Die Evangelische Kirche von Westfalen unterstützt Kirchenasyl – das könnte einige Gemeinden im Ruhrgebiet auf eine gute Idee bringen

Refugess welcome, Foto: Ulrike Märkel
Refugess welcome, Foto: Ulrike Märkel

Das Thema Kirchenasyl bewegte in der letzten Woche die katholischen und evangelischen Gemüter. Doch nicht nur Christen waren über die „fundamentalen und prinzipielle“ Ablehnung der humanitären Maßnahme durch den Bundesinnenminister Thomas de Maizière entsetzt. Vor allem der Scharia-Vergleich sorgte für Aufregung. Vor einer Woche gab es ein Spitzengespräch mit den Kirchen und dem Präsidenten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Wichtigste Einigung war, dass die Androhung einer Fristverlängerung auf 18 Monate zum Aufschub einer Abschiebung, abzuwenden. Denn dies hätte de facto ein Ende des Kirchenasyl bedeutet. Nach dem Kompromiss ist klar: Kirchenasyl wird es weiterhin geben. Vermutlich werden sich angesichts der ansteigenden Flüchtlingszahlen und damit auch Abschiebefälle, bald noch mehr Kirchengemeinden bereit erklären, ihnen Schutz zu gewähren. Das könnte Menschen wie S. helfen.

Der junge Mann aus Myamar (Birma) ist Rohingya und hat bereits seinen ersten Abschiebebescheid bekommen. Er wird vermutlich schon bald nach Frankreich abgeschoben werden. Von dort aus droht ihm die direkte Rückführung nach Myanmar (Birma), wo sein Vater und sein Bruder ermordet wurden. Das „sichere“ Drittland Frankreich hatte sein Asylbegehren ungeachtet der Menschenrechtslage in S. Heimat abgelehnt. Für ihn heisst die zwangsweise Abschiebung aus Deutschland, dass er bald wieder in dem Land der Mörder seiner Familie sein wird und dort den Gewalttätigkeiten gegen seine Volksgruppe ausgesetzt sein wird. Die Rohinghas sind laut UN die am meisten verfolgte Minderheit in der Welt.

S. Schicksal steht für das vieler anderer. Er hat keine Zukunft vor sich – aber vielleicht bekommt er die Chance, die ihm ein Kirchenasyl bieten kann. Die Evangelische Kirche von Westfalen, die von Siegen bis Herford und von Paderborn bis Gladbeck reicht, machte gegenüber den Ruhrbaronen deutlich, dass man Gemeinden konkret, aber auch mit einer klaren Haltung unterstütze: „Wir stärken Kirchengemeinden den Rücken, indem wir öffentlich Farbe bekennen.“

411 Menschen stehen unter dem Schutz der Kirchen

Derzeit gibt es in Deutschland 226 Kirchenasyle mit mindestens 411 Personen. Kirchenasyl ist eine autonome Entscheidung der einzelnen Kirchengemeinden.  In Dortmund gibt es bereits Überlegungen von Gemeinden dazu, Menschen aufzunehmen. Ein Pfarrer einer Evangelischen Kirchengemeinde sagte: „Diese Geschichten berühren einen. Es gibt so dramatische Schicksale und schlimme Bedrohungen von einzelnen Flüchtlingen, Paaren oder Familien, dass es das Gewissen fordert, hier einzugreifen und den Flüchtlingen mit den Möglichkeiten einer Gemeinde Schutz zu gewähren! Es ist skandalös, welche „Fälle“ durch das Raster einer immer schnelleren behördlichen Abschiebung fallen. Als Mensch und Christ kann ich das nicht tatenlos einfach geschehen lassen.“

Harsche Worte von der CDU zum Kirchenasyl

Das sehen nicht alle so, der Christdemokrat Kauder (CDU) schimpfte einen Tag vor dem Heiligen Abend gegenüber der Welt „Der Staat sollte nicht daran gehindert werden, einen abgelehnten Asylbewerber abzuschieben. Deswegen halte ich Kirchenasyl für eine höchst problematische Sache“.

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Erklärbär-Pädagogik für Nazis statt Parteiverbote. Claudia Luzar sprach mit Funkhaus Europa

Demo gegen NWDO-Verbot in Dortmund, Foto: Ulrike Märkel
Demo gegen NWDO-Verbot in Dortmund, Foto: Ulrike Märkel

Claudia Luzar, ehemalige Mitarbeiterin der Aussteigerberatung für Rechtsextreme Exit und der Opferberatungsstelle BackUP, erläuterte letzte Woche in Funkhaus Europa, wie sie als Gewalt- und Konfliktforscherin den Umgang mit Rechtsextremisten sinnvoll findet. Sie äußerte sich auch zu einem möglichen Parteiverbot von ‚Die Rechte‘ und betonte, dass Verbote gegen Rechtsextremisten nichts bringen würden. Darüber lässt sich sicher streiten. Auch andere sehen in der Tatsache, dass sich nach Verboten häufig fast identische Organisationen neu gebildet haben, eine Schwäche der Verbotsstrategie. Doch ungeachtet der neuen Qualität rechtsextremer Umtriebe, wie die Fackelmärsche vor Asylbewerberheimen und Morddrohungen gegen Journalisten, setzt die Wissenschaftlerin Luzar offenbar weiterhin auf die „politische Begegnung“. 

Anlass des Gesprächs beim Radiosender Funkhaus Europa war unter anderem, dass die Linken und die Piraten einen neuen Vorstoss in der Diskussion zum Parteiverbot von ‚Die Rechte‘ gemacht hatten. Die Rechten hatten in letzter Zeit mehrfach bundesweit durch ein „nicht-parteiähnliches Verhalten“ für Aufsehen gesorgt. Spätestens seit den Fackelaufmärschen vor Flüchtlingsheimen erinnerte das Verhalten der Parteimitglieder stark an das Gebaren von Nationalsozialisten. Das Verhalten der Parteimitglieder sei als „rechtsmissbräulich“ anzusehen, wie Ratsherr Christian Gebel (Piraten) gegenüber Funkhaus Europa sagte.

Doch stellte Claudia Luzar in dem Gespräch fest, man könne nur „politisch“ gegen die Rechtsextremisten vorgehen. Ansonsten helfe ja das Strafgesetzbuch, das sei in Deutschland ausreichend. Dass sich seit vielen Jahren zahlreiche Dortmunder, Antifaschisten und Bündnisse wie BlockaDO politisch gegen Nazis engagieren, ist der Konfliktforscherin aus Hamm möglicherweise entgangen. Tatsache ist aber, dass entgegen Luzars Vorstellung von der Wirkkraft guter Argumente, bisher kein Nazis des harten Kerns in Dortmund bekehrt wurde. Im Gegenteil, sie treten seit Monaten immer dreister und gewalttätiger auf. Auch die anderen Argumente sind eher hanebüchen, als wissenschaftlich fundiert.

Dass rechtsextremistische Straftaten in der Vergangenheit keineswegs immer mit dem dringend notwendigen Nachdruck von den Behörden und Staatsanwaltschaften verfolgt wurden, müsste Luzar als ehemalige Opferberaterin eigentlich bekannt sein. Spätestens seit der Einstellung der Verfahren gegen die Rechten gewalttätigen Rathaus-Stürmer, die die Landtagsabgeordnete Daniela Schneckenburger mit einem Faustschlag trafen und niederstreckten, könnte Luzar ahnen, dass das Vorhandensein eines Strafgesetzbuches allein nicht reicht. Man muss es auch anwenden.

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Grüne wählten Mehrdad Mostofizadeh zum neuen Fraktionschef im Landtag NRW

Die Landtagsfraktion der Grünen tagte heute in Nettetal. Wichtigster Tagesordnungspunkt war heute Mittag die Wahl des neues Fraktionschef. Der ehemalige Fraktionssprecher, Reiner Priggen, hatte letzte Woche seinen Rückzug aus dem Fraktionsvorstand angekündigt. Er war 15 Jahre im Landtag als Abgeordneter von Bündnis 90/Die Grünen vertreten. Priggen wollte mit seinem vorzeitigen Rücktritt dem Nachfolger eine ausreichende Einarbeitungszeit vor dem 2016 anstehenden Wahlkampf ermöglichen. Im Vorfeld galt es als sicher, dass es zu einer Kampfabstimmung zwischen der innenpolitischen Sprecherin und ehemaligen Landesparteichefin Monika Düker und dem haushalts- und finanzpolitischen Sprecher Mehrdad Mostofizadeh kommen würde. Das Rennen gewann mit 15 Stimmen knapp der Haushaltsexperte Mostofizadeh.

Neuer Fraktionsvorsitzende der Landtagsfraktion, Mehrdad Mostofizadeh; Foto: Grüne NRW
Neuer Fraktionsvorsitzende der Grünen Mehrdad Mostofizadeh, Foto: Grüne NRW

Das Ruhrgebiet kann sich möglicherweise über die Entscheidung freuen. Der neue Vorsitzende aus Essen war bis vor fünf Jahren Mitglied als Fraktionssprecher im Rat der Stadt Essen und zehn Jahre lang Mitglied im Regionalverband Ruhr. Mostofizadeh kennt daher die prekäre Haushaltssituation der Ruhrgebietsstädte gut.

Er gilt nicht als grüner Realpolitiker, sondern als „Linker“ und kündigte an, sein Amt wie Reiner Priggen, „unaufgeregt und lösungsorientiert“ weiterführen zu wollen. Nach einem linken Visionär klingt das nicht gerade, sondern eher nach ganz normaler Realpolitik.

The Return of „Das Goldene Zeitalter“ – Wiedersehen macht Freude

The Return of DAS GOLDENE ZEITALTER, Caroline Hanke
The Return of DAS GOLDENE ZEITALTER, Caroline Hanke und Björn Gabriel

Am Freitag feierte „The Return of ‚Das Goldene Zeitalter‘ – 100 neue Wege dem Schicksal das Sorgerecht zu entziehe'“ am Schauspielhaus Dortmund Premiere. Der Abend war ein ebenso fröhliches Theaterspektakel, wie die Originalversion. Die war so schön, das eine Wiederholung ein Gewinn für die Spielzeit 2014/2015 ist. Und eigentlich auch ein Muss – ist doch das Grundmotiv des Stückes, das von Alexander Kerlin und Kay Voges inszeniert wurde, die Wiederholung. Das Publikum freute sich offensichtlich, lachte viel und verliess kaum den Theatersaal, obwohl man sich bei der Vorstellung des Goldenen Zeitalters mit Getränken versorgen kann. Doch wer springt schon mitten in der Fahrt aus einer Achterbahn? Die Zuschauer schienen weder erholungsbedürftig, noch mochten sie beim Sekt- oder Bierholen irgendetwas vom Stück verpassen. 

Zum Beispiel den Erklär-Bär, der wie Balou über die Bühne trottet, bevor er sich als wahrer Massaker-Bär entpuppt – und glücklicherweise (bevor er wieder zum erneuten Leben erwacht) in den Theatergraben fällt. Aber es gibt auch jede Menge anderer Wiedersehen mit „Vertrauten“. Zum Beispiel mit der sehr lieb gewonnen, nimmersatten Raupe, die auf die Hilfe ihres Regisseurs, wahlweise des Publikums hofft und wacker gegen Widrigkeiten des Treppensteigens ankämpft.

Nicht nur die Raupe, auch die zauberhaften Blumen, die direkt Alice’s Wunderland entsprungen sein könnten, zeigen echte kostümbildnerische Kunst. Pia Maria Mackert hat eine wundervolle Welt der Phantasiewesen geschaffen. Zu ihnen gehören neben einem schwarzen Engel und einer Qualle im Tütü auch die beiden Verliebten Adam und Eva, die einfach nur zum kn(a)utschen sind. Bei Adam hilft zwar zum Schluss beim Flirten nur noch mädchenhaftes Rabiatsein – aber Ende gut, Apfel gut.

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Update NSU: NRW-Justizminister Thomas Kutschaty wünscht keine Transparenz zum Tod des V-Mannes „Corelli“

Corelli in Dortmund 2012 (links mit Kappe und Kamera) Foto: Roland Geisheimer/ attenzione photographers

Corelli 2012 (links mit Kappe und Kamera) Foto: Roland Geisheimer/ attenzione photographers

Update: Die Sachverständige der Charité wurde am 02. Februar 2015 in der 36. Ausschusssitzung des Innenausschusses gehört. Sie äußerte sich ausführlich zu dem hyperglykämischen Koma aus medizinischer Sicht und beantwortete detailliert die Fragen der Abgeordneten. Sie verfügte allerdings nicht über „tiefergehende Informationen“ zur Person des Thomas R. Eine Einwirkung von Außen, also der Einbringung eines Stoffes um eine Diabetes bzw. ein Diabetes-Koma auszulösen, hielt die Sachverständige für „nahezu ausgeschlossen“. Zudem müssten erhebliche Mengen der in Frage kommenden Substanzen beigeführt werden, was ohne vom Betroffenen bemerkt zu werden, kaum möglich sei. Auch müssten in bestimmten Fällen weitere auslösende  Faktoren hinzukommen. Petra Pau (Die Linke) bemängelt in der Sitzung noch einmal, das man ergänzend zu den Ausführungen der Sachverständigen nicht das Gutachten vorliegen habe.

Am 25. Februar 2015 behandelte der NRW-Landtag den Tod des V-Mannes Corelli, der im April 2014 tot in seiner Wohnung im Kreis Paderborn aufgefunden wurde. Thomas R., alias Corelli, verstarb mit 39 Jahren. Vor allem der Todeszeitpunkt wirft viele Fragen auf. Thomas R. verstarb nur wenige Tage vor seiner Vernehmung. Er hätte wesentlich zur Aufklärung der Hintergründe der NSU-Morde und der Rolle des Verfassungsschutzes beitragen können. Die Obduktion ergab eine „natürliche Todesursache“. An dieser Version gibt es erhebliche Zweifel, doch machte NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) vorgestern deutlich, dass es kein ernstzunehmendes Interesse der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen gibt, die genauen Todesumstände des V-Manns ‚Corelli“ aufzuklären. Transparenz ist offenbar unerwünscht.

Im Januar hatte Justizminister Kutschaty in enger Absprache mit der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft in Hamm das Versenden des toxikologischen Gutachtens an die Abgeordneten unterbunden. Das Schreiben vom 20.01.2015 ist ernüchternd. Der NRW-Justizminister teilte mit, dass es nach Prüfung durch den Generalstaatsanwalt in Hamm „keine Rechtsgrundlage für die Übersendung von Mehrfertigungen von Aktenteilen und die Erteilung von Auskünften aus den Verfahrensakten“ gebe.

Die Einsicht in das Gutachten ist aber Voraussetzung, um den Tod eines der wichtigsten V-Männer und Zeugen aus dem NSU-Umfeld, umfassend aufzuklären.

Vor zwei Tagen berichtet Kutschaty dann zumindest den Abgeordneten im Rechtsausschuss im NRW-Landtag zum Fall Corelli. Doch ergab der Bericht zum Todesermittlungsvorgang, der auf den Berichten der Staatsanwaltschaft beruht, wenig Erhellendes. Ausführlich wurde zwar das Auffinden der Leiche, die Obduktionsergebnisse und das Verfahren der verschiedenen Gutachten beschrieben, doch ist das Résumé am Ende: „Natürliche Todesursache“. Zur Richtigkeit dieses Ergebnisses können sich die Abgeordneten im Land und im Bund allerdings kein klares Urteil bilden.

Über den Ablauf und die Gründe für den frühen Tod des V-Mannes könnte ihnen nur der maßgebliche Gutachter, Prof. Dr. S., ein umfassendes Bild verschaffen. Doch diesen dürfen die Abgeordneten nach dem Willen des Justizministers nicht befragen.

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Ekamina Doppelkonzert im Sissikingkong: „endoplasmatisch“ und „I Am The River“


I am the River – Timezones and Datelines from Medienmalocher on Vimeo

Wer Ekamina nicht kennt, hat die letzten Jahre kulturell wirklich was verpasst. Der echte Geheimtip der Dortmunder Kulturszene strickt unermüdlich ein feines Programm aus Poetry und Musik. Veranstaltet wird das ganze in dem Lokal „Sissikingkong“ – unweit des Dortmunder Hafens. In einer Woche ist es wieder so weit. Ein Doppelkonzert wird am kommenden Donnerstag, den 05. März 2015, Ohren und Herz erfreuen. Den Austritt teilen sich die Bands endoplasmatisch und I Am The River. 

Endoplasmatisch erinnert an die Hamburger Schule: „Nachdenkliche, bisweilen sogar leicht spröde zu nennende Texte werden dabei von rockigen Grooves auf feine Harmonien getragen. Tiefgang und Liebe zum Detail sind dabei zu jeder Zeit spür- und hörbar“ kündigt Veranstalter Martini (Wolfgang Kienast) die Band an. Sie selbst sagen über sich: Wie sind eine pilgernde Band aus Dortmund. Und fragen „Können knapp neunzig gespielte Auftritte in sieben Jahren mehr als nur ein Indiz für Leidenschaft sein?“ Die Frage muss man mit „Ja“ beantworten.

I Am The River ist eine Band aus vier Jungs, die mit Indie-Rock eher an die Westküste der USA erinnern, als an das Ruhrgebiet. Klavier-getragene Stücke wechseln sich mit Powerpop-Songs ab. Wer vor dem Konzert Hunger hat, sollte die Gelegenheit nicht verpassen, die bekanntlich ausgezeichnete Sissikingkong-Küche zu testen.

Adresse: SissiKingkong, Landwehrstr. 17, Beginn der Veranstaltung: 20:00 Uhr, Eintritt: 5,- Euro

 

Das Ruhrtriennale Programm: Seid Umschlungen! Von Wagners Rheingold über Proust bis zu Techno

Programmvorstellung der Ruhrtriennale, Foto: Stephan Glagla | pottMEDIA
Programmvorstellung der Ruhrtriennale, Foto: Stephan Glaglan, pottMEDIA

Johan Simons, künstlerischer Leiter der Ruhrtriennale, stellte Anfang dieser Woche gemeinsam mit seinen Dramaturgen das Programm 2015 vor. Von Mitte August an wird das Festival mit Musiktheater, Schauspiel, Musik, Tanz und Installation nicht nur ein umfassendes Spektrum der Künste zeigen, sondern auch ein „Festival der Meinungen und der Verschiedenheiten“ sein. Viele wird freuen, dass dieses Jahr dem Schauspiel wieder Raum gegeben wird. Unter dem Leitmotiv „Seid Umschlungen“ werden drei Weltpremieren zu sehen sein. Von den etwa 140 Veranstaltungen werden über 30 Eigen- und Koproduktionen aufgeführt, darunter zahlreiche Neuproduktionen. Besonders auftrumpfen kann das Festival mit außergewöhnlichen Spielstätten, zu denen die alte Zeche Lohberg, der Duisburger Eisenbahnhafen und die Jahrhunderthalle in Bochum zählen. 2015 wird es zudem einen neuen Schwerpunkt auf ein innovatives Musikprogramm „Remix“ geben: Pop und elektronische Musik sollen auch jüngeres Publikum zur Ruhrtriennale locken.

Für Intendant Johan Simons sind die Spielorte an den alten Industriestandorten des Ruhrgebietes nicht nur ein schönes Ambiente, für ihn sind sie zentraler Bestandteil der Ruhrtriennale. Das Programm der diesjährigen Ruhrtriennale ist überraschend vielfältig und bietet neben Oratorien, Schauspiel und modernen Tanztheater, auch Musik- und Tanzabende mit Legenden der Elektro- und Popszene, wie The Notwist und Mouse on Mars. Eine Hommage an den legendären „Godfather“ of Minimal Music, Terry Riley, wird unter anderem von Ex-Battles Frontmann Tyondai Braxton gestaltet. Arne Deforce und Mika Vainio bieten finnische Experimental-Elektromusik, unbestrittener Höhepunkt wird jedoch gleich zu Beginn der Ruhrtriennale das Elektro-Fest „Ritournelle“ sein. Bis zum Morgengrauen werden DJ-Sets und Konzerte das gesamte Gelände der Jahrhunderthalle Bochum bespielen. Mittelpunkt bildet das Berliner Label City Slang. Zu Gast sind Künstler wie Caribou und Barnt. Der Essener Club Goethebunker produziert die Musikveranstaltung gemeinsam mit City Slang aus Berlin.

Mutige Experimente statt Komfortzone

Mutige Experimente, wie die Zusammenführung von Wagners „Das Rheingold“ mit Musik von Mika Vainio versprechen spannendes Musiktheater während der gesamten Spielzeit. Vainio ist einer der Künstler des finnischen Techno-Duos Pan Sonic. Neben U wie Unterhaltung wird es auch ernsthafte Themen geben. Simons machte deutlich, dass „Seid umschlungen“ doppeldeutig und doppelbödig ist. Umschlingen kann eben sowohl eine herzliche Umarmung, als auch ein einengendes, bedrängendes Erlebnis sein. Es gilt diese beiden Polen auszuloten. Simons will keine Komfortzone bieten: „Niemand weiß immer genau Bescheid über Richtung und Weg. Die Ruhrtriennale will nicht nur nett sein, sondern auch unangenehme Fragen stellen. Denn Kunst muss sich auch kritisch zur Gesellschaft äußern können und so ist unser Credo ist „Diese Freiheit ergreifen wir!“.

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Betteltour oder berechtigte Forderungen? Bürgermeister kämpfen heute in Berlin um finanzielle Unterstützung der Kommunen

Sparen im Ruhrgebiet, Foto: Ulrike Märkel
Sparen im Ruhrgebiet, Foto: Ulrike Märkel

Vertreter von 50 Städten, davon die Hälfte aus Nordrhein-Westfalen, machten sich gestern auf den Weg nach Berlin. Die Bürgermeister und Kämmerer der Ruhrgebietsstädte wollen als Bündnis „Raus aus den Schulden“ Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) heute noch einmal darlegen, dass man ohne Hilfe aus Berlin in den Kommunen nicht mehr klar kommt. Die finanzielle Not ihrer Städte sei groß, die Pflichtaufgabe, vor allem im sozialen Bereich, nicht mehr zu bewältigen. Ein Treffen mit Gabriel und den Spitzen der Bundestagsfraktionen soll die Bedürfnislage deutlich machen. Das die Kosten steig steigen, ist keine Frage. Doch darf bei der „Betteltour“ nicht verschwiegen werden, dass die Gründe nicht alleine an den gestiegen Sozialausgaben liegen, sondern viel zu häufig hausgemacht sind. Überhöhte Gehälter verdienter Sozial- und Christdemokraten, Leuchtturmprojekte mit explodierenden Langzeitkosten und schief gegangene Investitionen in riskante Geschäfte im Energiesektor zerren ebenfalls an den kommunalen Haushalten.

Der Dortmunder SPD-Oberbürgermeister Ullrich Sierau will heute sein ganzes Gewicht in das Gespräch mit Sigmar Gabriel einbringen. Eine gewichtige Entscheidung zum Thema kommunale Finanzen traf seine SPD in diesen Tagen auch in Dortmund. Sie entschied, gegen die Stimmen der Grünen, fast eine halbe Millionen Euro (440.000 Euro) für eine Abbiege-Spur auszugeben. Auf die Entscheidung wurde außerhalb der Haushaltsberatungen gedrängt. Grund: Der Rückstau an zwei Tagen im Monat – wenn der BVB ein Heimspiel hat – sei so erheblich, dass es zu Wartezeiten für die Autofahrer kommen würde. Pikantes Detail am Rande: Am Ende der BVB-Abbiegespur sollen vor allem VIP-Parkplätze liegen.

Doch ungeachtet eigener Fehler wollen die kommunalen Vertreter heute in Berlin die, im schwarz-roten Koalitionsvertrag festgelegte kommunale Unterstützung, einfordern. Es sollten spätestens ab 2018 jährlich weitere 5 Milliarden Euro in die Kommune fliessen, doch wünscht die Delegation die sofortige Auszahlung der versprochenen Summe, wie Manfred Busch (Bündnis90/Die Grünen), Kämmerer aus Bochum dem WDR 2 heute morgen sagte. Gründe nannte Busch auch: Die hohen Kosten durch steigenden Sozialausgaben und die akuten Mehrausgaben aufgrund hoher Flüchtlingszahlen, könnten die Städte im Ruhrgebiet und anderswo in NRW nicht mehr alleine stemmen.

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Ruhrtriennale Intendant Johan Simons im Gespräch über Demokratie, Kunst und das „Umschlungen sein“

Ruhrtriennale Intendant Johan Simons, Foto: Ulrike Märkel
Ruhrtriennale Intendant Johan Simons, Foto: Ulrike Märkel

Heute stellt Johan Simons, neuer Intendant der Ruhrtriennale, das Programm des Festivals der Künste 2015 vor. Höchste Zeit, sich einmal mit dem niederländischen Regisseur über Theater, Politik und über das Ruhrgebiet zu unterhalten. Simons wurde letztes Jahr mit einem der wichtigsten künstlerischen Auszeichnungen der Niederlande, dem „Kulturfonds Preis“ ausgezeichnet. Er blickt auf eine erfolgreiche Zeit an den Münchner Kammerspielen zurück, wo er im Dezember „Offener Prozess – Vier Tage zum NSU-Komplex“ zeigte. Simons ist nicht nur ein großer Theatermacher, sondern zeigt, dass Kunst nicht ohne gesellschaftlichen Zusammenhang möglich ist und unmittelbar aktuelle Ereignisse verhandelt. 

Ruhrbarone: Sie haben seit vielen Jahren einen guten Draht zum Ruhrgebiet. Und auch die Ruhrtriennale ist Ihnen von vergangenen Inszenierungen bekannt.

Johan Simons: Ja, das stimmt, ich habe hier schon viel gemacht. Und ich wurde schon einmal gefragt, ob ich nicht die Intendanz übernehmen möchte, aber damals habe ich mich für München entschieden. Nachdem ich ein Theater in Gent geleitet hatte, wollte ich an einem anderen bedeutenden Stadttheater mit einem großen Ensemble arbeiten. Jetzt ist der Zeitpunkt für einen Wechsel richtig, zumal ich auch näher bei meiner Familie leben möchte. Da kam das Angebot der Ruhrtriennale, die Intendanz zu übernehmen, genau im richtigen Moment.

Hat Sie die Ruhrtriennale auch deswegen gereizt, weil hier viele verschiedene Plätze bespielt werden? Sie haben am Anfang Ihrer Regietätigkeit in Scheunen oder auf Marktplätzen und anderen ungewöhnlichen Orten inszeniert.

Ja, schon lange bevor es die Ruhrtriennale gab. Die hat das wahrscheinlich damals von mir geklaut. (Simons lacht.) Schon 1985 habe ich angefangen, mit dem Theater an andere Orte zu gehen. Hier gibt es Spielorte wie die Zechen oder die wunderschöne Jahrhunderthalle in Bochum, die sehr reizvoll sind. Die Jahrhunderthalle ist ja geradezu eine Kathedrale der Industriekultur. Man kann hier nicht einfach „normal“ Theater machen. Die ungewöhnlichen Spielstätten verlangen, dass man sich zu ihnen verhält und etwas ganz Spezielles für sie macht.

Besonders interessant sind die Spannungsfelder. In Dinslaken zum Beispiel ist für mich besonders reizvoll, dass wir auf der einen Seite ländlichen Raum und Provinz vorfinden und auf der anderen Seite der soziale Brennpunkt im Stadtviertel Lohberg direkt an das Gelände unseres neuen Spielortes, der Kohlenmischhalle der ehemaligen Zeche Lohberg, anschließt.

Ursprünglich kommen Sie ja aus der freien Theaterszene …

Ja, meine erste Theatergruppe Hollandia war ein freies Format, allerdings anders als in der deutschen freien Theaterszene, wurden unsere Projekte durch den Staat subventioniert. Aber das Interessante war unsere kollektive Arbeitsweise.

Bei meiner ersten Vorstellung am Theater in Amsterdam saßen viele Regisseure im Publikum, die dachten „Aha, wer ist denn dieser junge Simons?“ Ich fühlte mich ein bisschen wie in einer Prüfung am Gymnasium. Da dachte ich mir: „Schluss damit! Ich mache nur noch Theater für Menschen, die sonst nie ins Theater gehen.“ Die Aufgabe, Zuschauer fürs Theater zu begeistern, die eigentlich nicht ins Theater gehen, finde ich wichtig. Damit setze ich mich in meiner Theaterarbeit auseinander. Ich versuche es immer wieder, und auch die Themen der kommenden Ruhrtriennale haben viel damit zu tun. Ich habe die Hoffnung nicht aufgegeben, alle Menschen zu erreichen …

Dazu gehört auch, offen für sein Publikum zu sein. Ich gehe ganz leicht auf Leute zu und suche die Nähe zu meinen Zuschauern. Es ist wichtig, nicht abgehoben zu sein, man muss versuchen, greifbar zu bleiben. Ich komme selber aus sehr einfachen Verhältnissen. Die eigene Herkunft darf man nicht verstecken, ganz im Gegenteil, man kann sie zeigen und sich ihrer – gerade im Kontext der eigenen Arbeit – bewusst sein. Das bedeutet nicht, dass man sich an das Publikum anbiedert oder die Dinge nur auf eine einfache Weise erzählt. Das wäre eine Unterschätzung des Publikums. Johann Sebastian Bach berührt jeden!

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Flüchtlinge willkommen? Nein, in Nordrhein-Westfalen wird abgeschoben.

Refugees_welcomeFür heute Abend kündigte die Partei „Die Rechte“ eine Mahnwache unter dem Motto „Nein zum Asylheim!“ in der Nähe eines Flüchtlingsheim in Dortmund an. Zuletzt waren die rechtsextremen Parteimitglieder in nationalsozialistischer Tradition mit einem Fackelzug ungehindert vor ein Asylbewerberheim gezogen. Die Menschen, die in Deutschland Schutz vor Krieg und Verfolgung suchen, werden durch solche Aktionen verängstigt. Das ist vor allem auch deswegen besorgniserregend, weil viele von Ihnen durch ihre Erlebnisse schwer traumatisiert sind.  Auch S. gehört zu ihnen. Sein Vater und sein Bruder wurden ermordet, seine Mutter und Schwester von Kriminellen entführt.

Die Menschen in den Asylbewerberunterkünften sind psychisch enorm belastet, auch weil vielen die Abschiebung droht. Für den 17. Februar waren wieder Abschiebungen in Dortmund geplant. Hinter den abstrakten Flüchtlingszahlen stehen einzelne Schicksale und individuelle Menschen. Einer von ihnen ist S. Er kommt aus Myanmar, dem ehemaligen Birma, und gehört zur Volksgruppe der Rohingyas. Sie werden in dem überwiegend buddhistischen Land auf Grund ihres muslimischen Glaubens verfolgt und werden, wie S. Familie, immer wieder Opfer von Gewalttätigkeiten. Auch die Regierung geht gegen sie vor: 2012 wurden nach Ausschreitungen gegen die buddhistische Minderheit zehntausende Rohingyas gegen ihren Willen zwangsumgesiedelt. Die Vereinten Nationen stuften die Rohingyas als die „am meisten verfolgte Minderheit der Welt“ ein. Tausende Menschen sind seitdem auf der Flucht vor Unterdrückung, Verfolgung und religiös motivierten Gewalttaten. S. hat durch Hass und Gewalt alles verloren: Sein Haus, sein Land, seine ganze Familie. Doch seine Chancen stehen schlecht, hier bleiben zu dürfen.

Es droht die Abschiebung in „sichere“ Drittländer – die UN rät davon ab

Institute in Myanmar sprechen offen von einem drohenden Völkermord an den Rohingyas. 140.000 Menschen sind zur Zeit auf der Flucht, allein in Bangladesch leben über 30.000 der verfolgten Minderheit in Flüchtlingslagern, die in einem katastrophalen Zustand sind. Das Land, dass zu den ärmsten der Welt zählt ist mit der Situation überfordert. Doch in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt wird trotzdem abgeschoben – auch in Nordrhein-Westfalen. Einige Flüchtlinge wollen ihre Abschiebung nicht widerspruchslos hinnehmen und haben Rat bei einem Anwalt gesucht.

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