurde am dem Konzept des Blattes geschraubt – und zwar in Richtung Qualität. Vor allem die Texte von Lutz Debus sind grandios – auf sein Interview mit Jochen Malmsheimer habe ich ja schon vor ein paar Monaten hingewiesen. Aber diese Ausgabe war nicht die Ausnahme. Gute Hefte sind bei Trailer zur Regel geworden. Viel Kultur und Kulturpolitik, gut geschrieben, schöne lange Texte – was will man mehr. Die Lücke, die MARABO hinterlassen hat – so es sie denn überhaupt gibt – wird von Trailer jedenfalls teilweise gefüllt. Also: Trailer bitte nicht mehr ungelesen in der Ecke liegen lassen sondern einstecken und lesen… es lohnt sich.

 

Bochum Total: Heute geht es los

Heute um 17.00 Uhr startet Bochum Total.

Das größte Festival Europas startet heute um 17.00 Uhr im Bermudadreieck. Je nach Wetterlage – heute eher mau, ab Morgen wohl gut, rechnen die Veranstalter mit bis zu 900.000 Besuchern. Fast 80 Bands werden bis Sonntag auf den Bühnen zu sehen sein. Zu den Highlights gehören in diesem Jahr Alpha Boyschool, Paula und Alec Empire.

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Evolution: Krokodile holen auf!

Seit ein paar Milliarden Jahren läuft die Evolution – im Prinzip nichts anderes als die Europameisterschaft, nur dass die Verlierer nicht ausscheiden sondern aussterben.

Und lange Zeit haben wir uns ganz gut gehalten – zumindest für langsame Primaten mit etwas weinger Gehirn als ein Delphin. Doch nun haben die Krokodile die Nase vorn: Sie haben es geschafft, Menschen als Nutztieren zu halten. Das Futtertier mit der Mütze ist offensichtlich sogar darauf trainiert, den Kroko zum Essen zu tragen. Da müssen wir uns was einfallen lassen… 

„Monika ist frauenpolitisch aktiv…“

Viele hatten ja die Befürchtung, das die WAZ unter ihrem neuen Chefredakteur nach rechts kippt – immerhin gilt  Ulrich Reitz ja als Liberalkonservativer. Alles Unsinn. Die WAZ ist so offen wie nie.

Monika im Wahlkampf. Ausriss: Ruhrbarone

Deutlichstes Zeichen dieser neuen Offenheit ist ein Interview auf DerWesten.de, in dem Monika Gärtner-Engel, im Text als Sozialpädagogin, die sich seit den 80er frauenpolitisch engagiert, beschrieben, sich mit Silvie Freisel, der Pressesprecherin des Centro, unterhält. Der geneigte WAZ-Leser erfährt leider nicht, dass sich Frau Gärtner-Engel auch im ZK der MLPD engagiert. Die will natürlich den wahren Sozialismus, verehrt Stalin und Mao und äußert sich zur Perspektive der Bundesrepublik in ihrem Programm wie folgt: "Auch im Kommunismus, nach dem Sieg der Weltrevolution, bleibt die Diktatur des Proletariats vorerst bestehen. Ihre Hauptaufgabe besteht in der allmählichen Aufhebung der Klassen überhaupt. Noch lange wirkt die Tradition der bürgerlichen Ideologie nach. Erst wenn die bürgerliche Ideologie endgültig besiegt ist, sterben Klassen und Staat ab und die klassenlose Gesellschaft beginnt." Auch frauenpolitisch bietet die MLPD den darbenden Massen eine klare Perspektive: "Die kämpferische Frauenbewegung gegen die besondere Ausbeutung und Unterdrückung von Frauen muss zum Bindeglied zwischen der Arbeiterbewegung, dem aktiven Volkswiderstand und der Rebellion der Jugend werden. Dazu muss sie einerseits die gesamte Bandbreite der Frauen unterschiedlicher Klassen und Schichten in sich aufnehmen, andererseits jedoch mit der zersetzenden und spalterischen Wirkung des kleinbürgerlichen Feminismus fertig werden"  Ihre eigene Rolle scheint die MLPD zum Glück gefunden zu haben: "Ohne die Führung durch ihre revolutionäre Partei wird die Arbeiterklasse nicht erfolgreich zum Sturm gegen den staatsmonopolistischen Kapitalismus übergehen können. Die revolutionäre Partei muss sich auf Grundlage der proletarischen Denkweise zu einer wirklichen Partei der Massen entwickeln, die allseitige Wechselbeziehungen mit den verschiedenen Selbstorganisationen der Massen auf den unterschiedlichsten Gebieten hat."
Wer mehr über die Partei erfahren will, die bald all unsere Probleme lösen wird, dem sei ein schönes Portrait von Monika Gärtner-Engels Mann, Stefan Engel, ans Herz gelegt, das im vergangenem Jahr in der taz erschienen ist: Klick