Noch während Hamas massakrierte, erklärte BDS, „nur so können wir Würde erreichen“. Der Verfassungsschutz wertet die internationale Hetzkampagne gegen Israel nicht länger als bloßen Prüffall, sondern als verfassungsfeindliche Organisation. Folgt daraus etwas? Eine Anti-BDS-Klausel im Zuwendungsbescheid?
7. Oktober 2023, seit 06:29 Uhr badet Hamas in Blut, die Barbarei flutet Bildschirme weltweit, um 21:30 Uhr erklärt BDS-Deutschland, Israel habe die „ethnische Säuberung von Millionen indigener Palästinenser*innen“ – Sternchen inkl – „rücksichtslos ausgeweitet“, der jüdische Staat wolle – NS-Vergleich inkl – „die ‚Palästina-Frage‘ ein für alle Mal lösen“, man müsse dem „75jährigem Regime“ – 1948 wurde Israel gegründet – jetzt „insbesondere durch BDS-Taktiken ein Ende setzen. Nur so können wir Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und Würde erreichen“. Die Pressemitteilung stammt vom BDS-Nationalkomitees (BNC), dem Leitungsorgan der internationalen Hetzkampagne, ihm sitzt Hamas vor zusammen mit mehr als einem Dutzend weiterer Terrorbanden. Das Zusammenspiel zwischen Terror und „BDS-Taktiken“ ist passgenau, Hamas massakriert Israelis, BDS zitiert Paulo Freire, den Stammvater einer emanzipatorischen Bildungsarbeit: BDS, so hat der Verfassungsschutz NRW dieses Zusammenspiel bereits in seinem Bericht für das Jahr 2021 benannt, schaffe die Möglichkeit, mörderischen Judenhass „im gesellschaftlich tolerierten Rahmen auszuleben“.
Seit 10/7 hat sich dieser Rahmen erheblich geweitet, ein Beispiel: Vor 10/7 wäre undenkbar gewesen, dass eine Uni-Präsidentin – hier: Geraldine Rauch, TU-Berlin – antisemitische Tweets liked, in denen Israel in toto als „Kriegsverbrecher“ und Netanjahu als Nazi gezeichnet wird und dies damit erklärt, sie habe ja nun gar nicht kapiert, was sie begeistert. Derart dümmlich daddeln 13jährige, Rauch ist 42, hätte sie „rassistische, homophobe oder frauenfeindliche Posts mit einem Like versehen, wäre man sich überall – vollkommen zu Recht – einig darüber, dass eine Person in so einer herausragenden Position ihrer Vorbildfunktion nicht mehr gerecht werden könnte“, schreibt Benjamin Graumann, Vorstand der Jüdischen Gemeinde Frankfurt, und fragt: „Warum gelten bei antisemitischen Posts ganz andere Maßstäbe?“
Weil es Judenhass auch hassreduziert gibt, BDS und BDS light, es ist das neue Du darfst, du darfst daddeln, darfst dämonisieren und darfst deinen Job behalten.
Von A wie Apartheid bis Z wie Zensur
Anderes Beispiel: Jan Martens, Choreograph, möchte „den Krisenzustand durch einen rohen, rauen und wilden Tanz auf die Bühne bringen“, während er einer internationalen Öffentlichkeit erklärt, Israel betreibe seit Gründung des Staates eine „Siedler-Kolonialherrschaft“ und habe „ein einziges Apartheidsregime“ geschaffen, das „ethnische Säuberung“ betreibe; der Belgier verlangt, dass „Handels-, Wirtschafts- und Kulturbeziehungen“ mit Israel „zu kappen“ seien und drängt “Kollegen aus dem Kunstbereich“ dazu, sich seinem „Kampf für die Entkolonialisierung“ anzuschließen, schließlich sei er selber Opfer von „Unterdrückung“, weil „Regierungen in Europa“ ihm gegenüber eine „Politik der offenen Zensur“ verfolgten usw. Es ist das BDS-Programm von A wie Apartheid bis Z wie Zensur, das Martens fährt, wie es auch Laurie Anderson tut.
Für die Ruhrtriennale inszeniert Martens jetzt A wie „Alternativen für unsere“ Z wie „Zukunft“, lässt sich mithin von einer Landesregierung aushalten, von der er offen erzählt, dass sie ihn „offen zensiert“ und kriegt dies alles unter einen Hut, indem er, von diesem Blog befragt, mitteilen lässt, er erkenne das Existenzrecht Israels an, verurteile den Terror von 10/7 und sei auch persönlich „gegen jede Form von Antisemitismus“.
So geht das. BDS feiert Hamas, Martens feiert BDS, dann stellt er sich selber den Persilschein aus. In seinem gestern vorgelegten Bericht für das Jahr 2023 stuft das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) die BDS-Kampagne, der Martens folgt, als „extremistischen Verdachtsfall“ ein. Auch der Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen (VS-NRW), eine Abteilung des Innenministeriums, wertet BDS nicht länger als Prüf-, sondern als verfassungsfeindlichen Verdachtsfall. Heißt: Die ermittelnden Behörden greifen nicht allein auf öffentlich zugängliche Informationen zurück, jetzt können auch nachrichtendienstliche Methoden angewandt werden. Bestätigt sich der Verdacht, könnte BDS demnächst als „gesichert extremistisch“ eingestuft und mit Betätigungsverbot belegt werden, wie es Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) Ende letzten Jahres über den deutschen Hamas-Ableger verhängt hat und über Samidoun, die Vorfeld-Organisation der säkular-barbarischen Terrortruppe PFLP: „Das Abhalten spontaner ‚Jubelfeiern‘ hier in Deutschland in Reaktion auf die furchtbaren Terroranschläge der HAMAS gegen Israel zeigt das antisemitische, menschenverachtende Weltbild von Samidoun auf besonders widerwärtige Weise“, so Faeser im November vergangenen Jahres.
Im Jahresbericht des BfV werden diese „Jubelfeiern“ in Berlin-Neukölln als „Brückenschlag zwischen der säkularen Organisation ‚Samidoun‘ und der islamistischen HAMAS“ gewertet, ein Brückenschlag, der auf „beiderseitigem Antisemitismus“ fuße. Im Verfassungsschutzbericht des Landes NRW wiederum, der BDS im unmittelbaren Zusammenhang mit Hamas, PFLP und Samidoun anführt, werden „Kontakte“ erwähnt, die zwischen PFLP – „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ – und der Boykott-Bewegung bestünden: Israelhass als Kitt, den BDS anrührt.
Ein Kitt, der säkularen und islamistischen Terror verklebt, extremistische Szenen mit der bürgerlichen Mitte und, darauf haben die Antisemitismusforscher Lars Rensmann und Karin Stögner kürzlich in der FAZ hingewiesen, linke Hass-Propaganda mit rechtsextremer Judenfeindschaft: „Im rechtsextremen Milieu der AfD floriert die antisemitische und rassistische Verschwörungsphantasie vom ‚Großen Bevölkerungsaustausch‘ zusammen mit dem Hass gegen den jüdischen Staat“, schreiben die Passauer Professoren, die Verknüpfung von „antizionistischem mit rassistischem Vernichtungsantisemitismus“ lasse sich zurückverfolgen direkt in die NS-Ideologie hinein.
Als forme sich die alte Volksgemeinschaft neu. Wir haben das NRW-Innenministerium gefragt, was es dazu bewogen habe, BDS vom Prüf- zum Verdachtsfall hochzustufen: „Nach dem 7. Oktober“, teilte eine Sprecherin mit, habe es „vermehrte Aktivitäten“ gegeben, „dazu zählten Demonstrationen, Kundgebungen sowie die Durchführung von Seminaren“. Im Bericht des BfV liest es sich ähnlich: Nachdem der Bundestag im Mai 2019 BDS als antisemitisch erkannt hatte, sei ein „deutlich vorsichtigeres Vorgehen führender BDS-Akteure hinsichtlich extremistischer Äußerungen“ feststellbar gewesen, nach dem 7. Oktober hingegen „mobilisierten und beteiligten sich BDS-nahe Gruppierungen vielfach an israelfeindlichen Versammlungen“.
Was aber nicht die Höherstufung zum Verdachtsfall erklärt, sie muss sich inhaltlichen Positionen verdanken, die BDS vertritt. Und die viele andere vertreten, auch wenn sie sich – wie Jan Martens oder Geraldine Rauch – nicht zur BDS-Kampagne zählen, sie paddeln nur im selben Fluss. Wir haben die BDS-Positionen einmal durchdekliniert und den VS-NRW gefragt, welche ihm als verfassungsfeindlich gelten:
- die Forderung nach einem „Handels-, Wirtschafts- und Kulturboykott“
- die Anklage wegen „Siedler-Kolonialherrschaft seit 1948″
- wegen „ethnischer Säuberung“
- wegen eines „Apartheidsystems“
- wegen eines „Genozids“?
„Eindeutig problematisch“, so die Antwort, „ist vor allem die propagierte Form des kulturellen und akademischen Boykotts. Dieser zielt nicht auf einzelne konkrete politische oder wirtschaftliche Akteure, die aufgrund ihrer Unterstützung der durch die BDS-Kampagne kritisierten Zustände ausgewählt wurden. Stattdessen soll offensichtlich die israelische Gesellschaft als Ganzes getroffen werden“, so die Sprecherin des Ministeriums: „Daraus wird deutlich, dass die BDS-Akteure ihre Kritik an der Politik der israelischen Regierung generalisieren und diese auf den Staat Israel sowie auf die israelische Gesellschaft beziehen, die somit in ihrer Gesamtheit zum Ziel der BDS-Maßnahmen werden.“
Die Antwort nimmt die Unterscheidung auf, wie man sie gewöhnlich zwischen einer persönlichen und einer rassistischen Beleidigung trifft, letztere macht einen Einzelnen zum Exemplar. Interessant hier, dass diese Unterscheidung im gleichen Maß, in dem sie für Boykottforderungen gilt, auch auf die Behauptungen zutrifft, die Jan Martens aufstellt: dass Israel – die israelische Gesellschaft als Ganzes – 1948 eine „Siedler-Kolonialherrschaft“ errichtet und „ein einziges Apartheidsystem“ geschaffen habe, in dem „ethnische Säuberung“ betrieben werde. Und zumindest tendenziell trifft die Antwort des VS-NRW auch auf die Behauptung zu, die Geraldine Rauch geliket hat: dass Israel in toto als „Kriegsverbrecher“ anzusehen sei.
Sind Jan Martens und Geraldine Rauch Verfassungsfeinde?
Die Frage zeigt, dass die Unterscheidung zwischen „einzelnen Akteuren“ und einer „Gesellschaft als Ganzes“, die der VS-NRW zum Maßstab erhebt, nicht hinreicht, um Israelkritik von Israelhass zu trennen. Eine langjährige Verfassungsschützerin, die ehemalige Vizepräsidentin des BfV und jetzige Justizsenatorin von Berlin, Felor Badenberg (CDU), hat vergangene Woche im Interview mit der SZ erklärt, wie sie die von Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) vorgelegte, dann zurückgenommenen Anti-Diskriminierungsklausel rechtssicher formulieren will, nämlich mit einem simplen Zusatz im entsprechenden Paragraphen der Landeshaushaltsordnung: Keine Zuwendung erfolge, „wenn jemand verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt beziehungsweise antisemitische, rassistische oder sonstige menschenverachtende Inhalte verbreitet werden“. Ob fortan der Verfassungsschutz die Kultur- und Bildungs- und Sozialpolitik bestimme wolle, fragt ein leicht entgeisterter Ronen Steinke, das sei denn doch „ein Novum“. Nein, antwortet Badenberg und verweist auf das Gesetz zur Finanzierung politischer Stiftungen aus dem Bundeshaushalt, das die Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen, FDP, CDU und Linke im Dezember gemeinsam beschlossen haben, ihm liege derselbe Grundgedanke zugrunde: kein Staatsgeld für Verfassungsfeinde.
Hintergrund dieses Bundestagsbeschlusses, so Badenberg, deren Gutachten über die AfD 2021 die Grundlage gelegt hatte dafür, dass die Partei als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft werden konnte, „war eine Klage der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung, die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt verlangte“. Das neue Gesetz besage nun sinngemäß: „Wer nach der Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz gegen die Werte unserer Verfassung kämpft, der bekommt keine Förderung.“ Genauer: Nicht nur die Stiftung selber, die staatliche Zuwendung empfängt, muss fortan die Gewähr bieten, dass sie aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und den Gedanken der Völkerverständigung einstehe. Zur „Gesamtschau“ rechnet auch, was die ihr nahestehende Partei sagt und tut sowie das politische Umfeld, in der sich eine Stiftung bewegt (die „Prägung der politischen Grundströmung, die der Stiftung zuzuordnen ist“, so heißt dies im Gesetzestext).
Übertragen auf BDS, wird deutlich: An der Verfassung gemessen, ginge es nicht länger um abstrakt „einzelne Akteure“ und um kein abstraktes „Generalisieren“, sondern um die Frage, welche Akteure demokratisch eingebunden sind und welche nicht. Es ginge nicht mehr um das „Existenzrecht Israels“, das allein dadurch, dass man es immerzu bejaht, in Frage gestellt wird, sondern um das Existenzrecht, das jeder demokratische Rechtsstaat hat und Terrorstaaten nicht. Putin hat ein Existenzrecht, Putins Regime hat keines. Wie elementar diese Unterscheidung ist, hat Ivo van Hove gezeigt, Intendant der Ruhrtriennale, indem er – es ging um Jan Martens, seinen Choreographen – den Unterschied vernebelt: „Das Existenzrecht Israels muss akzeptiert werden“, hatte der Belgier erklärt, „ebenso soll das Existenzrecht der Palästinenser:innen akzeptiert werden.“ Ebenso? Das Wörtchen verschluckt, dass, gerade weil Palästinenser ein Existenzrecht haben wie jeder Mensch, „Palästina“ keines hat, solange es von Killerhorden wie Hamas besetzt ist.
Was übrigens ähnlich für die Fatah von Mahmud Abbas gilt, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde: Medienberichten zufolge waren die Al-Aqsa-Märtyrerbrigaden, Terror-Abteilung der Fatah, an den barbarischen Massakern am 7. Oktober unmittelbar beteiligt, Anfang Juni hatte der Sprecher der Al-Aqsa-Brigaden mitgeteilt, sie hätten selber „viele Zionisten“ verschleppt, von denen sich „manche noch in unseren Händen befinden“.
4 Fragen
Sitzen die Verfassungsschützer also bald in den Kulturbüros? Nein, weil Leute, die BDS light propagieren, dies alle Welt wissen lassen, sie hassen nicht heimlich zuhause. Wer Kultur veranstaltet, für den ist es deutlich schwieriger, Akteure zu vermeiden, die – um auf Benjamin Graumanns Aufzählung zurückzukommen – „rassistische, homophobe oder frauenfeindliche“ Positionen vertreten, und doch geschieht dies Tag für Tag, obwohl es rassistisches, homophobes und frauenfeindliches Denken die Menge gibt: Man könne keine „Gesinnungsprüfungen“ vornehmen, jammert die „Initiative Weltoffenheit“ seit Jahren und tut dies mit größter Selbstverständlichkeit. Wer ein Haus führt, weiß, wen er auf die Bühne lässt und wen nicht.
Wird BDS demnächst mit einem Betätigungsverbot belegt? Ein Satz im Jahresbericht des BfV lässt aufhorchen: „Es liegen hinreichend gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass BDS unter anderem gegen den Gedanken der Völkerverständigung verstößt.“
Was bedeutete ein BDS-Verbot für BDS-Unterstützer? Sie hätten die freie Wahl. Die von BDS selber aufgeführten „Unterstützer-Gruppen“ in NRW sind:
- die BDS-Gruppe Bonn
- das „Palästina Portal“ von Erhard Arendt, Dortmund
- der Frauenverband Courage Essen e.V.
- die Initiative FrauenWegeNahost Bonn-Köln
- die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft (DPG), aus deren Beirat der Bochumer Bundestagsabgeordnete Olaf in der Beek (FDP) bereits 2020 ausgetreten ist – Grund: DPG unterstützt BDS – , der Bundesvorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, folgte in der Beek später nach, der Beiratssitz der CDU/CSU war eh seit langem vakant, für die Jahrestagung jetzt im Juni hat sich Meron Mendel als Vortragsredner einladen lassen
- sowie der Deutscher Freidenker-Verband mit seinem Landesverband NRW, der sich wiederholt von Leon Wystrychowski vortragen ließ, dem Chefideologen der von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) unlängst verbotenen „Palästina-Solidarität Duisburg“
Was bedeutete ein BDS-Verbot für BDS-Sympathisanten wie Jan Martens? Gegenfrage von Noam Petri: „Dialog mit Hamas-Sympathisanten?“, seine Antwort: „Hurra, wir kapitulieren!“ Tanztheater mit BDS-Sympathisanten? Hurra, wir applaudieren?