Laurie Anderson gibt ihre Gast-Professur an der Folkwang Universität der Künste zurück, das habe die Hochschule heute bekannt gegeben, berichtet die Süddeutsche Zeitung: “Grund dafür ist eine umstrittene Unterschrift. Recherchiert hatte nicht die Hochschule, sondern, wie schon oft zu diesem Thema, die Ruhrbarone, ein Blog aus Bochum.” Der Rektor der Folkwang-Uni, Andreas Jacob, habe das Gespräch mit Anderson gesucht, für ihn habe sich, so die SZ, kein Grund ergeben, sie “auszuladen” – eine Forderung, die bisher allerdings noch gar nicht erhoben worden ist. Anderson, so zitiert die SZ den Rektor, sei “‘verstört’ gewesen, dass die Frage ihrer Gesinnung überhaupt Thema wurde”. Ein Hinweis, der Jörg Häntzschel in der SZ zu der Bemerkung verleitet, dass eine solche Reaktion “angesichts einer Unterschrift unter einem offenen Brief im Internet erstaunlich ist.”
Folkwang-Uni: Ist Israel ein „einziges Apartheidsystem“, Professor Laurie Anderson?
Vor drei Jahren forderte Laurie Anderson, weltweit gefeierte Performance-Künstlerin, alle wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen mit Israel zu „kappen“, Israels Demokratie müsse mit „Sanktionen“ belegt werden, die Gründung des Staates habe ein „einziges Apartheidsystem“ geschaffen. Jetzt übernimmt Anderson die Pina Bausch-Professur an der Folkwang Universität der Künste. Finanziert wird die ambitionierte Gastprofessur mit Mitteln des Landes NRW.
International genießt Laurie Anderson enormes Renomee, ihre Berufung an die Folkwang-Uni hat weites Medienecho gefunden. Zu Recht, die multi-disziplinäre Performance-Künstlerin unterläuft die Erwartungen, die einzelne Disziplinen ausbilden, sie tut dies auf eine Weise, die nicht belehrt, sondern Wahrnehmen lehrt. „‘Doing art that’s about politics’“ sei das eine, erklärte sie im Mai 2017 der Irish Times, „‘doing politics in an artful way’” etwas anderes: „Aktivismus und Kunst haben sehr unterschiedliche Ziele: das eine ist, die Dinge zu verändern, das andere, die Dinge gut genug zu beschreiben, damit die Leute sich eine eigene Meinung bilden können.“ Sie selber, fügte sie an, „ich gehöre zur zweiten Kategorie.“ Ist das so?
Grenze zur AfD schließen: Kirchen und Antifa rufen gemeinsam zur Demo auf
Die Evangelische Kirche in Bochum ist die Kirche von Hans Ehrenberg. In den 30er Jahren hat Ehrenberg eine schnurgerade Grenzlinie gezogen: hier die Kirche, dort die Nazis. Es ist dringend, eine ebenso gerade Grenze zu ziehen zur AfD. Und sich mit allen gut zu stellen, die – hier der Aufruf – neben einem stehen auf derselben Seite der Straße.
„Es ist die Stille, die irritiert“
Konzert zum Tag der Befreiung von Auschwitz. Mit Songs von Billy Joel wie aus weiter Ferne – 113 Tage nach den Massakern der Hamas.
„Wo bleibt der Aufschrei der Kulturschaffenden in dieser Stadt?“ Die Frage stammt von Thomas Eiskirch, Bochums Oberbürgermeister (SPD), er hat sie auf der Gedenkveranstaltung gestellt, die an den Pogrom vom 9. November 1938 erinnert hat: „Wo bleibt der Aufschrei in den Hochschulen? Jetzt ist die Zeit, wo wir laut werden müssen. Jetzt, wo das Existenzrecht Israels bedroht wird.“
BDS auf Entzug: Keine Fördermittel mehr für Israelhass in Berlin
Joe Chialo, Kultursenator in Berlin, hat eine „Anti-Diskriminierungsklausel“ eingeführt, sie besagt: Wer Mittel des Senats beantragt, bekennt sich „gegen jede Form von Antisemitismus“. Wer nicht, kriegt keine Mittel. Klingt einfach, der Clou ist das Wörtchen „jede“: Was Antisemitismus sei und was nicht, bemisst Berlin „gemäß der Antisemitismus-Definition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) und ihrer Erweiterung durch die Bundesregierung“. Übersetzt: Wer Israel boykottiert, wird nicht mehr gefördert. BDS, die kulturelle Boykottbewegung gegen Israel, wird angeleitet von Hamas.
Erinnert sich noch wer an die “Jerusalem Declaration on Antisemitism”? Im März 2021 hatten 200 internationale Wissenschaftler erklärt, Antisemitismus sei etwas “grundsätzlich” anderes als Antizionismus. Man könne den Staat Israel “ablehnen”, ohne die Menschen abzulehnen, die in Israel leben. Nun sind 3 von 4 Israelis jüdisch, wie das geht, ihnen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen und sie zugleich als Menschen anzuerkennen, lässt sich bei Hannah Arendt nachlesen, es geht gar nicht: Die „abstrakte Nacktheit ihres Nichts-als-Menschseins”, schrieb die politische Philosophin über die staatenlosen Wesen, die nach dem Ersten Weltkrieg wie gespenstische Schatten durch Europa zogen, sei ihre „größte Gefahr” gewesen. Und wäre es heute ebenso, als abstrakte Menschenwesen würden sie abermals zurückfallen in das, “was die politische Theorie den ‚Naturzustand’ und die zivilisierte Welt die Barbarei nannte“.
Nach dem Pogrom. Das Rabbinerhaus in Essen und ein Gedicht
„Der Mob wurde von Priestern angeführt und der allgemeine Ruf ‚Tötet die Juden‘ wurde in der ganzen Stadt vernommen.” Vor 100 Jahren berichtete die New York Times aus Kischinjow, dem heutigen Chișinău, Hauptstadt der moldauischen Republik: “Das Grauen, das sich bei diesem Massaker abspielte, ist unbeschreiblich. Säuglinge wurden von dem rasenden und blutrünstigen Mob buchstäblich in Stücke gerissen. Bei Sonnenuntergang waren die Straßen mit Leichen und Verwundeten übersät.“
Drei Tage dauerte das Morden an, niemand hatte die Juden verteidigt. Wenig später hat Chaim Bialik, jüdischer Dichter, Kischinjow aufgesucht und eine “Stadt des Schlachtens / Be Ir HaHaregah” beschrieben. Sein Epos – Bialik geht darin mit dem jüdischen Pazifismus, diesem aberwitzigen Vertrauen darauf, dass man dem Blutrausch mit Vernunft begegnen könne, hart ins Gericht – hat großen Einfluss gewonnen auf die Idee, dass Juden nichts anderes bleibt, als sich selber zu verteidigen, die zionistische Idee. An Bialiks Poem hat jetzt, nach dem Pogrom der Hamas, das Salomon Ludwig Steinheim-Institut in Essen erinnert. Das Institut, angesiedelt an der Uni Duisburg-Essen, hat seine Räume im ehemaligen Rabbinerhaus der Alten Synagoge Essen, auf das Gebäude wurde im November des vergangenen Jahres ein Terror-Anschlag verübt – offenbar im Auftrag staatlich-iranischer Stellen, (…)
Es gibt keine Bekenntnispflicht für Israel, es gibt eine für Demokratie und gegen Terror
„Ich erkenne ausdrücklich die besondere deutsche Verantwortung für den Staat Israel und das Existenzrecht Israels an und verurteile jegliche antisemitischen Bestrebungen.“ Einen Satz wie diesen hat Sachsen-Anhalt, regiert von CDU, FDP und SPD, jetzt offenbar zur Bedingung gemacht für eine Einbürgerung. Der Schritt ist völlig richtig und ziemlich falsch.
Wer in Sachsen-Anhalt eingebürgert werden will, soll sich künftig zum Existenzrecht Israels bekennen müssen. Nicht nur daher gesagt, sondern schriftlich. So hat es das sachsen-anhaltinische Innenministerium, CDU-geführt, jetzt erlassen, wie u.a. der Tagesspiegel berichtet hat: Das Existenzrecht Israels zähle zur Staatsräson, heißt es demnach in dem Erlass an die Landkreise und kreisfreien Städte. Wer sich um die deutsche Staatsbürgerschaft bewerbe, müsse schriftlich niederlegen, dass er „das Existenzrecht Israels anerkennen und jegliche gegen die Existenz des Staates Israel gerichteten Bestrebungen verurteilen“ werde. So richtig dies in der Sache ist, es wird diffus begründet, nämlich mit einer „besonderen deutschen Verantwortung“.
„Jerusalemer Erklärung“: Von der Maas bis an die Memel
Die „Jerusalemer Erklärung“ wurde von 200 Wissenschaftlern verfasst. In ihr wird verniedlicht, was jetzt strafrechtlich verfolgt werden soll. Und in Bayern und Berlin bereits verfolgt wird. Das Strafmaß liegt bei bis zu drei Jahren.
Wer kennt sich noch aus in Erdkunde, wo fließt die Mars, die Memel, wo Etsch und Belt, am Ende reimt sich alles wie von selbst auf „über alles in der Welt“. Nur was bedeutet „From the river to the sea“, wenn es wie von selbst auf „Palestine will be free“ endet? Mit „Palestine“, soviel ist klar, ist der Raum zwischen dem Jordan, der Grenze zu Jordanien, und dem Mittelmeer gemeint. Von was und wem dieser Raum befreit werden soll, daran hat etwa Samidoun, eine der PFLP eng verbundene Organisation, keinen Zweifel gelassen: „Tod, Tod Israel!“ und „Tod den Juden!“, mit diesen Slogans zog Samidoun durch Berlin,
„Wo bleibt der Aufschrei der Kultur in Bochum?“
„Ihr seid nicht für das verantwortlich, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon.“ Thomas Eiskirch, Bochums OB, zitierte Max Mannheimer da, wo vor 85 Jahren eine Synagoge stand. Noch nie in diesen Jahren hat sich die Gegenwart in dem, was geschah, so passgenau erkannt.
El male rachamim, gebetet von Andrés Bruckner, dem Rabbi der Jüdischen Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen. Das Gebet ist so alt, wie es Pogrome in Europa sind, seit den Kreuzzügen wird es gesprochen für die Opfer des Hasses, der Juden gilt. Eine historische Linie aus dem 11. Jahrhundert ins Heute. „Heute“, sagte Bochums OB Thomas Eiskirch (SPD) auf der Gedenkveranstaltung, die das
Hamas-Promo stoppen? Ja, sagt der Weltgebetstag der Frauen. Und nein
Weltweit wird Hamas verständnisvoll gedeutet. Der World Day of Prayer, internationale Frauen-NGO, zeigt sich unschlüssig. Dessen Deutsches Komitee reagiert eindeutig, es hat das BDS-Maskottchen offline gestellt und den Vertrieb des Titelbildes „vorerst gestoppt“. Das Bild betet Blut und Boden an, es sollte Hamas in Hirne pflanzen. Und ist nun in einer Welt, in der es auf Vorbilder trifft. Was sagen die Kirchen zum großen „Ja, aber“? Wir haben nachgefragt.
1969 verstarb im sauerländischen Meschede eine Künstlerin, die – emanzipiert, selbstbewusst, erfolgreich – Vorbild war für Millionen Frauen: Josefa Berens-Totenohl, ein Popstar der Nazi-Kultur. In ihren Romanen und Vorträgen hat sie das „Volkstum“ bedichtet, das „aus einer gemeinsamen Wurzel entstanden“ sei, hat die „Kräfte des Blutes, der Erde“ besungen und in ihnen „die Lebensgesetze eines Volkes“ beraunt, die „unendlich wirken in Zeit und Raum“. Mit ihrer „bluthaft deutschen Kunst“ hat Berens Massenauflagen erzielt, auch nach dem Zusammenbruch der Nazi-Tyrannei wurden ihre Bücher gedruckt und gelesen, sie selber wurde als „minder belastet“ durchgewunken und schließlich als „Mitläuferin“ eingestuft. 1956 erhielt sie den Westfälischen Literaturpreis, vor wenigen Jahren noch waren sauerländische Straßen nach Berens-Totenohl benannt. So zäh haben sich Blut und Boden in Herz und Hirnen verklebt. So tief sind sie im ästhetischen Bewusstsein vergraben, als „minder belastet“ gilt solches Denken bis heute: als arglos, urwüchsig und naturnah, irgendwie feminin. Anders ist nicht zu erklären, wie ein Bild, das Blut und Boden bebetet, zum Titelbild des World Day of Prayer 2024 werden konnte.