Die Evangelische Kirche in Bochum ist die Kirche von Hans Ehrenberg. In den 30er Jahren hat Ehrenberg eine schnurgerade Grenzlinie gezogen: hier die Kirche, dort die Nazis. Es ist dringend, eine ebenso gerade Grenze zu ziehen zur AfD. Und sich mit allen gut zu stellen, die – hier der Aufruf – neben einem stehen auf derselben Seite der Straße.
Konzert zum Tag der Befreiung von Auschwitz. Mit Songs von Billy Joel wie aus weiter Ferne – 113 Tage nach den Massakern der Hamas.
„Wo bleibt der Aufschrei der Kulturschaffenden in dieser Stadt?“ Die Frage stammt von Thomas Eiskirch, Bochums Oberbürgermeister (SPD), er hat sie auf der Gedenkveranstaltung gestellt, die an den Pogrom vom 9. November 1938 erinnert hat: „Wo bleibt der Aufschrei in den Hochschulen? Jetzt ist die Zeit, wo wir laut werden müssen. Jetzt, wo das Existenzrecht Israels bedroht wird.“
Joe Chialo, Kultursenator in Berlin, hat eine „Anti-Diskriminierungsklausel“ eingeführt, sie besagt: Wer Mittel des Senats beantragt, bekennt sich „gegen jede Form von Antisemitismus“. Wer nicht, kriegt keine Mittel. Klingt einfach, der Clou ist das Wörtchen „jede“: Was Antisemitismus sei und was nicht, bemisst Berlin „gemäß der Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) und ihrer Erweiterung durch die Bundesregierung“. Übersetzt: Wer Israel boykottiert,wird nicht mehr gefördert. BDS, die kulturelle Boykottbewegung gegen Israel, wird angeleitet von Hamas.
Erinnert sich noch wer an die “Jerusalem Declaration on Antisemitism”? Im März 2021 hatten 200 internationale Wissenschaftler erklärt, Antisemitismus sei etwas “grundsätzlich” anderes als Antizionismus. Man könne den Staat Israel “ablehnen”, ohne die Menschen abzulehnen, die in Israel leben. Nun sind 3 von 4 Israelis jüdisch, wie das geht, ihnen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen und sie zugleich als Menschen anzuerkennen, lässt sich bei Hannah Arendt nachlesen, es geht gar nicht: Die „abstrakte Nacktheit ihres Nichts-als-Menschseins”, schrieb die politische Philosophin über die staatenlosen Wesen, die nach dem Ersten Weltkrieg wie gespenstische Schatten durch Europa zogen, sei ihre „größte Gefahr” gewesen. Und wäre es heute ebenso, als abstrakte Menschenwesen würden sie abermals zurückfallen in das, “was die politische Theorie den ‚Naturzustand’ und die zivilisierte Welt die Barbarei nannte“.
„Der Mob wurde von Priestern angeführt und der allgemeine Ruf ‚Tötet die Juden‘ wurde in der ganzen Stadt vernommen.” Vor 100 Jahren berichtete die New York Times aus Kischinjow, dem heutigen Chișinău, Hauptstadt der moldauischen Republik: “Das Grauen, das sich bei diesem Massaker abspielte, ist unbeschreiblich. Säuglinge wurden von dem rasenden und blutrünstigen Mob buchstäblich in Stücke gerissen. Bei Sonnenuntergang waren die Straßen mit Leichen und Verwundeten übersät.“
Drei Tage dauerte das Morden an, niemand hatte die Juden verteidigt. Wenig später hat Chaim Bialik, jüdischer Dichter, Kischinjow aufgesucht und eine “Stadt des Schlachtens / Be Ir HaHaregah” beschrieben. Sein Epos – Bialik geht darin mit dem jüdischen Pazifismus, diesem aberwitzigen Vertrauen darauf, dass man dem Blutrausch mit Vernunft begegnen könne, hart ins Gericht – hat großen Einfluss gewonnen auf die Idee, dass Juden nichts anderes bleibt, als sich selber zu verteidigen, die zionistische Idee. An Bialiks Poem hat jetzt, nach dem Pogrom der Hamas, das Salomon Ludwig Steinheim-Institut in Essen erinnert. Das Institut, angesiedelt an der Uni Duisburg-Essen, hat seine Räume im ehemaligen Rabbinerhaus der Alten Synagoge Essen, auf das Gebäude wurde im November des vergangenen Jahres ein Terror-Anschlag verübt – offenbar im Auftrag staatlich-iranischer Stellen, (…)
„Ich erkenne ausdrücklich die besondere deutsche Verantwortung für den Staat Israel und das Existenzrecht Israels an und verurteile jegliche antisemitischen Bestrebungen.“ Einen Satz wie diesen hat Sachsen-Anhalt, regiert von CDU, FDP und SPD, jetzt offenbar zur Bedingung gemacht für eine Einbürgerung. Der Schritt ist völlig richtig und ziemlich falsch.
Wer in Sachsen-Anhalt eingebürgert werden will, soll sich künftig zum Existenzrecht Israels bekennen müssen. Nicht nur daher gesagt, sondern schriftlich. So hat es das sachsen-anhaltinische Innenministerium, CDU-geführt, jetzt erlassen, wie u.a. der Tagesspiegel berichtet hat: Das Existenzrecht Israels zähle zur Staatsräson, heißt es demnach in dem Erlass an die Landkreise und kreisfreien Städte. Wer sich um die deutsche Staatsbürgerschaft bewerbe, müsse schriftlich niederlegen, dass er „das Existenzrecht Israels anerkennen und jegliche gegen die Existenz des Staates Israel gerichteten Bestrebungen verurteilen“ werde. So richtig dies in der Sache ist, es wird diffus begründet, nämlich mit einer „besonderen deutschen Verantwortung“.
Die „Jerusalemer Erklärung“ wurde von 200 Wissenschaftlern verfasst. In ihr wird verniedlicht, was jetzt strafrechtlich verfolgt werden soll. Und in Bayern und Berlin bereits verfolgt wird. Das Strafmaß liegt bei bis zu drei Jahren.
Wer kennt sich noch aus in Erdkunde, wo fließt die Mars, die Memel, wo Etsch und Belt, am Ende reimt sich alles wie von selbst auf „über alles in der Welt“. Nur was bedeutet „From the river to the sea“, wenn es wie von selbst auf „Palestine will be free“ endet? Mit „Palestine“, soviel ist klar, ist der Raum zwischen dem Jordan, der Grenze zu Jordanien, und dem Mittelmeer gemeint. Von was und wem dieser Raum befreit werden soll, daran hat etwa Samidoun, eine der PFLP eng verbundene Organisation, keinen Zweifel gelassen: „Tod, Tod Israel!“ und „Tod den Juden!“, mit diesen Slogans zog Samidoun durch Berlin,
„Ihr seid nicht für das verantwortlich, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“ Thomas Eiskirch, Bochums OB, zitierte Max Mannheimer da, wo vor 85 Jahren eine Synagoge stand. Noch nie in diesen Jahren hat sich die Gegenwart in dem, was geschah, so passgenau erkannt.
El male rachamim, gebetet von Andrés Bruckner, dem Rabbi der Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen. Das Gebet ist so alt, wie es Pogrome in Europa sind, seit den Kreuzzügen wird es gesprochen für die Opfer des Hasses, der Juden gilt. Eine historische Linie aus dem 11. Jahrhundert ins Heute. „Heute“, sagte Bochums OB Thomas Eiskirch (SPD) auf der Gedenkveranstaltung, die das
Weltweit wird Hamas verständnisvoll gedeutet. Der World Day of Prayer, internationale Frauen-NGO, zeigt sich unschlüssig. Dessen Deutsches Komitee reagiert eindeutig, es hat das BDS-Maskottchen offline gestellt und den Vertrieb des Titelbildes „vorerst gestoppt“. Das Bild betet Blut und Boden an, es sollte Hamas in Hirne pflanzen. Und ist nun in einer Welt, in der es auf Vorbilder trifft. Was sagen die Kirchen zum großen „Ja, aber“? Wir haben nachgefragt.
1969 verstarb im sauerländischen Meschede eine Künstlerin, die – emanzipiert, selbstbewusst, erfolgreich – Vorbild war für Millionen Frauen: Josefa Berens-Totenohl, ein Popstar der Nazi-Kultur. In ihren Romanen und Vorträgen hat sie das „Volkstum“ bedichtet, das „aus einer gemeinsamen Wurzel entstanden“ sei, hat die „Kräfte des Blutes, der Erde“ besungen und in ihnen „die Lebensgesetze eines Volkes“ beraunt, die „unendlich wirken in Zeit und Raum“. Mit ihrer „bluthaft deutschen Kunst“ hat Berens Massenauflagen erzielt, auch nach dem Zusammenbruch der Nazi-Tyrannei wurden ihre Bücher gedruckt und gelesen, sie selber wurde als „minder belastet“ durchgewunken und schließlich als „Mitläuferin“ eingestuft. 1956 erhielt sie den Westfälischen Literaturpreis, vor wenigen Jahren noch waren sauerländische Straßen nach Berens-Totenohl benannt. So zäh haben sich Blut und Boden in Herz und Hirnen verklebt. So tief sind sie im ästhetischen Bewusstsein vergraben, als „minder belastet“ gilt solches Denken bis heute: als arglos, urwüchsig und naturnah, irgendwie feminin. Anders ist nicht zu erklären, wie ein Bild, das Blut und Boden bebetet, zum Titelbild des World Day of Prayer 2024 werden konnte.
Hunderte Leichen, auf Rasenflächen aufgereiht, unkenntlich verstümmelt. Sperrholzsärge roh gezimmert, „Soldaten ließen die Särge herunter. Vorher hatte man SA-Leute dafür eingesetzt“, so ein Zeitzeuge, „aber seit sich einmal laute Wut Luft verschafft hatte, wagte man das nicht mehr.“ Vor 79 Jahren, am Abend des 4. November 1944, waren zehntausende Bomben auf Bochums Innenstadt gesegelt. Und? Hat jemand die „Konfliktparteien“ zur „Verständigung“ aufgerufen?
Über 700 britische Bomber, mehr als 10 000 Sprengbomben, mehr als 130 000 Brandbomben. Und 1300 tote Bochumer an diesem einen Abend, 107 Bomben pro Kopf. „Am frühen Morgen des 5. Novembers“, so erinnerte sich Erich Brühmann, Pfarrer in Altenbochum, „kam Frau W. mit zwei Kindern zu uns. Ihr Haus war am Vorabend in Flammen aufgegangen. Während des Vormittags wurde die Sorge um den Vater immer bedrückender. Er hatte Nachtdienst auf dem Bochumer Verein gehabt, wo viele Bomben niedergegangen waren. Darum ging sie zum Hauptfriedhof und suchte unter den Leichen, die dort auf den großen Rasenflächen zusammengetragen waren, nach ihrem Mann. Erst am dritten Tag fand sie ihn, sie erkannte den verstümmelten Körper an einem Manschettenknopf.“
Brutale Szene. Der Bochumer Verein war einer der großen Rüstungsbetriebe im Nazi-Reich, um das Stahlwerk zu bedienen, hatte er immer wieder Arbeitskräfte aus dem KZ Buchenwald angefordert: Im November 1944, als der Luftangriff lief, war das „Außenlager Bochumer Verein“ mit 1704 Häftlingen aus Buchenwald, Auschwitz und Neuengamme belegt, auch auf sie, die meisten von ihnen Juden, gingen die britischen Bomben nieder. Während ihnen Luftschutzbunker versperrt blieben: Bochum hielt – wie heute die Hamas – streng auf Ordnung auch bei Bombenalarm.
Koolulam ist eine israelische Musik- und Friedensinitiative, weltweit haben sich ihr Hunderttausende angeschlossen. Ihr akutes Projekt: dass Menschen weltweit – gemeinsam mit den Familien der Geiseln, die Hamas verschleppt hat – „Like a Prayer“ singen, den Welthit von Madonna. Morgen, am 4. November um 15 Uhr auch vor dem Rathaus Bochum. Die Aufnahmen, die aus vielen Städten und Ländern kommen, werden zusammengeschnitten und über social media verbreitet.
Es ist eine Geste, eingeladen sind alle, die ein Herz haben und eine Stimme: Die israelische Initiative Koolulamruft dazu auf, gemeinsam mit den Familien der Geiseln, die Hamas verschleppt hat, ein Lied zu singen, als sei es ein Gebet. Am Samstag ab 15 Uhr auch in Bochum, die Initiatoren schreiben: „Wir laden alle ein, bei der Bochumer Aufnahme von ‚Like a Prayer“ mitzuwirken. Es kommt darauf, ein Zeichen der Solidarität zu setzen, bringt also Familie und Freunde mit, ob sie singen können oder nicht. Wir werden uns am Samstag, den 04.11.2023 um 15.00 am Bochumer Rathaus (van der Glocke – bei Regen im Durchgang zum Innenhof) treffen, kurz üben und dann zwei Aufnahmen machen:
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