Thoben trifft Kallasvuo

Zwischen Wirtschaftsministerin Christa Thoben und der Spitze des finnischen Nokiakonzerns ist es am heutigen Montag zu einem ersten Telefonkontakt wegen der geplanten Schließung des Bochumer Nokia-Werks gekommen –  fast eine Woche nach Verkündung des Schließungsbeschlusses. Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo erklärte sich nun  bereit, für ein persönliches Gespräch mit der Wirtschaftsministerin zur Verfügung zu stehen. Ein Termin wird kurzfristig vereinbart. Beide Seiten gehen in das Gespräch ohne jede Vorbedingung und ohne eine thematische Einschränkung. Minsterin Thoben hatte in Bochum angekündigt, mit Nokia über den Fortbestand des Standortes Bochum reden zu wollen.

Ein erstes Gespräch zwischen Betriebsrat und Kallasvuo heute in Finnland soll ohne Ergebnis geblieben sein. Apropos Ergebnisse: Das voraussichtlich sehr gute Quartalsergebnis wird Nokia am Donnerstag nicht wie üblich auf einer Pressekonferenz verkünden – die wurde abgesagt. Wahrscheinlich möchte man sich die schöne Stimmung nicht durch kritische Fragen von Journalisten versauen lassen.

Pleon soll Nokias Ruf retten / Trimedia nur am Rand

Im Augenblick läuft es nicht gut für Nokia. Das Unternehmen steht unter öffentlichem Dauerfeuer, die Imagewerte fallen und der Vorstandsvorsitzende ist nicht medientauglich – und ein Steuerhinterzieher. Anstatt auf die Effektivität der eigenen Pressestelle zu setzen, hat Nokia Pleon engagiert. Daneben ist Trimedia als Produktwerber wieter tätig. Pleon ist eine der größten internationalen PR-Agenturen, die damit wirbt, ihren Kunden jederzeit ein ganzes Team für Krisenkommunikation zur Verfügung zu stellen. Im Moment dürfte das gerade viel zu tun haben. Nokia wird spätestens in der kommenden Woche zu einem medialen Gegenschlag ausholen lassen. Der Zeitpunkt ist dann günstig: Die Bilder der weinenden Mitarbeiter sind gesendet und gedruckt worden, nun müssen andere Informationen her. Welche werden das sein? Erste Erfolge der Arbeit von Pleon sind schon sichtbar: Das Werk in Bochum wird als nicht wettbewerbsfähige Schrauberbude für Handykomponenten dargestellt. Minderwertige Konsumgüter, die genau so gut, nur viel billiger, in Rumänien, China oder bald auch Bangladesh hergestellt werden können. Das kann jeder verstehen, und es deckt sich mit unserer Erfahrung: Auch unsere Fernseher oder Computer kommen nicht mehr aus dem eigenen Land. Blöd gelaufen für die Mitarbeiter, ansonsten geht das Leben weiter.
Dumm nur, dass diese Argumentation im Falle Nokia nicht ganz stimmt – was nicht heißt, dass sie sich in den Medien nicht durchsetzt. Nokia ist keine Schrauberbude, sondern eine Produktionsstätte um ein Entwicklungszentrum mit 400 Diplom-Ingenieuren und zahlreichen Meistern und hochspezialsierten Facharbeitern. Hier wurden nicht nur bunte Bauteile zusammengesteckt, sondern Komponenten und Software entwickelt oder für die Zulieferer spezifiziert. Hier war der Ursprung der Handyentwicklung Nokias. In Deutschland hat nur noch Forschung und Entwicklung eine Chance? In Bochum gibt es bei Nokia genau das: Forschung und Entwicklung. Und es wird abgewickelt. Das ist die eigentliche Katastrophe, die für den hiesigen Standort ein verheerendes Signal ist.

Es wird spannend zu sehen sein, welche Argumente Pleon in den nächsten Tagen aus dem Hut zaubert: Glückliche Rumänen, die der Armut dank eines Jobs bei Nokia entkommen sind, Erfolgsgeschichten von ehemaligen Mitarbeitern, Beispiele für das soziale Engagement des Unternehmens, Leidensgeschichten von dem ungeheuren Druck, unter dem Nokia steht, Experten, welche die Bedeutungslosigkeit von Protesten für das Markenimage bezeugen … mal schauen, was Pleon alles so einfallen wird – und auf welchen Kanälen sie das alles kommunizieren, denn Pleon, vielfach ausgezeichnet, setzt auf Kommunikation auf allen Kanälen. Die Interviews in der Bild und im Handelsblatt sprechen eine eigene Sprache. Die Schlammschlacht beginnt.

 

Nokias Fehler – Deutschlands Fehler

Ein Artikel im Manager-Magazin prophezeit Nokia indes Probleme am neuen Standort Rumänien. Ein Management, das schon die Einführung der Klapphandys verpasst hat, und auch nach einem Jahr als Marktführer noch keine Antwort auf Apples iPhone gefunden hat, ist weit davon entfernt, perfekt zu sein. Auch die Pläne Nokias, künftig mit Internetdienstleistungen statt mit Telefonen Geld verdienen zu wollen, zeugen von einer gewissen Selbstüberschätzung. Auf diesem Markt warten Google, ebay und Amazon als Wettbewerber, und die werden sich von den Finnen kaum die Wurst vom Brot nehmen lassen.

Aber unabhängig von der Frage der Subventionen, die sich wieder einmal als teuer und wirkungslos erwiesen haben, hat auch die Politik Schuld an der Nokia-Katastrophe. Die Lohnkosten in Deutschland sind nach wie vor extrem hoch – nicht unbedingt die ausgezahlten Löhne. Arbeitnehmer werden systematisch von der Politik ausgeplündert:  Steuern und Abgaben machen Ihre Arbeit teuer. Sie sind gezwungen, wie auch die Unternehmen, ein uneffektives Sozialsystem und eine überbordende Bürokratie zu finanzieren – im schlimmsten Fall verlieren sie auf diesem Weg ihre Wettberwerbsfähigkeit und landen in der Arbeitslosigkeit. Die Bereitschaft, diese Strukturprobleme zu lösen ist gering – allenthalben wird nach dem starken Staat gerufen, der sich bislang noch immer als teurer Pummel mit mehr Fett als Muskeln erwiesen hat. Auch die üppig gezahlten Subventionen machen den Standort unter dem Strich teuer. Ob Bauern oder Bergbau  – jeder Euro, der ausgeben wird, um wirtschaftliche Träumereien zu finanzieren, schwächt die Unternehmen, die erfolgreich wirtschaftten und die Rechnung bezahlen müssen und gefährdet Jobs.  

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Nokia: Image im Arsch

ZDnet meldet, das nach einer Studie das Image Nokias als Arbeitgeber zusammengebrochen ist – vom ersten Platz herunter auf den letzten. Für ein Unternehmen, das auch künftig darauf angewiesen ist, wenn auch nicht in Deutschland, gutqualifizierte Ingenieure zu gewinnen, ein verheerendes Ergebnis. Auch die Kunden beurteilen Nokia kritischer:

ZDnet: "Negative Auswirkungen ließen sich auch in der Wahrnehmung von Qualität und Preis feststellen: Die Qualität der Marke Nokia wurde innerhalb der letzten drei Tage deutlich schlechter bewertet, der dazugehörige Indexwert rutschte von 62 auf 45 Indexpunkte ab. Auch das Preis-Leistungsverhältnis wurde aus Verbrauchersicht kritischer bewertet und fiel von 16 auf 6 Punkte."

Noch vor wenigen Tagen gingen Experten davon aus, dass Nokia Bochum öhne grösseren Schaden für die Marke überstehen würde.

 

Neue Arbeitslosenzahlen für die Städte im Revier

Foto: Flickr/mkorsakov

Das Nokia-Aus wird sich nicht nur in Bochum bemerkbar machen. Die Mitarbeiter  des Standortes Bochum kommen zum Teil aus so exotischen Orten wie Düsseldorf, Olfen (Gruß  an den Pottblog 😉 und Arnsberg. Besonders hart trifft es aber natürlich die Städte im Ruhrgebiet. Kaum eine, in der  keine Nokianer wohnen. Noch im Kreis Wesel verlieren kanpp 30 Leute ihren Job. Nach Bochum mit 724 künftigen Arbeitslosen erwischt es auch Herne mit 433 sehr hart.
Die weiteren Zahlen: Kreis Recklinghausen  375, Gelsenkirchen 166, Dortmund: 154,  Kreis Ennepe-Ruhr: 127, Essen: 72. Nicht mitgezählt sind bei dieser Mitarbeiter-Liste, die mir vorliegt, die Leihkräfte sowie die gut 200 DHL-Mitarbeiter, die wohl auch bald ihr letztes Päckchen schnüren werden.

Ruhrgebiet boykottiert Nokia

Die Wut über das Aus von Nokia und die Weigerung, über eine Perspektive des Bochumer Standortes auch nur zu reden, hat zum Nokia-Boykott im Ruhrgebiet geführt. Die Oberbürgermeister und Landräte des Reviers haben heute beschlossen, ihre Verwaltungen anzuweisen, künftig keine Geräte des finnischen Unternehmens mehr zu kaufen. Landrat Jochen Welt: „Das Verhalten von Nokia ist hinterfotzig und ein schwerer Schlag für das Ruhrgebiet. Alleine im Kreis Recklinghausen kostet das Nokia-Ende 375 Arbeitsplätze. Daran hängen aber noch die Familien und die Geschäfte vor Ort. Insgesamt sind hier Tausende betroffen.“
Welt fordert zudem eine Änderung der Subventionspraxis: „Das Nokia-Aus ist auch eine Niederlage der auf Subventionen aufbauenden Wirtschaftsförderung. Die Verpflichtungen, die mit dem Erhalt von Wirtschaftsförderungen verknüpft sind, müssen verschärft werden."
Welt, auf dessen Initiative hin der Nokia-Boykott im Ruhrgebiet zurückgeht, will heute gemeinsam mit dem Personalrat des Kreises Recklinghausen auch die Mitarbeiter auffordern, künftig keine Nokia-Handys mehr zu kaufen.

Zehn Gründe kein Nokia-Handy mehr zu kaufen

1. Die meisten Nokia-Handys der letzten Jahre sehen aus, als ob das Design von Menschen mit – sagen wir einmal, Problemen, entwickelt wurden.
2. Ich traue Unternehmen aus Ländern nicht, in denen es meistens dunkel ist und die Menschen selbstgebrannten Schnaps trinken. Das kann ins Auge gehen. Ausnahme der Regel: IKEA
3. Ich mag keine Subventionsempfänger
4. Handys sollten besser nicht explodieren
5. Die Bluetoothverbindung mit meinen Macs ist eine Katastrophe
6. Das iPhone
7. Firmen sollten nicht mit den Sprüchen von KZ-Eingangstoren werben
8. Man schleimt nicht gegenüber dem Wettbewerb. Obwohl – Steve wird sich totgelacht haben
9. Die Nokia Night of the Proms ist peinlich. Wirklich peinlich. Ganz schlimm. Ehrlich.
10. Sie schmeißen drei meiner besten Freunde raus

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Crange vor Oktoberfest

Die Cranger Kirmes ist größer als das Münchener Oktoberfest – zumindest was die Zahl der Besucher pro Tag betrifft – so die Stadt Herne. Diese Nachricht überrascht kaum, steht doch Münchens Ruf als Partymetropole im krassen Widerspruch zur faden Realität in der Bayern-Hauptstadt. Zwar jagen im P1 noch immer abgehalfterte Torwarte dickbrüstigen Klippschülerinnen hinterher, aber ansonsten ist in der Innenstadt tote Hose: Wenn in Bochumer Kneipen das Licht angemacht wird, haben in München schon die meisten Lokale wieder geschlossen. Die Zeiten, in denen Münchens Kneipenmeile Schwabing noch eine Legende war, liegen so lange zurück wie der Bergbauboom, und wer weiß, in wie vielen Bierkrügen in Wirklichkeit Kamillentee vor sich hin schwappt. Wenn jetzt noch Schalke Meister wird, ist die Welt wieder in Ordnung.

Lammert: Ruhrbezirk kommt


Nobert Lammert

Udo Siepmann, Hauptgeschäftsführer der IHK-Düsseldorf, hat sich hinter die Politik der Landesregierung gestellt, in NRW die Zahl der Regierungsbezirke von jetzt fünf auf drei, je einen für das Rheinland, das Ruhrgebiet und Westfalen, zu reduzieren. Er erhofft sich davon für das Rheinland Vorteile in der Präsentation nach außen und sieht in der aufkeimenden Zusammenarbeit der Städte im Ruhrgebiet eine für das Rheinland immer größer werdende Konkurrenz.

Indes glaubt Norbert Lammert, Chef der Revier-CDU und Bundestagspräsident, dass der Zug in Richtung Ruhrbezirk nicht mehr zu stoppen ist. Gegenüber der WAZ erklärte Lammert, das Land hätte längst mit dem Umbau der Behördenstruktur begonnen – Widerstand dagegen sei sinnlos.