„Und die Räumpanzer singen: Geht doch nach Berlin wie die anderen“ – so kommentierte Bastian Pütter, Chefredakteur des Straßenmagazins Bodo, die Räumung der besetzten Schule in Essen heute Morgen auf Facebook.
Der Satz von Bastian bringt es auf den Punkt. Essen hat, wie alle Ruhrgebietsstädte, ein Problem: Die Menschen verlassen die Stadt, das Ruhrgebiet schrumpft. Und Essen hat, wie alle Ruhrgebietsstädte, einen Vorteil: Platz. Hier stehen viele Gebäude leer und für die meisten von ihnen gibt es nichts, was man als eine Vermarktungsperspektive bezeichnen könnte. Eine kluge Politik würde dafür sorgen, dass Besetzungen wie die der Bärendelle nicht nötig wären – sie würde nach Nutzern für die leerstehenden Immobilien suchen. Sie würde dafür werben, das Menschen wie die Besetzer die Häuser nutzen – und so die Stadt, das Ruhrgebiet, anziehend machen für diejenigen, die Ideen haben. Aber so denken Ruhrgebietspolitiker nicht – anstatt die vorhandenen Möglichkeiten zu nutzen, eigene Ideen zu entwickeln und neue Wege zu gehen, schnorren sie bei jeder Gelegenheit Fördermittel – etwas anderes kennen, etwas anderen können die meisten von ihnen nicht. Das Elend dieser Politik haben wir heute Morgen wieder in Essen bei der Räumung der Bärendelle gesehen. Ja, Bastian hat Recht: „Und die Räumpanzer singen: Geht doch nach Berlin wie die anderen“
ein prof der uni dortmund meinte vor einigen jahren zum seminar: „in 20 jahren werden im ruhrgebiet nur noch alte und behinderte leben, die junge, gut ausgebildete elite wird die region verlassen.“ so in etwa. nun ja, dann wird der pott vielleicht zu einem testgelände für maßnahmen zum umgang mit dem demografischen wandel werden. platz ist ja genug und die verantwortlichen werden dann sicherlich wieder mit vielen guten ideen anrücken..
Zunächst mal: Ich stimme zu was die Engstirnigkeit der Politiker angeht und sympathisiere mit Leuten, die andere Ideen haben, wie die Besetzer der Bärendelle.
Das permanente Schlechtreden und plakative Finden jedes Haars in der Suppe der Strukturen des Ruhrgebiets möchte ich aber nicht mitmachen!
Viele Probleme sind nach wie vor da, wer aber auch mal ein bißchen den Kopf hebt oder unter die Oberfläche schaut, wird erkennen, dass auch viel geht / vorangeht, ob durch „konventionelle“ Maßnahmen einiger engagierter, verantwortungsvoller Politiker und Unternehmer, oder auch durch eigenständige Initiativen der Menschen. Ich denke, die Autoren und Leser der Ruhrbarone wissen das auch.
Auch ein Herr Wowereit fischt überall nach Fördergeldern für seine marode Stadt, an der ja – Kreuzberg, Friedrichshain und die üblichen Touri- und Glamour-Orte, auch keiner etwas positiv findet. Und auch in Kreuzberg ließen Stadt und Hauseigentümer gerne besetzte Häuser räumen.
Die Frage ist: Was wollen wir für das Ruhrgebiet? Wollen wir auch „hip“ werden bis hin zur Gentrifizierung, über die dann hier sicherlich auch wieder negativ berichtet werden würde? Da gibt es ja auch hier schon kleine Ansätze, s. Rüttenscheid, Kreuzviertel, Innenhafen, Ehrenfeld. Ist dann die jetzige Situation des weitesgehend „abgefuckten“ Zustands, bei dem einige wenige ihr kreatives Ding in Ruhe durchziehen können, nicht genau das, wonach die sich in Berlin die Finger lecken? Sobald der Hype da ist, ist es ja schon wieder vorbei. Hamburg kann ein Lied davon singen, Berlin so langsam auch. Momentan ist ja z.B. eher Leipzig gefragt.
Ist die Kreativszene überhaupt eine Lösung für eine „Stadt“ mit über 5 Millionen Einwohnern, deren Entwicklung und ehemaliger Reichtum auf arbeitsplatzintensiven Branchen wie Industrie und Produktion basiert(e)? Branchen, in denen auch ungelernte Kräfte riesige Löhne nach heutigen Maßstäben verdienten, und die sich jetzt aus der gesamten westlichen Welt zurückzieht. Sollen 5 Millionen bald in der Kreativwirtschaft arbeiten oder als IT-Fachkräfte etc.? Das schaffen noch nicht einmal die Hipster in Friedrichshain, die auch nur größtenteils in die Arbeitslosigkeit binnenmigrieren.
Der „Erfolg“ Berlins, als Beispiel, fusst nicht direkt auf Leute, die für „Lutsche“ dort kreativ sein durften oder dürfen. Für sich bringt das, wenn man ehrlich ist, wirtschaftlich nichts und somit wäre der hier kritisierte Ansatz der Fördergelder oder des Kreativraums, der auch Einnahmen ausspuckt, sinnvoller. Der Erfolg Berlins fusst auf durch die Kreativszene angelocktes Geld – ein Umstand, der, wie gesagt, in der Gentrifizierung einer Gesellschaft endet / enden kann. Ich persönlich lehne das ab und solidarisiere mich mit Menschen, die sich dagegen, wie die alten Bewohner Berlins.
Es geht ja nicht nur um eine „Kreativszene“, die den Laden schon richten wird, sondern um selbstorganisierte Möglichkeiten sein Leben zu gestalten. Dazu muss man nicht sonderlich „kreativ“ sein, es würde schon reichen, an der Entfaltung einfach nicht gehindert zu werden. Aber die Verwalter des Ruhrgebiets scheinen allesamt die größten Erbsenzähler unter der Sonne zu sein …
@Ötte M: Ich kann mir auch Stadtteilgruppen, Handwerker, Kleingewerbler und noch viel mehr vorstellen – das Ruhrgebiet hat Raum für vieles und er wird nicht genutzt.
@Stefan & Antifa: Ja, ich weiß und sehe ich ganz genauso. Ich erwische mich nur leider auch immer bei den, ganz selbstkritischen, Gedanken, die ich eigentlich nicht haben möchte, wie das alles erstens Massenarbeitslosigkeit beseitigen soll und zweitens etwas in die leeren Kassen spült, wenn der Raum einfach umsonst besetzt wird. Wobei ich das, wie gesagt, toll finden würde.
Ich denke da müssen Formen von Kompromissen geschaffen werden. Natürlich sind in erster Linie die engstirnigen Politiker dabei am Anzug sich zu ändern (und ich sehe auch, hier und dort, wenige Ausnahmen, dass eine neue Generation langsam kommt, die dazu bereit wäre. Die „Alten“ sind da einfach in ihrem Denken anders sozialisiert worden in blühenden Zeiten). Lösungen könnten sein, dass die Politik sagt: „Wir investieren etwas, geben euch Raum umsonst, sorgen für evtl. nötige Renovierungen, dass wenigstens Wasser, Strom und Heizung da ist, ihr macht den Rest und dann gucken wir mal was in ein paar Jahren aus eure Ideen geworden ist und verhandeln dann vernünftig neu.“ Oder die interessierten Kreativen, Kleingewerbler etc. sagen: „Ja, wir wollen den Raum, wir wollen hier was aufbauen und zahlen auch eine kleine Miete, um hier einen Standort zu haben.“ Das könnte z.B. in Co-Working-Räumen noch günstiger (günstiger als Berlin je war) passieren.
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