Es gibt manchmal kleine Hinweise, die sich zu echten Geschichten auswachsen. Im aktuellen Fall ist mir aufgefallen, dass die Pressekonferenz von E.on Ruhrgas zu den Zahlen des Betriebes zunächst verlegt und dann ganz abgesagt wurde. So richtige Gründe gab es nicht. Ich hab überlegt warum. Dann habe ich gesehen, das Unternehmen macht schlechte Zahlen. Und Bernotat griff Gazprom an, wegen der langfristigen Lieferverträge. Da ist also was im Busch.
Und tatsächlich, der Konflikt zwischen E.on Ruhrgas und dem russischen Staatskonzern Gazprom um eine Aufweichung der langfristigen Lieferverträge spitzt sich weiter zu. Während E.on darauf drängt, kein Gas abnehmen zu müssen, das wegen der aktuellen Wirtschaftskrise und einer Überversorgung der Märkte in Europa nur schwer weiterverkauft werden kann, will Gazprom den Deutschen nach meinen Informationen grundsätzlich keine neuen Verträge zugestehen. „Gazprom besteht darauf, dass die Verträge erfüllt werden“, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person.
Die langfristigen Lieferabkommen mit Gazprom bereiten E.on Ruhgas derzeit große Sorgen. Auf den europäischen Handelsmärkten sorgt ein Überangebot für fallende Tarife. An den Spotmärkten hat sich der Gaspreis sogar von den Ölpreisen abgekoppelt. Die Tarife für Schweröl ziehen wieder an, während die Gaspreise niedrig bleiben.
Für E.on Ruhrgas ist das verheerend, denn die langfristigen Lieferverträge sind meist an Ölpreise gebunden. Das bedeutet: Trotz niedriger Gaspreise müssen wegen der anziehenden Ölpreise höhere Summen an Gazprom überwiesen werden.
Sinken wie nun die Börsenkurse unter die Importpreise aus Russland, kaufen unabhängige Versorger ihr Gas zum Weitervertrieb an Stadtwerke und Industriekunden nicht mehr bei E.on Ruhrgas, sondern über die Spotmärkte. Um im Wettbewerb mithalten zu können, ist E.on Ruhrgas gezwungen, entweder überschüssiges russisches Gas mit Kursen unter Einkaufspreisen über die Börsen zu verkaufen oder aber Kunden zu verlieren.
Ein Teufelskreis. Je billigen das Gas über die Börsen gehandelt wird, umso mehr Russen-Gas muss E.on über die Spotmärkte verkaufen, weil es ansonsten unverkäuflich ist. Der Kurs an den Börsen wird weiter gedrückt.
Es gibt nur eine Alternative: Wenn E.on Ruhrgas weniger Gas aus Russland abnimmt, kann der Teufelskreis durchbrochen werden. Doch aufgrund einer vertraglich garantierten Mindestabnahmemenge muss E.on selbst in diesem Fall das Gas aus Russland weiter bezahlen, ohne auch nur ein Molekül zu importieren. Mittlerweile ist die Rede von einer Menge von über zwei Mrd. Kubikmeter Gas, die so bezahlt, aber nicht eingeführt wurden. Die Mindereinnahmen liegen den Angaben zufolge im Milliarden-Euro-Bereich.
Wie aus dem E.on-Aufsichtsrat zu hören ist, wird damit gerechnet, dass der Gewinn vor Zinsen und Steuern bei E.on Ruhrgas in diesem Jahr vor allem aufgrund der nicht auskömmlichen Gasverträge um über 30 Prozent einbricht. „Wir sehen keine Besserung. Die Lage ist ernst“, sagte mir ein Aufsichtsrat. Aus dem einstigen Wunderkind Ruhrgas wurde ein Sorgenbringer. Das Unternehmen selbst wollte sich nicht zu den Vorgängen äußern.
Vor wenigen Tagen sagte E.on-Chef Wulf Bernotat jedoch, er rechne mit Gesprächen bis weit ins kommende Jahr, bevor eine Einigung mit Gazprom erreicht werden könne. Er setze darauf, dass nicht benötigte Mengen gar nicht oder mit starker zeitlicher Verzögerung abgenommen werden müssten.
Demgegenüber heißt es bei Gazprom, die Mindestabnahmemengen stünden nicht zur Verhandlung. Ein Grossteil des russischen Staatshaushaltes ist auf die garantierten Gaseinnahmen angewiesen. Ein Gazprom-Insider verwies darauf, dass E.on Ruhrgas auf Strafzahlungen bestanden habe, als der Gasfluss durch die Ukraine im Frühjahr gestoppt worden sei. „Da hieß es auch, Verträge müssen eingehalten werden.“ Man sei allenfalls bereit, über den so genannten Basispreis zu sprechen. Dieser Preis definiert den Ausgangspunkt für die Anpassung nach dem Ölpreis. Sollte der Basispreis gesenkt werden, könnten die Tarife leicht gesenkt werden. An den grundsätzlichen Problemen für E.on Ruhrgas würde sich allerdings nichts ändern.
Nur damit wir uns verstehen. Die Lieferverträge alleine müssen nicht der einzige Grund für die schlechten Zahlen sein. Wer weiß, vielleicht gibt es noch andere Gründe.