Bahnen auf dem Abstellgleis

stadtbahn_dortmundGroße Teile der Infrastruktur im schienengebundenen öffentlichen Straßenpersonenverkehr (ÖSPV) haben ihre wirtschaftliche Nutzungsdauer erreicht beziehungsweise überschritten. Unser Gastautor Frank Heidenreich ist CDU-Ratsherr in Duisburg und Mitglied des VRR-Verwaltungsrates.

Diese Infrastruktur im ÖSPV wurde Anfang der 70er Jahre aus Mitteln des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) geschaffen und betrifft Straßen- und U-Bahnen der kommunalen Verkehrsunternehmen. Als Neuinvestitionen wurden die Schienenwege aus Bundes- und Landesfinanzierungsprogrammen mit bis zu 90 Prozent gefördert. Der Erhalt der Gleisanlagen ist von Bund und Ländern allerdings weitestgehend aus Förderprogrammen ausgeklammert worden. Die Kommunen wurden mit der Bestandspflege allein gelassen und leiden zudem unter teils selbstverschuldeten Prestigeobjekten, die für die Städte die Situation noch einmal verschärfen. Auf sich alleine gestellt, können die Kommunen die anstehenden Bestandsinvestitionen in die wichtige Infrastruktur nicht stemmen.

Eine weitere Lücke bei der Finanzierung der Bestandspflege klafft im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV). Die Förderung des Neu- oder Ausbaus von SPNV-Infrastruktur erfolgt unter anderem aus Mitteln nach dem Regionalisierungsgesetz des Bundes – die öffentliche Finanzierung ist über die so genannten Regionalisierungsmittel geregelt. Doch die Entwicklung der Infrastrukturentgelte für den SPNV in den vergangenen Jahren hat eine erhebliche Schieflage entstehen lassen. Während die Regionalisierungsmittel bundesweit zwischen 2000 und 2011 nur um gut fünf Prozent gestiegen sind, haben sich die Trassen- und Stationspreise um fast 40 Prozent verteuert und machen mittlerweile gut 50 Prozent der Gesamtkosten aus. Die Deutsche Bahn hat gleichzeitig über ihre Sparten „DB Netz“ und „DB Station und Service“ die daraus resultierenden Gewinne nicht in angemessener und ausreichender Weise in den Netzausbau und Netzerhalt reinvestiert.

Diese Versäumnisse der Deutschen Bahn kann man heute unter anderem an den bestehenden Engpässen im Schienenbereich des Rhein-Ruhr-Korridors ablesen. Die infrastrukturellen Defizite führen zu zahlreichen und oft überproportional starken Verspätungen. Es herrscht eine dauerhafte Überlastung des Systems durch parallel fahrende Fern-, Güter-, und Nahverkehrszüge; übrigens gilt dies auch für die Systeme der Straßen- und Wasserwege. In allen Bereichen des öffentlichen Personennahverkehrs besteht dringender Investitionsbedarf. Dabei sollte die Priorität eindeutig auf der Ertüchtigung der bestehenden Infrastruktur liegen. Über neue Projekte kann nur dort nachgedacht werden, wo bei überschaubaren Kosten hohe Effekte erzielt werden können, beispielsweise in der Auflösung von Engpässen und Knoten.

Das Ausmaß der bestehenden Problematik hat die Von der Daehre-Kommission festgehalten. Sie hat für alle Verkehrsinfrastrukturen (Straße, Schiene, Wasser) eine deutliche Unterfinanzierung festgestellt. Die Kommission schätzt den Gesamtfinanzierungsbedarf auf mindestens 7,2 Milliarden Euro pro Jahr. Für die für den ÖPNV maßgebliche Infrastruktur ergibt sich demnach ein Defizit von 1,4 Milliarden pro Jahr bei der Schiene (SPNV) und 0,6 Milliarden Euro pro Jahr beim kommunalen ÖSPV.

Das bedeutet, es werden zwei Milliarden Euro nur für den reinen Bestandserhalt im öffentlichen Verkehr benötigt, darin ist kein einziger Euro für Neuinvestitionen sowie eventuell verschärfte Brandschutzbestimmungen enthalten.

Die kommunalen Haushalte und Verkehrsunternehmen sind aber nach Schätzung weiterer Gutachten nur in der Lage,  rund ein Viertel der berechneten Kosten zur Bestandspflege aus eigenen Mitteln zu tragen. Die Daehre-Kommission, wie auch die Bodewig-Kommission haben deshalb einen umfassenden Finanzierungsvorschlag zur Beseitigung dieser Unterfinanzierung in der Verkehrsinfrastruktur vorgelegt. Kerngedanke des Konzeptes ist die Schaffung eines haushaltsunabhängigen Fonds zur Bestandspflege. Dies ist ein richtiger Vorschlag, denn nur ein haushaltsunabhängiger Fonds sichert Stetigkeit und Verlässlichkeit.

Auch die Deutsche Bahn und ihr Vorstand Dr. Rüdiger Grube wollen einen solchen Fonds. Grube hat angeboten, den Fonds mit den Konzerngewinnen der DB zu füllen. Bund und Länder sollen laut Grube den restlichen Anteil stemmen. An dieser Stelle sei mir die Frage erlaubt, ob die Einspeisung der DB-Konzerngewinne tatsächlich der richtige Ansatz ist. Schließlich lassen sich Konzerngewinne durch verschiedenste Stellschrauben aktiv beeinflussen, eine Konzernerweiterung würde etwa durch Zukäufe die Ausschüttung sofort minimieren. Daher muss sichergestellt werden, dass die DB mindesten ihre Einnahmen aus den Sparten „DB Netz“ und „DB Station und Service“ in den Fonds überträgt, denn genau in diesen Sparten erhält die Bahn Entgelte für die Nutzung der Infrastruktur. Rund 3,4 Milliarden Euro hat die DB im Jahr 2011 für die Trassen- und Stationsnutzung durch den Schienenpersonennahverkehr aus öffentlicher Hand erhalten. Damit fließen fast 50 Prozent der gut 7 Milliarden Euro, die der Bund jährlich als Regionalisirungsmittel, zur Finanzierung des SPNV an die Länder zahlt, direkt an die Deutsche Bahn. Dazu kommen noch die Entgelte des Fernverkehrs. Eine Ausschüttung dieser Konzerngewinne in den strukturerhaltenden Fonds macht für die Bahn also rein betriebswirtschaftlich Sinn. Der volkswirtschaftliche Nutzen einer Reinvestition öffentlicher Mittel in den Erhalt der Infrastruktur ist jedenfalls unstrittig.

Dir gefällt vielleicht auch:

Abonnieren
Benachrichtige mich bei
5 Comments
Oldest
Newest
Inline Feedbacks
View all comments
keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
11 Jahre zuvor

Leipzig, Berlin, S21, Kanzler-U-Bahn…..

Das Geld für die Bahn und ihre Bahnhöfe ist da. Was wurden tolle Schnellbahnstrecken durch die Berge gebaut. Die Fahrzeit wurde dann natürlich direkt wieder durch Bahnhöfe im Niemandsland (Landesgrenze) aufgebraucht.

Warum ist nur die NRW-Politik nicht in der Lage, im Ruhrgebiet für eine vernünftige Infrastruktur zu sorgen? Wir sind das bevölkerungsreichste Land, aber unsere Politiker schauen immer wieder zu, wie in anderen Ländern gebaut wird.

Vor ein paar Monaten wurde doch noch das tolle Ergebnis der Bahn gefeiert. Vom Gewinn wurden hohe Gehaltssteigerungen bezahlt, weil die Mitarbeiter diesen Erfolg ja erwirtschaftet hatten. Wo blieben die Investitionen in der Infrastruktur? Wem gehört denn die Bahn? Warum reagiert die Politik nicht?

Dass das Sparen in der Substanz zu Problemen führt, sieht man jetzt überall bei der Bahn. Bei Monopolen merkt man es anfangs nicht, bei Unternehmen ist meistens nach 3 Jahren offensichtlich, dass das nicht klappt.

Aber im Ruhrgebiet wird doch weiter im Bereich Bahnverkehr neu gebaut (siehe Bochum) oder geplant (siehe Dortmund-Süd), obwohl der Bedarf mehr als zweifelhaft ist.

Irgendwann müssen wir uns auch überlegen, ob wir wirklich alle Investitionen (auch Schulen etc) nur in den Brandschutz stecken sollen. Ich persönlich schätze das Risiko bei einem Brand zu sterben deutlich geringer ein als andere Risiken die durch fehlende Investitionen entstehen. Ein Leben ohne Risiko gibt es nicht.

Björn Wilmsmann
Björn Wilmsmann
11 Jahre zuvor

Mag alles stimmen, aber warum löst der VRR nicht erstmal seine eigenen, seit Jahren bekannten Probleme? Hier geht es doch nur darum, anderen die Schuld am eigenen Versagen zuzuschieben, damit man unbehelligt auf dem eigenen bequemen Posten weiter wirtschaften kann.

Friedrich Schuster
Friedrich Schuster
11 Jahre zuvor

Welche die Probleme die DB hat, und welche auf die Bürger zukommen, wird am Beispiel der maroden Brücken deutlich: Ungefähr 25.000 Brücken hat die Bahn. Also werden diese rein rechnerisch jedes Jahr 25.000 Jahre „älter“. Brücken halten etwa 100 Jahre, etwa 7000 sind bereits älter, 1400 davon müßten dringends saniert werden, sonst drohen Steckensperrungen oder Schlimmeres.

Wenn man also rechnerisch pro Jahr 25.000 Jahre „wegsanieren“ muss, um nur den (schlechten) ist-Zustand zu halten, dann müßten 250 Brücken pro Jahr erneuert werden. Tatsächlich erneuert wird nur die Hälfte: 125 Brücken.

Wenn es so weitergeht wie bisher, dann drohen also sehr bald Streckensperrungen. Das würde bedeuten: Pendler kommen nicht zu Arbeit, der ganze Fahrplan bricht zusammen. Denn es gibt keine Reserven mehr. Das weiß auch der Vorstand der DB AG, das muss der Aufsichtsrat wissen, das müssen die Politiker wissen, und nicht erst seit gestern.

Trotzdem wird an Projekten wie Stuttgart 21 weitergebaut.

trackback

[…] Bahnen auf dem Abstellgleis (Ruhrbarone) – Nein, es geht nicht um die aktuellen Probleme mit Bergbauschäden rund um den Essener Hauptbahnhof, sondern um den ÖPNV im Ruhrgebiet an sich. […]

Frank
Frank
11 Jahre zuvor

@Björn Wilmsmann #2

100% Zustimmung. Verkehrspolitik interessiert die meisten Ratsherren und Abgeordneten nicht. Denn hier sind nur die normalen Wähler betroffen, die den Politikern nichts anzubieten haben.

Ein Herr Grube bevorzugt den Premiumdienstwagen nebst Chauffeur. Fährt er einmal selbst Bahn für einen Pressetermin, müssen die Kollegen aus der „Verkehrslenkung“ dafür sorgen, dass alles pünktlich und glatt läuft.

Herr Grube hat schon die Expansion von Daimler gegen die Wand gefahren. Jetzt expandiert er die DB mit Zukäufen von Buslinien im Ausland und dem Traum eines „deutschen ICE in London“.

Aber solange Ramsauer ihn gewähren lässt…

Werbung