Im Ruhrgebiet undenkbar; In Köln haben sich die Stadt und die Besetzer des Autonomen Zentrums (AZ) auf einen Umzug geeinigt: Von Kalk wird das AZ nun in die Südstadt ziehen.
Am Ende hatten die Besetzer des AZs in Köln-Kalk nur noch die Alternative zwischen Räumung und Umzug. Die Entscheidung, Kalk zu verlassen und auf die andere Rheinseite in die Südstadt zu ziehen, wird ihnen nicht leicht gefallen sein – das Projekt sollte immer auch eine Stärkung des eher armen Stadtteils Kalk sein, der ein Zentrum mit einem kostenlosen Kulturangebot nötiger gehabt hätte als die Südstadt. Klar aber ist: Es kam nach langen und harten Verhandlungen zu einem Kompromiss zwischen Stadt und Besetzern. Köln wird das AZ – erst einmal für weitere zwei Jahre – behalten. Im Ruhrgebiet ist so etwas undenkbar: Alle Häuser die in den vergangenen Jahren im Revier mit dem Ziel besetzt wurden, ein Kulturzentrum zu aufzubauen, wurden entweder, wie jüngst die Bärendelle in Essen, geräumt oder die Besetzer gaben kurz bevor die Polizei kam auf.
Einen Dialog der Besetzer mit der Politik wie in Köln gab es ebensowenig wie eine Unterstützung der Besetzer durch die Stadtgesellschaft und Prominente wie in Köln, wo sich zum Beispiel der Kabarettist Jürgen Becker hinter das AZ stellte.
Das alles hat seine Gründe nicht nur in der Borniertheit der Lokalpolitiker in den Ruhrgebietsstädten. Sicher, den meisten von ihnen sind kontroverse Diskussionen fremd, mehr als eine Dialogsimulation kann man von ihnen nicht erwarten. Aber auch die Besetzer haben es unterlassen, sich Verbündete zu suchen. Das AZ in Köln wäre geräumt worden, wenn sich nicht die Kölner Grünen als Koalitionspartner der SPD hinter das Projekt gestellt hätten – und zusammen mit Teilen der SPD gegen Oberbürgermeister Jürgen Roters (SPD) Und auch wenn es den AZlern nicht gelungen wäre, Verbündete zu finden, die sie unterstützen – prominente und nicht prominente – wäre der nun ausgehandelte Kompromiss undenkbar gewesen: Über 600 Menschen gingen im Juli für das AZ auf die Straße – auch das wäre im Ruhrgebiet undenkbar.
Dialogfähigkeit, Offenheit und die Stärke Konflikte zu bewältigen und durch Kompromisse zu lösen, können Stadtgesellschaften lernen. In Köln sind diese Fähigkeiten auf allen Seiten deutlich weiter verbreitet als im Ruhrgebiet.
Es ist sicherlich genauso richtig wie letztendlich ermüdend, die „Borniertheit der Lokalpolitiker in den Ruhrgebietsstädten“ herauszustellen. Aber ausgerechnet das selbstgefällige, engstirnige und korrupte Köln als ein ein Beispiel für „Dialogfähigkeit, Offenheit und die Stärke, Konflikte zu bewältigen und durch Kompromisse zu lösen,“ zu preisen, halte ich doch für etwas sehr naiv.
Es sei nur an das – ach so witzige – ‚Kölsche Grundgesetz‘ erinnert: Et kütt wie et kütt; Et hätt noch emmer joot jejange; Kenne mer nit, bruche mer nit …!“ Denn es gilt stets: Mann kennt sisch …
@discipulussenecae: Immerhin hat es in der SPD offenbar eine Kontroverse über den Umgang mit dem AZ gegeben und die Entscheidung innerhalb der rot-grünen Koalition fiel gegen den SPD-OB – nach einer langen und kontroversen Diskussion. Das ist schon ein Beispiel für eine Debatte, deren Ende am Anfang nicht feststand und die sich von den Dialogsimulationen im Ruhrgebiet unterscheidet. Es gilt: „Mer muss och jünne könne!“ 🙂
Der Vergleich greift etwas zu kurz, weil es im Ruhrgebit garnicht die Zeit zwischen Besetzung und Räumung gibt um „Prominente“ zu finden. Zu theoretischen Konstrukten wie „wir wollen ein AZ Duisbur, Essen, Bochum, Dortmund“ pseudoprominente Unterstützer zu finden die über Jahre bei der Stange bleiben bis irgendwann irgendwo was passiert ist einfach unrealistisch.
Fakt ist dass das Ruhrgebiet kein interesse an Kultur hat die nich kommerziell steuerbar und damit nicht kontrollierbar ist.
In Köln standen auch lang genug die Räumpanzer drohend in Aussicht – Lobenswert dass die Stadt bereit war selbstbestimmte Kultur zu fördern – auch wenn die Ratsmitglieder wohl auch da mehrheitlich nichts damit anfangen können.
@Lars „Fakt ist dass das Ruhrgebiet kein interesse an Kultur hat die nich kommerziell steuerbar und damit nicht kontrollierbar ist.“
„Das“ Ruhrgebiet: Stimmt nicht in jedem Fall, – wie das Beispiel Druckluft in Oberhausen gezeigt hat, auch wenn die Situation nicht mit der Bärendelle vergleichbar ist (wobei die Frage ist, was „nicht kommerziell steuerbare Kultur“ ist? Lese ich da einen Widerspruch zwischen Kommerz und Kultur heraus, warum eigentlich?)
https://de.wikipedia.org/wiki/Druckluft_%28Kulturzentrum%29
Entscheidend ist wohl eine gute Kommunikationsstrategie, die hätte, nach allem, was man hört, bei den Besetzerinnen in Frohnhausen etwas ausgecheckter sein können …
Neben dem Druckluft fallen mir noch AZ Mülheim, das Rattenloch in Schwerte und das AKZ Recklinghausen ein.
In Dortmund gibt es auch was, aber das ist nicht offiziell und sehr klein. Von daher lasse ich das hier mal raus. Ist auch von der Größe nicht mit den anderen vergleichbar.
Persönlich bin ich eher im musikalischen Bereich unterwegs und schaue mir gerne nicht so bekannte Bands an. Von daher kann ich zu anderen kulturellen „nicht kommerziellen“ Orten nicht so viel sagen. Da wird es bestimmt noch mehr geben.
In einer Stadt wie Dortmund beispielsweise ist mir kein Ort bekannt für Veranstaltungen mit 100 bis 200 Besuchern egal ob kommerziell oder nicht kommerziell. Nicht alle Bands füllen direkt ein FZW oder eine der Westfallenhallen. Ausweichend werden solche Veranstaltungen in Jugendzentren abgehalten. Feste Anlaufstellen gibt es nicht. Das die Nachfrage da ist, zeigt beispielsweise das Bierschinken Eats FZW Festival. Findet 2 mal im Jahr statt und füllt in der Regel die kleine Halle im FZW.
Zufällig war ich gestern in Münster auf einem Konzert dieser Art in der Barracke. 120 zahlende Gäste ausverkauft und es standen noch Leute draußen.