Beim VfL Bochum liegen die Nerven blank

Vor der Relegation steht der VfL Bochum mit dem Rücken zur Wand | Foto: Peter Hesse

Die Saison ist vorbei – und kurz vor Toresschluss muss der VfL Bochum in die Relegation. Nervosität und schlechte Laune beherrschen gerade die Stimmung an der Castroper Straße. Dazu ein paar Gedanken zum VfB Stuttgart, Bayern München, Preussen Münster, St. Pauli und Jürgen Klopp. Wie immer im gewohnt sachlich geführten Dialog zwischen Thommy Junga und Peter Hesse. Aber ein paar notorische Ausraster mit weichem Kern werden auch präsentiert.

Peter Hesse: In diversen Foren-beiträgen ist zu lesen, dass VfL Bochum Torhüter Riemann seinem Mitspieler Matúš Bero ein paar „gefegt“ haben soll. Die Nerven liegen brach, die Stimmung an der Castroper Straße ist schlecht – als hätte man beide Spiele schon 4:1 verloren. Ganz anders in Düsseldorf – da ist die ganze Altstadt rot-weiß beflaggt, von Flingern bis Oberbilk herrscht gute Laune. Wird dieser psychologische Vorteil ausreichen, um die Bochumer in die zweite Liga zu katapultieren?

Thommy Junga: Ja, in Bochum liegen die Nerven blank. Und man darf als Vor-Relegation-Fazit feststellen: sowohl auf, als auch neben dem Platz hat sich in dieser blau-weißen Theaterspielzeit meist Irritierendes mit Indiskutablem abgewechselt. Es ist viel über vercoachte Spiele, gescheiterte Fabeltaktiken und persönliche Fehleinschätzungen diskutiert worden, das kann jetzt bis nach der Relegation warten und muss dann abschließend aufgearbeitet werden. Ich möchte an dieser Stelle den Fokus auf ein ganz aktuelles Problemfeld legen. Am Donnerstag laufen in den Farben des VfL je nach Aufstellung sechs bis acht Spieler in der Anfangsformation auf, für die sich die Erstligaangehörigkeit längst geklärt hat. Es ist beängstigend. Jeder Spieler, der mit Feuer unterm Kessel aufgelaufen wäre, hätte diesem sich in der Auflösung befindlichen Team gut getan. Und kurioserweise wird dann Andy Luthe kurz vor Karriereende nochmal für zwei der wichtigsten Spiele seiner ausklingenden Karriere zwischen den Pfosten stehen. Ausgerechnet er, dessen VfL-Abgang ähnlich geräuschintensiv ablief, wie die aktuelle Riemann-Posse. Vielleicht noch ein kurzer Einwurf zu Manuel Riemann. Es gibt kaum einen Spieler in diesem Bochumer Kader, der sich spürbar so sehr mit dem Verein und dessen Identität so sehr mit Haut und Haaren commited hat. Sein soziales Engagement, welches immer fernab der Öffentlichkeit geblieben ist, ist beachtlich. Das darf man zum gegebenen Anlass auch mal erwähnen.

Der VfB Stuttgart ist neben Bayer Leverkusen das Team der Saison | Foto: Peter Hesse

Peter Hesse: Am letzten Spieltag schob sich der VfB Stuttgart noch an Platz zwei – der FC Hollywood ist nur Dritter geworden. Stuttgart und Leverkusen haben mit ihrem herzerfrischenden Offensiv-Fußball Klasse, Kabinettstückchen und Ansehnlichkeit in den Fußball gebracht. Der FC Bayern wird es sicher sehr schwer haben – wie wird es nach der Sommerpause weitergehen, wird Leverkusen jetzt dreimal hintereinander Meister?

Thommy Junga: Glaube ich nicht. Die Bayern werden irgendwann auch die letzte Zugabe ihres Dilettanten-Stadels aus dem Boulevard-Zelt geklatscht haben und dann kehrt man auch dort wieder zur Professionalität zurück. Was macht eigentlich Luis Van Gaal? Wenn die Münchner ernst machen, dann hat in der Bundesliga jeder das Nachsehen. Den verbauten und temperamentfreien Kader werden Sie überarbeiten, es wird genug Geld reinkommen um vier, fünf neue Unterschiedsspieler zu holen und dann wird der rote Supertanker wieder Fahrt aufnehmen. Auch unter einer 3b-Lösung wie Vincent Kompany. Leverkusen und Stuttgart werden irgendwann in die Mühlen des Marktes geraten, nicht jeder wird ewig zu halten sein und auf Dauer bleibt Bayern so auch das Maß aller Bundesliga-Dinge.

Jürgen Klopp geht jetzt ins Sabbatical | Foto: wikipedia / Steffen Prößdorf / CC BY-SA 4.0

Peter Hesse: Jürgen Klopp und Christian Streich gehören zu den beliebtesten Trainern, mit ihrer einfühlsamen und menschlichen Art, werden sie von Fußballfans sogar als Bundespräsidenten-Kandidaten gehandelt. Gehen beide vielleicht jetzt in ein Sabbatical, weil ihre warme, menschliche Art dafür gesorgt hat, dass beide kurz vorm Burn Out stehen – haben es grobere Typen in diesem Job leichter?

Thommy Junga: Jeder verarbeitet Stress, Druck und die Beeinträchtigung körperlicher Faktoren ja anders – Klopp und Streich nehmen schon wenig davon mit in die Presserunde nach Abpfiff, denn sie geben vielen dieser Impulse Raum auf dem Platz. Viel spannender wird es sein, wie die Beiden in Zukunft mit Stress umgehen werden, wenn das gewohnte und bewährte Ventil fehlt. Das wird dann kein Burn out, sondern eine große Dauerflamme. Da kommt Ihnen aber die von Dir beschriebene Empathie zur Hilfe, denn sie kann den Weg zu den richtigen Kanälen und Katalysatoren erleichtern. Die beiden Ausnahme-Trainer werden menschlich fehlen, das steht fest – und die emotionale Nulllinie in den Ligen schreitet voran. Ein paar notorische Ausraster mit weichem Kern wie Simone Inzaghi bei Inter oder Diego Simeone bei Atlético bleiben uns ja noch erhalten.

Preussen Münster ist nach 33 Jahren wieder zweitklassig| Foto: Peter Hesse

Peter Hesse: Der SC Preußen Münster ist nach 33 Jahren zurück in der 2. Bundesliga. Mit dem 2:0 gegen Unterhaching im letzten Heimspiel 23/24 zogen die Preußen das direkte Aufstiegsticket. Selbst ein Unentschieden hätte am Ende gereicht, da der SSV Jahn Regensburg gegen den 1. FC Saarbrücken verlor. Werden sie die Klasse halten können – oder müssen sie ähnlich wie Osnabrück wieder nach einem Jahr runter in die dritte Liga?

Thommy Junga: Münster bleibt ja eigentlich gar nichts anderes übrig als sich in der 2.Liga zu etablieren, denn in drei, vier Jahren soll das neue 90-Millionen-Euro-Stadion eingeweiht werden. Da passen dann 20.000 Leute rein – und die wollen sicher keinen 3.Liga-Fußball sehen. Münster wird es natürlich wie jeder Neuling erstmal schwer haben, aber unmöglich ist da gar nichts. Es wird auf die Mischung ankommen – den Kern der Aufstiegshelden mit der neuen Aufgabe zu belohnen, ergänzt durch eine notwendige Qualität, die du eins höher einfach brauchst. Der Abgang von Sport-Geschäftsführer Peter Niemeyer tut da natürlich weh, denn er hat zuletzt nicht nur sportlich gute Entscheidungen bei der Kadergestaltung getroffen, er hat eine echte Mannschaft geschaffen. Das wird er nun in Bremen noch eine Etage höher versuchen. Preußen sollte es aber Mut machen, dass in der jüngsten Vergangenheit eine super Entwicklung in allen Bereichen stattgefunden hat – Umfeld, Sponsoren und Stadt, alle zogen zuletzt an einem Strang, sogar die verzofften Fangruppen konnten geeint werden. Die Voraussetzungen sind da und der aktuelle Spielstil ist sogar weitestgehend für die kommende Aufgabe brauchbar.

Der FC St. Pauli spielt nach dem Sommer wieder in der 1. Bundesliga | Foto: wikipedia / San Andreas / CC BY-SA 3.0

Peter Hesse: Der FC St. Pauli verpflichtet mithilfe eines Hamburger Unternehmers einen Superstar: Magnus Carlsen, viele Jahre lang Weltmeister, wird für die ebenfalls gerade in die erste Liga aufgestiegene Schachabteilung des FC St. Pauli das Brett hüten. Werden die Totenköpfe vom Kiez jetzt auch noch Salon-Löwen in der Philosophen-Sportart?

Thommy Junga: Na, ob da nicht Jan Gustafsson seine Finger im Spiel der Könige hatte!? Der aktuelle Bundestrainer aus Hamburg war ja jahrelang Berater und Zuarbeiter des norwegischen Ausnahme-Spielers. Zuletzt ist es um Carlsen nach dessen Verzicht auf die Titelverteidigung eher ruhig geworden, da ist der Wechsel aufs Kiez sicher eine Win-Win-Situation für beide Seiten. Jetzt tummelt er sich neben allerhand großer Spieler in der Schach-Bundesliga und für den frischen Aufsteiger St.Pauli ist Carlsen ein echtes Zugpferd. Nicht nur sportlich – der unbequeme, manchmal etwas schräge Weltranglistenerste passt gut zum Piraten-Image des Kiez-Klubs. Man darf gespannt sein wie groß sein Einfluss auf die Liga sein wird, die jetzt schon als beste der Welt gilt.

 

 

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thomas weigle
thomas weigle
5 months ago

in liga 3 werden sehr wohl stadien mit an die 20.000. und mehr zuschauern gefüllt, bielefeld, dresden, 1860 immer ausverkauft, also 15.000 auf giesings höhen, wo zu bl-zeiten mal 45.000 reingingen, demnächst aachen. eine krux liegt m.e. darin, dass da und auch in den regionalligen zu viele zweitteams rumkicken, die bringen keine fans mit. zu seligen oberligazeiten gab es zumindest im süden eine liga für die sog. reservemannschafften. warum auch nicht heute für die zweitteams?dann kann es bei dfl-spielen heißen- so wie früher auf den plakaten- damals auch in den unteren ligen „vorspiel reserven.“

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