Musterwestfale unter Druck

Zwei gegen das Revier: RVR-Chef Klink und Dortmunds OB Langemeyer

 

Dortmunds Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer ist ein gut vernetzter Mann. Er sitzt im Aufsichtsrat der schlingernden WestLB, ist Teil des Aufsichtsrates der Kultur.2010 GmbH und natürlich gehört er auch zum Beirat von Borussia Dortmund, und bis vor nicht allzu langer Zeit sah es ganz so aus, als ob es zu ihm keine Alternative eines Kandidaten bei der nächsten Kommunalwahl geben würde. 

Doch nun häufen sich, nach Jahren des Erfolges, die Probleme: Da verschwinden gut eine Million Euronen aus der Kasse seines Büros, unter anderem durch die Nase einer koksenden Mitarbeiterin, floppt der groß angekündigte Bau eines neuen Bahnhofes, gab es Ärger um den Ausbau der Dortmunder U zu einem Zentrum für Kreativwirtschaft und bemängeln Parteimitglieder hinter vorgehaltener Hand, dass Langemeyer viel zu wenig volksnah sei. Dass sich innerparteilich Dortmunds Planungsdezernent Ulrich Sierau auf eine eigene Kandidatur warmzulaufen scheint, macht die Sache für Langemeyer ebenso wenig leichter  wie das Gerücht, dass der Arnsberger Regierungspräsident Helmut Diegel (und Ehemann der Grünen Landtagsabgeordneten Barbara Steffens) als CDU-Kandidat gegen ihn antreten soll. Und dann liegt er auch noch im Dauerstreit mit seiner Partei und vor allem deren Vorsitzenden, Franz-Josef Drabig.

Ein Hauch von Götterdämmerung in Dortmund. Der Mann, dem wir den profillosen Heinz-Dieter Klink als Chef des RVR zu verdanken haben, der kaum mehr als eine Bauchrednerpuppe von seinen Gnaden ist,  der sich bei jeder Gelegenheit gegen das Ruhrgebiet stellte und Dortmunds Zukunft als Vorort von Münster sieht, könnte bald Vergangenheit sein. Dafür spricht auch, dass im Dortmunder Rathaus ein beeindruckendes Hauen und Stechen begonnen hat. Langemeyer säbelt Widersacher ab und befördert hektisch Günstlinge. Alles nach Gutsherren Art – eben ganz westfälisch.

Langemeyer wankt. Für das Ruhrgebiet eine gute Nachricht, denn wenn es jemanden gab, der in den vergangenen Jahren alles getan hat, um das Zusammenwachsen des Reviers zu blockieren, dann er. Langemeyers Ende wäre keine Garantie dafür, dass sich Dortmund aus seinen Westfalen-Träumen löst, aber die Chance dazu würde zumindest bestehen. Redet man mit Sierau, fällt häufig das Wort Ruhrgebiet. Spricht man mit Langemeyer, kann der sich gerade einmal den Begriff "westfälisches Ruhrgebiet" herauspressen und macht dann noch dabei ein Gesicht, als würde ihm die Galle hochkommen.

SPD mit neuem Team

Gut, der SPD ging es lange schlecht. Täglich wechselten die Parteivorsitzenden, stündlich brachen die Umfragen ein. Und die aktuelle Juso-Vorsitzende Franziska Drohsel ist in Wirklichkeit die gut geliftete, ältere Schwester von Heidemarie Wieczorek-Zeul.

Aber jetzt setzt die SPD auf ein neues Team. Junge, unverbrauchte Gesichter, flotte Mode und innovative, CO2-sparende Ökomobile sollen die Wende bringen. Wir zeigen erstmals das neue Werbevideo einer SPD 2.0, die das Land rocken wird.

Mein Gott, Dein Gott…

Foto: EugeniusD80

Im Gop-Varieté in Essen hat kürzlich die Buddha-Lounge eröffnet. Und jetzt ist schon wieder Schluß. Was ist geschehen? War das Bier schal? Die Gäste öde? Die Musik dröge? Nein, es ist Schluß mit der Buddha-Lounge, weil die Betreiber nicht die Namensrechte haben. Die liegen allerdings nicht bei irgendwelchen halbverhungerten indischen Yogis, sondern bei einem Herrn in Paris, und der betreibt eine Kneipe namens Buddha-Bar. Nun müssen bis Februar Alternativen her… .

„Ich bin wichtig…“

Hat zu tun: Philipp Mißfelder. Foto: PR

Hat zu tun: Philipp Mißfelder. Foto: Mißfelder/PR

Eine ganze Menge Menschen haben im Augenblick viel zu tun: Verkäuferinnen, Kellner, Köche, Steuerberater sind bis zum Jahresende im Stress und für den Weihnachtsmann hat die härteste Zeit des Jahres sowieso gerade erst begonnen. Nur Wenige machen indes über diese Tatsache so ein Bohei wie die junge Hoffnung der CDU Philipp Mißfelder aus dem Ruhrgebiet. In einer Pressemitteilung weist er auf die besonderen Belastungen seines Berufes in der Weihnachtszeit hin: „In der letzten Sitzungswoche im Jahr gibt es immer besonders viele Termine. Viele Vorhaben müssen noch im alten Kalenderjahr zum Abschluss gebracht und viele Beschlüsse gefasst werden. Bei einer dieser zahlreichen wichtigen Sitzungen nicht anwesend zu sein, kann sich ein Abgeordneter in dieser Abschlusswoche des parlamentarischen Jahres kaum leisten."OK, im Rest des Jahres kann man also gepflegt im Café Einstein rumhängen und darauf hoffen, von Hauptstadtjournalisten angeqautscht zu werden. Die Erfahrung, viele Termine zu haben, scheint für Mißfelder so besonders zu sein, dass er in der Mitteilung gleich drei Mal darauf hinweist. Und reden wird er im Ausschuß auch: Neben zahlreichen weiteren Terminen wird Philipp Mißfelder im Ausschuss für Kultur und Medien zu einem Gesetzentwurf zur Stärkung des gesellschaftlichen und bürgerlichen Engagements von Jugendlichen Stellung nehmen. Das ist ungefähr so beeindruckend, als ob die freundliche Dame an der Wursttheke meines Supermarktes darauf hinweist, dass sie vor Weihnachten einen Kringel Fleischwurst verkauft hat. Ihr Job ist es, Wurst zu verkaufen und Mißfelder hat nun einmal auf Sitzungen rum zu hängen und dann und wann einmal etwas zu sagen. Besonderen Dank und Bewunderung verdienen beide dafür nicht: Es ist ihr Job, und dafür werden sie bezahlt. Im Falle von Mißfelder gar nicht mal so schlecht – kaum ein Dauerstudent der Geschichte dürfte an sein Salär herankommen.

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Lauf, Schüler, lauf…

Schützenbruder Foto: Florian Seiffert

Schützenbruder. Foto: Florian Seiffert

Der Rat der Stadt Marl ist etwas für Kenner… und er ist immer wieder für eine Überraschung gut. Jetzt können sich die Politiker nicht entscheiden, ob sie in einer Realschule einen Schießstand für einen Schützenverein erlauben sollen, oder nicht. Die Entscheidung darüber wurde erst einmal vertagt. Eine Mehrheit gegen die Schützenbrüder war wohl nicht zu finden. Wir erinnern uns: Es gibt zwei Arten von Schützen: Die einen sind froh, wenn sie bei Trinkgelagen mit dem Bierglas den eigenen Mund treffen und nicht den Ausschnitt der Gattin des Metzgermeisters. Die anderen machen sich mit schweren Waffen wichtig und erzählen was von meditativer Wirkung durch das Eins werden von Mann und Waffe, was wieder einmal belegt, dass Woody Allen Recht hatte, als er die Gegenthese zu Freud aufstellte, dass nicht nur Frauen vom Penisneid betroffen seien. Wer Marl kennt, ahnt, dass hier eher die trinkfreudigen Gesellen gemeint sind – aber auch die können nicht einfach in die Kneipe gehen und sich friedlich betrinken, sondern benötigen dafür einen geselligen Hintergrund. "Schatz, ich begebe mich heute mit meinen Freunden auf die Jagd nach meiner letzten Gehirnzelle" klingt nun einmal nicht so gut wie "Schatz, ich geh zum Vereinsvorstand, da sind Satzungsfragen zu diskutieren."

Aber auf die Idee, einem Haufen von Menschen – drücken wir uns vorsichtig aus, "mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit ein Alkoholproblem bekommen zu können" – mit ihren Waffen Zugang zu einer Schule zu verschaffen, muß man erst einmal kommen. Dann gibt es neben dem Jägerlatein vielleicht bald das Schützenlatein: "Ich hatte da letztes Jahr einen kapitalen Zehntklässler vor dem Rohr". Humor haben Sie jedenfalls, die Marler.

Aachen vor…

Während im Ruhrgebiet noch der unbedeutendste Lokalpolitiker darüber wacht, dass niemand seinen Kirchturm anrührt, gibt es Regionen, die ein wenig pfiffiger sind. Die Aachener zum Beispiel. Die haben sich zu einer Städteregion zusammengeschlossen und werden bei der kommenden Kommunalwahl sogar einen gemeinsamen Repräsentanten wählen. Das Landkreis Aachen wird aufgelöst – es fallen also Stellen weg und sogar Geld wird gespart. Und warum macht das Aachener Umland das alles? weil sie wissen, dass sie mit Kleinstädterei nicht wahrgenommen werden – als Städteregion schon. Und auch der Repräsentant dieser Region wird künftig wahrgenommen werden – wird er doch von allen Bürgern gewählt. Eine ganz andere Liga als der Regionalverband Ruhr und sein Direktor Herr Klink. Es geht also, wenn man will. Blöd nur, dass andere schon wieder schneller sind.

Sieg der Provinz

Die Landesregierung hat sich von der Schaffung eines Ruhrbezirkes verabschiedet. In der Mitte der nächsten Legislaturperiode soll jetzt entschieden werden. Das heißt übersetzt: Niemals. Den eigenen Ruhrbezirk wird es nicht geben. Es ist der Sieg der Provinz über die Vernunft. Es ist ein Triumph weitgehend überflüssiger Bürokraten, profilloser Vorortpolitiker und Besitzstandswahrer.
Aus Sicht des Landes ist es nur folgerichtig, die Reform der Landesstrukturen, dessen großer Gewinner das Ruhrgebiet gewesen wäre, zu stoppen: Die Widerstände in der Provinz waren zu groß und aus dem Ruhrgebiet gab es keine nennenswerte Unterstützung für die Reformen. Nicht nur die Sozialdemokraten haben sich gegen die Strukturreform aufgestellt – parteitaktisch vernünftig, aber natürlich unverantwortlich, auch aus der CDU gab es nur Kritik.
Viele CDU Orts- und Kreisverbände haben sich gegen ihre eigene Landesregierung aufgestellt. Es waren die gleichen Vorortpolitiker, die das Wahlprogramm der Union, in der die Forderung nach einem einigen Ruhrgebiet stand, immer unterstützt haben. Soll man ihre Namen nennen? Überflüssig: Haben Sie schon mal den Namen Hovenjürgen gehört? Eben. Bei einer Partei, die so uneinig ist, die so schnell bereit ist, ihre eigene Programmatik zu verraten, stellt sich die Frage der Regierungsfähigkeit. Durchsetzungsstark ist anders.
Aber es fehlten auch die Stimmen, die von der Landesregierung laut forderten, sich an ihre Versprechen zu halten und das Ruhrgebiet zu stärken. Der Regionalverband Ruhr, die einzige Klammer des Ruhrgebiets, ist, seitdem Rot-Grün Heinz-Dieter Klink an die Spitze gewählt hat, in der Unbedeutung verschwunden. Seinen Auftrag, das Ruhrgebiet zu schwächen, hat Klink bestens erfüllt. Er konnte dabei das tun, was er am besten kann: Nichts.
Was werden die Konsequenzen sein? Das Ruhrgebiet hat sich endgültig davon verabschiedet, eine Metropole zu werden – und vor allem die kleinen Städte werden die Verlierer sein. Formal unabhängig, werden sie zu Vororten degenerieren. Essen wird seine Rolle als das natürliche Zentrum der Region in Zukunft konsequent ausspielen – gemeinsame Strukturen, die für das Erreichen gemeinsamer Ziele sorgen könnten, gibt es nicht. Auch die Regionalplanung würde einen starken Regionalverband benötigen – den es nicht gibt.
Vielleicht ist ja das freie Spiel der Kräfte tatsächlich die beste Lösung: Sie nimmt den Provinzpolitikern die Möglichkeiten zum Handeln. Essen wird künftig eine Leitfunktion für die Region einnehmen. Wer erfolgreich sein will, wird sich dieser Tatsache anpassen, wer sich nicht anpassen will, wird an Bedeutung noch mehr verlieren. Die Sieger von heute haben die Grundlage für ihre eigene grandiose Niederlage geschaffen. Sie sollen gefälligst nicht jammern, wenn sie es in ein paar Jahren bemerken.

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