Wie tickt Frau v. Storch? Was treibt sie an, was denkt sie wirklich? Wer sich für solche Spekulationen interessiert, ist beim Podcast Jung & Naiv nicht falsch. Das Konzept: Thilo Jung lädt (durchaus namhafte) Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens zu ausführlichen Interviews ein. Diese Gespräche finden in einer freundlichen Atmosphäre statt. Man duzt sich grundsätzlich. Die Fragen sind nicht konfrontativ, sondern naiv, harmlos erscheinend wie bei Columbo. Zwar fällt Jung immer wieder mal aus dieser Rolle heraus und besitzt nicht unbedingt die Brillanz, seine Gesprächspartner damit konsequent aufs Glatteis zu führen. Doch eignen sich diese Interviews durchaus, um ein besseres Bild von der Person zu bekommen, als dies in Talkshows oder schärfer geführten Gesprächen der Fall ist. Es gibt auch persönliche Fragen und der Gast hat den Raum, seine Ansichten in Ruhe darzulegen, ohne in Beißreflexe oder Verteidigungsreden verfallen zu müssen.
Nun also Beatrix von Storch. Meine erste Begegnung mit dieser Frau war ein Zusammenschnitt in der Heute Show, wo sie minutenlang immer nur „Deutschland“ keifte. Später erfuhr man, dass sie die Enkelin von Hitlers Finanzminister ist, und auf die Frage, ob sie an der Grenze auf Frauen und Kindern schießen lassen wollte, antwortete sie mit „ja“. Witze beziehen sich meistens auf ihr Äußeres.
Soweit meine Vorstellungen und Vorurteile. Wie stellt sich Frau v. Storch also bei Thilo Jung dar? Sie keift nicht, sie wirkt eigentlich wie ein ganz normaler Mensch. Sie klingt ganz ähnlich wie Frauke Petry: freundlich und besonnen (wer hat das von wem gelernt?). Bei besonders kontroversen Ansichten sagt sie immer „wir“, vermutlich unbewusst, um sich etwas Beistand zu holen. Sie sagt nicht, dass jemand erschossen werden soll.
Es gibt ein Thema, auf welches das Gespräch mehrfach hinführt und bei dem sie besonders engagiert wirkt. Sie nennt es die „Freiheit des Menschen“ oder auch: „Der Mensch ist kein Sklave“. Dabei geht es ihr vor allem um Geld. Wieviele Steuern darf der Staat einem wegnehmen? Wem gehört mein Geld nach meinem Tod? Neid und Neiddebatte sind Schlagworte, die immer wieder fallen – wie bei allen Menschen, die privilegiert sind und sich dafür rechtfertigen wollen.
Natürlich kann so ein Interview keine tiefenpsychologische Anamnese ersetzen. Was sie wirklich denkt und bewegt, bleibt uns verborgen. Aber ich will trotzdem laut darüber nachdenken, was es sein könnte, das diese Frau in die Politik treibt. Wer sich derart exponiert wie Frau v. Storch wird sich solche Spekulationen gefallen lassen müssen.
Die Fragen zu ihrer adligen Herkunft lässt Beatrix mit geübtem Understatement abprallen. Natürlich hat sie gelernt, sich darauf nichts einzubilden oder das mindestens nicht zu zeigen. Und zu sagen, dass das doch keine Rolle spielt, wäre ja auch nicht falsch, wenn nicht diese Geschichte von ihrem Großvater im Raum stünde. Es wäre eine gute Gelegenheit, sich vom Nazitum, das man ihr und der ganzen AfD vorwirft, zu distanzieren.
Sie distanziert sich nicht und vieles spricht dafür, dass ihre Herkunft für sie eben doch eine große Bedeutung hat. Sie ist ja auch anfänglich mit genau dieser Thematik in die Politik gekommen. Denn die ersten Initiativen, die sie mit ihrem Ehemann gründete, forderten Wiedergutmachung für die Vertreibungen und Enteignungen ehemaliger Grundbesitzer im Osten. Es ging also von Anfang an darum, sein (nicht mehr) geerbtes Eigentum zurück zu bekommen.
Weniger der Hass auf Ausländer scheint Storchs zentrales Thema zu sein, als die Aversion gegen Leute, die einem etwas wegnehmen wollen, die sich einmischen wollen, einem etwas vorschreiben wollen. Leute, die die bestehende Ordnung ins Chaos stürzen wollen.
Beim Thema Flüchtlinge zeigt sich Storch brutal, ja menschenverachtend. Sie wirkt aber nicht hasserfüllt und sie legt ihre Ansichten ruhig und vernünftig dar. Leider lenkt Jung sie nicht auf die „Islamisierung“. Hier wäre vielleicht klarer geworden, ob sie tatsächlich nur nach einer pragmatischen Lösung der Migrationsfragen sucht – wie sie behauptet – oder ob diffuse Ängste vorm Fremden leitend sind. Man fragt sich ja bei den AfD-Menschen immer, ob sie in Wirklichkeit richtige, überzeugte Nazis sind, die sich aus juristischen Gründen noch zurückhalten, oder ob sie in Wirklichkeit keine Nazis sind, die sich aber aus wahltaktischen Gründen nicht klarer distanzieren. In diesem Interview finden sich keine Hinweise darauf, dass Frau v. Storch zur ersten Fraktion gehört.
Geradezu rührend wird es beim Thema Klimawandel, wo Storch sich von wissenschaftlichem Denken vollständig distanziert. Wenn sogar die Natur einen zwingen will, seinen Lebensstil zu ändern, dann muss man eben Fakten überwinden, um sein Weltbild zu bewahren. Auffallend oft sagt sie: „das Atmen verbieten“, womit deutlich wird, dass es ihr vor allem darum geht, eine Bevormundung von sich zu weisen. Ihr das Atmen zu verbieten ist die Steigerung dessen, was die Chaoten tun, wenn sie auf andere moralische Widersprüche hinweisen. Erst nehmen sie einem das Land weg, dann das Auto und schließlich die Luft.
Da passt es auch ins Bild, dass für Frau v. Storch zu viel sexuelle Freiheit unangenehm konnotiert ist. Sie ist gegen Abtreibung. Aber mit dem konkreten Beispiel einer Schwangerschaft nach Vergewaltigung konfrontiert, kommt sie in ernste Schwierigkeiten, sagt – durchaus menschlich – dass solche Grenzfälle schwierig sind. Ihr Thema sind nicht die Grenzfälle, ihr Thema ist der leichtfertige Umgang mit Sexualität. Wenn man einfach abtreiben kann, kann man auch leichter herumvögeln. Sie sagt, dass es ihr um den Schutz des Lebens geht, aber es ist naheliegend, dass die sexuelle Freizügigkeit, die damit einhergeht, sie unbewusst viel mehr stört. Denn gleich danach verweist sie darauf, wie unangenehm ihr Plakate sind, auf denen Mach’s – Aber mach’s mit Kondom! steht. Dass Kinder „ständig dazu aufgefordert werden, Sex zu haben“. Sie ist schon für Aufklärung, aber nur ein bisschen. Vielleicht kann man das mit den Kindern ja wieder per Storch erläutern.
Wie kommt es zu dieser Haltung? Ich spekuliere. Mit der Abschaffung des Adels ist das ehemalige Privileg eines ererbten Standes auf etwas anderes übergegangen: auf Leistung, Bildung und Eigentum. Das setzt psychologische Mechanismen in Gang, die über Generationen in einer Familie tradiert werden. Der drohende Selbstwertverlust wird dadurch abgewehrt, dass man, wenn schon nicht herrschend, so doch wenigstens reich, einflussreich und gebildet ist. Das ist ein übliches Muster, zu dem auch passt, wie Frau v. Storch ihren Werdegang schildert. Ihr Vater drängte sie zunächst zu einer Lehre als Bankkauffrau, damit sie abgesichert und er sie „los“ ist. Er finanzierte ihr zwar das Studium, hielt sie aber knapp, wie sie erzählt. Sie musste nebenher arbeiten, um sich ein Telefon und ein WG-Zimmer leisten zu können. Das ist nur vordergründig ein Widerspruch zur höheren Tochter aus besten Verhältnissen, wenn man davon ausgeht, dass Beatrix eine sittenstrenge, auf Disziplin und Leistung ausgerichtete Erziehung genossen hat. Der Nachwuchs der Elite Deutschlands wird nicht wie die Prinzessin auf der Erbse aufgezogen.
Aber warum kann sie, wenn all das zutrifft, nicht einfach als erfolgreiche Anwältin arbeiten, auf Adelshochzeiten gehen, sich mit ihresgleichen treffen und über die ungebildeten Leute aus der Politik lästern? Warum muss sie auf Demonstrationen keifen und sich wie der Plebs auf die Straße begeben? Ich möchte wetten, dass ihre Verwandtschaft dafür auf sie herabblickt.
Es ist billig, Leute nach ihrem Äußeren zu bewerten und in dem Video sieht Frau v. S. auch gar nicht so bizarr aus, wie auf ihren schlimmsten Fotos. Aber auch unabhängig von der Frage der „Schönheit“ wirkt diese Frau – ganz subjektiv – nicht wie ein Glückskind. Nicht wie jemand, dem die Dinge in den Schoß fallen, der mit sich im Reinen ist. Begibt man sich recherchehalber in die Niederungen der Tratsch-Berichterstattung, erfährt man, dass sie mit Herrn v. Storch zwar einen „adligen“ Gatten gefunden hat, durchaus aber unter dem eigentlichen Niveau für eine Herzogin von Oldenburg gelandet ist. So war ihre Cousine Tatjana bereits mit Prinz Jean von Orléans verlobt, der dieses Bündnis aber doch kurz vor der Hochzeit beendete, weil ihn die Ehe mit einer Protestantin von der Thronfolge in Frankreich ausgeschlossen hätte (was freilich auch schon eine völlig absurde Geschichte ist). Sie heiratete dann den Grafen Axel de Chavagnac, der, wie wir erfahren, auch schon recht weit oben in der Hackordnung rangiert. Tatjanas Schwester Eilika ist mit Georg Habsburg-Lothringen verheiratet, zweiter in der Thronfolge bei etwaiger Reinstallation des Österreich-Ungarischen Kaiserreiches.
Nun wird man als normaldenkender Mensch all das albern finden und zurecht sagen, dass so etwas keine Rolle spielen sollte. Natürlich argumentiert so auch Frau v. Storch im Interview, wenn sie sagt, dass sie ihren Mann aus Liebe geheiratet hat. Das soll auch gar nicht angezweifelt werden. Betrachtet man aber das Bild von der Hochzeitsgesellschaft, so beschleicht einen das Gefühl, dass die Personen allesamt nicht glücklich aussehen. Herr v. Storch macht mit seiner grünen Krawatte nicht unbedingt viel her und seine Mutter sieht geradezu normal aus, trägt auch keine Perlenkette, im Gegensatz zur Herzogin. Sie wirkt dort wie ein Fremdkörper. Es bleibt Phantasie, aber die Vorstellung, dass dieser junge Mann aus Südamerika, dessen Familie keine Güter mehr besitzt, Beatrix’ Eltern nicht genügend war, drängt sich auf. Und welchen Tonfall hatte wohl ihr Vater, als er sagte: „Nach alter deutscher Weise nimmt meine Tochter den Namen ihres Mannes an“? Fiktiver Nachtrag: auch wenn es so ein minderwertiger ist.
So bleibt der Verdacht, dass es ein Gefühl des Ungenügens ist, das Beatrix v. Storch antreibt, dass sie die ererbten Ansprüche an Eleganz und Einfluss nicht erfüllen kann. Vielleicht ja auch nicht will. Ich denke immer noch an dieses Bild. Man komme mir bitte nicht mit Lookism. Mir geht es nicht darum, wie die Leute angezogen sind oder ob sie schön sind. Mir geht es nur um die Mimik und das Bauchgefühl, das man hat, wenn man jemandem in die Augen schaut. Ein Foto kann täuschen, natürlich. Aber auch hier bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich mir ausmale, diesem Mann als Kind ausgeliefert zu sein, seine Erwartungen erfüllen zu müssen oder mich ihm stattdessen zu widersetzen. Vielleicht konnte Frau von Storch nicht, vielleicht wollte sie nicht – aber wenn sie nicht wollte, so hat sie sich nur halbherzig losgesagt und ist offenkundig kein Punk geworden. Sie ist kein Glückskind, das Schicksal meint es nicht gut mit ihr (behaupte ich, sie würde das sicher bestreiten). Und so sucht sie nach Schuldigen, die für das Chaos verantwortlich sind. Politiker, die uns das Geld wegnehmen. Linke, die uns unseren Lebensstil wegnehmen. Fremde, die unsere Kultur gefährden.
Leute, die man besser kennenlernt, sind eigentlich immer ganz nett. Das ist jedenfalls meine Erfahrung. Auch Frau v. Storch löst bei mir eher Mitgefühl als Wut aus, nach diesem ausführlichen Gespräch. Käme sie an die Macht – die Menschen, die an der Grenze erschossen würden oder in Libyschen Lagern verhungerten, sähen das sicher anders.