Bald besseres Trinkwasser im Ruhrgebiet?

Trinkwasserbrunnen an der Ruhr: Foto: Simplicius Lizenz: GNU/FDL

Landesumweltminister Johannes Remmel will die Wasserversorger im Ruhrgebiet dazu verpflichten, die Qualität des Trinkwassers zu verbessern. Das könnte für die Städte teuer werden. Ein Ausbruch von Noroviren in Dortmund zeigt den Handlungsbedarf. 

Deutschland ist berühmt für die gute Qualität seines Trinkwassers. Im Gegensatz zu den meisten anderen Ländern der Welt kommt hier Trinkwasser aus der Leitung – ein hochwertiges, gut kontrolliertes Lebensmittel. Gewonnen wird es fast überall in Deutschland aus dem Grundwasser. Auf seinem Weg durch die Sand- und Gesteinsschichten wurde es über viele Jahre natürlich gefiltert. Oft ist das Wasser Jahrhunderte, ja manchmal tausende Jahre alt.

In Nordrhein-Westfalen ist das anders: 60 Prozent des Trinkwassers wird hier den Flüssen entnommen. Der Rhein und die Ruhr sind das Rückgrat der Trinkwasserversorgung. Doch bevor dieses Wasser in die Leitungen gelangt, muss es aufbereitet werden. Trotz aller Fortschritte der Gewässerqualität  in den vergangenen Jahrzehnten führen die Flüsse immer  noch zu viele Schadstoffe mit sich.

Die Wasserversorger in Nordrhein-Westfalen stehen vor der Aufgabe, das Flusswasser so aufzubereiten, dass es Trinkwasserqualität erreicht. Eine Aufgabe, die sie alle bewältigen. Allerdings unterschiedlich gut. Während im Rheinland und am Ober- und Unterlauf der Ruhr zum Teil seit Jahrzehnten das Wasser mit modernsten technischen und chemischen Verfahren aufbereitet wird und so eine Qualität weit oberhalb der gesetzlichen Vorschriften erreicht wird, ist die Situation in weiten Teilen des Ruhrgebiets von diesem Idealzustand weit entfernt. Der Wasserversorger Gelsenwasser und seine Partner, die vier Millionen Kunden versorgen, haben sich bislang gesträubt, die aufwendigen und kostspieligen Verfahren zur Wasseraufbereitung einzusetzen. Das Trinkwasser im mittleren und östlichen Ruhrgebiet wird oft nur der Ruhr entnommen und durch Sandfilter gepresst. Acht Stunden dauert dieses Verfahren und soll  den jahrzehnte- und jahrhundertelangen Prozess nachbilden, den das Grundwasser auf seinem Weg durch alle Schichten geht.

Das soll sich in Zukunft ändern. Landesumweltminister Johannes Remmel hat den Bericht „Reine Ruhr“ vorgestellt. Remmel will künftig dafür sorgen, dass auch im Bereich der mittleren Ruhr, im Tätigkeitsbereich von Gelsenwasser und seinen Partner- und Tochterunternehmen, das Wasser mit modernsten Methoden aufbereitet wird. „Überall in NRW werden die gesetzlichen Grundlagen  bei der Wasserversorgung eingehalten“, sagt Remmel im Gespräch mit der Welt am Sonntag „aber in Teilen des Ruhrgebiets bewegen wir uns auf einem vergleichsweise dünnen Eis. Es sind in den vergangenen Jahren neue Probleme entstanden, auf die die Wasserversorger reagieren müssen.“

Zu den neuen Problemen gehört die Belastung des Trinkwassers durch die Rückstände von Medikamenten. Die älter werdende Bevölkerung schluckt mehr Pillen – über das Abwasser gelangen die Reststoffe dann in den Wasserkreislauf. Nur mit aufwendigen Verfahren lassen sich die herausfiltern. Das gleiche gilt für Viren und Bakterien, die auch über das Trinkwasser der Bevölkerung gefährlich werden können. Auch der Norovirus, verantwortlich für zahlreiche  Durchfallerkrankungen, wurde im Ruhrwasser nachgewiesen. Nur mit modernster Technik kann er daran gehindert werden, ins Trinkwasser zu gelangen. Noroviren verursachen schwere Drurchfallerkrankungen. Aktuell ist das Virus in Dortmund ausgebrochen. Mit modernster Filtertechnik kann verhindert werden, dass das Virus aus Flüssen in den Trinkwasser gelangen kann. Es ist allerdings nicht die einzige Infektionsquelle – die Ursachen des aktuellen Ausbruchs in Dortmund sind unklar.

Dass die Wasserwerke an der Ruhr nachgerüstet werden müssen ist unstrittig. Unstrittig ist auch, dass dies schon längst hätte geschehen müssen. Gelsenwasser hätte schon vor Jahrzehnten seine Wasserwerke auf den Stand bringen können, der im Bereich des Wasserversorgers RWW in Mülheim an Ruhr seit den 70er Jahren üblich ist,. Und sowohl Remmel als auch seine Vorgänger Eckhard Uhlenberg (CDU) und Bärbel Höhn (Grüne) haben viel zu lange viel zu wenig Druck auf das Unternehmen ausgeübt.

Schon 2008 hat der Gelsenwasser Vorstand Bernhard Hörsgen in einem Gespräch mit dieser Zeitung Investitionen von 140 Millionen Euro angekündigt. Heute, fast vier Jahre später, ist davon kaum etwas umgesetzt worden. Gelsenwasser erklärt auf Anfrage „Mit dem 55 Mio. Euro teuren Projekt in Essen ist schon begonnen worden, ebenso mit der Einrichtung einer UV-Desinfektion an den Standorten Bochum-Stiepel und Wickede-Echthausen als erste Schritte der neuen Aufbereitungsstufen.“

Gelsenwasser schätzt allerdings die Kosten für die Umrüstung der Wasserwerke mit 180 Millionen Euro nun deutlich höher ein.

Geld, dass sich das Unternehmen von seinen Kunden wiederholen will. Bereits Ende 2010 erarbeitete Gelsenwasser gemeinsam mit der Bezirksregierung Arnsberg ein unterschriftsreifes Konzept inklusive einer bereist formulierten Pressemitteilung, das der Welt am Sonntag vorliegt. Danach sollte der Wasserpreis um 25 Cent den Kubikmeter steigen. Bis Ende 2012 sollte allerdings verbindlich nur das Wasserwerk Echthausen nachgerüstet werden. Sieben weitere Wasserwerke wären erst nach 2017 in den Genuss modernster Technik gekommen.

Remmel setzte dieses Konzept nicht um, das auch von einem Mitarbeiter seines Hauses mit ausgehandelt worden war. Zum einen will Remmel Gelsenwasser keine so lange Investitions-Schonzeit gewähren, zum anderen ist er mit der gewünschten Preisvorstellung einiger Wasserversorger unzufrieden: „Wir haben zahlreiche Beispiele in NRW, wo der Wasserpreis in der Folge einer Nachrüstung nicht so hoch gestiegen ist. Ich halte eine moderate Preiserhöhung im einstelligen bis niedrigen zweistelligen Cent-Bereich für realistisch, mehr ist nicht zu rechtfertigen.“

Zumindest nicht, wenn es nur um die Kosten der Wasseraufbereitung geht. Aber Gelsenwasser ist kein Unternehmen, dessen ausschließliche Aufgabe es ist, die Bürger mit  preisgünstigem und sauberem Trinkwasser zu versorgen. Das Unternehmen gehört den beiden klammen Ruhrgebietskommunen Dortmund und Bochum. Für beide Städte sind die Gelsenwasser-Einnahmen wichtig. Mit der ursprünglichen  Idee städtischer Betriebe, die sich hinter dem schillernden Begriff der „Daseinsvorsorge“ verbirgt, hat das kaum noch etwas zu tun. Nicht Service für den Bürger steht bei all den kommunalen Wasserwerken und Stromversorgern im Mittelpunkt des Interesses, sondern Gewinnabführung an die Städte.

Die rot-grüne Landesregierung hat mit ihrer Reform des kommunalen Wirtschaftsrechts diese Entwicklung noch befeuert. Seitdem dürfen die Städte bei ihrem wirtschaftlichen Engagement auch die reine Gewinnabsicht ins Zentrum rücken und sogar im Ausland aktiv werden. Mit der viel gepriesenen Daseinsvorsorge hat das alles kaum mehr zu tun.

Remmel hat nun einen offenen Konflikt mit Gelsenwasser und den mächtigen Oberbürgermeistern im Ruhrgebiet. Setzt er sich mit seinen Preisvorstellungen und der schnellen Nachrüstung der Wasserwerke durch, werden die Städte in den kommenden Jahren deutlich weniger Einnahmen aus Gelsenwasser und seinen Partnerbetrieben erzielen können. Die Konsequenz: In den Städten muss noch mehr gespart werden, die Handlungsspielräume  werden weiter schrumpfen.

Mit Unterstützung der für Gelsenwasser zuständigen Bezirksregierung in Arnsberg kann er dabei nicht rechnen. Sie hat nicht nur 2010 zusammen mit Gelsenwasser einen Vorschlag erarbeitet, der sich wie eine Wunschliste des Unternehmens liest, sondern sich auch während des PFT-Skandals und der Envio-Affäre als umweltpolitischer Bremsklotz erwiesen.

Es ist offen, ob er sich in diesem Streit, vor dem die Landesregierung jetzt steht, durchsetzen wird: Remmel, der sauberes Wasser zu vernünftigen Preise für das Ruhrgebiet will oder Gelsenwasser und die Oberbürgermeister von Dortmund und Bochum mit ihren wirtschaftlichen Interessen und ihren guten Kontakten in die SPD hinein.

Klar ist: Je länger der Streit dauert, umso länger werden weite Teile des Ruhrgebiets mit Trinkwasser in einer Qualität versorgt, die unterhalb dessen liegt, was heute technisch möglich ist. Ein Zustand, der seit Jahrzehnten anhält und den zu beenden eigentlich die Aufgabe jeder Landesregierung gewesen wäre. Eine, in der die Grünen mit am Kabinettstisch sitzen sowieso.

Der Artikel erschien in ähnlicher Version bereits in der Welt am Sonntag.

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