Bei Digitaler Bildung endlich den Aufholprozess starten!

Sven Volmering Foto: Steffen Prößdorf Stepro CC-BY-SA 4.0
Sven Volmering Foto: Steffen Prößdorf Stepro CC-BY-SA 4.0

„Die Schulen sind miserabel“ – Mit dieser Überschrift begann jüngst ein Interview der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit der Schulforscherin Birgit Eickelman, die in einer vielbeachteten internationalen Studie Computerkenntnisse von Achtklässlern erforscht und ausgewertet hat. Die Studie hat öffentlichkeitswirksam dokumentiert, was viele Schüler, Eltern, Lehrer, Experten, Unternehmen und Politiker längst wussten. Deutschland ist im Bereich der Digitalen Bildung positiv ausgedrückt „Mittelmaß“. 2014 wird als Jahr in Erinnerung bleiben, in dem Deutschland Fußballweltmeister wurde. Der Titel in Brasilien war bei allem Glück, das man immer braucht, Lohn für den Tüchtigen, der sich nach den Debakeln bei großen Turnieren Ende der 90er/Anfang der 2000er auf den Weg machte, die Talentförderung in Deutschland neu zu gestalten. Unser Gastautor Sven Volmering ist Mitglied der CDU-Fraktion des Bundestages.

Vor einer ähnlichen Situation steht Deutschland heute bei der Digitalen Bildung. Die digitale Revolution birgt viele Fragen, Herausforderungen, Problemstellungen, aber noch mehr Chancen für die gesellschaftliche Entwicklung und Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Mit der Digitalen Agenda der Bundesregierung ist ein erster Aufschlag gemacht worden. Im Bereich der Digitalen Bildung muss Deutschland ähnlich wie der DFB jedoch einen Aufholprozess starten. Experten aus Wirtschaft, Forschung und Bildung vertreten nicht zu Unrecht die These, dass Deutschland teilweise hinter den Weltmeistern aus dem asiatischen Raum bis zu zehn Jahre hinterherhinkt. Einfach wird es nicht. Es gibt oft Widerstände, mit denen man nicht rechnet und man sich nur wundern kann. Ich wurde neulich von der WAZ in meinem Wahlkreis ausführlich zu meiner Hauptberichterstattung im Deutschen Bundestag, der Digitalen Bildung, befragt. Ziel war es, einen Idealzustand darzustellen. Nachdem der Artikel erschienen ist, erhielt ich viel Zuspruch aus dem Wahlkreis. Nicht jedoch von der SPD in Gladbeck. Unabhängig davon, dass ich mit der SPD-Berichterstatterin sehr gut zusammenarbeite und wir gemeinsam an einem Antrag zu dem Thema im Deutschen Bundestag arbeiten, habe ich niemals damit gerechnet, dass ausgerechnet ein junger, im Stadtrat politisch engagierter Lehrer äußert, dass er „nicht einmal bereit sei“, über meine Ideen zu diskutieren. Dabei ist klar, dass eine digitale Grundbildung wie auch die Ausbildung einer digitalen Exzellenz unerlässlich ist. Digitale Grundbildung ist eng mit Medienkompetenz verknüpft und meint das Wissen um den sicheren, verantwortungsvollen und kritischen Umgang mit digitalen Medien und Programmen.

Digitale Selbstständigkeit ist nicht nur im Hinblick auf den Datenschutz wichtig sondern ebenso Voraussetzung für optimale Berufschancen auf dem Arbeitsmarkt. Damit die digitale Grundbildung nicht nur graue Theorie bleibt, müssen verstärkt digitale Medien und Programme in den Bildungsprozess integriert werden. Ihre Nutzung bringt viele Vorteile, u.a. können Lernmaterialien schneller auf aktuelle Themen ausgerichtet werden und Schüler mit unterschiedlichen Lernniveaus können individueller gefördert werden. Politik muss es endlich gelingen, neben einer Reduzierung der Bürokratie sowie der Klassengrößen grundsätzlich die Lebensrealität des 21. Jahrhunderts in die Schulen zu holen. Wir müssen über die Inhalte der schulischen Ausbildung reden. Und zwar ernsthaft und nicht mit Blick auf tolle Zeitungsschlagzeilen! Die ständigen Forderungen nach neuen Fächern wie Programmieren, Medienkunde, Verbraucherschutz etc. bringen nichts – außer enttäuschte Erwartungen und Frust bei den entsprechenden Befürwortern und Lobbyisten sowie unnötige Grabenkämpfe zwischen den Befürwortern einzelner Fächer.

Wichtiger und realistischer ist etwas anders. Es muss über einen Staatsvertrag und nicht über nichtssagende KMK-Beschlüsse festgelegt werden, welche Kernkompetenzen und grundsätzlichen Bildungsinhalte deutschlandweit in der Schule gelehrt werden, damit ein einheitlicher Standard gilt, der z.B. das Risiko eines Schulwechsels zwischen Bundesländern minimiert sowie eine stärkere Vergleichbarkeit der Bildungspolitik einzelner Länder ermöglicht. Die Länder können diese, wo es notwendig ist, im Hinblick auf länderspezifische Besonderheiten und Prüfungen durch eigene Vorgaben ergänzen. Ansonsten muss den Schulen die Freiheit gegeben werden, stärker als bisher jenseits starrer Lehrpläne auf aktuelle Ereignisse in Wirtschaft, Gesellschaft und Politik thematisch reagieren zu können, ohne ständig durch zentrale Vorgaben gefesselt zu werden. Dies macht neue Fächer obsolet und ermöglich die Integration in die bestehenden. Eine zentrale Chance, dieses System zum Erfolg zu führen, bietet die Digitale Bildung. Hier herrscht jedoch leider nicht nur beim Breitbandausbau und der IT-Ausstattung noch ein enormer Nachholbedarf. Folgende Punkte sind aus meiner Sicht darüber hinaus dringend notwendig:

  1. Deutschland braucht einen Pakt für Digitale Bildung, der die unterschiedlichen Aktivitäten von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in einer Stiftung zusammenführt und Projekte sowie bei Bedarf Infrastruktur und Ausstattung finanziell fördert! Es ist unerlässlich, massiv bei der Aus- und Weiterbildung von Pädagogen und Lehrkräften anzusetzen. Wir brauchen eine Anpassung der Curricula sowie Prüfungsordnungen bei der Lehrerausbildung und entsprechende Schulungsangebote für bereits ausgebildete Kräfte. Durch die Übernahme der BaföG-Kosten durch den Bund sind die Länder finanziell dazu in der Lage. Der Einsatz digitaler Medien und die Vermittlung von Medienkompetenz müssen nicht in einem Einzelfach, sondern fächerübergreifend integriert werden. Grundsätzliche Handyverbote bringen nichts. Vielmehr sollen die Schüler ihre eigenen Geräte nach dem Bring-Your-Own-Device-Modell nutzen dürfen!
  2. Wir brauchen eine umfassende Bestands- und Wirkungsanalyse bestehender Projekte und Programme zur Förderung und Vermittlung von Medienkompetenz der einzelnen Bundesländer über den gesamten Bildungsweg hinweg. Damit einhergehend muss der Fokus in der Bildungsforschung auf das digitale Lernen und auf die Untersuchung des Aufwachsens in digitalen Gesellschaften über Längsschnittstudien gelegt werden.
  3. Neben der digitalen Grundbildung brauchen wir digitale Exzellenz. Im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, nach dem Vorbild der Eliteschulen des Sports, unsere IT-Spitzenkräfte von morgen an Profilschulen IT/Digital ausbilden zu wollen. Diese Vereinbarung muss dringend umgesetzt werden.

 

 

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keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
10 Jahre zuvor

Die Digitalisierung durchdringt alle Lebensbereicht.
Eigentlich schon seit Jahren.

Dass sich Schulen anpassen müssen ist zwangsläufig. D.h. auch Lehrer müssen dafür sorgen, dass sie akutelle Themen vermitteln können. Dies sollte eigentlich im Eigeninteresse der Lehrer sein. Hier immer auf Schulungen etc. zu verweisen, hilft nicht, Es zeugt eher davon, dass man Lehrern kein Eigenengagement zutraut.

Ich kenne Schulen, wo in den 80er Jahren mit Computern gearbeitet wurde. Ein Zustand, der wohl heute noch nicht überall angekommen ist.

Neben den Schulen sind aber auch die Eltern gefragt, ihren Kindern die neue Welt zu vermitteln. Ebenso können Schüler gemeinsam neue Welten entdecken. Die Lehrer könnten zum eigenverantwortlichen Lernen erziehen. Das müssen die Schüler sowieso später machen, wenn sie in der Berufswelt bestehen wollen.

Der Einstieg in die Computerwelt ist heute günstig. Dass das Ministerium lange Zeit auf Taschenrechner mit Grafik setzte und so die Eltern auspressen wollte, zeugt davon, wie weit weg die politische Führung im Land ist.

Wir haben früher für Computer gearbeitet, Sachen verkauft …
Das war Eigentinitiative, die auch von Lehrern unterstützt wurde.
Vermutlich sind die Asiaten etc. einfach auch neugieriger und an Technik interessiert.
Wer spielt heute noch Quartett und freut sich, wenn er den schnellsten Kampfjet gezogen hat?

Bei uns beschäftigen sich ja junge Menschen bspw. damit, ob auch Frauen auf der Fußgängerampel abgebildet werden sollen. Man muss Prioritäten setzen.

Wolfgang Wendland
10 Jahre zuvor

Das einzige Probem, dass die Schulen haben sind Politiker, die Forderungen an diese stellen wo sie Gesellschaftlich nicht weiter kommen. In der Schule geht es um Bildung und nicht um Berufsvorbereitung. Ein solch utilitaristisches Weltbild sollte doch seit dem 19. Jahrhundert überwunden sein. Und was die digitale Exellenz angeht, so frage ich immer einen Dipom-Informationswirt aus Karlsruhe, der an einer Exellenzuni Jahren seinen Abschluss gemacht hat, Wenn ich was informatisches brauche. Ich weiß zwar nicht wie das so in NRW gehandhabt wurde, denke aber, dass gerade die Tatsache das Kultur somit auch Bildung Ländersache ist sich hier wieder einmal positiv bemerkbar dadurch macht, dass es eben nicht überall so ist wie in NRW 😉

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