Die Gemüter in Dortmund beruhigen sich nicht so schnell, wie das einige möglicherweise gehofft haben – vor allem diejenigen, die durch falsche Einschätzungen im Vorfeld zu dem Desaster am Wahlsonntag in Dortmund beigetragen haben. Mitglieder der Partei „Die Rechte“ wollten sich am 25. Mai, mit Tränengas und Flaschen bewaffnet, gewaltsam Zutritt zum Rathaus verschaffen. Weder die Verwaltung der Stadt Dortmund noch die für den Wahlabend verantwortliche Wahlleiterin, Rechtsdezernentin Diane Jägers (CDU), tragen offenbar aufgrund eigener Fehleinschätzungen eine Mitverantwortung dafür, dass die Dortmunder Wahlparty katastrophal verlief und mit mehreren Verletzten endete. Vielmehr verließ sich die Verwaltung auf die Profis – den Staatsschutz. Zurecht.
Im Vorfeld der Kommunalwahlen gab es Gespräche zwischen Polizei und Verwaltung zu dem Problem, dass mit der Partei „Die Rechte“ Vertreter einer verbotenen Organisation und zum Teil mehrfach vorbestrafte Nazis zur Wahl angetreten sind und gute Chancen auf einen Wahlerfolg haben. Für die Erkenntnis, dass zu den Rats-Kandidaten stadtbekannte Gewalttäter gehören, braucht man weder Staats- noch Verfassungsschutz.
Update: Eine gute Nachricht für alle Liberalen! Die Dortmunder FDP-Ratsfraktion führt nach den ersten Gesprächen mit der AfD „keine weiteren Gespräche“ mit der rechtspopulistischen Partei darüber, im Dortmunder Rat gemeinsam eine sogenannte Zählgemeinschaft zu bilden. Dies teilte Lars Rettstadt, Fraktionssprecher der Rats-FDP, heute diesem Blog mit.
Bei einer Zählgemeinschaft schliessen sich verschiedene Listen, d.h. unterschiedliche Parteien zu einer Gemeinschaft zusammen. Das wird häufiger praktiziert, um für sich ein besseres Ergebnis zu erreichen und mehr politischen Einfluss zu haben. Zum Beispiel auch, um Sitze in Aufsichtsräten auf diesem Weg zu bekommen. Zählgemeinschaften sind aber rechtlich und politisch umstritten, was Klagen vor dem Bundesverwaltungsgericht deutlich machen.
Umstritten ist die Zählgemeinschaft vor allem in Blick auf die Frage, ob sich der Wählerwille in diesem Konstrukt widerspiegelt. Im Falle einer FDP/AfD-Zählgemeinschaft, kann man davon ausgehen, dass diese den Wählerwillen der Dortmunder FDP-Wähler nicht widergespiegelt hätte.
Die FDP hat angesichts ihres schlechten Wahlergebnisses von 2,4 Prozent bei der Kommunalwahl in Dortmund eine Idee, die frappierend gegen den „liberalen Geist“ der Freien Demokraten verstösst. Nach Informationen dieses Blogs plant die Rats-FDP gemeinsam mit der AfD (3,4 Prozent) eine Gruppe zu bilden. Einziges Ziel dieser Aktion ist es offenbar ca. fünf Sitze in Aufsichtsräten und Beiräten zu erhalten.
Volkan Baran, der stellvertretender Fraktionssprecher der SPD im Dortmunder Rat und Mitglied im Polizeibeirat ist, zeigt sich tief enttäuscht und auch bei anderen in der SPD macht sich Unmut breit – Fraktion und Unterbezirksvorstand sehen das Verhältnis zum Polizeipräsidenten als „erheblich gestört“ an. Mit diesen Worten wurde es dem Polizeipräsidenten, wie Volkan Baran sagt, heute persönlich mitgeteilt. Zu der aktuellen Entwicklung in Blick auf den Katastrophen-Wahlsonntag meint Baran: „Für unsere Ratsfraktion wurde zunächst durch die Ankündigung von Polizeipräsident Gregor Lange, eine eingehende Untersuchung des Einsatzes am Wahlsonntag in die Wege zu leiten, das verloren gegangene Vertrauen wieder hergestellt. Doch das Vertrauen, dass die Vorgänge und Fehleinschätzungen sauber aufgeklärt werden, wurde durch den Bericht der Polizei, der das Ereignis grotesk verzerrt darstellt, gleich wieder zerstört“.
Eine erhebliche Störung in einem Verhältnis, das von gegenseitigem Vertrauen geprägt sein sollte, ist eine harte Ansage gegenüber einem Parteifreund und ein sehr deutliches Signal an den Polizeipräsidenten. Baran macht auch deutlich, dass die SPD in den nächsten Tagen und Wochen die weitere Entwicklung im Polizeipräsidium sehr genau betrachten wird und bei einer erkennbaren Fehlentwicklung oder mangelnder Transparenz notfalls auch entsprechende personelle Konsequenzen fordern werde. Langes fast fröhliche Aufforderung heute morgen auf Facebook „Nach vorne schaun!“ wird Baran vermutlich nicht genügen.
Barans Kritik richtet sich aber auch an die Landesebene: Er fühlt sich von Innenminister Jäger verraten, der offenbar blind – und vermutlich auch ohne sich bei den unmittelbar betroffenen Genossen über die Lage an dem Abend zu erkundigen – den Bericht unterzeichnete. Das ist tatsächlich schwer nachvollziehbar, da viele der feiernden SPD-Mitglieder vor der Rathaustür standen und Augenzeugen der Ereignisse waren. Auch Jägers Parteifreund, SPD-Vorstand Franz-Joseph Drabig, war vor Ort und suchte inmitten der Tumulte persönlich das Gespräch zur Polizei, auch um zu helfen, die durch die rechten Gewaltangriffe eskalierende Situation zu befrieden. Gregor Lange hingegen hat sich offenbar am Wahlsonntag kein eigenes Bild verschafft. Hier hat er wohl eine andere Philosophie als sein Vorgänger Wesseler, der zum Beispiel bei Nazi-Demonstrationen in der Regel persönlich anwesend war und die dringend notwendige Chef-Präsenz zeigte.
Heute wurde auch bei der SPD die Forderung laut, einen neuen Bericht vorzulegen, der insbesondere auch Zeugenaussagen und damit die Sicht der angegriffenen Opfer und der Beobachter vor Ort einbezieht und die Vorwürfe
Aktuelles Update: Der NRW-Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft DPolG, Erich Rettinghaus, toppt in einer vor drei Stunden herausgegebenen Pressemitteilung den Bericht aus dem Ministerium. Er findet, “dass ziviler Ungehorsam, egal aus welchen auch noch so anständigen Motiven” nicht zum politischen Programm werden darf. Und sein Bundesvorsitzender weiss sogar von einer strafbaren Blockade vor dem Dortmunder Rathaus zu berichten. Eine Blockade gab es aber gar nicht. Die Polizeigewerkschaft möchte Innenminister Jäger zudem ausdrücklich den Rücken stärken. Der wird sich darüber sehr freuen. NRW-Innenminister Ralf Jäger hat den Eklat am Wahlsonntag in Dortmund resümiert. Und viele regen sich darüber auf. Der oberste Dienstherr der NRW-Polizei berichtet dem Landtag ausführlich über den Überfall der Rechten auf die Menschen vor Dortmunder Rathaus und den Polizeieinsatz an diesem Tag. Er tut dies ganz frei nach dem Motto: Eine polizeiliche Fehleinschätzung ist uns nicht genug – wir setzen noch einen oben drauf!
Der Bericht beruhigt die Betroffenen der Gewaltattacke nicht, denn er enthält einige Merkwürdigkeiten. Nicht die Rechten (darunter zahlreiche polizeilich bekannte Gewalttäter) hätten die Wahlparty am 25. Mai in Dortmund gestört, sondern die Politiker behinderten die Polizei bei ihrer fachkundigen Arbeit. Viele sehen die verzerrte Darstellung der Ereignisse nicht nur als misslungenen, sondern sogar als ehrrührigen Erklärungsversuch des Ministers an. Einige glauben, dass mit dem Bericht schlicht versucht wird, von den Fehlern des Staatsschutzes und der Polizei abzulenken. Fakt ist, dass statt einer scharfen Analyse der Ereignisse am Wahlabend und einer selbstkritischen Aufarbeitung der Fehleinschätzungen des Staatsschutzes im Vorfeld des Wahlsonntags, Innenminister Jäger mit einer erstaunlichen Gelassenheit zusammenfasst: „Abschließend ist festzustellen, dass der polizeiliche Einsatz sachgerecht verlaufen ist.“ Andere sehen das anders.
Viele stoßen sich erheblich daran, dass Minister Jäger in seinem Bericht zur Lage am Wahlabend keine klare Trennung zwischen Aggressoren und Angegriffenen macht – sondern diese beiden Ebenen vermischt. Unverhohlen wird von „aggressiven Parteien“ gesprochen, die sich angeblich „fortwährend gegenseitig attackiert“ hätten. Der Bericht bewertet die Lage im Nachhinein und trotz Kenntnis von Foto- und Filmdokumenten und angesichts mehrerer Verletzter, folgendermaßen: „Auf der anderen Seite berichten die Einsatzkräfte von deutlich alkoholisierten Politikern, die aus dem Rathaus heraus auf den Friedensplatz getreten waren. Diese störten die Amtshandlungen erheblich, indem sie untereinander stritten und nicht bereit waren, polizeilichen Ansprachen Folge zu leisten.“ So macht er die Opfer zu Tätern und Streithähnen. Trotz dieser massiven Vorwürfe seitens der Polizei findet sich nicht einmal ein kleines Fragezeichen zu den internen Berichten aus dem Polizeipräsidium im Bericht. Und auch der Wille zu einer tiefergehenden Überprüfung ist nicht zu erkennen. Aufklärung? Fehlanzeige!
Daniela Schneckenburger, Landtagsabgeordnete der Grünen, war über den vorliegenden Bericht des NRW-Innenministers mehr als verwundert – sie initiierte gestern gemeinsam mit Nadja Lüders (SPD) eine fraktionsübergreifende Erklärung. Das kann man auch deswegen gut nachvollziehen, weil Schneckenburger am Wahlsonntag von einem Faustschlag eines Rechtsextremisten mitten ins Gesicht regelrecht niedergestreckt wurde und nicht nur Augenzeugin, sondern somit unmittelbar von der Gewaltattacke betroffen ist. Sie meint: „Der Bericht ist verstörend. Er enthält gravierende Fehleinschätzungen zur Zuverlässigkeit und Seriosität der militanten Neonaziszene, und er behandelt das Dortmunder Nazi-Problem als Auseinandersetzung rivalisierender Gruppen. Die Aussagen zu angeblich betrunkenen Dortmunder Politikern sind ehrenrührig.“
Eine klare Problembenennung bei der Fehleinschätzung des rechten Gewaltpotentials oder gar konstruktive Kritik an der Einsatzplanung, kann man noch nicht einmal in den Zwischenzeilen des Berichtes lesen. Torsten Sommer, für die Piraten im Landtag, fühlt sich durch das Innenministerium nicht nur reichlich schlecht informiert, sondern desinformiert. Er stellt fest, dass in dem Bericht mehrfach die Unwahrheit verbreitet wurde – ein harter Vorwurf an den Innenminister. Sommer reicht heute einen Antrag ein, der am 03. Juli 2014 im Landtag NRW zur Abstimmung gestellt wird. Der Antrag weist Jägers Bericht als unwahr, diffamierend und tendenziös zurück. Spannend wird sein, ob diejenigen, die sich jetzt über den Bericht erregen und die gemeinsame Erklärung unterzeichnet haben, den Antrag der Piraten dann doch, um des lieben Frieden Willens, ablehnen werden.
Anlässlich des Berichtes des SPD-Innenministers Jäger, der an die Mitglieder im Innenausschuss des Landtages ging, wurde heute eine fraktionsübergreifende Stellungnahme, unter anderem von Mitgliedern des Landtages, wie zum Beispiel Nadja Lüders (SPD), Thorsten Sommer (Piraten), und Daniela Schneckenburger (Bündnis90/Die Grünen) unterzeichnet. Auch auf der Parteiebene regt sich Widerstand gegen die Sicht der Dinge aus dem vom SPD-Mann Jäger geführten Ministerium: SPD-Landesvorstand Franz Josef Drabig findet es nicht nachvollziehbar – ja sogar „hoch befremdlich, wenn der Staatsschutz sich in seiner Einschätzung des Gefahrenpotentials am Wahlabend für Gäste der Wahlparty im Rathaus auf Aussagen eines führenden Kaders des verbotenen „Nationalen Widerstands Dortmund“ beruft und aus diesen ableitet, dass ein besonderer Schutz der Wahlparty nicht notwendig gewesen sei“.
Diese Kritik bezieht sich vor allem darauf, dass auf Seite 3 des Berichtes das Gespräch im Vorfeld des Wahlsonntags zwischen Staatschutz und dem Landesvorsitzenden der Partei „Die Rechte“, Michael Brück, erwähnt wird. Der hatte auf Nachfrage des Staatschutzes nur von einem „kleinen Fest“ anlässlich eines Wahlerfolges gesprochen und darauf hingewiesen, dass es nach der Zählung ohnehin zu spät sei, um noch zur Wahlparty zu kommen. Mit dieser Antwort des Rechtsextremisten, der im Bericht des Innenministers vom potentiellen Gewalttäter zur zuverlässigen Polizei-Quelle hochqualifiziert wird, gab man sich offenbar als seriöse, polizeiliche Einschätzung im Vorfeld zufrieden. Wem aber, außer dem Staatsschutz, hätte eingeleuchtet, dass die rechten Kameraden Ihren Schönheitsschlaf bereits um 22:00 Uhr antreten und Ihren größten Erfolg auf kommunaler Ebene am Wahlsonntag selbstverständlich nur im kleinen intimen Freundeskreis feiern würden?
Andere Quellen, die diese gravierende Fehleinschätzung des Staatsschutzes erklären (außer der üblichen polizeilichen Internetrecherchen in den sozialen Netzwerken der Rechten) sind zumindest in dem Bericht nicht benannt. Die Folgen waren gravierend, der im Rathaus abgestellte Staatschutz verließ das Haus um 22:05 – kurz bevor die Rechten mit dem Überfall auf das Rathaus ansetzten. In der Folge wurden mehrere Menschen verletzt, das Vertrauen in den Staatschutz ist nachhaltig gestört. Die Opfer zum Täter und die Täter zur Quelle zu machen widerspricht nicht nur dem gesunden Menschenverstand, sondern auch handwerklich guter Polizeiarbeit.
Dokumentation:
Erklärung zum Bericht des Innenministers im Innenausschuss des Landtages am 25. Juni zu den Vorfällen am Wahlabend in Dortmund
„Die Darstellungen des Staatsschutzes zu Ausschreitungen stadtbekannter Neonazis am Wahlabend des 25. Mai vor dem Rathaus in Dortmund befremden in mehrfacher Hinsicht. Zum einen enthalten sie ehrenrührige Aussagen über „alkoholisierte Dortmunder Politiker“, die den Eindruck erwecken, demokratische PolitikerInnen hätten die Eskalation der Gewalt von Rechts provoziert.
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