Ibiza – Menü oder rote Teller reichen nicht

Es gibt eine Zeit für dies und für das und eine Zeit für ein Ibiza-Menü, genau das Richtige für ein Wochenende im November*. Ich habe Leute zum essen eingeladen, die seit hundert Jahren nach Ibiza-Stadt fahren. Es traf sich gut, dass ich die „Mediterrane Inselküche“  vom Schuhbeck* im Urlaub dabei hatte.  Da gab es das, was ich suchte:

– Klare Tomatensuppe mit Langusten/Hummer

– Kalbsleber in Weißweinsauce

– Orangentartes

Die hier aus dem Gedächtnis eingestellten Rezepte haben nicht mehr viel – außer der Leber –  mit Schuhbecks Vorstellungen zu tun.

Sieht man davon ab, dass ich bei der Leber zu ängstlich war, sie hart zu braten, war das Menü ein Volltreffer.

Klare Tomatensuppe:

Orientiert habe ich mich an Schuhbeck und an der „Nouvelle Cousine“ von 1986*, bei der es allerdings um ein Tomatengelee ging, das bekanntlich aber richtig Geschmack braucht.

Die Créme Chiboust ist aus dem wunderbaren Saucenbuch von Paul Gayler*.

 

Zutaten für 4 Esser:

2 Langusten/Hummer – wer zum Töten bereit ist.  Alt.: Riesengarnelen mit Panzer + Escallops in entspr. Menge.

750 g Cherry-/Datteltomaten, halbiert

2 Dosen Cherrytomaten, die gibt es (selbst im Erlebnis-Edeka), sie sind nur etwas teurer

100 g Sellerie

1 Zwiebel

1 Möhre

2 El Tomatenmark

1 Handvoll getr. Tomaten, gewürfelt

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B(P)asta. Tony Soprano ist nicht mehr. Zum Abschied Pasta oder soviel Schaden kann nur eine Mutter anrichten

Wer ist Obama gegen dieses Genie? Man hatte den Eindruck, er kommt tatsächlich aus dem Waste-Management. Allein seine Art, Pasta zu essen, Pam mit ihrem Zeug zuzuhören und mit der Gabel in die  Pasta zu stechen, aufzusehen und wieder eine Gabel voll zu nehmen. Danach von Dr. Melfi träumen. Wer will ihm das nachmachen? Deshalb: Eine Hommage an diesen „Pastastecher“: Nudelsalat!

Zutaten für die ganze Familie:

500 g mittelgroße Nudeln

1 Handvoll gewürfelten Speck

1 kleingewürfelte Zwiebel

1 Handvoll kleingewürfelte Möhren

1 Handvoll engl. Sellerie

1 rote Paprikaschote

1 Handvoll gewürfelte Fleischwurst

3-4 Gewürzgurken

3-4 Tomaten, entkernt und gewürfelt

Salz, Pfeffer, Curry und Cayennepfeffer

saure Sahne

Zubereitung:

Nudeln nach Gebrauchsanweisung kochen, abgießen und mit Olivenöl geschmeidig halten. Etwas Öl in die Pfanne, Speck und Zwiebeln angehen lassen. Das Gemüse dazu, weiter angehen lassen. Tomaten, Gewürzgurkenund Fleischwurst dazugeben, würzen und zum Abschluss saure Sahne unterheben, fertig.

Dann braucht man nur noch eine scharfe Gabel und eine ohne Unterlass Wünsche und Ansprüche stellende Ehefrau;o)

„Er war ein guter Mensch“

zur Beileidsbekundung: http://bit.ly/146G6U9

 

 

 

 

 

 

 

Gemischte Bohnen mit Liebstöckel und aromatischen Gewürzen*

Draußen im Garten wächst trotz allem Rhabarber und Liebstöckel im Überfluss. Beides habe ich schon reichlich geerntet, bloß: was macht man mit der ganzen Ernte? Beim Rhabarber ist das kein Problem, wenn man ihn zu Marmelade, Chutney oder im Kuchen verkocht.

Beim Liebstöckel ist es schwieriger, es kommt in Rezepten eher am Rande vor. Das hier vorgestellte Rezept habe ich aus Yotam Ottolenghis „Genussvoll vegetarisch“ entnommen, das Liebstöckel als ordentliche Basis verwendet. Daneben habe ich einen großen Strauch des Maggikrauts zum Trocknen aufgehängt und bin mal auf das Ergebnis gespannt. Eine weitere Variante ist Liebstöckel-Salz, für das nur die Blätter verwendet werden – die Stängel friere ich ein für Suppen und Saucen.

Zutaten für 2 – 4 Personen

Olivenöl

1 mittelgroße Zwiebel, fein gehackt

2 Knoblauchzehen (von frischen Knollen), fein gehackt

2 TL Tomatenmark

je 1/2 TL gemahlener Kreuzkümmel, Kurkuma und Koriander

je 1 TL gemahlener Ingwer und Kardamon

1 Prise gemahlene Gewürznelken

(Liebstöckel-)** Salz und schwarzer Pfeffer

400 g Tomatenstücke aus der Dose (mit dem Saft)

1 TL Zucker

200 g Stangenbohnen, schräg in Stücke geschnitten

250 g gepalte Dicke Bohnen (frisch oder tiefgekühlt)***

150 g Zuckerschoten, schräg halbiert

2 EL gehackter Liebstöckel, i.e. die Blätter von 4-5 grossen Stangen

 

Das Öl in einem grossen Topf erhitzen, die Zwiebel drei Minuten bei mittlerer Hitze ohne Farbe anbraten, den Knoblauch hinzugeben und eine weitere Minute garen. Nun das Tomatenmark, die Gewürze sowie etwas etwas Salz und Pfeffer zugeben und noch eine Minute weiterrühren.

Als Nächstes die Tomaten, den Zucker und die Stangenbohnen hinzufügen und untermischen. Zum Kochen bringen, den Deckel auflegen und 15 – 20 Minuten köcheln lassen bis die Bohnen gar sind. Fünf Minuten vor Ende der Garzeit die gepalten Bohnenkerne und die Zuckerschoten zugeben. Abschmecken und unmittelbar vor dem Servieren den Liebstöckel unterrühren. Warm oder abgekühlt servieren.

*Ich habe die „aromatischen Gewürze“ ersetzt durch „aromatische Kräuter“ aus meinem Garten: Rosmarin, Oregano, Thymian, Lorbeer und Currykraut. Statt Ingwerpulver habe ich drei dicke Scheiben frischen Ingwer verwendet.

**50 g Meersalz und ein EL fein gehackter Liebstöckel vermischen, in ein Schraubglas füllen, fertig.

*** Die Dicken Bohnen werden mit kochendem Wasser übergossen, die Schale angerissen und der Kern zwischen den Fingern rausgedrückt – eine Delikatesse, die mit den „Dicken Bohnen“ von Oma und Opa nix mehr zu tun haben ;o)

 

 

 

 

 

 

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Tom Kha Gai (californication) oder warum „Der grosse Gatsby“ scheitern musste

Tom Kha Gai Foto: Evan Joshua Swigart (TheCulinaryGeek) from Chicago, Illinois, USA; hometown of Ames, Iowa, USA Lizenz:  Creative Commons Attribution 2.0 Generic
Tom Kha Gai Foto: Evan Joshua Swigart (TheCulinaryGeek) from Chicago, Illinois, USA; hometown of Ames, Iowa, USA Lizenz: Creative Commons Attribution 2.0 Generic

Das hier vorgestellte Rezept der „Tom Kha Gai“ ist aus Kalifornien. Es unterscheidet sich vom Original v.a. durch die Zugabe von Ananassaft, Weglassen von Galgantwurzel und schwarzer Chilisauce – soweit ich das überblicke. Es stammt aus einem Restaurant in San Francisco, das auf einem Umweg zu mir gelangt ist. Es ist eine hervorragende Partysuppe.

„Der große Gatsby“ ist m. E. daran gescheitert, dass es damals diese Suppe noch nicht gab;o)

 

Zutaten Tom Kha Gai für ca. 15 Personen

1 L Hühnerbrühe

1 L Ananassaft

1 L Kokosmilch

2 Stengel Zitronengras, nur das untere Drittel, geputzt und angeklopft

500 g Hühnerbrust, ganz

5 EL Fischsauce, evtl. mehr, Asialaden

2-3 EL brauner Zucker

150 ml Limetten- oder Zitronensaft

10 frische Kaffirlimettenblätter, Asialaden

1/2 Bund Korianderblätter, Asialaden

1 Handvoll chin. Pilze, Asialaden

ca. 5 Chilischoten, frisch oder getr., gehackt oder ganz, ganz nach Courage

Salz

200 g Krabben, optional

 

1. Zubereitung Hühnerbrühe

Zutaten

1 Huhn

1/4 Sellerieknolle

1 Stange Poree, nur das Grüne

3 Möhren

3 L Wasser

weiße Pfefferkörner

Wacholderbeeren

Lorbeerblätter

Salz

reichlich getr. Petersilie, dafür weniger Salz

Alle Zutaten aufsetzen, zum Kochen bringen, Flamme auf niedrigste Stufe stellen, Deckel drauf und ca. 1,5 Std. den Topf „singen“ lassen. Fleisch, Gemüse und Kräuter  mit einem Schaumlöffel herausheben und beiseite stellen. Die Brühe durch ein mit einem Passier-/Mulltuch ausgelegtes Sieb abseihen, abschmecken, fertig.

Tipp: Das Gemüse ganz lassen, nur 15 – 20 min. mitkochen und daraus einen Gemüsesalat mit Mayo (s.u.) machen.

2. Zur Tom Kha Gai

Alle Zutaten ohne Huhn in einen Topf geben und ca. 30 min. köcheln lassen. Nach 20 min. die Hühnerbrust dazu. Flamme ausschalten und die Suppe ca. 1 Std. ziehen lassen, Fleisch herausheben und in Streifen schneiden oder entlang der Faser zerreissen, wieder dazugeben. Evtl. Krabben zufügen und abschmecken mit Fischsauce,  fertig.

 

Thrill (wenn wir schon mal in San Francisco sind):

Mendocino-Salat für 8 – 10 Personen

Zutaten

2 ganze Hühnerbrüste (eigtl. besser entspr. Zahl Hühnerschenkel)*

1 Dose Kokosmilch

0,5 L Hühnerbrühe

500 g kernlose, halbierte Weintrauben

2 – 3 Stangen Staudenellerie, dünn gewürfelt

1 Handvoll Mandelkrokant

1 – 2 Äpfel

Mayonnaise

Salz, Pfeffer, Zitrone

 

Hühnerbrust

Hühnerbrüste in der Brühe aus Kokosmilch und Ananassaft ca. 15 min. garen. Brüste abkühlen lassen, quer halbieren, entlang der Faser zerreissen und in eine Schüssel geben.

Mandelkrokant

Mandeln hacken,  2 EL Zucker in der Pfanne ohne Rühren karamelisieren lassen ohne sich von der Pfanne wegzubegeben. Sobald der Zucker eine hellbraune Farbe annimmt, die Mandeln dazu, etwas verrühren, Masse auf ein Brett oder Blech geben, komplett auskühlen lassen und mit einem schweren Messer, Topfboden oder Fleischplattierer zerstossen und zum Huhn geben

Mayonnaise**

Ein Ei (ganz oder nur Eigelb, s.u.), 1 gehäufter TL scharfer Senf, je eine Prise Salz und Pfeffer, etwas Zitronensaft, 120 – 150 ml Rapsöl in einen Mixbecher geben, mit dem Zauberstab weniger als 10 sec. mixen, fertig.

Mayonnaise, Weintrauben und Sellerie  in die Schüssel geben. Apfel reinraspeln und alles vorsichtig unterrühren. Mit Salz, Pfeffer und Zitrone abschmecken, fertig.

* Die bekannten Probleme von Huhn beiseite, sollte man Huhn immer als Ganzes kaufen und sich vorher überlegen, was man damit anstellen kann. Gerichte gibt es genug, zb mein Huhnlieblingsgericht coq au vin.

** Die hier dargestellte Methode ist bei youtube als 20 sec. – Quicky zu sehen. Tipp: Wenn man statt des Volleis nur das Eigelb verwendet, wird die Mayonnaise steif.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nicht nur vegetarisch: Fenchel-Tomaten- und Blutwurst-Crumble

Tomaten Foto: :Popolon Lizenz: CC/GNU
Tomaten Foto: :Popolon Lizenz: CC/GNU

Crumble beginnen mit der Herstellung der Streusel:

300 g Mehl

100 g Zucker

200 g kalte Butter in (20) kleine Würfel geschnitten

Zutaten am besten mit der Hand vermischen und eine krümelige Konsistenz herstellen, sodass die Butter nicht mehr sichtbar ist. Die Streusel in einen Behälter füllen. Im Kühlschrank halten sie sich 5 Tage, im Gefrierfach eine halbe Ewigkeit.

Tipp: Falls sich der Streuselteig in Plätzchenteig verwandelt hat, zB wegen zu langen Rührens oder weil er unbeaufsichtigt in der Küchenmaschine zu lange gerührt wurde, diesen dünn ausrollen, ausstechen, backen und nach Belieben jeweils eine Hälfte der Plätzchen in ausgelassene Schokolade tauchen.

 

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Sizilianische Eröffnung mit Auberginen und Blumenkohl

Blumenkohl Lizenz: GNU

Melanzane alla parmigiana – Auberginengratin

4 mittlere Auberginen, die Kugeln sollen „besser“ sein als die länglichen.

Mehl

Meersalz

1 gr. Dose geschälte Tomaten

Basilikum

2 Mozzarella, in Scheiben geschnitten

50g Parmesan

Auberginen schälen, der Länge nach in 5 mm dicke Scheiben schneiden, auslegen, salzen und 20 min. Wasser ziehen lassen, damit der bittere Geschmack vertrieben wird (optional). Danach trocken tupfen, ganz leicht in Mehl wenden, goldbraun in der Pfanne ausbacken und auf Küchenpapier entfetten.

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O wie Omelette oder zwei Oden an das Hühnerei

Wer kennt das nicht – nachts, wenn alle Töpfe und Pfannen längst leer gegessen sind, einige Gäste nicht nach Hause wollen und wieder hungrig werden.
Im Kühlschrank liegen nur noch drei Zwiebeln und zehn Eier.

Für diese Situation gibt es genau das folgende Rezept:
Also, Zwiebeln pellen, in dünne Scheiben schneiden und in Olivenöl auf kleiner Flamme gelb werden lassen.  Die Eier in einer Schüssel mit einem Glas Wasser verquirlen, salzen und pfeffern. Die Eier zu den Zwiebeln geben und zunächst wie Rührei von unten nach oben schieben – aber nur bis zu einem gewissen Punkt, nämlich solange die Oberfläche noch weich, fast flüssig ist. Den Boden etwas braun werden lassen, das Ei zur Hälfte umklappen. fertig.

Trick: Die Zwiebeln mit einer Gabel andrücken, dann gehts schneller.

Tipp: Leichter ist die Prozedur in zwei Pfannen.

Obacht: Bevor man das Ei in die Pfanne giesst, ein ordentliches Stück Butter zu den Zwiebeln geben.

Thrill: Tamago-Yaki = japanische Omelettevariante
Zunächst ein jap. Restaurant aufsuchen und Tamago-Sushi essen.

Danach kann man sich an die Zubereitung für zwei begeben:
2 Eier
1/2 EL Zucker
1/2 EL Sojasauce
1/2 EL Dashi (Asia-Japanladen)
Salz
Fett zum Braten

Alle Zutaten verquirlen und 1/4 der Eimasse in die mäßig erhitzte Pfanne geben (Japaner haben dafür eine quadratische/rechteckige Pfanne).
Kurz bevor die Oberfläche fest wird, s.o., das Omelette an einer Seite anheben und zusammenrollen.
Das nächste 1/4 Eiermasse in die freie Fläche der Pfanne giessen. dabei die „fertige“ Hälfte etwas anheben, damit die „neue“ Eiermasse darunterlaufen kann.
Kurz bevor das Ei an der Oberfläche wieder fest wird, wieder aufrollen und zwar mit der schon fertigen „Rolle“.
Vorgang 2 x wiederholen.

Die Mühe lohnt sich – sogar, wenn nicht alles wie beschrieben klappt.

 

Anm. des Autors: Ich habe mir vorgenommen, hier einmal im Monat vom einfachen Kochen zu reden.

Das verordnete Schweigen der Kirche oder „de delictis gravioribus“

Der Schatten über den Missbrauchsskandalen in der Römisch – Katholischen Kirche ist lang. Es geht um Schweigen, Geheimniskrämern und Wegdrücken bis zur Grenze der Vertuschung. Je mehr man sich mit dem Thema beschäftigt desto schneller kommt man an die Ursache der Aktionen: Ein Schreiben des damaligen Chefs der Glaubenskongregation, verfasst und verschickt im Jahre 2001 an sämliche Bischöfe der Welt. Sein Titel: De delictis gravioribus. Das Papier ist mit dem Siegel der„Geheimhaltung“ versehen.

Es ist interessant, die Entstehung dieser Omerta Vaticana zu verfolgen:

Wir gehen zunächst zurück in das Jahr 1962. Damals verfasste Alfredo Ottaviani für den Vatikan ein 69-seitigen Schreiben, das durch Papst Johannes XXIII bestätigt wurde. Das Papier hieß: Crimen sollicitationis

In diesem Dokument wurden die Bischöfe offiziell angewiesen, Fälle sexuellen Missbrauchs durch Priester vor, während oder nach der Beichte nicht der Öffentlichkeit mitzuteilen, sondern diese Vergehen „mit größter Geheimhaltung“ innerkirchlich zu verfolgen. Auch Opfer des Missbrauchs sollten unter der Drohung der Exkommunizierung „ewiges Schweigen“ schwören. Sie sollten den Missbrauch aber innerkirchlich anzeigen. Ziel der Anordnung sei es gewesen, „Beschuldigte zu schützen, so wie dies heute bei Zivilverfahren der Fall ist.“ Das Schreiben legt im Einzelnen fest, wie innerkirchliche Untersuchungen in solchen Fällen zu führen und Priester gegebenenfalls zu bestrafen sind. Der vermutlich erste öffentliche Hinweis auf diese Anweisung erfolgte im August 2003 durch das britische Blatt The Observer. Seit wenigen Wochen ist es im Internet auf den Seiten des Vatican in einer inoffiziellen englischen Übersetzung abrufbar.

Den gleichen Titel trägt schon ein vatikanisches Dokument der Sacra Congregatio Sancti Officii (Heilige Kongregation des Heiligen Offizium), heute die Congregatio pro doctrina fidei (Kongregation für die Glaubenslehre) aus dem Jahr 1922. Es wurde von Kardinal Merry del Val unter Papst Pius XI erstellt. Das Dokument wurde im Hinblick auf das XXI. Ökumenische Konzil oder II. Vatikanisches Konzil unter Papst Johannes XXIII. 1962 von Alfredo Kardinal Ottaviani aktualisiert. Da jedoch nur zweitausend Ausgaben gedruckt wurden, reichten die Exemplare nicht für alle versammelten Konzilsväter, sodass diese Verteilung unbefristet aufgeschoben wurde. Das Dokument enthielt laut Wikipedia Verfahrensnormen, die in Fällen einer Verführung eines Beichtenden durch den Beichtvater von Seiten der Bischöfe zu befolgen waren, und um weitere sehr schwerwiegende Vergehen sexueller Art wie sexueller Missbrauch von Minderjährigen. Heute gelten in der Katholischen Kirche dafür die Bestimmungen von Sacramentorum sanctitatis tutela von 2001, welche durch den Brief De delictis gravioribus bekanntgemacht wurden.

Hier ein Auszug aus der inoffiziellen Übersetzung:

INSTRUCTION
OF THE SUPREME SACRED CONGREGATION OF THE HOLY OFFICE ADDRESSED TO ALL PATRIARCHS, ARCHBISHOPS, BISHOPS 
AND OTHER LOCAL ORDINARIES
“ALSO OF THE ORIENTAL RITE”
ON THE MANNER OF PROCEEDING IN CAUSES OF SOLICITATION.

Sein Inhalt:

Schwere Straftaten gegen

– die Heiligkeit des hochheiligen eucharistischen Opfers und Sakramentes,
– die Heiligkeit des Bußsakramentes und
– gegen die Sittlichkeit, nämlich:
…. die von einem Kleriker begangene Straftat gegen das sechste Gebot des Dekalogs mit einem noch nicht 18jährigen minderjährigen Menschen.
Sind der Glaubenskongregation als Apostolischem Gerichtshof vorbehalten. Wenn ein Bischof oder Hierarch auch nur vage Kenntnis von einer derartigen Straftat hat, muss er sie nach abgeschlossener Voruntersuchung an die Glaubenskongregation weitermelden, die, wenn sie nicht wegen besonderer Umstände den Fall an sich zieht, durch Weitergabe der entsprechenden Vorschriften dem Bischof beziehungsweise Hierarchen gebietet, durch sein je eigenes Gericht das weitere Verfahren führen zu lassen…“

Das Verfahren wird wie folgt beschrieben:

An den bei den Bischöfen eingerichteten Gerichtshöfen dürfen für diese Strafverfahren nur Priester die Ämter des Richters, des Kirchenanwaltes, des Notars und des Strafverteidigers gültig wahrnehmen. Sobald der Fall vor Gericht wie auch immer beendet ist, sind die gesamten Akten des Verfahrens möglichst rasch von Amts wegen an die Glaubenskongregation zu übermitteln…Prozesse dieser Art unterliegen der päpstlichen Geheimhaltung.

Hier interessieren nun allein die Fälle der dritten Alternative des Tatbestandes, die Kinderfickerfälle. Die Fälle, bei denen sich Priester an Kindern während der Beichte vergingen, lassen wir mal beiseite, obwohl es die auch gibt.

Man könnte ja zunächst meinen, dass die oben beschriebene Weisung Johannes Pauls II/ oder von Jupp Ratzinger eine rein innerkirchliche Angelegenheit sei, wie es einige Kirchenrechtler sagen. Etwa als sie im Jahre 2007 auf die wiederholte öffentliche Forderung von Ute Ranke-Heinemann reagierten, die ausführte:

Das Geheimschreiben Kardinal Ratzingers von 2001 bedeutet auch weiterhin großen Schaden für die betroffenen Kinder und Jugendlichen in aller Welt.

Ranke Heinemann sagte weiter, sie hoffe, dass Ratzinger seine Anweisung als Papst Benedikt XVI. wieder zurücknimmt.

Auch die Kritik von Dominikanerpater Tom Doyle, wiegelten die Kirchenrechtler ab, als dieser die Dokumente von Kardinal Ratzinger kritisierte. Doyle sagte:

Sie (die Geheimanweisungen) dienen ausschließlich dem weltweiten Schutz der Täter, die ständig, um Skandal für die Kirche zu vermeiden, nach einer Therapie in eine andere Pfarrei versetzt werden und haben eine totale Justizbehinderung für die staatlichen Gerichte zur Folge.“

Nun, wie kommt man zu einem sachgerechten Urteil, ob diese Schreiben der Vertuschung dienen oder allein der kirchlichen Bestrafung der Täter, die den Strafanspruch des Staates nicht berührt?

Wieder hilft ein Blick in das 2001-Ratzinger-Papier. Denn dort heißt es am Ende:

Durch diesen Brief, der im Auftrag des Papstes an alle Bischöfe der katholischen Kirche, an die Höheren Oberen der Priesterorden päpstlichen Rechts und der Priestergesellschaften apostolischen Lebens päpstlichen Rechtes und an andere Bischöfe und Hierarchen, die er angeht, gesandt wurde, sollen nicht nur schwere Straftaten generell vermieden werden. Er bezweckt darüber hinaus, dass Bischöfe und Hierarchen wachsame Seelsorge betreiben, um vor allem für die Heiligkeit der Priester und der Gläubigen Sorge zu tragen, auch mit Hilfe notwendiger Strafen.“

Die Seelsorge betrifft also nahezu ausschließlich die Heiligkeit der Priester und der Gläubigen, das ist die Gemeinschaft der Gläubigen, also die Kirche. Die katholische Kirche will also allein darüber bestimmen, was mit dem Kinderschändern in den eigenen Reihen geschieht. Denn das Opfer im Sinne der Anweisung ist nicht das Kind, sondern die Heiligkeit der Institution und seiner „Glieder“. Deshalb die höchste Geheimhaltungsstufe. Das tatsächliche Opfer wird ignoriert, der Schutzzweck der Vorschrift hat es nicht im Auge.

Was aus der Anweisung folgt, ist klar und erklärt die jetzigen Fälle der organisierten Schweigerei, die an Vertuschung grenzt.

Wenn ein Bischof hört, dass sich einer seiner Priester an einem Kind vergangen hat, wird er in erster Linie an seine Pflichten gegenüber seinem Dienstherrn erinnert. Er wird versuchen, der Order „de delictis gravioribus“ gerecht zu werden. Schließlich geht es um nichts geringeres als um die Sorge der „Heiligkeit des Priesters“, die Fürsorge für den „Bruder“. Für das säkulare Strafrecht bleibt bei diesem Bewusstsein kein Raum.

Im Gegenteil: Selbst wenn man den Bischöfen zugute hält, dass bei ihnen in den 1960er, 1970er und auch noch Anfang der 1980er Jahre, das Verständnis für die schrecklichen Folgen des sexuellen Missbrauchs gefehlt hat, verstärken zumindest zwei Faktoren die Bereitschaft der Bischöfe, etwas gegenüber der breiten Öffentlichkeit zu verheimlichen.

Die Bischöfe stellen das Ansehen der Kirche, die von Ihnen als „Leib Christi“ verstanden wird, über die Leiden der missbrauchten Kinder. Denn die Kirche steht nach ihrem Verständnis unter der Leitung des Heiligen Geistes. Schließlich ist der Papst ja unfehlbar, oder so.

Zudem wollten und sollten die Bischöfe nicht in erster Linie die Kinder schützen, sondern die Gläubigen und die Kirche selbst vor den Folgen aus den Skandalen in den eigenen Reihen schützen.

Diese Bereitschaft der Bischöfe, die Leiden der Opfer nicht bei den weltlichen Behörden anzuzeigen, wurde ganz entscheidend durch die zitierten päpstlichen Schreiben, zuletzt das von Ratzinger aus 2001, gefördert. Wenn nicht sogar von Rom aus angewiesen.

Und genau das ist die Hauptursache für die offensichtliche Vertuschung der Kinderfickerei gegenüber der breiten Öffentlichkeit über Jahrzehnte.

Es wird niemanden verwundern, dass nach Paragraph 1341 des kanonischen Rechts ein Bischof nur dann weltlich-juristisch gegen einen Geistlichen vorgehen soll, nachdem er sicher ist, dass alle anderen Optionen versagen.

Natürlich wird man nun von geneigter Seite einwenden, dass die Vorschrift „de delictis gravioribus“ allein der innerkirchlichen Bestrafung – Ermahnung, Versetzung, Exkommunikation etc. – dient und eine Strafanzeige davon nicht berührt wird.

Dagegen spricht jedoch die „Handhabung“ der Missbrauchsfälle der Diözesen in den letzten 60/70 Jahren, gleich ob in Australien, USA, Irland, Italien, Österreich, Niederlande oder Deutschland.

Erst 2002 ist es Opfern in Boston, USA, gelungen, die Vorgänge um die Vertuschung der Missbrauchsfälle durch die zuständigen Bischöfe in die Öffentlichkeit zu ziehen und so in USA eine Welle der Aufdeckung von Missbrauchsfällen auszulösen und der römischen Kirche Entschädigungen in Höhe von insgesamt 2,6 Mrd. US-Dollar abzutrotzen. Bis dahin stand allein der Täterschutz im Vordergrund der Bischöfe. Der Priester wurde in Therapie  geschickt oder in eine andere Gemeinde versetzt. Die Opfer selbst wurden durch Einschüchterung, Drohung mit einer Anzeige etwa wegen „übler Nachrede“ zum Schweigen verdonnert. In einigen Fällen wurden die Opfer durch Verschwiegenheitserklärungen gegen Zahlung eines Geldbetrages in Schach gehalten. Der Rest war dann nur noch „interne Geheimhaltung“ wie bei der Omerta der Mafia. So ähnlich lassen sich auch die Fälle deuten, die jetzt aktuell in Deutschland bekannt werden. Etwa von dem Bottroper Priester, der nach mehreren Kinderschändereien von Bottrop aus durchgereicht wurde bis nach München, wo ihn der damalige Erzbischof Ratzinger ohne weltliches Verfahren nach neuen Kinderfickereien in ein weiteres Amt versetzte.

Perfide ist weiter, dass man sich den Umstand zunutze macht, dass Opfer, wenn überhaupt, erst nach dreißig, vierzig oder noch mehr Jahren über das an ihnen begangene Verbrechen reden. Das heißt, wenn die strafrechtliche Verjährung abgelaufen ist und sich kein Staatsanwalt mehr für den Fall interessiert.

So können dann, wie in USA geschehen, auf das „Konto“ eines einzigen Priesters, des 1998 verstorbenen Lawrence C. Murphy, 200 hörgeschädigte Kinder und Jugendliche gehen. Ohne jegliche strafrechtliche oder kanonische Konsequenzen. Die New York Times berichtete darüber. Auf der Seite bishop-accountability kann man die Originalakten des Murphy-Falles bis 1999 einsehen. Es ist der Prototyp einer katholischen Verheimlichungsorgie.

Zum Murphy-Fall anzumerken ist noch, dass erst im Verfahren wegen seiner Taten gegen die Römische Katholische Kirche im Jahr 2005 die Apostolische Order „De delictis gravioribus“ von amerikanischen Anwälten öffentlich gemacht werden konnte. Der Kirchenkritiker Hans Küng greift deswegen Ratzinger alias Papst Benedikt XVI. frontal an. Er habe seit Jahren von den Mißbrauchsfällen gewusst.

Es stellt sich die Frage nach der Offenheit und Transparenz. Stephan Ackermann , der Frontmann der katholischen Bischofskonferenz für die Aufklärung der deutschen Missbrauchsfälle, hat die Vertuschung durch die katholische Kirche eingestanden. Aber ist er bereit und imstande, die in den Archiven der Glaubenskongregation schlummernden Akten herauszugeben, die das ganze Ausmaß des Missbrauchs und der Vergewaltigung beweisen?

Erst wenn diese Papiere der Allgemeinheit vorliegen, darf von der Ernsthaftigkeit des Aufklärungswillens ausgegangen werden.

Mir allerdings fehlt die Hoffnung zu einem solchen Vorgehen. Denn das Öffnen der Sex-Archive käme in manchen Fällen einer Selbstanzeige der Bischöfe gleich.

Zudem kann eine bewiesene Vertuschung durchaus eine strafrechtliche Relevanz gewinnen. Sprich: Knast kann drohen. Dann kann es weltweit zu Zivilklagen und Schadensersatzforderungen kommen, wie in Amerika.

Wen wundert es da, wenn jetzt selbst der Papst für seine juristische Verteidigung Vorsorge trifft. Die Nachrichtenagentur AP berichtet aus US-Justizdokumenten, dass drei Kläger aus Kentucky dem Vatikan vorwerfen, mit Berichten über Missbrauchsfälle nachlässig umgegangen zu sein und weder die Polizei noch die Öffentlichkeit über vergewaltigende Priester informiert zu haben, die Kinder missbraucht haben sollen.

Die Klage wurde bereits 2004 eingereicht, berichtet der KURIER aus Wien. Der Fall in Kentucky sei deshalb von Bedeutung, weil er einer von mehreren in den USA ist, in denen der Vatikan selbst das Ziel ist. Dabei geht es um die grundsätzliche Frage, ob die Opfer Ansprüche gegen die Kirchenspitze in Rom und nicht nur gegen die katholische Kirche in den USA geltend machen können. Frühere derartige Versuche sind gescheitert oder noch in der Schwebe.

Aber das könnte sich ja ändern. Warum nicht auch in Deutschland. Wäre doch mal gut, echte Kinderschänder anzugreifen und nicht nur über Internetsperren zu philosophieren.

Foto: achima auf Flickr.com