Billige PR, die schlichten Shitlers und der kluge Wolfgang Wendland

Wolfgang Wendland bei einer Podiumsdiskussion 2020 Foto. Roland W. Waniek


Wolfgang Wendland, der Sänger der Kassierer, ist seit vielen Jahren einer meiner besten Freunde. In den vergangenen Wochen wurden in mehreren Interviews Dinge über ihn behauptet, die nicht stimmen. Zeit für ein paar Korrekturen.

Es ist einer der ältesten PR-Tricks der Welt: Wenn man bekannt werden will, positioniert man sich gegen jemanden, der es schon ist. Der Aufstieg der Goldenen Zitronen begann in den 80ern mit der Single „Der Tag, als Thomas Anders starb“. Anders war Sänger von Modern Talking, das Stück war ein Cover des Schlagers „Der Tag, als Conny Cramer starb“ von Juliane Werding, der wiederum ein Cover von „The Night They Drove Old Dixie Down“ von The Band war. Norbert Hähnel verdankt seinen Ruhm seinem Künstlernamen und einem Rechtsstreit: Heinz Georg Kramm klagte dagegen, dass Hähnel sich „Der wahre Heino“ nannte.

Nachdem sich die Band „Die Shitlers“ nach längerer Pause wieder zusammengefunden hat, erfreuen sie sich wegen eines Stückes einer gewissen Aufmerksamkeit: Es heißt „Wolfgang Wendland“. In ihm wird Wolfgang als starrsinniger alter Mann beschrieben, der zum Beispiel noch für Kernkraft ist und nicht gemerkt hat, dass sich die Welt verändert hat. Das Video wurde bis heute 674 Mal aufgerufen. Wenn Wolfgang auf Facebook eine Bratwurst postet, bekommen das mehr Menschen mit.

Allerdings geben Mitglieder der Band Interviews, um ihre Platte und das Comeback zu bewerben und in denen geht es zu einem großen Teil mehr um Wolfgang Wendland als um ihre Musik. In den Interviews geben sich die lustigen Musikanten der Kapelle modern, aufgeschlossen, unkonventionell und auf der Höhe der Zeit. Die Interviewer haben ein ebenso schlichtes Bild von sich selbst, also versteht man sich prächtig und auf Wolfgangs Kosten. So etwas finde ich immer dümmlich und peinlich, aber wenn es um einen Freund von mir geht, werde ich dann doch ungehalten und so werde ich nun ein paar Dinge richtigstellen. Dem Bayerischen Rundfunk sagt Shitler „Songschreiber“ Martin Seeliger: „Ich fand das immer faszinierend, wie der Typ sich für diese traditionellen Sachen einsetzt. (…) Also zu sagen: Ich will am Verbrennungsmotor festhalten, ich will Atomenergie behalten, ich bin gegen Gendern. Das ist im Rahmen unserer politischen Kultur total normal. Aber ich fand das interessant, wie jemand, der immer so nonkonformistisch, gesellschaftskritisch und provokativ aufgetreten ist, jetzt so völlig systemkonforme und systemstabilisierende Sachen sagt.“

Abgesehen davon, dass systemstabilisierende „Sachen“ zu sagen nichts Schlechtes ist, wenn das zu stabilisierende System eine Demokratie ist, ist es in Deutschland nicht konformistisch, für Kernkraft einzutreten. Alle demokratischen Parteien haben in den verschiedensten Koalitionen, rot-grün, schwarz-gelb, Ampel, seit 1998 beschlossen, aus der Kernkraft auszusteigen. Auch wenn sich die Stimmung, die Bevölkerung ist da weiter und realistischer, geändert hat, bleibt schlicht die Tatsache, dass Deutschland 2023 aus der Kernkraft ausgestiegen ist. Wolfgang ist für Kernkraft, und wir haben darüber oft und lange gesprochen, weil er für eine sichere und CO2-neutrale Stromversorgung ist. Das ist auch keine überholte oder exotische Haltung und sie ist schon gar nicht reaktionär: Anfang Juli hat US-Präsident Joe Biden ein Gesetz unterschrieben, das im Kongress von Demokraten und Republikanern unterstützt wurde und einen massiven Ausbau der Kernenergie vorsieht. Die finnischen Grünen sind für Kernkraft und die britische Labour Party sowieso. Nur in Deutschland sieht es anders aus. Hier ist es nonkonformistisch, für Kernenergie zu sein. Konformistisch hingegen ist Seeliger, der auf dem reaktionären Trittin-Kurs zu sein scheint, den kluge Grüne gerne hinter sich lassen würden. Und dass Wolfgang gegen erneuerbare Energie ist, ist natürlich Unsinn: Er ist nur nachdem er sich wirklich intensiv mit Themen wie Netzstabilität und Versorgungssicherheit beschäftigt hat, zu der Erkenntnis gelangt, dass man ein Industrieland nicht zu 100 Prozent mit Windstrom und Solarenergie versorgen kann. Für Seeliger ist das eine Provokation „mit rechten Argumenten“. Genau das ist es nicht: Wolfgang hat sich mit dem Thema intensiv beschäftigt und hat eine gut begründete Meinung. Ich habe ihn in mehreren Gesprächen mit gemeinsamen Freunden erlebt, die Elektroingenieure sind und keiner von ihnen hat bezweifelt, dass Wolfgang Ahnung hat, wenn er über Energieversorgung spricht.

Wolfgang ist auch nicht gegen Elektroautos. Er will einen längeren Übergang bei der Umstellung und ist der Ansicht, dass es nicht besonders ökologisch ist, wenn der Strom für all die Teslas und ID3s aus Braunkohlekraftwerken kommt. Gestern stieß Deutschland übrigens bei jeder Kilowattstunde Strom 344 Gramm CO2 aus. In Frankreich waren es 23 Gramm.

Und das Gendern? Ja, Wolfgang ist, wie die absolute Mehrheit in diesem Land, dagegen, was Städte, Länder und den Bund nicht davon abhält, es der Bevölkerung gegen ihren Willen aufzuzwingen. Es macht Texte für Menschen, die nicht gut Deutsch können, schwerer zu lesen. Für Wolfgang gute Gründe, dagegen zu sein. Und auch das ist nicht reaktionär und hat auch nicht mit dem Alter zu tun, wie Steffen Mau und Thomas Westheuser in ihrem Buch Triggerpunkte feststellen: „Zu nahezu gleichen Anteilen sind Jüngere und Ältere offen für klimapolitische Veränderungen, sprechen sich für Akzeptanz gegenüber Transpersonen aus und verneinen, dass das Gendern ein wichtiger Beitrag zur Gleichstellung ist.“

Ich habe nichts gegen gut gemachte PR. Sie ist ein vollkommen legitimes und oft preiswertes Mittel, um sich und sein Produkt bekannt zu machen. Aber ganz so plump und dumm, wie Seeliger es auf Kosten eines Freundes von mir macht, sollte sie nicht sein.

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