Chinesische Investoren planen in Marl ein Außenhandelszentrum zu errichten. Es könnten hunderte neuer Arbeitsplätze entstehen – doch Marls Politiker und eine Bürgerinitiative sind dabei, die Chance zu vertun.
Marls Bürgermeisterin Uta Heinrich mit den Vertretern der chinesischen Investoren im Marler Rathaus. Foto: Ruhrbarone
Es klang wie ein Traum. Im Herbst vergangenen Jahres tauchte erstmals das Gerücht auf, dass ein chinesischer Investor in Marl ein Groß- und Einzelhandelszentrum errichten will. Gegen Anfang des Jahres wurden die Pläne, die von in Marl ansässigen chinesischen Gastronomen mit guten Kontakten in die Volksrepublik angestoßen wurden, konkreter, Delegationen besuchten einander, es wurde ein erstes Papier unterzeichnet, in dem die Investoren, hinter denen der chinesischen Immobilienkonzern Greentown steht, sich auf Marl als Standort festlegen. 30 Millionen wollen sie investieren, 200 chinesische Unternehmen nach Marl holen und eine permanente chinesische Messe auf 28.000 Quadtratmetern aufbauen. Dazu ein Hotel und eine Wohnsiedlung für 200 chinesische Manager. Für eine Stadt wie Marl ist das wie sechs Richtige im Lotto.
Keine Freude
Gibt man sich nun der naiven Vorstellung hin, in Marl würde Freude über die Chance auf die Investition, herrschen, irrt man. Schon sah sich Recklinghausens Landrat Jochen Welt, selber in der Sache machtlos, gezwungen, die Marler Lokalpolitiker in einem Brief aufzufordern, gemeinsam alles zu tun, um das Projekt erfolgreich umzusetzen. „Eine solche Chance gibt es nur ganz selten. Das kann ein wichtiger Ansiedlungserfolg für das ganze nördliche Ruhrgebiet werden – so etwas darf nicht an lokalpolitischen Streitereien scheitern. „Andere Stadträte liegen da schon auf Lauerstellung“
Auch Marls Bürgermeisterin Uta Heinrich hofft darauf, das alles glatt geht: „Ich gehe davon aus, das alle Ratsmitglieder zum Wohle der Stadt handeln und da Projekt unterstützen.“ Ein verständlicher, wenn auch frommer Wunsch.
Überraschender Widerstand
Denn die Pläne stoßen in Marl auf Widerstand. Da ist eine Bürgerinitiative, die vor der Überfremdung Marls durch chinesische Zuwanderer warnt, als ginge es darum, die darbende Kommune vor Maos roten Horden zu bewahren.
Und dann sind da noch die Marler Lokalpolitiker, einig nur in ihrem Streben, bei jeder Gelegenheit die eigene Weltgeltung unter Beweis zu stellen, die der Welt indes bislang weitgehend verborgen blieb. Vor allem CDU und SPD haben es auf einmal gar nicht mehr so eilig, den Wünschen der Investoren nachzukommen, pochen auf exakte Prüfung der Voraussetzungen und wollen das Projekt, wie SPD-Fraktionschef Michael Gross erklärte, noch einmal angesichts der Tibetpolitik Chinas neu diskutieren. Grund zur Eile sehen sie alle nicht. Aus gutem Grund: Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie, nur ein Jahr vor der Kommunalwahl, vor allem eines nicht wollen: einen Erfolg für Bürgermeisterin Uta Heinrich und ihren Wirtschaftsförderer Dr. Manfred Gehrke, der sich jede noch so kleine Ausgabe von den Lokalpolitikern genehmigen lassen muss. Gestern hat der Haupt- und Finanzausschuß Marls ein Drittel der benötigten Fläche an die chinesischen Investoren verkauft. Das Geschäft so plump platzen zu lassen, ist auch den Marker Kommunalpolitikern zu riskant. Sie werden nach anderen Wegen suchen, Uta Heinrich und das Groß- und Einzelhandelszentrum scheitern zu lassen – wenn Marl Pech hat, werden sie auch welche finden.
Unabhängige Bürgermeisterin
Denn Heinrich ist unabhängig. Vor zehn Jahren als Bügermeisterkandidatin vom CDU-Fraktionsvorsitzenden Hubert Schulte-Kemper aufs Schild gehoben, gewann sie die Wahl – und machte sich von Schulte-Kemper zunehmend unabhängig. Es kam zum Bruch, was Heinrich nicht daran hinderte, auch die Kommunalwahl 2004 lässig im ersten Wahlgang zu gewinnen und die Kandidaten von CDU und SPD zu demütigen. Auch für die kommende Wahl im nächsten Jahr sieht es nicht viel besser aus. Was ist schon eine Investition von 30 Millionen Euro und hunderte neue Arbeitsplätze gegen den Machtwillen von Lokalpolitikern? Marl könnte eine Riesenchance vergeben. Bleibt zu hoffen, dass sich Greentown dann in einer anderen Ruhrgebietsstadt engagiert. Interessenten soll es bereits mehrere geben. Oberhausen, Duisburg und Dortmund sind auch schöne Städte.