Legion der Unsichtbaren

Fotos: Städte Köln, Frankfurt, Düsseldorf, Berlin und RVR

Das Ruhrgebiet braucht keinen starken Repräsentanten, es hat viele starke Oberbürgermeister – den Satz habe ich mehr als einmal gehört. Doch die Repräsentanten der Revierstädte werden nicht wahrgenommen – niemand kennt sie, auch wenn Städte wie Essen oder Dortmund größer sind als Düsseldorf – ihre OBs, Wolfgang Reiniger und Gerhard Langemeyer, sind trotzdem Teil der Legion der Unsichtbaren. Ich habe fünf Tage lang die Namen der lokalen Spitzenpolitiker des Reviers in Google-News eingegeben, und sie mit ihre Kollegen aus Berlin, Frankfurt, Düsseldorf und Köln verglichen. Sondereffekte wie Nokia habe ich rausgenommen und einen Durchschnitt gebildet. Das Ergebnis, über das man natürlich diskutieren kann, zeigt: Das Ruhrgebiet braucht nicht nur ein Parlament, dass sich in regionale Aufgaben wie Nahverkehr, Wirtschaftsförderung und Kultur einmischt, sondern auch einen Repräsentanten, der dem Revier ein Gesicht und eine Stimme verleiht – natürlich von allen Bürgern gewählt. Damit auch eines klar ist: Ich will nicht sagen, dass die OBs einen schlechten Job machen, weil sie nicht bekannt sind. Sie haben in dieser Stadtlandschaft einfach  kaum eine Chance sich zu profilieren – schon weil die Nachbarn darauf aupassen.   Die Zahlen:

                     

Bottrop Peter Noetzel: 1
Bochum Ottilie Scholz  6
Dortmund Gerhard Langemeyer 7
Hagen Peter Demnitz    2
Hamm Thomas Hunsteger-Petermann 0
Mülheim Dagmar Mühlenfeld 3
Duisburg  Adolf Sauerland  30
Oberhausen Klaus Wehling 1
Gelsenkirchen Frank Baranowski 8
Herne Horst Schiereck 4
Kreis RE   Jochen Welt 24
Kreis EN  Arnim Brux 3
Kreis WES Ansgar Müller 14
Kreis UN Michael Makiolla 2
RVR Heinz Dieter Klink 0
Köln Fritz Schramma 180
Frankfurt Petra Roth 158
Düsseldorf Joachim Erwin 68
Berlin Klaus Wowereit 492
     

Traurig aber wahr: Die Bürgermeister und Landräte des Reviers repräsentieren noch nicht einmal die Bürger ihrer Städte jenseits der eigenen Stadtgrenzen. Vom Ruhrgebiet ganz zu schweigen.

Dokumentation: Ruhrgebietsumfrage 2001

2001 hat die WAZ die letzte große Umfrage zum Ruhrgebiet bestellt. Da geht es auch darum, wie sich Dortmunder und Duisburger fühlen: Immer noch mehr als Ruhrgebietler denn als Westfalen oder Rheinländer – das taten schon 2001 vor allem die Alten. In erster Linie sind alle  natürlich Deutsche etc.. Und viele sehen die Kirchturmpoltik als ein Problem an. Mein alter Kumpel Peter Kruck und sein Institut BIFAK  haben sie damals gemacht – und Peter hat sie den Ruhrbaronen zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür. Hier isse.

Unsichtbares Ruhrgebiet


Ruhrgebiet in den Medien: Bundesliga dominiert Foto: Privat

In die Medien kommt das Ruhrgebiet vor allem über Ereignisse, nicht über Personen. Und Ereignisse produziert vor allem der Fußball: Wirft man einen Blick in Google-News, scheint das Ruhrgebiet eine Gegend zu sein, die mal um zwei, mal drei oder vier Stadien herum liegt. Und dann gibt es noch Opel, Nokia und die Zechen. Die großen Jobkrisen sind spektakulär, viel spektakulärer als die vielen kleinen Erfolge, als die mittelständischen Unternehmen, die im Revier Jobs schaffen. Und so prägen auch die Krisen das Bild vom Ruhrgebiet. Nur ganz selten blitzen sternschnuppengleich Erfolge auf: Die ThyssenKrupp-Heimkehr war eine solche Meldung.

Das Bild des Ruhrgebiets ist also das einer strukturschwachen Region, in der junge Männer in kurzen Hosen gerne gegen Bälle treten.

Was dem Ruhrgebiet vor allem fehlt, ist ein Gesicht. Frankfurt hat Petra Roth, Berlin Klaus Wowereit und München Christian Uhde. Ihre Städte haben Gesichter, sind mit Personen verbunden, die sich immer wieder auch zu Themen jenseits ihrer Städte zu Wort melden, die in Talkshows eingeladen werden, die sich und ihre Region repräsentieren. Sie können auch die Geschichten der kleinen Erfolge erzählen, sind Imageträger.
Und in diesem Bereich der medialen Vermittlung, der durch den Hang der Medien zu Personalisierung von Nachrichten in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen hat, kann das Ruhrgebiet nicht mithalten. Gut, mit Beitz, Müller und Grossmann gibt es wieder drei veritable Ruhrbarone, aber kann es sich eine Region erlauben, von ein paar Managern repräsentiert zu werden? Was, wenn statt diesen dreien, die in der Tat eine starke mediale Präsenz haben, eines Tages graue Mäuse an ihre Stelle treten?
Die Ruhrbarone, sie reichen nicht aus – das Ruhrgebiet braucht einen Kopf, demokratisch legitimiert, mit einer Adresse, an die sich Journalisten und Unternehmer wenden. Einen solchen Kopf gibt es nicht – die Oberbürgermeister, jeder von ihnen medial schon auf Landesebene unterhalb jeder Wahrnehmungsschwelle, wollen nicht, dass jemand ihre vergleichsweise kleinen Lichter überstrahlt.

Somit ist das Ruhrgebiet, was die mediale Präsenz betrifft, schlecht aufgestellt.

Ein weiteres Problem ist, dass das Ruhrgebiet keine Talente anzieht und die, die aus ihm hervorgehen, exportiert. Berlin auf die Berliner reduziert ist vor allem eine Ansammlung langweiliger bis muffliger Transfer-Empfänger – aber die Stadt zieht interessante, kreative Menschen an und das nicht nur aus Deutschland: David Bowie und Iggy Pop lebten dort in den 70ern. Heute schwärmen Bratt Pitt und Angelina Jolie von der einstigen Mauerstadt. Und das Ruhrgebiet: Ob Herbert Grönemeyer, Ingo Naujoks, Claude-Oliver Rudolph, Philip Boa oder FM Einheit – wir exportieren sogar noch unsere Talente.
Der Fluch des Ruhrgebietes ist sein Mangel an Zentralität. Selbst so etwas Banales wie den Sitz eines Regierungspräsidiums gibt es in dieser Region nicht. Eine Region ohne zentrale Funktionen, im besten Falle solche, die kulturell, wirtschaftlich oder politisch über die Region hinaus Bedeutung besitzen, produziert keine Nachrichten, ist nicht Sitz von Medien mit überregionaler Strahlkraft und nicht in der Lage, ihr Bild in der Öffentlichkeit selbst zu bestimmen. Sie ist Objekt der Berichterstattung – und damit nicht Zentrum, schon gar nicht Metropole, sondern Provinz.

Auch wenn das Ruhrgebiet wirtschaftlich stark ist, der Sitz zahlreicher Konzerne und gar im Energiebereich durchaus eine bundesweit dominierende Rolle einnimmt – das ewige Gejammer um Unterstützung, das permanente Einfordern von Solidarität, das Betteln um Subventionen und Fördergelder – es schwächt das Bild des Ruhrgebiets. Die Region ist auch so stark auf Hilfe von außen angewiesen, weil sie die möglichen Synergieeffekte nicht nutzt. Wenn ich ein Steuerzahler in München wäre – meine Begeisterung, mit meinen Steuergeldern ein paar Dutzend vor sich hin wurschtelnde Nahverkehrsunternehmen, 56 Stadt- und Kreisverwaltungen und viele, viele andere überflüssige Parallel-Organisationen durchfüttern zu sollen, würde sich in engen Grenzen halten.

Die Alimentierung des Reviers verhindert nicht nur die Entwicklung effizienter Strukturen, sie raubt der Region ihren Stolz, und das spürt man auch medial.

Natürlich gibt es Ausnahmen. In Bereichen, in denen die Zentralität traditionell nicht allzu stark ausgebildet ist, in denen das Ruhrgebiet wettbewerbsfähig ist, ist das Ruhrgebiet gut vertreten: Wissenschaft und Fußball sind die beiden Themenfelder, in denen das Revier auch international wahrgenommen wird. Vor allem die Berichte über Schalke 04 und Borussia Dortmund gehen um die Welt.
Hier ist das Ruhrgebiet mit seinen im Augenblick vier Bundesligisten sehr gut dabei. Der fußballerische Erfolg führt aber auch zu einer Verzerrung in der Wahrnehmung: Weil die anderen Bereiche, weil Politik, Kultur, aber auch Nachtleben, Einkaufen oder andere Freizeitbereiche nicht vorkommen.
Jeder hat eine Ahnung von München oder Berlin, die so wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat wie die medial transportierten Bilder über das Ruhrgebiet. Die Images dieser Städte sind aber attraktiver, weil sie scheinbar umfassender sind, weil sie nicht auf so wenige Aspekte wie Fußball und Großindustrie reduziert werden – die Berichterstattung über den Wissenschaftsbereich spielt für die große Masse der Medienkonsumenten keine allzu wichtige Rolle.
Hinzu kommt, dass es seit Ende der 90er Jahre keine aktive Öffentlichkeitsarbeit des Ruhrgebietes gibt. War die Kampagne „Ein starkes Stück Deutschland“ noch ein Vorbild für zahlreiche spätere Stadt- und Regionalkampagnen, hat man diese Arbeit seit längerem aufgegeben. Stattdessen setzt der Regionalverband Ruhr, der Zusammenschluss der Städte des Ruhrgebiets, auf eine mediale Repräsentanz der Region durch Großereignisse wie die Kulturhauptstadt 2010. Ein riskantes Konzept, hat man doch auf die Qualität solcher Ereignisse und ihre Öffentlichkeitswirksamkeit nur einen beschränkten Einfluss. Dass dieses Konzept eher eine Verlegenheitslösung als eine Strategie ist, wird daran deutlich, dass es für die Zeit nach der Kulturhauptstadt überhaupt keine Pläne für vergleichbare Großereignisse gibt.

Das Problem des Ruhrgebiets bei seiner medialen Repräsentation ist das Problem des Ruhrgebiets in seinem Alltag: Es fehlt der Region an Bedeutung. Die muss sie einfordern, und das kann sie nur zusammen: Mit 5,5 Millionen Menschen kann man Ansprüche stellen, nicht ewig auf weitere Unterstützung – das ist würdelos – sondern auf seinen Teil vom Kuchen: Ein Regierungspräsidium, mehr Geld für die Hochschulen, Ansiedlung von Landes- und Bundesbehörden, von europäischen Institutionen. Warum ist das Landesarbeitsamt in Münster? Warum Westlotto? Warum werden nicht mehr Großforschungsanlagen im Ruhrgebiet errichtet? Warum haben wir nicht mehr Fraunhofer-Institute? Mehr Max-Plank-Institute? Wieso werden unsere Autobahnen so schleppend ausgebaut? Unsere Bahnhöfe? Wir stellen knapp sieben Prozent der Bundesbevölkerung – und haben mindestens in diesem Maße einen Anspruch auf zentrale Institutionen mit Außenwirkung. Da diese in erster Linie ohnehin nur in Großstädten angesiedelt sind, haben wir ein Recht auf einen noch deutlich größeren Teil. Diesen Anteil können wir zu Recht einfordern und sollten es mit Selbstbewusstsein tun.

Institutionen mit zentralen Funktionen und mit Strahlkraft würden die mediale Repräsentanz des Ruhrgebiets ändern, ja, die Bedeutung der Medien aus der Region für die Bundesrepublik stärken – und dann würde sich das Bild der Ruhrgebiets in den Medien verändern.

Nokia: Endgültiges Aus


Foto: Görges

Keine Überraschung: Das Nokia-Management hat sich nicht auf die Vorschläge des Betreibrates zur Rettung des Standortes Bochum eingelassen. Nun wollen beide Seiten nach Lösungen für die Mitarbeiter suchen. Die gemeinsame Stellungnahme von Nokia und dem Betriebsrat der Nokia GmbH zu den heutigen Gesprächen in Helsinki klingt schon beinahe versöhnlich. Zur Zukunft der Nokianer hat Christoph Schurian indes einen eher sekptischen Arbeitsmarktexperten interviewt.

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6000 demonstrierten für Nokia-Belegschaft

Foto: Ruhrbarone/Görges

Zwischen 5000 und 6000 Menschen demonstrierten am gestrigen Sonntag in Bochum-Riemke für den Erhalt des Nokia-Standortes. Höhepunkt des Familienprotesttages war ein Ring of Fire, eine Menschenkette rund um das Werk, bei der tausende von Fackeln ein weithin sichtbares Zeichen des Protestes zeigen sollten. Alles war von der Gewerkschaft hervorragend organisiert – im Abstand von wenigen Metern waren mit Wasser gefüllte blaue Mülltonnen aufgestellt, in denen man die Fackeln entsorgen konnte.

Ansonsten waren es eher Randaspekte. die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen. Zum Beispiel welche Grüppchen sich an den Protest des Betroffenen ranhängten, ihn instrumentalisieren, um ihr eigenes, politisches Süppchen zu kochen.  Da war zum einen die DKP. Mittlerweile sind deren Mitglieder so sehr in die Jahre gekommen, dass der Kampf gegen wackelnde künstliche Hüftgelenke den gegen den Klassenfeind abgelöst haben dürfte. Selbstbewusst forderte auch die DKP die Verstaatlichung Nokias. Zur DKP ist mir auch wieder eine kleine Anekdote eingefallen: Vor zehn Jahren interviewte ich den damaligen Verfassungsschutzchef von NRW und fragte ihn, ob denn die älteren Damen und Herren der DKP immer noch überwacht werden. Eine Gefahr würde von ihnen ja kaum noch ausgehen. Der Mann gab mir, was die Gefahr betraf, recht, zeiget jedoch soziale Verantwortung: „Nicht nur die DKP besteht aus vornehmlich älteren Menschen, auch unsere Quellen in der DKP sind schon etwas betagt. Man kann doch jetzt nach zum Teil 30 Jahren nicht hingehen und denen sagen „Danke, das war es, wir brauchen Euch nicht mehr“. Also lassen wir die DKP immer noch von unseren alten freien Mitarbeitern beobachten.“ Ach, war es nicht nett in NRW unter Johannes Rau?
Zu den klassischen Protesttrittbrettfahrern gehört auch die MLPD. Zielsicher haben die Schwaben einst das Ruhrgebiet als den Ort lokalisiert, an dem in Deutschland die Revolution ausbrechen wird – und sich in Gelsenkirchen Horst nieder gelassen. Dort haben sie ein kleines K-Gruppen Imperium aufgebaut. Auch ihre Forderung – 30 Stunden Woche bei vollem Lohnausgleich – wurde nur von wenigen Nokia-Mitarbeitern als ernsthafter Lösungsansatz ihrer Probleme gesehen. Im Fahnenschwenken sind die Jünger zwei Massenmörder – Stalin und Mao – jedoch recht eifrig.
Mehr als ein „hat sich bemüht“ kann man indes der KPD/ML nicht ausstellen. Ein kleines Häuflein stand in der Nähe des Nokia-Haupteingangs und intonierte mit brüchig gewordenen Stimmen den „Roten Wedding“ von Ernst Busch und ergaben sich in Revolutionsromantik.
Selbstbewusster traten da die Mitglieder der Linkspartei auf. Neidisch bemerkte manch Sozialdemokrat die große Menge der angereisten Lafontaine- und Gysi-Anhänger: Jung gebliebene 50plusser mit großem Selbstbewusstsein. Noch vor ein paar Jahren waren viele von Ihnen noch selbst Mitglieder kleinster marxistischer Religionsgemeinschaften – nun sonnen sie sich im späten Erfolg. Manch einer mag der autoritären Linken diesen Erfolg gönnen, mir erscheint er wie ein Nachhall der 50er Jahre. Wieso thematisiert niemand die hohen Lohnnebenkosten, die hohen Steuern und Abgaben, die in Deutschland der größte Job-Killer sind. Viele der Politiker, die sich tränenreich für Nokia engagieren haben in den vergangenen Jahren alles getan, dem Standort die Wettbewerbsfähigkeit zu rauben. Statt Traditionsparolen wäre das ein echter Ansatz der Kritik und der Diskussion.

Rücktritt wegen Esoterik-Kritik?


Ob da Schüßler-Salze im Spiel waren? Foto: Flickr/laenulfean

 Ein Ratsmitglied in Gladbeck soll zurücktreten, weil er gegen staatlich finanzierte Werbeveranstaltungen für Esoterik ist.    

Liebe Leser unseres kleinen Blogs: Könnt Ihr Euch vorstellen, dass es Menschen gibt, die der festen Überzeugung sind, sie werden von einem Bier betrunken, dass so stark verdünnt ist, dass man keinen Alkohol mehr feststellen kann? Klar, die nennt man Tablettenabhängige und packt sie in ein Krankenhaus zur Entgiftung. Und was ist mit Leuten, die Stein und Bein darauf schwören, dass sie mit Stoffen heilen können, die so stark verdünnt sind, dass sie unterhalb jeder Nachweisgrenze liegen? Die heißen in Deutschland Heilpraktiker und die Mittel, die man nicht mehr feststellen kann – also eher die Nichtmittel – nennen sich homöopathische Medizin. In ein Krankenhaus weist man sie aber nicht ein.
Dass diese Heilmittel in einem naturwissenschaftlichen Sinn nicht existieren und ihre Wirkung nicht nachgewiesen werden kann, heißt im Übrigen nicht, dass sie nichts kosten – frei nach dem Motto „Schlechtes muss nicht billig sein“
Nun ist es schön, dass in einem freien Land jeder so viel Unfug treiben kann wie er will: Wer mag, kann sich mit heilenden Steinen bewerfen lassen, Eigenurin gleich literweise in sich hineinkippen oder auch von Schamanen helfen lassen, die mit Vornamen Gerd-Lothar heißen und in Bayern wohnen.
Was man offensichtlich in diesem Land nicht mehr tun darf, ist, darauf aufmerksam zu machen, dass Homöopathie reiner Unfug ist, dass Stoffe, die es nicht gibt, nicht wirken können und dass „Informationsveranstaltungen“ zu diesem Thema bitte schön nicht mit Steuergeldern finanziert werden sollen. Wir bauen ja auch keine Flughäfen für yogische Flieger.
Genau das tat Franz Wegener, ein Grünen Ratsherr in meiner Heimatstadt Gladbeck und ein alter Freund von mir. Einen Brief an die örtliche WAZ begann er mit der Überschrift „Kein Geld und Raum für Hokuspokus”. Was war geschehen? Im Januar fand in einem Kindergarten in Zweckel eine Veranstaltung zum Thema Schüßler-Salze statt. Referentin war die Heilpraktikerin Susanne Bolz. Die ist hochqualifiziert. Wikipedia zur Heilpraktikerprüfung: „Der schriftliche Teil ist ein Multiple-Choice-Test; er besteht in der Regel aus 60 Prüfungsfragen, von denen 45 richtig beantwortet werden müssen.“ OK, das sind fast doppelt so viele wie beim Modepführerschein.
Über Schüßler-Salze, das Thema der Veranstaltung, schreibt Wikipedia: „Schüßler-Salze sind alternativmedizinische Präparate von Mineralsalzen in homöopathischer Dosierung (Potenzierung). Die Therapie mit ihnen basiert auf der Annahme, Krankheiten entstünden allgemein durch Störungen des Mineralhaushalts der Körperzellen und könnten durch homöopathische Gaben von Mineralien geheilt werden. Diese Annahmen sind wissenschaftlich nicht anerkannt, eine Wirksamkeit der Schüßler-Salze ist nicht nachgewiesen.“ Eines von ihnen, das Magnesiumphosphat, kennt man auch als Lebensmittelzusatz unter dem schönen Namen E 343. Es wird gerne in Cola gepanscht und steht im Verdacht, Kinder rappelig zu machen (aber natürlich nicht, wenn man es so stark verdünnt, dass nichts davon mehr festzustellen ist.) Als studierter Historiker verpasste es Wegener auch nicht, auf den Zusammenhang von Nationalsozialismus und Esoterik hinzuweisen. Himmler war bekanntlich ein Anhänger der Homöopathie und ließ die SS noch während des zweiten Weltkriegs nach Thule, dem angeblichen nordischen Atlantis buddeln. Gefunden haben die Jünger Himmlers, der Hühnerzüchter und Massenmörder in einer Person war, natürlich nichts.
Wegener ging es darum, Kinder künftig davor zu schützen in die Hände von Heilern zu fallen, wenn es ernst wird. Gegen eine Informationsveranstaltung zum Thema Homöopathie hätte er sicher nichts einzuwenden gehabt, aber vielleicht eher unter dem Motto: „Wenn Eure Kinder krank sind bringt sie zu einem Arzt – Millionen Menschen hätten gerne diese Möglichkeit. Nutzt sie!“
Nun könnte man meinen die Kindergärtnerinnen, die zu der Esoterikveranstaltung eingeladen haben, würden im Augenblick mit einer Papiertüte über dem Kopf durch die Gladbecker Fußgängerzone laufen. Weit gefehlt. Der Elternrat des Kindergartens ist über Wegeners Äußerungen „schwer empört“ und in einem Kommentar im Lokalteil – der leider nicht online ist – bemerkt der WAZ-Autor „Es sind schon Ratspolitiker aus geringeren Gründen zurückgetreten.“ Ja, ich 1996 – weil ich nach Bochum gezogen bin. Heute weiß ich einmal mehr warum.

Ring of Fire

Der Nokia- Betriebsrat  in Bochum kündigt für den kommenden Sonntag. eine Lichterkette um das Nokiawerk an. „Petrus meint es gut mit uns,“ so Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach, „für unseren >>Ring Of  Fire<< hat er uns ein Hochdruckgebiet beschert damit unsere Kerzen auch weithin sichtbar sind und vielleicht auch bis Finnland strahlen“. Erwartet werden mehrere tausend Teilnehmer, eingeladen sind alle Bürger. „Besonderen Dank gilt der IG-Metall, die diese Aktion veranstaltet“, so Achenbach, „Ab 14:00 Uhr starten wir, unsere Gewerkschaft hat ein tolles Programm vorbereitet.“ Von 13 bis 19 Uhr sind Busse vom Riemker Markt organisiert, bis dorthin fährt alle 10 Minuten die U35 vom Bochumer Bahnhof.

Bleibt alles anders…


Scheytt (rechts) auf der World Music Expo 2004 auf Zollverein

Kulturhauptstadtchef Oliver Scheytt hat den Slogan für Ruhr.2010 vorgestellt: "Bleibt alles anders" aus einem Stück von Grönemeyer, dessen Ruhrgebietsbegeisterung ihn bis nach London führte. Nach "Ein starkes Stück Deutschland" und der "Pott kocht" der dritte Slogan, der bundesweit beworben werden wird. Das geht, finde ich, in Ordnung, vor allem wenn man bedenkt, aus welchen Stücken sich die Slogansucher noch hätten bedienen können, um das Revier zu charakterisieren:

"Die meisten Menschen wollen nicht in Dortmund leben sondern essen" Rio Reiser, Alles Lüge
"Wir sind das Ruhrgebiet", Wolfgang Petry, Wir sind das Ruhrgebiet
"Es liegt ein Grauschleier über der Stadt" Fehlfarben, Grauschleier
"And I´m not afraid to die" Nick Cave, Mercy Seat
"Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt" Becher-Hymne

Wir hatten Glück…

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Shop-Test: Die kleine Apple-Kirche in Langendreer

Foto: Flickr/Sigalakos

Früher kaufte man Macs in Apple-Centern wie Schröder in Essen oder Kamp in Oberhausen: Lichte Räume, gefüllt mit schönen Rechnern und dazu Verkäufer, die einen beim Namen nannten. Heute kauft man Macs bei Gravis – oder bei Trytec in Bochum.

Ich: „Ich möchte gerne meine E-Gitarre an mein iBook G4 anschließen. Haben Sie da einen Adapter? Es gibt doch da so etwas für 42 Euro.“
Gravis-Berater: „Das geht leider nicht, dafür brauchen Sie ein externes Audiointerace, das kostet 250 Euro. Das iBook ist von sich aus nicht in der Lage, analoge Signale zu verarbeiten.“
Ich: „Das kann nicht sein. Könnte das iBook keine analogen Signale verarbeiten, würde das integrierte Mikrofon nicht funktionieren.“
Gravis-Berater: „Ich frag da mal meinen Chef!“
Pause…
Gravis Berater: „Mein Chef sagt, sie haben recht…“
Ich will mich nicht allzu laut über Gravis beklagen. Die Läden sind für ein Computergeschäft schön eingerichtet, strahlen zwar nicht das Flair der alten Apple-Center aus, aber dafür ist die Atmosphäre nicht mehr so arrogant. Vorbei die Zeiten, als mir eine Verkäufer bei Schröder erklärte, Apple sei wohl nicht meine Marke, weil ich nicht einsehen wollte 1991 900 Mark für einen 9-Nadel-Drucker auszugeben. Kurz drauf gab es Tintenstrahler von Apple für 710 Mark und der Verkäufer war immer wieder froh mich zu sehen.
Dann schlossen die Apple-Center und lange Zeit glaubte ich, dass es zu Gravis keine Alternative mehr gab. Bis ich Trytec entdeckte.
Im Verlag bekam ich vor wenigen Tagen einen neuen iMac, den ich natürlich, kaum war er da, abholen wollte. Geduld ist, gerade wenn es um Macs geht, nicht wirklich meine Stärke – und der neue Mac stand bei Trytec.
Also fuhr ich hin. Der Laden liegt in Bochum-Langendreer, der Eingang an der Seite eines Ärztehauses und dann muss man auch noch einen steile Treppe runter. Ich war skeptisch, entsprach doch dieses Ambiente nun wirklich nicht dem, was ich mit einem Apple-Händler traditionell verband.
Doch als ich die Tür öffnete, hatte ich ein Mac Paradies gefunden. Hier arbeiteten keine Verkäufer, hier waren Evangelisten am Werk, Prediger der reinen Apfel-Lehre. Als ich freundlich ablehnte, mir die neuen Bootcamp Funktionen erklären zu lassen („Ich brauche Bootcamp nicht. Warum soll ich einen nagelneuen Mac mit Windows besudeln?“) schlug mir eine Welle menschlicher Wärme entgegen.
Mit Begeisterung nahm ich die beiden Schreine an der Wand wahr, in denen seltene Apple-Relikte aus allen Jahrzehnten präsentiert wurden: Der Ur-Mac, Tassen mit Apple-Logo, die alte Steve Jobs Biografie aus dem GFA-Verlag und vieles mehr wurde hier liebevoll hinter Glas vor den Unbilden der Welt geschützt. Schnell kam man ins Gespräch. Ich lernte, das nicht nur das Powerbook 5300c, das ich 1996 erwarb und sdas päter noch lange bei Jamiri rumstand, richtig schlecht war, sondern auch das 190er – beide, so wurde mir erklärt, wären ja auch bei Acer gebaut worden. Acer, – Oh Gott, ich ahnte nicht, dass es damals, bevor St. Steve wiederkam, so schlecht um Apple gestanden hatte.
Es war nett bei Trytec. Ein ganzer Laden voller Mac-Experten, denen man die Begeisterung ansehen konnte. Trytec ist kein einfacher Laden sondern eine kleine Apple Kirche in Bochum Langendreer – und der wohl beste Ort im Ruhrgebiet, um einen Apple zu kaufen. Ich bin sicher, dass sie auch zu Konvertiten, Switchern, freundlich  sind – obwohl ich kein Taufbecken gesehen habe.

 

Linkspartei will Nokia verstaatlichen

 
Die Bochumer Abgeordnete der Linkspartei, Sevim Dagdelen, will das Nokia-Werk in Bochum verstaatlichen. Auf diese durchaus orginelle Idee kam Dagdelen wohl auch durch die großen Erfolge der DDR-Staatsbetriebe, deren Überlegenheit über die westlichen Konzerne ja 1989 offensichtlich wurde: Wo wäre Bayer heute, wenn es nicht von den Leuna-Werken übernommen worden wäre? Und VW? Haben nicht die modernen Produktionsmethoden und die ausgebuffte Managementtricks aus dem Haus VEB Sachsenring die Wolfsburger vor dem Abgrund gerettet? Und waren wir nicht erstaunt als die Mauer fiel und wir das erste Mal nach „Drüben“ durften? Ich erinnere mich noch gut daran, wie es war, als ich 1990 das erste Mal in Zittau ein DDR-Obstgeschäft betreten durfte: Es gab Äpfel und Weißkohl, aber auch eine große Zahl an Äpfeln. Wer wollte konnte natürlich auch Weißkohl bekommen. Und schließlich gab es ja auch noch Äpfel. Und die Weißkohlfreunde kamen sowieso auf ihre Kosten.

In den 80er Jahren war für mich auch der Besuch des Robotron-Standes auf der CeBit der Höhepunkt jedes Messebesuches: Mechanische Schreibmaschinen und erfahrene Kämpferinnen der Erntefront als Messehostessen – das hatte sonst niemand zu bieten. In Bochum werden sie sich auf jeden Fall freuen, wenn sie Dank der Beratung durch eine erfahrene Kaderleitung dann bald statt schnöder Handys flotte tragbare Röhrentelefone bauen dürfen.