Back to Future Festival: Die Sachsen können es auch

Back to Future Festival Foto: Jelinek


Um zu zeigen, dass auch die Ossis schöne Festivals auf die Beine stellen können, folgt hier mein Bericht vom Back to Future Festival in Glaubitz in Sachsen passend zu meinem Artikel vom Ruhrpott Rodeo  

Ja, die Sachsen können auch geile Punk-Events organisieren und vielleicht können wir die Mauer in den Köpfen etwas abzubauen, wenn uns bewusst wird, dass wir alle gerne feiern und es eigentlich keinen Unterschied macht, ob das in der sächsischen Provinz oder in der ländlichen Idylle des Ruhrgebietes passiert.

Glaubitz ist ein Dorf im tiefsten Sachsen und es hat Tradition, dass das halbe Dorf mit am Festival beteiligt ist. Deshalb ist z.B. das Frühstücksangebot immer sehr liebevoll zubereitet. Auch das Waldbad ist im Festival integriert. Dort gibt es saubere WCs, Bier-Yoga, Punkrock-Karaoke und auf der kleinen Bühne neben der Liegewiese spielen die weniger bekannten Bands, so dass man auch immer mal Entdeckungen in Sachen Newcomer machen kann.

Durch die krasse Awareness-Aktion letztes Jahr, waren dieses Jahr deutlich weniger Leute beim Festival. Vielleicht gab es auch andere Ursachen, aber dass im vergangenen Jahr in Sachen Awareness ziemlich übertrieben wurde, trug sicherlich seinen Teil dazu bei. Es war trotzdem schön und die ganze übertriebene Feminismus-Welle scheint sich auch bei diesem Orga-Team wieder etwas gelegt zu haben. Naja, der Markt regelt halt… Statt der “No Shirt No Service“-Schilder hing da “Watch Your Drink”, was ich für völlig OK halte. Die Awareness-Truppe war auch nicht wie im Vorjahr stasihaft allgegenwärtig, sondern es gab lediglich einen Safespace-Bereich, der sehr chillig aussah und einige wenige Aushänge mit Regeln an den Bars. Und bis auf zwei überflüssige Aussagen von den ach so politisch korrekten Bands war alles sehr angenehm. Weil ich dann also in meiner Funktion als Antifeminist*in nichts weiter zu meckern hatte, konnte ich die Bands und die komplette Punk-Wellness in Glaubitz auch genießen.

Die Frauenpower dieses Jahr kam von den Frauen selbst und nicht durch irgendwelche FLINTA-Quoten. Den Anfang machten die Kracher-Girls von Dummy Toys aus China, die letztes Jahr schon gespielt haben und die hochschwangere Frontfrau von Resistenz 32. Das war absolut mega, was die Frau da hingelegt hat. Sie konnte schon immer das Publikum gut aktivieren und das ging tatsächlich auch mit Babybauch. Wahnsinn! Auch die süße kleine, nicht mehr ganz so junge Frau in Pink bei den Vageenas konnte am zweiten Tag überzeugen. Überraschend gut waren auch The Meffs. Die Bühnenshow dieser Frau und ihre musikalischen Fähigkeiten waren atemberaubend. Ich fand natürlich auch die Männer gut, z.B. die schnuckeligen Jungs von Detlef. Aber der Reihe nach…

Am Donnerstag habe ich mir nach den Dummy Toys und Resitenz 32 noch Gum Bleed, auch eine chinesische Band, The pissed ones, The Venus shells und Berlin Blackouts angeschaut und fand sie alle recht ordentlich. Ansonsten ist ja der erste Tag immer traditionsgemäß der, an dem ordentlich Alkohol konsumiert wird und einige Details bleiben deswegen auch ein wenig im Nebel. Freitag nach dem Ausnüchtern und dem Frühstück ging es dann ins Waldbad. Dort lief gerade die Punkrock-Karaoke von P.I.Y., was durchaus unterhaltsam war. Die erste Band auf der großen Bühne waren dann die Vageenas und für nachmittags räumten die, wie erwähnt, ganz schön ab. Und Babette Clone füllte mit ihrer Energie auch die ganze große Bühne aus. Cyanide Pills waren im Zelt und auch ganz nett. Da spielten dann auch kurz danach The Meffs, die unglaublich stark waren. Sie spielt ihre Gitarre, mal wie einen Bass, mal virtuos als E-Gitarre und mal den fetten Rhythmus und dabei hopst mit ihrer sympathischen Art lustig auf der Bühne herum. Dazu kommt nur ein Schlagzeug und das reicht auch aus für diese richtig gute, abwechslungsreiche Punk-Musik. In Sachen Publikum-Animieren, war sie tatsächlich auch die Beste. Es war eine super Stimmung und das Publikum hat getobt. Danach waren The Casualties auf der großen Bühne dran. Klar, dass die alten Hasen mit ihren Hymnen das Publikum mitreißen können. Das war erwartungsgemäß natürlich richtig gut. Der Sänger hat dann irgendwann einen kleinen Jungen auf die Bühne geholt. Der sah fast genauso aus wie er, gleiches Styling mit Iro und allem Drum und Dran. Der Sänger hat sich so gefreut, als er sein kleines Double entdeckt hat und ihn dann auch wunderbar in seine Show integriert. In Sachen Kinderbetreuung war das Back to Future wie auch das Ruhrpott Rodeo wirklich richtig gut. Es gab sogar Beschäftigungsangebote für die Kids. Ich war allerdings ohne Kind am Start und dadurch etwas freier und ungehemmter. Und das war auch gut so, denn nach den Casualties kam Noi!se… Die Band aus den U.S.A. war das erste Mal in Deutschland und wohl eher skeptisch, wie es hier wohl sein wird. Aber ich bin mir sicher, nach diesem Auftritt werden sie auf jeden Fall wiederkommen. Für mich war diese Band auch vorher schon das absolute Highlight. Und meine Vorfreude wurde nicht enttäuscht. Es war so schön. Da wurde ein Hit nach dem anderen gespielt. Ich war auch nicht die Einzige, die diese Band unglaublich stark fand. Die Fans haben sie total gefeiert, es wurde mitgesungen und fleißig gepogt. Ich war mittendrin und als sie “Liam“ gespielt haben, habe ich geheult. Das ist tatsächlich Punkmusik, die ans Herz geht. Es ist kein klassischer Oi, den sie spielen, eher eine Art Streetpunk, für mich persönlich etwas ganz Besonderes. Und man hat es ihnen angemerkt, die Jungs von Noi!se waren wirklich überrascht und haben sich riesig über dieses starke Echo aus dem Publikum gefreut.

Auf dem Zeltplatz habe ich noch eine Ein-Mann-Punkband entdeckt, die u.a. auch Die Kassierer nachgespielt hat. Der Mann (Gordon E. Mulle) hatte keinen Drumcomputer, so wie ich. Er hatte tatsächlich ein kleines Schlagzeug und dazu hat er gleichzeitig Gitarre gespielt. Bei einigen Liedern hat auch eine Frau mitgesungen. Ich fand die richtig Klasse diese Mini-Band. Am Freitag habe ich dann nicht mehr alle Bands gesehen. Das ist wohl auch nur mit sehr viel Ehrgeiz und Durchhaltevermögen zu schaffen. Die Undertones habe ich mir gegönnt, weil man sie ja mal gesehen haben muss. Turbostaat war nicht so meins. Das ist mit zu intellektuell und reißt mich musikalisch nicht wirklich vom Hocker. The Selecter haben mich mit ihrem äußerst langweiligem Ska ziemlich enttäuscht und es zog sich sehr lange hin, bis zur nächsten Band. Pisse hatte ich eigentlich gut in Erinnerung. Die konnten mich aber auch nicht so überzeugen. Irgendwie hörten sich die Songs dann doch immer gleich an, außer die, die so ein wenig an Fliehende Stürme erinnern. Die waren ganz OK. Vielleicht war ich aber auch nur zu müde und die Wartezeit bis 2:10 Uhr (!) wo endlich Kotzreiz spielten sollte, war zu lang. Diese Band wollte ich aber unbedingt sehen. Tja, und Kotzreiz liefern halt auch früh halb drei. Das ist ordentlicher deutschsprachiger Punk: eingängig, mitreißend und ohne zu viel Klamauk. Das Zelt war brechend voll und es ging so richtig die Post ab, auch zu so später Stunde noch.

Am nächsten Tag mussten Detlef unverdient auf der kleinen Bühne im Waldbad spielen, machten aber das Beste draus und heizten den Badegästen ordentlich ein. Ich stand ja letztes Jahr auch mit ihnen auf der Bühne und mochte schon bei Supernichts, der Vorgängerband, dass sie in ihren Texten eher so Alltagsthemen aufgegriffen haben und nicht solche Parolenschreier sind wie andere Deutschpunkbands. Auf den letzten Platten sind auch Texte drauf, mit denen ich mich außerordentlich gut identifizieren kann z.B. “Der gute Mensch“ das Lied, welches jetzt der Soundtrack für meine Oberkörperfrei-Seite ist.

Die Rumkicks habe ich leider verpasst. Aber die Südkoreaner sind auch mehr was fürs Auge und gesehen habe ich sie ja noch auf dem Platz, wo sie den Rest des Festivals unterwegs waren. Die Punkroiber aus Erfurt hatten ein Heimspiel, denn alles was Rang und Namen hat aus der Erfurter Gegend fand sich vor der Bühne im Zelt ein. Und das waren nicht wenige. Auf der großen Bühne waren dann die Schooldrugs aus den U.S.A.. Die fand ich ziemlich interessant. Die Musik ist wohl am ehesten in die Hardcore-Schublade zu packen und war komplex, aber nicht nervig. Mir hat es gefallen. Dann habe ich noch bei 100 Kilo Herz reingehört, weil die ja auch überall so hochgejubelt werden. Das klang für mich allerdings eher wie ein Feine-Sahne-Fischfilet-Verschnitt, wobei das Original es besser kann. Außerdem waren die auch noch ausgesprochen politisch korrekt mit den entsprechenden Ansagen. Brauche ich ehrlich gesagt alles nicht. Hard Skin machen klassischen Oi und waren eigentlich nicht übel. Der Sänger war auch durchaus witzig und hat dann am Ende noch eine kleine Gruppe Kinder auf die Bühne geholt und mitsingen lassen, sehr sympathisch. The Briefs und Bad Nerves habe ich mir auch angeschaut und habe da auch nichts zu meckern. 7 Seconds sind ja leider ausgefallen, dafür haben Bar stool preachers gespielt. Das war auch ganz nett. Dritte Wahl finde ich sowieso gut und die Show war auch prima. Ich war allerdings schon etwas müde und habe sie nur aus der Ferne angeschaut. Der Platz vor der großen Bühne war bei diesem Headliner um Mittenacht auch richtig gut gefüllt. Bezeichnend fand ich den Song „Das regelt der Markt“.

Ja, man kann es so oder so sehen… Die Band hat jedenfalls geliefert und ich war zufrieden. Eine kleine Episode noch zu Dritte Wahl: Ein Bekannter hatte sie am frühen Nachmittag am Waldbad getroffen. Sie wollten eigentlich reingehen, aber die ältere Dame am Einlass hat sie nicht gelassen, weil sie kein Schwimmbad-Bändchen hatten. Ja, da sieht man es, die Leute im Dorf sind am Festival beteiligt, kennen aber nicht mal die großen Punkrock-Idole. Überraschend gut waren zum Schluss Blitzkid mit ihrem Horrorpunk. Diese eingängigen Melodien mit dem zweistimmigen Gesang, das hat mich tatsächlich überzeugt und es war teilweise so wild, dass es mich auch noch ein letztes Mal zum Pogo animieren konnte.  Und dann fiel es mir auch leicht auf die allerletzte Band verzichten und erschöpft vom dritten Tag des Festivals glücklich schlafen gehen. Nächstes Jahr geht es wieder zum Back to future!

Ich mag mich auch gar nicht entscheiden, ob ich das Ruhrpott Rodeo oder das Back to Future besser finde. Die Sachsen können es jedenfalls auch. Und dabei haben sie genauso wie wir in Thüringen politisch ziemlich große Probleme vor allem, wenn man auf die anstehenden Wahlen schaut. Ob sich die Mauer in den Köpfen jemals abbauen wird? Ich weiß es nicht. Ich hoffe einfach darauf, dass wir, wenn wir zusammenhalten, die Putin-Stiefellecker, Islamisten und Nazispacken gemeinsam besiegen können und den wilden Westen, zu dem auch der Osten unseres Landes seit 1991 gehört, retten können. Denn der Westen, unsere freie Welt macht solche geilen Festivals überhaupt erst möglich.

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