Dass die Zustände im Ruhrgebiet vielerorts so traurig sind, wie wir sie alle kennen, liegt häufig auch an unseren trägen Abläufen in Sachen Planung, Entscheidungsfindung und Umsetzung. Ein Beispiel dafür spielt sich seit den 1970er-Jahren direkt vor meiner Nase ab: Der Neubau der Bundestraße 474n (B474n), die angedachte Fortsetzung der ‚Sauerlandlinie‘ A45 von Dortmund-Mengede in Richtung Münsterland.
Was sich da seit Jahren abspielt ist wirklich unglaublich. Ich persönlich erinnere mich noch gut daran, dass das Thema schon in meiner Grundschulzeit intensiv diskutiert wurde. Irgendwann zwischen 1977 und 1980 mussten wir im ‚Heimatkundeunterricht‘ die geplante Straßentrasse der B474n mit Buntstiften auf eine Stadtkarte von Waltrop malen. Jetzt, über 40 Jahre später, ist die Diskussion gefühlt keinen Schritt weiter. Ganz im Gegenteil!
Erst in dieser Woche beschloss der Stadtrat in Waltrop sich mit kritischen Fragen an die Bezirksregierung in Münster, reagierte damit auf vorgelegte Pläne von Straßen.NRW.
Wie ich gerade in unserer Lokalzeitung lesen durfte, fiel die Entscheidung nach einer 90-minüten Diskussion: 26 Ratsmitglieder stimmten für die kritische Stellungnahme, neun enthielten sich. Die Details erspare ich uns allen hier an dieser Stelle einmal. Sie dürften den ortsunkundigen Leser ohnehin nicht interessieren. Im Kern geht es um Trassenführung, Baudetails, Umweltschutz und Verkehrsgutachten. Man kennt das ja.
Die große Mehrheit der Waltroper Ratsparteien verabschiedete am Donnerstag die Beschlussvorlage, die grundsätzlich die B 474n befürwortet, aber die Planung „noch verbessern“ will.
Als jemand, der vor einigen Jahren selber noch regelmäßig im täglichen Rückstau zwischen der Autobahnausfahrt Mengede in Richtung Waltrop stand, wo der Zeitverlust häufig genau so groß war, wie der für die Fahrt von Essen nach Dortmund-Mengede (kein Witz!), tun mir die zahlreichen Autofahrer leid, die tagtäglich mit rund 30 Minuten Zeitverlust, für die, bei freier Fahrt, in weniger als fünf Minuten zurückzulegende Strecke teuer für die trägen Planungen bezahlen müssen.
Wie unerträglich langsam die Planungen vorangehen, das zeigt aber nicht nur die Tatsache, dass wir Grundschüler uns schon Ende der 70er-Jahre mit der Trassenplanung beschäftigt haben, sondern auch der Fakt, dass nach langen und zähen Debatten die Waltroper Bürger im Jahre 2008, in einer damals unter allen wahlberechtigten Bürgern durchgeführten Abstimmung, mit rund 80 Prozent eindeutig für den Bau der neuen Straße votiert hatten.
Jetzt, rund 13 Jahre später, sind wir noch immer nicht wirklich weiter. Und während man in Datteln schon längst baut, wird in Waltrop noch immer geredet, sich inhaltlich im Kreis gedreht. Die Pläne von Ex-Bürgermeisterin Nicole Moenikes (CDU), die sich bei ihrem Amtsantritt im Sommer 2014 in einem Ruhrbarone-Exklusiv-Interview positiv und erwartungsfroh in Sachen B474n-Neubau äußerte, blieben bislang ebenso reine Utopie wie die von mir und meinen damaligen Mitschülern einst gezeichneten Trassen auf dem Stadtplan.
Das alles lässt sich nur noch als ein einziges Trauerspiel bezeichnen und ist zugleich ein deutliches Zeichen dafür, warum es mit dem Ruhrgebiet an viel zu vielen Stellen nicht vorangeht!
Das ist leider nicht nur im Ruhrgebiet so, siehe etwa Berliner Flughafen (auch wenn es bei dem dann doch weniger als 40 Jahre gedauert hat). Wenn sich da nicht gewaltig was ändert, wird das nichts mit Kohleausstieg bis 2038 und Klimaneutralität bis 2045. Denn all das erfordert ja einen enormen Umbau der Infrastruktur, nicht nur Windräder, sondern auch Stromtrassen von der windreichen Nordseeküste zu den bevölkerungsreicheren Ländern weiter südlich, Ladestationen für e-Autos, und vor allem Stromspeicherkapazitäten in gigantischem Umfang. Das baut sich nicht von heute auf morgen und das baut sich nicht schneller als ein paar Kilometer Umgehungsstraße in Waltrop.
In Sachen Straßenbau ist im Ruhrgebiet Hopfen und Malz noch nicht völlig verloren. In Wesel schreitet der Bau der Südumgehung (B58) zügig voran. Ebenso in Schwerte der Ausbau der B236 zwischen dem Berghofener Tunnel und der Autobahnauffahrt an der A1.
Dieser Artikel ist ja sehr interessant. Seit wann steht man von der Abfahrt Mengede bis nach Waltrop eine halbe Stunde im Stau? Ja, zu Stoßzeiten ist dort Stau, ich habe aber noch nie länger als 5-10 Minuten benötigt, um an der den Stau verursachenden Ampelanlage in Waltrop anzukommen. Wir sollen also 200.000 Quadratmeter Wald fällen und zubetonieren, damit der Herr Autor dieses Artikels mit seinem Auto durch die Schneise im Wald ungestört nach Waltrop brausen kann.
Das einzige Trauerspiel besteht darin, dass man sich von den Plänen zum Bau einer in dieser Form ziemlich nutzlosen Straße nicht verabschieden will. Insofern ja: Dass darüber immer noch diskutiert wird, ist tatsächlich ein Skandal.
@Torsten: Artikel nicht richtig gelesen, was? 😉 Da steht doch ausdrücklich, dass ich da heute zum Glück nicht mehr tagtäglich im Stau stehen muss, so wie früher einige Jahre lang. Und ja, ich habe dort damals regelmäßig tatsächlich häufig so lange Verzögerungen in Kauf nehmen müssen. Der Weg von Essen bis zur Ausfahrt Mengede (ca. 30 Minuten) war zeitlich ziemlich identisch mit dem Zeitaufwand für die restlichen paar Kilometer vom Autobahnende bis zur Haustür im Waltroper Norden. Dürfte auch heute zumindest ähnlich lang dauern, wenn der Rückstau nach 17 Uhr mal wieder vom Ortseingang Waltrop bis hinter die Kanalbrücke auf Dortmunder Stadtgebiet geht. Habe ich erst kürzlich mal wieder genießen dürfen…. 😉 Dieser erbärmliche Zustand ist nicht nur für die Autofahrer, sondern auch für die betroffenen Anwohner eine Katastrophe. Was da an Zeit, Geld und Lebensqualität sinnlos verloren geht….
@Robin: Ich habe den Artikel sehr aufmerksam gelesen, da er aber etliche Wiedersprüche und falsche Behauptungen enthält, war eine sinnvolle Antwort nicht ganz einfach. Beispiel ist genau der Passus zu dem Stau. Was Bitteschön ist an meiner Ausführung nicht in Ordnung. Wenn Sie die Strecke nicht mehr fahren, können Sie natürlich nicht mehr im Stau stehen. Der Stau ist aber weiterhin da und es dauert schon seit vielen Jahren zu den Stoßzeiten die beschriebenen 5-10 Minuten. Wenn Sie da etwas von 30 Minuten schreiben, ist das schlicht nicht richtig, ich fahre dort auch häufig entlang. Aber so kann man natürlich versuchen Stimmung zu machen und Klicks zu generieren, bei einigen zieht das ja auch.
Aber es stimmt: Wenn die Straße gebaut wird, geht jede Menge Lebensqualität sinnlos verloren. Das ist dann nicht nur für die Anwohner einer heute viel befahrenen Straße eine Katastrophe, sondern gleich für einen größeren Bereich in Waltrop, Castrop und sogar in Dortmund.
Meinen Sie nicht, es wäre besser sich mal Gedanken zur Verkehrsvermeidung, oder optimalen Verkehrsführung zu machen, als einfach immer neue Straßen zu fordern. Diese müssen ja dann auch wieder mit viel Geld unterhalten werden und wir alle bekommen immer mehr Lärm, CO2 etc.
Und ja: Natürlich müssen wir den heute durch Verkehr stark betroffenen Anwohnern in Waltrop helfen, aber bitte doch nichts mit Ideen aus den 1970er Jahren. Mittlerweile wissen wir, dass so eine Straße erheblichen Verkehr anzieht und wir am Ende insgesamt viel mehr Verkehr haben, ohne dass eine Entlastung der heute stark betroffenen Gebiete eintritt.
@Torsten: Ich verweise noch einmal kurz auf meine vorherigen Aussagen, die ich unter #4 extra noch einmal konkretisiert und in Bezug auf #3 näher ausgeführt hatte. Ansonsten müsste ich mich jetzt hier wiederholen.
Mir stellt sich die Frage, ob man den gleichen Effekt wie diese Strasse nicht auch durch mehr Busse zwischen Datteln und Castrop bzw. zwischen Waltrop und Mengede erziehlen könnte? Klar, man bekommt damit nicht alle Autos von der B235 usw. , aber vielleicht genug, damit es wieder flüssig läuft zu den Stosszeiten?
Und wieviel kostet die neue Strasse vs. wieviel kostet ein dichterer Takt?
Es ist und bleibt eine Katastrophe durch Waltrop zu fahren. Die Anwohner an der Straße tuen mir leid.
Was dort für eine Schadstoffbelastung in den Wohnungen entsteht! Und für eine Planung, die abgesegnet ist von den Bürgern, die dann nicht durchzuführen ist eine Schande! 50Jahre für einen Bau einer Umgehungsstraße. Zum Glück sind in 4 Jahren wieder Wahlen.
Ich wohne in Dattelns Südwesten. Ich steige jeden Tag ganz früh morgens bzw. am Nachmittag um, da ich über Mengede zu meinem Arbeitsplatz fahren muss. Morg3ns ist es eigentlich perfekt geregelt. Alle Umsteige in Waltrop und Mengede klappen binnen 10 Minuten Wartezeiten.
Aber nachmittags ist die Rückfahrt eine Katastrophe. Teilweise komme ich mit dem Bus (beide Linien) von der Kreuzung Königsheide an der Autobahnauffahrt gerade nur im flüssigen Verkehr bis zum Heiken. Am nächsten Tag geht es dann kriechend bis zur Goethestraße. Genau vorhersagen kann ich da leider nichts. Aber aktuell sind zu den Zeiten teilweise bis zu 20 Minuten Verspätung am Am Moselbach angefallen. Obwohl dort vom SB24 auf den 231er zehn Minuten Umsteigezeit bestehen.
Zurück zum eigentlichen Thema. Die B474n muss jetzt in Waltrop gebaut werden, je schneller das beginnt, desto besser. Wenn das Dattelner Teilstück fertig und freigegeben ist, wird es von Olf2n kommend eine direkte Strecke in Richtung Waltrop geben. Am der Ausfahrt auf die L609 werden die Pendler eben durch Waltrop anstelle von Datteln fahren. Ergebnis: Enorm mehr Verkehr auf der L609 quer durch Waltrop.
Das es in Waltrop toddiskutiert wird ist kein Zeichen für Fortschritt, sondern ein Schritt in die Vergangenheit. Alleine schon durch den Zuwachs an Verkehr von Jahr zu Jahr macht die B474n mehr als notwendig.
[…] den 1970er-Jahren im Grundschulunterricht in den Stadtplan einzeichnen sollte. Ich berichtete noch im Vorjahr an dieser Stelle von den aktuellen Zuständen rund um den seit Ewigkeiten verzögerten Straßenneubau, der in […]
Ich wohne in Waltrop, fahre ca. 10.000 km im Jahr mit dem Auto und ca. 10.000 km mit dem Rad. Ich muß täglich die laute Autokarawane hinterm Haus ertragen und beim Radfahren das teilweise rücksichtslose Fahrverhalten der gestressten Autofahrer. Ich möchte hier keine langen Reden halten und wünsche mir die Umgehungsstraße so schnell wie möglich.
In der Diskussion wird überwiegend von dem „Leid“ der armen Autofahrer gesprochen und viel zu wenig von den Menschen und den wirklich leidenden Anwohnern. Spätestens seit dem der Klimawandel in aller Munde ist, sollte doch jeder Mal über den Autofetisch der letzten Jahrzehnten nachdenken.
Ein neues Windrad vor der eigenen Neubausiedlung soll unerträglich laut sein, aber den „Gesang“ der Autokarawane sollen die Anwohner einer Durchgangsstraße ertragen.
Etwas Empathie wird niemanden umbringen.
@M.W.: Auch ich hatte gestern wieder das ‚Vergnügen‘ den Rückstau zwischen Waltrop und DO-Mengede im Berufsverkehr zu beobachten. Zum Glück ist das bei mir inzwischen die Ausnahme, aber es ist eine selbst verursachte Katastrophe, was da abläuft. Für alle davon Betroffenen und die Umwelt. Ich verstehe die jahrzehntelangen Diskussionen einfach nicht.