Beck gegen die Beckmesser

Bild: YouTube (Screenshot)

Deutsche Politiker mit dem Namen Beck. Die SPD hat ihren Kurt, liebevoll auch gern „König Kurt“ genannt. Die Grünen haben ihren Volker, aber auch ihre Marieluise. Und die CDU hat ihren Ernst-Reinhard. Wie bitte?! Den kennen Sie gar nicht. Das sollten Sie aber. Immerhin ist Ernst-Reinhard Beck verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, außerdem noch Präsident des Verbands der Reservisten der Deutschen Bundeswehr e. V. Ehemaliger, um genau zu sein, inzwischen ist er Ehrenpräsident dieses Verbandes. Er ist Vorsitzender des Kuratoriums der Bundeszentrale für politische Bildung – Respekt! – und Mitglied des Kuratoriums der Aktion Gemeinsinn.
Okay, man kann nicht alles wissen. Merken wir uns einfach: Ernst-Reinhard Beck ist CDU-Verteidigungspolitiker und als langjährige große Nummer des Reservistenverbandes …, sagen wir es mal so: ein Freund der Bundeswehr. Als solcher hat er es freilich – mehr als viele Andere – mit Beckmessern zu tun. Sie werden doch, nachdem Sie schon bei Ernst-Reinhard Beck passen mussten, zumindest wissen, was Beckmesser sind. Oder?! – Also schön, Wikipedia: „Ein Beckmesser ist ein kleinlicher, pedantischer Kritiker … Der Begriff der Beckmesserei gilt bis heute als Metapher für beflissene und engstirnige Regelgläubigkeit.“ Schlimm, diese Spießer! Aber nicht mit Ernst-Reinhard Beck. Beck gegen die Beckmesser.

Pressemitteilung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vom 9. Juni 2011, der verteidigungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ernst-Reinhard Beck, erklärt: „Die Geschehnisse beim Tag der offenen Tür in der General-Konrad-Kaserne in Bad Reichenhall dürfen nicht skandalisiert werden. Auch die Staatsanwaltschaft Traunstein sieht in den Geschehnissen keine Anhaltspunkte für eine Straftat und leitet kein Ermittlungsverfahren ein. Die absurden Vorwürfe von Volksverhetzung und Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz sind damit vom Tisch.“
Also, falls Sie auch dies nicht mitbekommen haben sollten, es war so: am 28. Mai hatten die Gebirgsjäger in Bad Reichenhall ihren Tag der offenen Tür. Werbung für die Bundeswehr wird doch gerade in diesen Zeiten immer wichtiger. Nun mag es sein, dass es bei diesem „bei allen Teilnehmern beliebten Tag der offenen Tür“ (Beck) hier und da einmal zu kleineren Unregelmäßigkeiten gekommen sein könnte. Weiter aus der Presseerklärung: „Unter Umständen sind Vorschriften der Bundeswehr zu Veranstaltungen mit Öffentlichkeitswirkung verletzt worden. Um einen Skandal handelt es sich aber nicht.“
Ernst-Reinhard Beck hat gesprochen. Gegen diese elende Beckmesserei, diese pedantische und engstirnige Regelgläubigkeit. Na klar, es entspricht nicht den Vorschriften, wenn kleine Jungs mit einem MG3 rumhantieren. Aber wäre der Tag der offenen Tür bei allen Teilnehmern auch so beliebt, wenn man 10-jährigen Kindern verwehren würde, das Standardmaschinengewehr der Bundeswehr nur mal so in die Hand zu nehmen?
Jetzt wollen einige Oppositionspolitiker der ganzen Sache „im Nachhinein das Schild einer skandalträchtigen Veranstaltung verpassen“, sagt Beck. So etwas kann schlimme Folgen haben; denn es „schädigt das Vertrauen unserer Soldaten in Politik und Medien“. Wer ein MG3 in der Hand hat, will auch ballern. Sonst macht das alles keinen Spaß.
Es sei Krieg gespielt worden, heißt es fast überall in den Medien. Nun gut, die Gebirgsjäger haben Mitrovica en miniature nachgebaut. Mitrovica ist eine Stadt im Kosovo – kein „Dorf“, wie es mitunter irrtümlich heißt; denn Mitrovica hat mehr als 100.000 Einwohner. Und die Gebirgsjäger aus Bad Reichenhall sind im Kosovo stationiert, auch in Mitrovica. Damit alles schön echt aussieht, hat die Bundeswehr-Eliteeinheit nicht nur die Stadt so gut es ging nachgebaut, sondern davor noch Ortsschilder aufgestellt, auf denen „Klein-Mitrovica“ zu lesen stand. Und dann durften die jungen Besucher mit dem MG3 auf Klein-Mitrovica schießen und Panzerfäuste mit echten Zielerfassungssystemen ins Modellwohngebiet abfeuern. Und das Beste von allem: damit es auch wirklich echt rüberkommt, stieg nach dem Beschuss Qualm aus den Modellhäusern auf.
Ja, unsere Elitesoldaten haben sich für unsere Kleinen richtig Mühe gegeben. Ein unvergessenes Erlebnis! Wichtig in diesen Zeiten, in denen so vieles allzu schnell vergessen wird. Die Süddeutsche erinnert: „Im Zweiten Weltkrieg waren Gebirgsjäger in der kosovarischen Stadt Mitrovica an einem Massaker an Einheimischen beteiligt.“ Gebirgsjäger aus Bad Reichenhall, versteht sich. Sie mordeten damals mit dem M42, einem fast baugleichen Vorgängermodell des M3.
Noch einmal die Süddeutsche zu Mitrovica: „Gemeint ist die 107.000-Einwohner-Stadt im Norden des Kosovo. Sie und Reichenhall verbindet Geschichte: Die 1. Gebirgs-Division der Wehrmacht, auch Soldaten aus Reichenhall, waren in Mitrovica während des Zweiten Weltkrieges gegen Partisanen eingesetzt; dort wurde auch eine Art Konzentrationslager errichtet.“
Die vermeintlich so geschichtsvergessene Eliteeinheit aus Bad Reichenhall hat die bayrischen Buben nicht einfach „Krieg spielen“ lassen, wie es in den Medien heißt. Es wurde kein KZ nachgebaut, wohl wahr. Doch nennt man es einfach nur „Krieg“, mit Schnellfeuergewehren und  Panzerfäusten zivile Wohngebiete anzugreifen? Ab wenn darf man es Völkermord nennen? Am 28. Mai haben sich Traditionspflege und Jugendwerbung bei den Gebirgsjägern in fürchterlicher Art und Weise verbunden.
Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen eingestellt. Und Ernst-Reinhard Beck schreibt in der zitierten Erklärung: „Aus dem verwendeten Ortschild `Klein-Mitrovica´ eine Verknüpfung zum 2. Weltkrieg herstellen zu wollen, ist daher eine konstruierte Provokation, die durch nichts zu rechtfertigen ist.“
Eine Provokation, natürlich. Schließlich haben wir ja den 2. Weltkrieg
verloren. Beck wird wissen, wie an und für sich mit Provokateuren umzugehen
ist.

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wollecarlos
wollecarlos
13 Jahre zuvor

Drei Amerkungen:

Erste: vor vielen Jahren -als ich noch Kind war- wurden wir (unsere Schulklasse) anläßlich eines „Tages der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft“ in einen offenen LKW verfrachtet und auf ein Feld bei Magdeburg gefahren.
Dort waren Maschinengewehre und Zielscheiben aufgebaut, auf die wir dann begeistert ballern durften..
Was war das aufregend und interessant!

Zweite: Zum „Pioniertreffen“ in Dresden, Anfang der 50-er Jahre schliefen wir in Zelten. Natürlich gab es eine „Wacheinteilung“ für die Nacht. Jeder der „diensthabenden“ Kinder bekam für die Zeit seiner Rundengänge ein Luftgewehr mit Bleikügelchen ausgehändigt.
Was fühlten wir uns wichtig!

Dritte: Vor einiger Zeit war ich in Dänemark. Dort gab es ein örtliches Fest mit Dsching-Bumdarassa und Umzug. Nachdem die Kapelle vorbeimarschiert war, kam ein Zug von etwa Hundert Kindern im Alter von 8 bis 12 Jahren. Alle mit einem (Holz-) Gewehr über den Schultern.
Was waren diese Kinder stolz!

h.f.ullmann
13 Jahre zuvor

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