Ruhrgebiet in den Medien: Bundesliga dominiert Foto: Privat
In die Medien kommt das Ruhrgebiet vor allem über Ereignisse, nicht über Personen. Und Ereignisse produziert vor allem der Fußball: Wirft man einen Blick in Google-News, scheint das Ruhrgebiet eine Gegend zu sein, die mal um zwei, mal drei oder vier Stadien herum liegt. Und dann gibt es noch Opel, Nokia und die Zechen. Die großen Jobkrisen sind spektakulär, viel spektakulärer als die vielen kleinen Erfolge, als die mittelständischen Unternehmen, die im Revier Jobs schaffen. Und so prägen auch die Krisen das Bild vom Ruhrgebiet. Nur ganz selten blitzen sternschnuppengleich Erfolge auf: Die ThyssenKrupp-Heimkehr war eine solche Meldung.
Das Bild des Ruhrgebiets ist also das einer strukturschwachen Region, in der junge Männer in kurzen Hosen gerne gegen Bälle treten.
Was dem Ruhrgebiet vor allem fehlt, ist ein Gesicht. Frankfurt hat Petra Roth, Berlin Klaus Wowereit und München Christian Uhde. Ihre Städte haben Gesichter, sind mit Personen verbunden, die sich immer wieder auch zu Themen jenseits ihrer Städte zu Wort melden, die in Talkshows eingeladen werden, die sich und ihre Region repräsentieren. Sie können auch die Geschichten der kleinen Erfolge erzählen, sind Imageträger.
Und in diesem Bereich der medialen Vermittlung, der durch den Hang der Medien zu Personalisierung von Nachrichten in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat, kann das Ruhrgebiet nicht mithalten. Gut, mit Beitz, Müller und Grossmann gibt es wieder drei veritable Ruhrbarone, aber kann es sich eine Region erlauben, von ein paar Managern repräsentiert zu werden? Was, wenn statt diesen dreien, die in der Tat eine starke mediale Präsenz haben, eines Tages graue Mäuse an ihre Stelle treten?
Die Ruhrbarone, sie reichen nicht aus – das Ruhrgebiet braucht einen Kopf, demokratisch legitimiert, mit einer Adresse, an die sich Journalisten und Unternehmer wenden. Einen solchen Kopf gibt es nicht – die Oberbürgermeister, jeder von ihnen medial schon auf Landesebene unterhalb jeder Wahrnehmungsschwelle, wollen nicht, dass jemand ihre vergleichsweise kleinen Lichter überstrahlt.
Somit ist das Ruhrgebiet, was die mediale Präsenz betrifft, schlecht aufgestellt.
Ein weiteres Problem ist, dass das Ruhrgebiet keine Talente anzieht und die, die aus ihm hervorgehen, exportiert. Berlin auf die Berliner reduziert ist vor allem eine Ansammlung langweiliger bis muffliger Transfer-Empfänger – aber die Stadt zieht interessante, kreative Menschen an und das nicht nur aus Deutschland: David Bowie und Iggy Pop lebten dort in den 70ern. Heute schwärmen Bratt Pitt und Angelina Jolie von der einstigen Mauerstadt. Und das Ruhrgebiet: Ob Herbert Grönemeyer, Ingo Naujoks, Claude-Oliver Rudolph, Philip Boa oder FM Einheit – wir exportieren sogar noch unsere Talente.
Der Fluch des Ruhrgebietes ist sein Mangel an Zentralität. Selbst so etwas Banales wie den Sitz eines Regierungspräsidiums gibt es in dieser Region nicht. Eine Region ohne zentrale Funktionen, im besten Falle solche, die kulturell, wirtschaftlich oder politisch über die Region hinaus Bedeutung besitzen, produziert keine Nachrichten, ist nicht Sitz von Medien mit überregionaler Strahlkraft und nicht in der Lage, ihr Bild in der Öffentlichkeit selbst zu bestimmen. Sie ist Objekt der Berichterstattung – und damit nicht Zentrum, schon gar nicht Metropole, sondern Provinz.
Auch wenn das Ruhrgebiet wirtschaftlich stark ist, der Sitz zahlreicher Konzerne und gar im Energiebereich durchaus eine bundesweit dominierende Rolle einnimmt – das ewige Gejammer um Unterstützung, das permanente Einfordern von Solidarität, das Betteln um Subventionen und Fördergelder – es schwächt das Bild des Ruhrgebiets. Die Region ist auch so stark auf Hilfe von außen angewiesen, weil sie die möglichen Synergieeffekte nicht nutzt. Wenn ich ein Steuerzahler in München wäre – meine Begeisterung, mit meinen Steuergeldern ein paar Dutzend vor sich hin wurschtelnde Nahverkehrsunternehmen, 56 Stadt- und Kreisverwaltungen und viele, viele andere überflüssige Parallel-Organisationen durchfüttern zu sollen, würde sich in engen Grenzen halten.
Die Alimentierung des Reviers verhindert nicht nur die Entwicklung effizienter Strukturen, sie raubt der Region ihren Stolz, und das spürt man auch medial.
Natürlich gibt es Ausnahmen. In Bereichen, in denen die Zentralität traditionell nicht allzu stark ausgebildet ist, in denen das Ruhrgebiet wettbewerbsfähig ist, ist das Ruhrgebiet gut vertreten: Wissenschaft und Fußball sind die beiden Themenfelder, in denen das Revier auch international wahrgenommen wird. Vor allem die Berichte über Schalke 04 und Borussia Dortmund gehen um die Welt.
Hier ist das Ruhrgebiet mit seinen im Augenblick vier Bundesligisten sehr gut dabei. Der fußballerische Erfolg führt aber auch zu einer Verzerrung in der Wahrnehmung: Weil die anderen Bereiche, weil Politik, Kultur, aber auch Nachtleben, Einkaufen oder andere Freizeitbereiche nicht vorkommen.
Jeder hat eine Ahnung von München oder Berlin, die so wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat wie die medial transportierten Bilder über das Ruhrgebiet. Die Images dieser Städte sind aber attraktiver, weil sie scheinbar umfassender sind, weil sie nicht auf so wenige Aspekte wie Fußball und Großindustrie reduziert werden – die Berichterstattung über den Wissenschaftsbereich spielt für die große Masse der Medienkonsumenten keine allzu wichtige Rolle.
Hinzu kommt, dass es seit Ende der 90er Jahre keine aktive Öffentlichkeitsarbeit des Ruhrgebietes gibt. War die Kampagne „Ein starkes Stück Deutschland“ noch ein Vorbild für zahlreiche spätere Stadt- und Regionalkampagnen, hat man diese Arbeit seit längerem aufgegeben. Stattdessen setzt der Regionalverband Ruhr, der Zusammenschluss der Städte des Ruhrgebiets, auf eine mediale Repräsentanz der Region durch Großereignisse wie die Kulturhauptstadt 2010. Ein riskantes Konzept, hat man doch auf die Qualität solcher Ereignisse und ihre Öffentlichkeitswirksamkeit nur einen beschränkten Einfluss. Dass dieses Konzept eher eine Verlegenheitslösung als eine Strategie ist, wird daran deutlich, dass es für die Zeit nach der Kulturhauptstadt überhaupt keine Pläne für vergleichbare Großereignisse gibt.
Das Problem des Ruhrgebiets bei seiner medialen Repräsentation ist das Problem des Ruhrgebiets in seinem Alltag: Es fehlt der Region an Bedeutung. Die muss sie einfordern, und das kann sie nur zusammen: Mit 5,5 Millionen Menschen kann man Ansprüche stellen, nicht ewig auf weitere Unterstützung – das ist würdelos – sondern auf seinen Teil vom Kuchen: Ein Regierungspräsidium, mehr Geld für die Hochschulen, Ansiedlung von Landes- und Bundesbehörden, von europäischen Institutionen. Warum ist das Landesarbeitsamt in Münster? Warum Westlotto? Warum werden nicht mehr Großforschungsanlagen im Ruhrgebiet errichtet? Warum haben wir nicht mehr Fraunhofer-Institute? Mehr Max-Plank-Institute? Wieso werden unsere Autobahnen so schleppend ausgebaut? Unsere Bahnhöfe? Wir stellen knapp sieben Prozent der Bundesbevölkerung – und haben mindestens in diesem Maße einen Anspruch auf zentrale Institutionen mit Außenwirkung. Da diese in erster Linie ohnehin nur in Großstädten angesiedelt sind, haben wir ein Recht auf einen noch deutlich größeren Teil. Diesen Anteil können wir zu Recht einfordern und sollten es mit Selbstbewusstsein tun.
Institutionen mit zentralen Funktionen und mit Strahlkraft würden die mediale Repräsentanz des Ruhrgebiets ändern, ja, die Bedeutung der Medien aus der Region für die Bundesrepublik stärken – und dann würde sich das Bild der Ruhrgebiets in den Medien verändern.