Dokumentation: Nokia im März 2007 zum neuen Werk in Rumänien

Nokia online: Nette Nokiawelt

Wieso bloß waren die Arbeitnehmer, die Stadt Bochum und die Landesregierung so blöd zu glauben, das Nokia, trotz des Werkneubaus in Rumänien, am Standort Bochum festhalten würde? Nun ja, vielleicht weil sie dem Ethikgewäsch der Finnen geglaubt haben. Denn im März 2007 sah die Welt in einem nokiainternen Papier zum Standort Rumänien noch ganz anders aus. Wir dokumentieren:

Questions and Answers: New mobile device factory in Romania

Why Romania?
There are several criteria supporting an investment decision in the Cluj Napoca area, such as good availability of labour, good inbound and outbound logistics connections and long industrial tradition in the area. The new plant will operate according to the EU and Romanian legislation.

Why didn’t you expand in Finland/Germany/Hungary?

Our existing plants have been expanded already before and they have achieved their optimal sizes.

Will your Finnish subcontractors now move to Romania?

An industrial park will be established in Cluj, enabling a number of key partners to locate their operations in the area.

How many jobs will be created in Cluj County?
If we proceed with the plans, the factory will ramp-up gradually; we expect to recruit approximately 500 people this year.

You say that this facility would be an addition to your current production. How much do you estimate to increase your capacity?
We don’t disclose production capacity per factory. However, the mobile device business is a growing industry. For instance; we announced in conjunction with our quarterly results announcement that we expect the global mobile device market to grow by up to 10 % in volume in 2007.
Our current production sites are as follows:
· In APAC, we continue to develop production activities in China (Beijing and Dongguan) Chennai, India, and Masan, South Korea.
· In Europe, we have recently expanded the Komarom factory in Hungary, and our Salo factory in Finland and our Bochum factory in Germany operate at a high capacity
· In Americas, we have recently expanded the Reynosa factory in Mexico and continue at full speed in Manaus, Brazil.

Are you planning to move manufacturing out of Finland?

No, the reason for the new production facility is to meet the growing consumer demand in markets in Europe and Middle East and Africa.

Does the Cluj County factory take production away from other Nokia factories?
Although demand and factory loading are very much seasonally driven in mobile device business, our existing factories have been operating at a very high capacity due to the global market growth in mobile devices. The reason for the new production facility is to increase our capacity to cater for the demand in markets in Europe and Middle East and Africa.

Will this factory focus on low-end phones?

The factory will focus on providing products for Europe and Middle East and Africa.

To which markets do the factories ship the phones manufactured?
The Mexican and Brazilian plants primarily supply the North and South American markets, the European plants principally supply the European market and non-European countries that have adopted the GSM standard. The Asian plants primarily supply the Asian markets.

Which of your suppliers will start their manufacturing in Romania?
They will announce their plans in due course. We believe that this new factory can offer interesting opportunities for some of our suppliers, too.

Which of your suppliers will encourage to set up shop in Romania?
At this stage, the plans and decisions are not finalized yet. We cannot disclose this kind of information as the negotiations are ongoing.

Was your decision to invest in any way affected but the fact that you already have Intellisync R&D activities in Romania?

Intellisync R&D didn’t have impact to the selection of the manufacturing location.   

Nach der Lektüre des Textes sein ein weiteres Mal der Blick in einen exzellenten Artikel des Manager-Magazins empfohlen. Das Magazin beurteilt die  Standortentscheidung  Nokias kritisch.

…und übrigens auch von dieser Stelle einen herzlichen Glückwunsch an Nokia zum Rekordgewinn.

Nokia nicht unfehlbar?

Die Nokia-Spitze begründet das Aus für den Standort Bochum mit wirtschaftlichen Notwendigekeiten. In einer Reaktion des Betriebsrates auf das Interview von Nokia-Chef Kallasvuo in der FAZ machen die Nokia-Mitarbeiter indes Versäumnisse des Vorstandes für das Nokia aus verantwortlich. Nokia-Betriebsrat: Kallasvuo will von eigenen Versäumnissen ablenken. Gisela Achenbach, Betriebsratsvorsitzende bei Nokia Bochum:  „Kallasvuo will von den Versäumnissen der Unternehmensleitung ablenken." Der Grund für die Schließung des Standortes seien nicht die angeblich zu hohen Kosten, sondern Versäumnisse in der Strategie des Managements. „Nokia hat meiner Ansicht nach Überkapazitäten geschaffen, aber es gleichzeitig versäumt, genügend neue unterschiedliche attraktive Produkte zu entwickeln", so Achenbach. Obwohl bei Nokia in Bochum noch vor der Einführung des iPods Konzepte für Musikhandys entwickelt worden seien und die Ingenieure ab Mitte 2001 das 3300 – ein Handy mit MP3Player und Musik auf Speicherkarten – entwickelt hatten, hätte das Management die konsequente Markteinführung einer neuen Produktpalette gestoppt. „Damals", so Achenbach „war die Botschaft des Senior Vice President Entertainment: „Music is not our Business", wohl weil man sich nur noch auf Spielehandys konzentrieren wollte. Das Geschäft mit portablen Musikplayern, die damals schon hätten in Mobiltelefone integriert werden können, machte schließlich Apple. Erst jetzt fängt auch Nokia an, Musik über das Internet zu vertreiben, ein Vorschlag der Bochumer Ingenieure, der 2002 niemanden in Finnland interessiert hat.

Gisela Achenbach: „Hätte Nokia auf seinen Standort Bochum mit hervorragend qualifizierten Mitarbeitern in der Produktion und einem Entwicklungszentrum mit mehr als 400 Ingenieuren gehört, würde keiner vom iPod reden. Dann hiesse es vielleicht NPod oder NPhone und diese Produktlinie würde garantiert in Bochum entwickelt und produziert"

Nokia hätte in der folgenden Zeit auf den Bereich Games gesetzt – aber unterlassen, eine attraktive Softwarebasis für die entsprechenden Geräte sicher zu stellen. „Die Bochumer Multimediaabteilung hat frühzeitig vor der Entwicklung gewarnt." Der Erfolg des Spielehandies N-Gage lag dann auch weit hinter den Erwartungen zurück. Auch, dass Nokia als Weltmarktführer mehr als ein Jahr nach Einführung des iPhones noch keine Antwort auf Apple gefunden hat sei peinlich. Achenbach: „Technisch und konzeptionell könnten wir Apple innerhalb weniger Monate überholen – wenn man uns lassen würde."

Stattdessen würde sich Nokia auf den Verkauf von Billighandies für Schwellenländer und Internetdienstleistungen konzentrieren. „Preisgünstige Modelle für die Märkte in den Schwellenländern sind zwar wichtig, aber ebenso wenig ein tragfähiges Zukunftsmodell wie das Geschäft mit Internetdienstleistungen." Dort hätten Amazon, Google und Ebay ihre Claims abgesteckt – für Nokia sei dort kaum noch Platz.

„Nokia sollte sich auf das konzentrieren, was es kann: Spitzenhandys entwickeln und bauen. Das hat der Standort Bochum seit fast 20 Jahren auch getan. Der Vorstand sollte endlich eine zukunftsträchtige Vision für das Unternehmen entwickeln, anstatt die Mitarbeiter für das eigene Unvermögen leiden zu lassen."

Der ruhiggestellte Oskar

Kurz zu den Fakten der Nokia-Demo in Bochum Riemke: 15.000 Demonstranten nach Polizeiangaben, die Forderung war klar, Nokia muß erhalten bleiben, eine weitgehend überraschungsfreie Nummer. IG-Metall Protestroutine eben, mit Soli-Transparenten anderer Gewerkschaften. Redner waren, neben Bochums Oberbürgermeisterin, IG-Metall Chef Huber, Nokia-Betriebsrätin Achenbach und vor allem einige Nokia-Mitarbeiter, mit zum Teil wirklich berührenden Reden. Interessant war, wer nicht reden durfte: Der angereiste Politikertross, der sich so sehr einen Platz in der Fernsehübertragung gewünscht hätte: Arbeitsminister Laumann, SPD-Hoffnungsträgerin Hannelore Kraft und vor allem der "Arbeiterführer" Oskar Lafontaine. Sie mußten zurückstehen gegenüber den Nokia-Mitarbeitern. Zwar hatte sich die Bochumer Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Sevim DaÄŸdelen in Gesprächen mit dem Betriebsrat alle Mühe gegeben, "Oskar" auf der Kundgebung zu platzieren, aber sie konnte sich nicht durchsetzen. Auch die spontanen Volkswillen simulierenden Parteimitglieder mit ihren Oskar-Rufen blieben ungehört – und so stand Lafontaine auf der Bühne, mußte Gunther Garbiel anhören und Johnny Cash-Nummer von Musikern des Schauspielhauses – was einem wieder einmal klar machte, dass es Musiker gibt, die unersetzlich sind.

Experte: Erfolgschance 20%

"Wenn man sich vergleichbare Fälle wie Nokia anschaut, haben die Mitarbeiter eine statistische Chance von 20%, die Schließung noch zu verhindern", erklärte Prof. Dr. Gustav A. Horn, Wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie
und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung heute im ARD Morgenmagazin. Realistischer sei das Erreichen eines guten Sozialplans.

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Thoben trifft Kallasvuo

Zwischen Wirtschaftsministerin Christa Thoben und der Spitze des finnischen Nokiakonzerns ist es am heutigen Montag zu einem ersten Telefonkontakt wegen der geplanten Schließung des Bochumer Nokia-Werks gekommen –  fast eine Woche nach Verkündung des Schließungsbeschlusses. Konzernchef Olli-Pekka Kallasvuo erklärte sich nun  bereit, für ein persönliches Gespräch mit der Wirtschaftsministerin zur Verfügung zu stehen. Ein Termin wird kurzfristig vereinbart. Beide Seiten gehen in das Gespräch ohne jede Vorbedingung und ohne eine thematische Einschränkung. Minsterin Thoben hatte in Bochum angekündigt, mit Nokia über den Fortbestand des Standortes Bochum reden zu wollen.

Ein erstes Gespräch zwischen Betriebsrat und Kallasvuo heute in Finnland soll ohne Ergebnis geblieben sein. Apropos Ergebnisse: Das voraussichtlich sehr gute Quartalsergebnis wird Nokia am Donnerstag nicht wie üblich auf einer Pressekonferenz verkünden – die wurde abgesagt. Wahrscheinlich möchte man sich die schöne Stimmung nicht durch kritische Fragen von Journalisten versauen lassen.

Pleon soll Nokias Ruf retten / Trimedia nur am Rand

Im Augenblick läuft es nicht gut für Nokia. Das Unternehmen steht unter öffentlichem Dauerfeuer, die Imagewerte fallen und der Vorstandsvorsitzende ist nicht medientauglich – und ein Steuerhinterzieher. Anstatt auf die Effektivität der eigenen Pressestelle zu setzen, hat Nokia Pleon engagiert. Daneben ist Trimedia als Produktwerber wieter tätig. Pleon ist eine der größten internationalen PR-Agenturen, die damit wirbt, ihren Kunden jederzeit ein ganzes Team für Krisenkommunikation zur Verfügung zu stellen. Im Moment dürfte das gerade viel zu tun haben. Nokia wird spätestens in der kommenden Woche zu einem medialen Gegenschlag ausholen lassen. Der Zeitpunkt ist dann günstig: Die Bilder der weinenden Mitarbeiter sind gesendet und gedruckt worden, nun müssen andere Informationen her. Welche werden das sein? Erste Erfolge der Arbeit von Pleon sind schon sichtbar: Das Werk in Bochum wird als nicht wettbewerbsfähige Schrauberbude für Handykomponenten dargestellt. Minderwertige Konsumgüter, die genau so gut, nur viel billiger, in Rumänien, China oder bald auch Bangladesh hergestellt werden können. Das kann jeder verstehen, und es deckt sich mit unserer Erfahrung: Auch unsere Fernseher oder Computer kommen nicht mehr aus dem eigenen Land. Blöd gelaufen für die Mitarbeiter, ansonsten geht das Leben weiter.
Dumm nur, dass diese Argumentation im Falle Nokia nicht ganz stimmt – was nicht heißt, dass sie sich in den Medien nicht durchsetzt. Nokia ist keine Schrauberbude, sondern eine Produktionsstätte um ein Entwicklungszentrum mit 400 Diplom-Ingenieuren und zahlreichen Meistern und hochspezialsierten Facharbeitern. Hier wurden nicht nur bunte Bauteile zusammengesteckt, sondern Komponenten und Software entwickelt oder für die Zulieferer spezifiziert. Hier war der Ursprung der Handyentwicklung Nokias. In Deutschland hat nur noch Forschung und Entwicklung eine Chance? In Bochum gibt es bei Nokia genau das: Forschung und Entwicklung. Und es wird abgewickelt. Das ist die eigentliche Katastrophe, die für den hiesigen Standort ein verheerendes Signal ist.

Es wird spannend zu sehen sein, welche Argumente Pleon in den nächsten Tagen aus dem Hut zaubert: Glückliche Rumänen, die der Armut dank eines Jobs bei Nokia entkommen sind, Erfolgsgeschichten von ehemaligen Mitarbeitern, Beispiele für das soziale Engagement des Unternehmens, Leidensgeschichten von dem ungeheuren Druck, unter dem Nokia steht, Experten, welche die Bedeutungslosigkeit von Protesten für das Markenimage bezeugen … mal schauen, was Pleon alles so einfallen wird – und auf welchen Kanälen sie das alles kommunizieren, denn Pleon, vielfach ausgezeichnet, setzt auf Kommunikation auf allen Kanälen. Die Interviews in der Bild und im Handelsblatt sprechen eine eigene Sprache. Die Schlammschlacht beginnt.

 

Nokias Fehler – Deutschlands Fehler

Ein Artikel im Manager-Magazin prophezeit Nokia indes Probleme am neuen Standort Rumänien. Ein Management, das schon die Einführung der Klapphandys verpasst hat, und auch nach einem Jahr als Marktführer noch keine Antwort auf Apples iPhone gefunden hat, ist weit davon entfernt, perfekt zu sein. Auch die Pläne Nokias, künftig mit Internetdienstleistungen statt mit Telefonen Geld verdienen zu wollen, zeugen von einer gewissen Selbstüberschätzung. Auf diesem Markt warten Google, ebay und Amazon als Wettbewerber, und die werden sich von den Finnen kaum die Wurst vom Brot nehmen lassen.

Aber unabhängig von der Frage der Subventionen, die sich wieder einmal als teuer und wirkungslos erwiesen haben, hat auch die Politik Schuld an der Nokia-Katastrophe. Die Lohnkosten in Deutschland sind nach wie vor extrem hoch – nicht unbedingt die ausgezahlten Löhne. Arbeitnehmer werden systematisch von der Politik ausgeplündert:  Steuern und Abgaben machen Ihre Arbeit teuer. Sie sind gezwungen, wie auch die Unternehmen, ein uneffektives Sozialsystem und eine überbordende Bürokratie zu finanzieren – im schlimmsten Fall verlieren sie auf diesem Weg ihre Wettberwerbsfähigkeit und landen in der Arbeitslosigkeit. Die Bereitschaft, diese Strukturprobleme zu lösen ist gering – allenthalben wird nach dem starken Staat gerufen, der sich bislang noch immer als teurer Pummel mit mehr Fett als Muskeln erwiesen hat. Auch die üppig gezahlten Subventionen machen den Standort unter dem Strich teuer. Ob Bauern oder Bergbau  – jeder Euro, der ausgeben wird, um wirtschaftliche Träumereien zu finanzieren, schwächt die Unternehmen, die erfolgreich wirtschaftten und die Rechnung bezahlen müssen und gefährdet Jobs.  

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Nokia: Image im Arsch

ZDnet meldet, das nach einer Studie das Image Nokias als Arbeitgeber zusammengebrochen ist – vom ersten Platz herunter auf den letzten. Für ein Unternehmen, das auch künftig darauf angewiesen ist, wenn auch nicht in Deutschland, gutqualifizierte Ingenieure zu gewinnen, ein verheerendes Ergebnis. Auch die Kunden beurteilen Nokia kritischer:

ZDnet: "Negative Auswirkungen ließen sich auch in der Wahrnehmung von Qualität und Preis feststellen: Die Qualität der Marke Nokia wurde innerhalb der letzten drei Tage deutlich schlechter bewertet, der dazugehörige Indexwert rutschte von 62 auf 45 Indexpunkte ab. Auch das Preis-Leistungsverhältnis wurde aus Verbrauchersicht kritischer bewertet und fiel von 16 auf 6 Punkte."

Noch vor wenigen Tagen gingen Experten davon aus, dass Nokia Bochum öhne grösseren Schaden für die Marke überstehen würde.

 

Neue Arbeitslosenzahlen für die Städte im Revier

Foto: Flickr/mkorsakov

Das Nokia-Aus wird sich nicht nur in Bochum bemerkbar machen. Die Mitarbeiter  des Standortes Bochum kommen zum Teil aus so exotischen Orten wie Düsseldorf, Olfen (Gruß  an den Pottblog 😉 und Arnsberg. Besonders hart trifft es aber natürlich die Städte im Ruhrgebiet. Kaum eine, in der  keine Nokianer wohnen. Noch im Kreis Wesel verlieren kanpp 30 Leute ihren Job. Nach Bochum mit 724 künftigen Arbeitslosen erwischt es auch Herne mit 433 sehr hart.
Die weiteren Zahlen: Kreis Recklinghausen  375, Gelsenkirchen 166, Dortmund: 154,  Kreis Ennepe-Ruhr: 127, Essen: 72. Nicht mitgezählt sind bei dieser Mitarbeiter-Liste, die mir vorliegt, die Leihkräfte sowie die gut 200 DHL-Mitarbeiter, die wohl auch bald ihr letztes Päckchen schnüren werden.