Dass etwas „traumatisch“ sei, wird derzeit von jedweder Kränkung behauptet, das Wort wird wie ein Flaggensignal geschwenkt, als könne es den politischen Dialog dirigieren. Anders die Erfahrung, die Antje Vollmer einer demokratischen Politik vermacht: Wo es um tatsächliche Traumata geht, springen sie über auf eine Politik, die den Ausgleich sucht. Politische Verständigung kann heilen und ebenso verletzen. Antje Vollmer, gelernte Theologin, dann Grüne, dann Bundestags-Vize, ist vergangene Woche gestorben, sie wurde 79 Jahre alt.
Wäre bundesdeutsche Politik eine Familie, säße Antje Vollmer wie Helmut Kohl am Tisch: Bevor man selber über die Tischkante gucken konnte, war sie da und war es mit der Zeit beruhigend, sie dort zu wissen gerade dann, wenn man entschieden anderer Meinung war: 2018 hat sie sich „Aufstehen“ angeschlossen, dem Starprojekt rund um die Noch-Linke Sahra Wagenknecht; 2020 unterstützte sie die „Gruppe Neubeginn“, die „linke Vertreter der Eltern- und Großelterngeneration“ mit der „jungen Generation“ verbünden wollte und gleichzeitig „‘Mitte‘ und ‚Unten‘“ gegen eine „‘Zweidrittelgesellschaft‘“; zuletzt hatte Vollmer das von Wagenknecht und der Frauenrechtlerin Alice Schwarzer initiierte „Manifest für Frieden“ erstunterzeichnet, das davon ausgeht, man könne mit Putin über „Frieden“ verhandeln wie mit jedem anderen vernunftgeleiteten Menschen.
Abwege zu ertasten, ist notwendig in einer Demokratie. Man kann dieses Ertasten als politisch naiv abtun, naiv war Vollmer nicht: