Electro, DubStep, Drum‘n‘Bass – live im Domicil, Samstag 29.1.

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Comping (live) + DJs Koljeticut / Maik Ollhoff / Sir Fired / Easy Klickz

DJ sets: Koljeticut, Maik Ollhoff, Sir Fired / Easy Klickz

Die überaus faszinierende Verbindung aus Live-Drumming und Elektronik-Sounds und -Beats  verspricht die Wuppertaler Band COMPING und weiß dabei überaus wirkungsvoll,  Elemente von Dub-Step, Drum ’n Bass, HipHop und Electro zu einem eigenen Stil zu fusionieren.  Maik Ollhoff (Schlagzeug) kann als studierter Jazzmusiker und erfahrener Trommler in verschiedensten Stilrichtungen auf ein umfangreiches Repertoire an Grooves zurückgreifen. Sein akustisches Drumset wird durch Percussion-Samples und Loops unterstützt. Der Soundspezialist Cestbon (Synthesizer) schraubt sich durch Oszillatoren und Filterbänke, entfesselt Basswände und Melodien, die während der Auftritte moduliert werden und immer neue Haken schlagen. Eine solide Sammlung von analogen sowie digitalen Synthesizern schafft die Grundlage für immer neue Soundausflüge. Als dritter Mann im Team: Koljeticut (Turntables). Als aktueller IDA Showcategory Worldchampion bringt er seine Skills an Plattenteller und MIDI-Pads in den Bandsound ein, feuert Samples ab, spielt Gesangsparts ein und webt sein Instrument tief in die Songs ein.

Komplettiert wird der Abend, der vermutlich zu einer langen Nacht werden wird durch diverse DJ-Sets von Künstlern aus der hiesigen Szene.

Mit dieser Nacht der gebrochenen Beats liefert der Kurator dieser neuen Reihe Mike Olhoff eine Fortsetzung nach einem überaus erfolgreichen Start im Rahmen der Dortmunder Jazztage Anfang Dezember.

Sophie Hunger, Konzerthaus Dortmund 28.Januar

Sophie Hunger, 28.1., Konzerthaus Dortmund

Für ihr Publikum, deren Emotionen sie mit ihrer ruhigen, warmen Stimme und ihren oft rätselhaften Songs zu steuern in der Lage ist, empfindet Sophie Hunger -nach eigenem Bekunden- vor allem Verantwortung. Am Freitag, 28.1. gastiert die als Emilie Jeanne Sophie Welti geborene Schweizerin im Konzerthaus Dortmund.

Viele Songs aus den mittlerweile drei Alben stiegen hoch in die Charts auf, und Sophie Hunger ist schon für so prominente Auftrittsorten wie das Montreux Jazzfestival oder das in der Popwelt tonangebende britische Glastonbury Pop Festival gebucht worden. Dabei fing die vielseitig begabte Diplomatentochter erst mit 23 Jahren an, überhaupt Songs zu schreiben.

Auch schreibt sie Filmmusiken und artikuliert sich – zum Teil unter Pseudonymen – als nachdenkliche  Publizistin zu aktuellen Themen. Ihren Songs haftet oft etwas geheimnisvoll-unnahbares an – egal ob auf französisch, englisch, deutsch und auch auf schwyzerdytsch.

Im Konzerthaus Dortmund spielt sie – wie es in der Pop-Abo-Reihe üblich ist – in einer unplugged besetzung- mit dabei sind Michael Flury (Posaune, Glockenspiel), Christian Prader (Flöte, Gitarre, Klavier, Harmonika, Gesang), Simon Gerber (Bass, Gesang), Alberto Malo (Schlagzeug).

Info und Tickets

www.konzerthaus-dortmund.de

„Zeitinsel“ im Konzerthaus Dortmund präsentiert Bela Bartók

Bela Bartóks kompositorisches wie auch forschendes Schaffen hat die musikalische Moderne entscheidend geprägt. Grund genug, dem ungarischen Komponisten, der vor 130 Jahren geboren wurde, ein Zeitinsel-Festival im Konzerthaus Dortmund zu widmen! Vom 18.-22. Januar kommen in Dortmund einige der berühmtesten, aber auch bislang weitgehend unbekannte Kompositionen Bartóks zur Aufführung.

Bela Bartók, der vor 130 Jahren geboren wurde, war keineswegs nur Komponist, sondern ebenso idealistischer Pädagoge, akribischer Musikforscher, virtuoser Pianist und aufklärerischer Theoretiker. Seine Leistungen in der Erforschung indigener Volksmusiken Osteuropas sind bahnbrechend, da die Einverleibung ihrer Ergebnissen in die eigene Tonsprache ganz neue Horizonte eröffneten.

Diesem Aspekt tragen zwei Kammermusikabende Rechnung – vor allem die ungarische  Sängerin Márta Sebestyén fungiert bei diesen Brückenschlägen als kompetente Interpretin. Weitere Schlaglichter auf Bartóks Repertoire an Vokalmusik liefert ein Konzertabend, bei dem die jugendlichen Sänger der Dortmunder Chorakademie mitwirken.  Schon 1911 hatte Bela Bartók seine einzige Oper geschrieben – den Einakter »Herzog Blaubarts Burg«. Unter Leitung von Iván Fischer und mit dem Solisten István Kovác interpretiert das Budapest Festival Orchestra den Einakter in einer halbszenischen Aufführung.

Iván Fischer, der Gründer und Leiter des Budapest Festival Orchestra, hat als großer Kenner der Musik Bartóks entscheidend an der Konzeption dieser Zeitinsel in Dortmund mitgewirkt. Das Budapester Orchester, welches – laut der Einschätzung des „Grammophone“ -Magazins – zu den „zehn besten Sinfonieorchestern weltweit gehört“ ist gleich mehrmals im Konzerthaus Dortmund zu erleben.  Also beste Voraussetzung für zwei sinfonische Konzertabende, bei denen natürlich Bartóks „Konzert für Orchester“ nicht fehlen darf –  wohl eines der ganz großen Schlüsselwerke im 20. Jahrhundert schlechthin! Zum Finale der Zeitinsel musiziert das Budapest Festival Orchestra ein weiteres Werk, das – vor nicht ganz 100 Jahren – den Aufbruch in neue Klangwelten markierte und damals die zeitgenössischen Meinungen stark polarisierte:  Strawinskys „Sacre de Printemps“.

Komplette Infos und Tickets

www.konzerthaus-dortmund.de
Das Programm:

  • Kammerkonzert I
    Dienstag (18.1.), 20 Uhr: Eckhardt Streichquartett, Márta Sebestyén (Sopran), István Kádár (Violine) und Jeno Jandó (Klavier). Original-Volksliedaufnahmen von Bartók, Volksmusik-Ursprünge der Rhapsodie Nr. 1, Rhapsodie für Violine und Klavier Nr. 1, Klavierquintett. Iván Fischer moderiert das Konzert.
  • Orchesterkonzert I
    Mittwoch (19.1.), 20 Uhr: Budapest Festival Orchestra (Leitung: Iván Fischer). Scherzo à la Russe und Tango von Strawinsky, Oxford-Sinfonie von Haydn, Bartóks Konzert für Orchester.
  • Kammerkonzert II
    Donnerstag (20.1.), 20 Uhr: Barnabás Kelemen, Katalin Kokas (Violinen), Ákos Ács (Klarinette), Jeno Jandó (Klavier), Ádám Balogh (Klavier), Opern-Kinderchor, Mädchenchor und Jugend-Kammerchor der Chorakademie (Leitung: Zeljo Davutovic). Bartóks „Kontraste“ für Violine, Klarinette und Klavier, Duos für zwei Violinen, Auszüge aus „Kórusmuvek“, ungarische und slowakische Volkslieder.
  • Herzog Blaubarts Burg
    Freitag (21.1.), 20 Uhr (Einführung: 19.15 Uhr): Operneinakter von Bartók mit István Kovács (Blaubart), Ildiko Komlosi (Judith), Budapest Festival Orchestra (Leitung: Iván Fischer) und Sinfonie Nr. 102 von Haydn.
  • Orchesterkonzert II
    Samstag (22.1.), 20 Uhr: Budapest Festival Orchestra mit Iván Fischer und Dejan Lazic (Klavier). Bartóks Volksmusik-Ursprünge der Rumänischen Volkstänze, Rumänische Volkstänze, Rumänischer Tanz für Orchester von Bartók sowie das erste Klavierkonzert von Liszt und „Le sacre du printemps“ von Strawinsky.


Karten: Tel. (0231) 22696200 oder www.konzerthaus-dortmund.de

Original und Übersetzung – „celebrating Mahavishnu“

Man stelle sich einen Sommerabend vor – auf der Wiese liegend, den Blick in die Blätter eines Baumes, die so unendlich plastisch das Auge faszinierten. Auch die ganzen vielen Grüntöne wirkten so neu, so anders, so viel verschiedener auf einmal. Auf den Ohren die Headphones eines vom Taschengeld abgesparten Sony-Cassettenwalkmans – und in diesem eine frische Aufnahme des „Birds of Fire“-Albums vom Mahavishnu-Orchestras. Solche Ewigkeiten hatten auch die längsten Soli noch nie durchmessen! Links eine merkwürdig schwerelos schwebende Violine – rechts eine Gitarre, die Wörter, Geschichten, kaleidoskopische Farben produzierte.  Man darf raten, was im Spiel war, um all dies herbei zu führen…

Tatsache bleibt:  „Sanctuary“, „Lotus“ oder „Terrestrial Celestial“ sind Stücke, die auch heute noch so heißen wie sie klingen. Und dabei auch in klarem Bewussteinszustand so klingen, wie sei heißen. Denn das, was sich einst so prägend ins Hirn einfräste, geht im Grunde auf ein Höchstmaß an Klarheit in der musikalischen Aussage zurück. Das deutet auf eine ähnliche Verfassung, eine geradezu spirituell reine Ausgangslage zum Zeitpunkt der Produktion dieser Musik hin. So sieht es auch der Geiger Bernie Mallinger vom Radio Vienna String Quartet: „John Mc Laughlin, der die meisten dieser Stücke geschrieben hat, war zu diesem Zeitpunkt bereits wieder von den meisten Drogen runter.“

Das Streichquartett aus Wien lieferte im Dortmunder Jazzclub domicil die zeitgenössische  „Übersetzung“ dieser Stücke.  Und es mangelt hier an nichts  in Sachen extremer Spannungslevel und oft überwältigender Dramaturgie, wie sie vielen Mahavishnu-Stücken innewohnt. Die Wiener schaffen all dies durch dezidierte klangliche  Gestaltung und subtile perkussive Techniken. Ganz dicht am Steg streichen die vier über weite Strecken, was sich in der Fachsprache „sul ponticello“ nennt – das produziert diesen seidigen, sphärischen Klang! Und die Bögen trommeln auch mal im Neunzehnachtel-Takt auf die Saiten, worauf Bernie Mallinger in einer Zwischenansage verwies.

Die feinste Arrangierkunst der Wiener fängt die komplexen melodischen Abläufe ein, bringt so viel Mystik zum Leuchten, in all ihrer kunstvoll-wilden Vermengung Rock, Jazz, Folk und indischen Stilelementen. Dabei spielt das Quartett nicht einfach eins zu eins die Vorlagen nach, sondern leistet sich auch immer wieder ganz freie, subjektive, oft lustvoll rockende, zuweilen lyrisch stark verinnerlichte Exkurse. Und es kam im domicil zu einem weiteren, geradezu spektakulären Brückenschlag:  Zur Einleitung der Ballade „1000 Island Park“ spielte Cellistin Asja Valcic ein Quinten-Arpeggio, welches nahtlos die Sarabande einer Bach-Suite einleiten könnte. Und dieser ruhevolle Gestus liegt immer noch über allem, als die Melodie schon längst wieder herbes Moll und die hohen Streicher ihre elektrisierend dissonanten  Gesten verbreiten…

Diskographie (Auswahl)

Radio String Quartet Vienna – celebrating Mahavishnu (ACT 2007)

Radio String Quartet Vienna & Rigmor Gustavson      (ACT 2010)

Mahavishnu-Orchestra       Inner Mounting Flame (Jan 1972)

Mahavishnu Orchestra       Birds of Fire (Feb 1973)

Info:

www.radiostringquartet.com

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Senor Coconut meldete sich in Essen zurück

Es spielte schon deutlich auf die Elektropioniere Kraftwerk an, wie „Señor Coconut“ alias Uwe Schmidt hinter seinem Stehpult auf der Bühne fast unbeweglich den Laptop bediente – aber der umtriebige Workaholic steuerte nicht nur kühle Beats, sondern überließ auch bei einer der heißesten Latin-Combos nichts dem Zufall. Jede und jeder kam mächtig in Fahrt in der Zeche Zollverein – und jede Winterkälte schien binnen Minuten weggeschmolzen!

Ein Marimba – und ein Vibraphon, eine Salsa-Schlagzeugbatterie nebst Bläsersection befeuern den Sänger, der sich immer wieder auf die einschlägigste Coverversionen einschießt.  „Smooth Operator“, „Beat it“ oder „Smoke on the Water“, die zu den am häufigsten abgespielten Hits im ganzen Musikgeschäft gehören. Das Wagnis, an so etwas ganz peinlich zu scheitern, ist immens.

Aber Senor Coconut und die phänomenalen Musiker aus der lateinamerikanischen Wahlheimat vollbringen das Wunder, solch „ewige“ Standards aufs nachhaltigste von jeder Erstarrung angesichts ihrer unablässigen Wiederholung zu befreien, da es hier gelingt, mit extremer Einfühlung die „Codes“  (Senor Coconut) der Stücke zu erfassen und diese in neue Kontexte zu übersetzen.

Fabelhaft virtuose Soloparts verdichten die Intensität in den ausgiebig langen Stücken. Oft  groovt das Schlagwerk mit elektronischen Beatgewittern aus dem Computer des Bandleaders um die Wette, der zuweilen mit einer „Acid“-Modulation aus den Techno-Gründertagen humorvoll dazwischen zu funken weiß – und damit auch auf der Bühne seine bemerkenswerte Doppelexistenz als Elektronik-Künstler und Latin-Spezialist leben lässt. Ironie aus südländisch-lässigem Blickwinkel ist hier im Spiel- ein dezidiertes künstlerisches Konzept waltet im Hintergrund.

Grenzgänge wie diese gingen hatten einst in Kraftwerk-Adaptionen ihren Ursprung. Davon zeugen beim Essener Konzert „nur“ zwei Stücke, die aber mit ausgefuchster Dramaturgie und einem pantomimisch ausgeführten „Fahrradrennen“ auf der Bühne nochmal großes Theater bieten.

Die Macher der Konzertreihe in der Zeche Zollverein haben mit diesem Gastspiel wieder einmal Geschmack bewiesen.

Radio String Quartett Vienna plays Mahavishnu im Dortmunder Domicil, Sonntag 19.12.2010

Wenn man von der Elektrifizierung des Jazz mit all seinen Fusionen spricht, darf von den Platten des Mahavishnu Orchestra nicht schweigen. Aktuell „übersetzen“ vier junger Wiener die legendären Kompositionen in die Sprache einer  Streichquartett-Besetzung. Und sie treffen damit den Geist der Originale elektrisierend genug, dass  der einstige Mahavishnu-Bandleader John Mc Laughlin die Liner Notes verfasste für das aktuelle Album “Radio String Quartet Vienna – celebrating Mahavishnu Orchestra”. Bernie Mallinger und  Johannes Dickbauer, Violine, Cynthia Liao, Viola sowie Asja Valcic, Violoncello, demonstrieren am Sonntagabend im Dortmunder Domicil, warum ihre Adaptionen von Titeln wie „The Inner Mounting Flame“ und „Birds Of Fire“ innerhalb kürzester Zeit den Sprung in die europäische Spitzenklasse der Streichquartette geschafft haben.

Sonntag 19|12|10 20:00 Uhr

www.domicil-dortmund.de

„Senor Coconut“ am 17.12. auf Zollverein

Großes Aha löste aus, als Mitte der 90er Jahre Stücke der Elektronik-Pioniere Kraftwerk plötzlich in Mambo-Rhythmus und sattes Latin-Flavour inclusive  Marimba- und Vibrafon gepackt den Dancefloor eroberten. Verantwortlich zeichnete der Frankfurter Uwe Schmidt, der bis dahin unter verschiedenen Pseudonymen als Technoproduzent wirkte, dann aber – einer spontanen Eingebung folgend – die „Emigration“ nach Chile vollzog, um von nun an als „Senor Coconut“ mit der rhythmischen Vielfalt Lateinamerikas intensiv Umgang zu pflegen. Die Früchte dieses musikalischen Tapetenwechsels waren nicht zuletzt viele weitere originelle Coverversionen, von denen auch sein aktuelles Album „Around the World“ durchzogen ist. Aktuell schaut der schillernde Verwandlungskünstler wieder in seinem Heimatland vorbei – und gastiert morgen abend mit groß besetzter Band in der Essener Zeche Zollverein.

Neue Trends und freie Szenen – die 17. Internationalen Jazztage Dortmund

Warum alles in Sachen elektronischer Clubkultur dem derzeitigen Szene Mekka Berlin überlassen? Maik Olof, der sonst in der Wuppertaler Peter-Kowald-Gesellschaft wirkt, brachte eine die Techno-Avantgarde ins Dortmunder domicil. Denn was dort unter dem etwas konservativen Etikett „Internationale Jazztage“ rangiert, will das Neue und Besondere, das Etablierte weniger. „Wir präsentieren übers Jahr so viele große Namen , da können wir beim Festival ruhig andere Akzente setzen“ sagt domicil-Chef Waldo Riedl zum Konzept der Jazztage.
Da kommen sie aus ihren Nischen hervor, etwa der DJ „DNMK“ vom Essener Goethebunker oder ein Sven Swift vom Bochumer Error Broadcast. Demonstriert wird, dass sich in Genres wie Dubstep oder Garage die Bassdrum über das stoische Vierermetrum zu erheben weiß. Mit Snare-Gewittern und zuweilen verpackt in psychedelische Samples entsteht sowas wie – Swing! Aus Wien nach Dortmund gereist ist Dorian Concept, um weitere Kreise zu schließen, wenn er über die verfrickelten Elektrobeats aus dem Mini-Netbook live auf dem Synthesizer improvisiert. Da ist wohl das gemeinsame Wiener Blut mit dem legendären Joe Zawinul im Spiel. Wer zaubert die wärmsten, durchgestyltesten Sounds aus den Tasten?
„No Blah Blah“ verbreitet die Jazzwerkruhr-Initiative – und setzt bei der aktiven Pflege einer lebendigen Jazzkultur direkt vor der Haustür an. Dank hervorragendem künstlerischen Niveau ist die Ausstrahlung der vielen realisierten Kooperationen innerhalb der freien Szene längst international. Also begegneten sich auf der Bühne im großen Saal junge Talente von Hamburg bis München, aber auch aus Polen, Frankreich, Belgien und der Slowakei. Die im Vorjahr gegründete „Jazz plays Europe“-Werkstatt setzt hier das Begonnene logisch fort. Nadin Deventer, Geschäftsführerin von Jazzwerk Ruhr weiß jedoch zurzeit nicht so recht, wie es mit der Initiative weiter gehen soll. Das größte Manko ist eine fehlende Planungssicherheit, da die notwendige finanzielle Unterstützung vom Land NRW immer nur – und das sehr kurzfristig – für ein Jahr bewilligt wird. Nadin Deventer: „Die Kulturhauptstadt geht, wir bleiben. Aber es ist schwierig, unter solchen Vorzeichen etwas für eine nachhaltige Sicherung zu tun.
Auch sonst widerspiegeln sich aktuelle Trends in Dortmund: Die Schweizer Band Rusconi stellt das überstrapazierte Klaviertrioformat mal eben in den Kontext der berühmten Gitarren-Noise-Band. Wenn sich beim Flügel auf der Bühne auch nicht für jedes Stück die Stimmungen manipulieren lassen, wie es bei den Sonic Youth Gitarren fast für jeden neuen Song praktiziert wird, so überzeugt bei den Schweizern umso mehr die „verschlankte“ und damit umso mehr auf die Lyrik der Songs fokussierte Tonsprache.
Auf dem „WOMAD“-Festival für Weltmusik kaufte sich der Perkussionspieler Nick Mulvey einen Satz schweizerischer „Hang“-Trommeln. Das beschert dem Spiel des Portico-Quartetts gleichsam frische, wie feinfühlig abgedämpfte Farben. Mit wenigen Tönen lassen sich auf diesen Metallelementen Verbindungen bis hin zu mixolydischen oder dorischen Modi kreieren. Das klingt manchmal wie karibische Steeldrum, offenbart dann aber doch mehr Tiefe und viel mehr sphärischen Obertonreichtum. Sie tut wohl, diese bewegliche, leichtfüßige Musik der Londoner. Aber sie laufen auch Gefahr, in der Falle von zu einseitig aufgetragener Süßlichkeit zu landen. Mehr kompositorischer Wagemut und eine stärkere Auseinandersetzung mit exotischen Stilen – und alles wäre perfekt!
Grubenklang.reloaded ist ein aktuelles „Ruhr 2010-Projekt“, bei dem sich gestandene Improvisatoren aus der Region wie Theo Jörgendsmann, Frank Gratkowski oder Dieter Manderscheid wieder zusammen gefunden haben Unter der Leitung von Georg Graewe ist hier nicht zuletzt ein Stück musikalischer Industriekultur entstanden. „Industrial Folk“ nennt es Bandleader Georg Graewe. Sängerin Almut Kühne bot zum Finale einen unter die Haut gehenden Vortrag, der so ganz variabel zwischen subtiler Laut-Abstraktion, expressionistischen Anklängen und raffiniert ins Spiel kommendem Folk changierte. Drum herum zauberte die „Grubenklang“-Formation eine Umgebung, die vor allem die Aura von Reife verströmte. Mal braust der ganze Klangkörper im atonalen Tutti auf, dann stürzen sich einzelne Spieler in solistische Duelle. Die haben in den vergangenen Monaten viel (und intensiv) zusammengespielt. Das hört man!

Almuth Kühne und der "Industrial Folk"
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Symbole entzaubern…Oliver Polaks „Jud Süß Sauer“

„Das was ich mache ist eine Kunstform, eher zwischen Tokio Hotel und Rammstein, als wie deutsches Kabarett. Wenn ich mehr Fragen hinterlasse, als dass ich antworten gebe, hab ich was erreicht, für den Moment“ sagt „Deutschlands erster jüdischer Standup-Komiker“ im Gespräch nach seinem Auftritt im Essener Katakomben-Theater. Auf der Live-Bühne lädt Oliver Polak sein Publikum zum Mitmachen ein. Weit weg sind erhobene Zeigefinger oder irgendwelche Opfer-Stilisierungen.
Ein Jude in Deutschland bekommt auch heute den Gelben Stern – wie alle anderen, die genug positive Bewertungen bei einem großen online-Auktionshaus gesammelt haben. „Damals reichte eine einzige negative Bewertung, vom Nachbarn“ – zumindest das hat sich laut Oliver Polak mittlerweile geändert. Juden, Deutschland, Hitler – diese Worte scheinen für ewig zusammenzugehören. Sie bilden eine Mauer, durch die so einer wie Oliver Polak durch muss, wenn er nur einfach sich selbst als Mensch auf der Bühne darstellen will. Nach eigenem Bekunden braucht er dafür alles, nur keine Betroffenheit.
Also lässt er es im Essener Katakomben-Theater humoristisch krachen mit den Mitteln einer fernseherprobten flapsigen Standup-Comedy. Was denn nun wäre, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte? Eine Unterhaltungsbranche im „Nazi-Tainment-Fieber“! Polak parodiert mal eben einen „KZ-Klo“ singenden Helge Schneider, und er lässt Udo Lindenbergs „Sonderzug“ ganz woanders hinfahren. Diese typisch erstickten „Hohoho“-Lacher angesichts solch derber Pointen bleiben im Katakomben Theater in der Minderzahl. Viele zeigen sich auf eigenartige Weise befreit angesichts der Leichtfüßigkeit, mit der solche Tabubrüche aus dem Munde eines „echten“ Juden kommen. Und die übergroßen Schäferhunde-Attrappen auf der Bühne sind ja auch ganz süß – trotz ihrer Ausstaffierung mit Davidssternen und SS-Mützen.
Polaks aktuelles Programm „Jud Süß Sauer“ macht nachdenklich, weil es den Symbolen ihre Macht ganz spielerisch nimmt. Mit unverfänglichem Pop-Appeal tönt es in seinem Lied: „Lasst uns alle Juden sein.“ Dazu regnen Konfetti und Luftballons von der Bühne.

Weitere Termine
29.11.10 Cineplex Münster
09.12.10 Stadtgarten Köln
23.03.11 (K1) Kolonie Eins Leverkusen
24.03.11 zakk Club Düsseldorf
30.03.11, (K1) Kolonie Eins Leverkusen

Interpol in Dortmund- eine Show, die keine sein will

Zwei Gitarren durchfräsen in Moll-Harmonien die Dunkelheit, umrahmen wie dichte, erdrückende Wände die latent psychotisch anmutende Stimme von Paul Banks. Dazu donnert die Rhythmusgruppe in basslastig treibendem Viererbeat – nicht ohne vereinzelt mit charakteristischen Joy Division-Synkopen auf der Snaredrum aufzuwarten. Auch wenn bei der New Yorker Band Interpol im Jahre 2010 ein Album, der Sound und zum Teil die Besetzung neu sind, blieben die live in der Dortmunder Westfalenhalle erzeugten Stimmungsbilder verlässlich monochrom.
Karg mutet diese Show an, denn sie will gar keine solche sein. Bewegungen auf der Bühne, irgendwelche Konversation mit dem Publikum, ja sogar die gerademal auf trübes Halbdunkel dosierte Bühnenbeleuchtung – all das scheint nach maximaler Verflüchtigung des Äußeren streben zu wollen. Das Erzeugen und Rezipieren von Interpols morbider Romantik ist eben als möglichst autistischer Vorgang intendiert. Aber dadurch wirken solche Emotionen auch so unmittelbar und direkt, eben wie ein gepflegt zelebrierter November-Blues, der jede Massenextase außen vor lässt. Die Versenkung in solche Gefilde hat in Dortmund aber auch wieder etwas latent routinemäßiges.
Treffsicher, nicht wirklich risikofreudig, dosieren Interpol die Mischung ihrer Songs. Da evozieren ältere Stücke vor allem vom zweiten Alben „Antics“ die wütend-treibende, erfrischend punkige Aufbruchsstimmung – was in der Westfalenhalle sogar phasenweise die Tanzbeine in Bewegung versetzt. Zum anderen markieren Stücke wie „Summer Well“, „Safe Without“ oder „Lights“ vom aktuellen, selbstbewusst „Interpol“ betitelten Album die Gegenwart der Band. Theatralischer, grüblerischer und irgendwie auch erwachsener geworden scheint diese.
Es ist ja auch viel passiert inzwischen: Nach Fertigstellung des aktuellen Albums stieg Bassist Carlos Dengler wegen gewandelter Lebenspläne aus der Band aus. Bassist David Pajo und Keyboarder Brendan Curtis setzen das Erbe fort und damit auch die unbestechliche handwerkliche Perfektion dieser Musiker.
Verlässlich verweigern sich Interpol den meisten aktuellen Trends. Denn die düster-melancholischen Rock-Existenzialisten schöpfen nach wie vor aus dem Gründergeist der Jahrtausendwende, der sich bei Post-Punk-Bands wie den Strokes bediente und der -natürlich!- die Austrahlung der „ewigen“ Joy Division reflektiert. Das macht 2010 den zeitlosen Sound von Interpol so wirkungsvoll.

CD-Tipp
„Interpol“ (2010)