Es gibt Fehlentwicklungen vor der eigenen Haustür, die lassen einen als Beobachter, auch wenn man sich grundsätzlich schon seit längerer Zeit mehr Distanz dazu fest vorgenommen hat, einfach nicht kalt. Eine ebensolche Geschichte, musste ich heute der örtlichen Lokalzeitung entnehmen.
Auch wenn es sich bei den Geschehnissen im vergleichsweise kleinen Waltrop, sicherlich nicht im Detail um Dinge handelt, die hier im Blog die Maßen bewegen, möchte ich doch an dieser stelle wieder einmal davon berichten, auch weil ich dahinter im konkreten Fall schon eine gewisse Allgemeingültigkeit sehe, die vielleicht auch einige unserer Leser nachempfinden können, weil sie auch schon einmal in ihrer Stadt ähnliches miterleben mussten.
Kurz vorab zum Hintergrund: Hier bei mir vor Ort in Waltrop muss man als Bürger seit geraumer Zeit eine deutliche Zunahme von Vandalismus und Verfall beobachten. Das war schon vor Corona so, hat sich durch die Pandemie aber noch einmal signifikant beschleunigt.
Inzwischen gibt es kaum noch ein Wochenende, wo man als Waltroper im Innenstadtbereich im Vorbeigehen nicht deutlich sichtbare Spuren nächtlicher Ausschweifungen feststellen muss. Scherben, umgeknickte Verkehrsschilder, herausgerissene Abfallbehälter und sonstige Auffälligkeiten sind quer durch das Stadtgebiet regelmäßig zu verzeichnen. Viele Bürger ärgert das massiv. Und das schon lange.
Jetzt will die hiesige Stadtverwaltung offenbar vermehrt dagegen vorgehen. Doch plant sie dies nicht etwa mit einem verbesserten Freizeitangebot für die Jugendlichen, wie man vermuten könnte. Nein, stattdessen soll in erster Linie die Überwachung kurzfristig ausgebaut werden. Und dafür will die chronisch klamme Stadt Waltrop auch etliche Euros locker machen, die sie offenbar durch eine Landesförderung erhält.
Kurios! Denn statt die Ursache(n) des Vandalismus entschlossen anzugehen, investiert man hier jetzt lieber in Kontrolle und Abschreckung. Sicherlich ein zumindest fragwürdiger Weg.
In den kleineren Städten des Ruhrgebiets war das Freizeitangebot für junge Leute in den vergangenen Jahrzehnten noch nie besonders toll. Das weiß ich aus eigener Erfahrung. Auch als meine Freunde und ich in den 1980er- und 1990er-Jahren so langsam erwachsen wurden, zog es uns deshalb spätestens mit der Pubertät häufig und gerne in die benachbarten Großstädte, Dortmund, Recklinghausen, Bochum, Essen und später sogar Düsseldorf. Das Angebot vor Ort, an unserem Wohnort, war eben schon damals sehr überschaubar. Ein paar Kneipen, einige Sport- und Spielanlagen, hin und wieder einmal eine Veranstaltung in der örtlichen Stadthalle. Viel mehr war hier nie.
Durch die sich stark verschlechternde Finanzlage der Stadt hat sich das vorhandene Angebot schon seit den 1990er-Jahren schrittweise verschlechtert. Corona hat das Nachtleben für die heutige Jugend dann fast völlig absterben lassen. Dass die jungen Menschen sich notgedrungen in Parks und Grünanlagen versammelten, inzwischen selbst vor nächtlichen Partys auf dem Friedhof nicht haltmachen, überraschte daher nicht wirklich. In diesem Zusammenhang steigerte sich dann auch der Vandalismus in der Stadt noch einmal sichtbar.
Inzwischen hat er offenbar ein Ausmaß erreicht, dass die Stadtverwaltung darauf reagieren will bzw. muss. Wie ich heute in der Lokalzeitung lesen musste, soll deshalb in naher Zukunft das Ordnungsamt deutlich ausgebaut bzw. modernisiert werden. Es soll laut Beschluss des Rates in mehr Security und in neue technische Ausstattung für die Ordnungskräfte investiert werden. So sollen Mitarbeiter des Ordnungsamtes neue Tablets und Smartphones für zehntausende Euros erhalten. Zudem sollen offenbar ausgemachte ‚Angsträume‘ im Stadtgebiet besser ausgeleuchtet werden.
Das lässt einen schon ziemlich zweifelnd zurück, um ehrlich zu sein. Statt das mangelhafte Freizeitangebot und die Attraktivität der Stadt wieder nachhaltig zu erhöhen, den jungen Menschen vor Ort etwas zu bieten, setzt die Stadt Waltrop offenbar vermehrt auf die Karte Abschreckung und Überwachung.
Wie die ohnehin seit Jahren für ihre Bürgerschaft immer unattraktiver werdende Stadt dadurch wieder an Attraktivität gewinnen soll, wie Jugendliche besser ausgelastet und wieder ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl bzw. Identifikation mit ihrer Heimatstadt gewinnen sollen, ist und bleibt schleierhaft.
Statt jetzt mehrere zehntausend Euros in Security und technische Hilfsmittel für das Ordnungsamt zu investieren, sollte man sich in Waltrop lieber einmal ernsthaft und konsequent damit beschäftigen, die Stadt wieder zu beleben und das zuletzt stark rückläufige Angebot für die Bürger wieder zu erhöhen, wie ich finde…
Ja, es fehlt sicherlich an attraktiven Jugendeinrichtungen. Aber zu glauben, dass damit Vandalismus eingedämmt werden könne, ist leider naiv, genauso wie der Glaube, dass ein verstärktes ordnungsrechtliches Engagement Irgendetwas dieser "mentalen Wohlstandsverwahrlosung" entgegensetzen könne. Vandalismus und solche "Verwahrlosung" dürfen wir im übrigen nicht nur Jugendlichen unterstellen. Sich unbeachtet über Grenzen hinwegsetzen zu können ist ein mediales und reales Massenphänomen.
@Reinhart Harms: Ausgerechnet an der Stellschraube Überwachung zu drehen, halte ich aber alleine auch nicht für zielführend bei der Bekämpfung von Vandalismus. Und was es bringen soll, wenn das Ordnungsamt mit Fördergeldern mit neuen Handys und Tablets ausgestattet wird, erschließt sich mir auch nicht. Da könnte man mal wieder über Sinn und Unsinn solcher Fördertöpfe diskutieren. Und wo kommen denn diese 'Angsträume' plötzlich her, die es noch vor ein paar Jahren in dieser Form nicht gab? Dass der Vandalismus hier so offenkundig zugenommen hat, hat für mich eindeutig mit dem immer geringeren Angebot für junge Leute zu tun. Da helfen neue Tablets fürs Ordnungsamt vermutlich wenig. 😉
"Denn statt die Ursache(n) des Vandalismus entschlossen anzugehen"…
und #2:"Dass der Vandalismus hier so offenkundig zugenommen hat, hat für mich eindeutig mit dem immer geringeren Angebot für junge Leute zu tun."
So sehr ich im ersten Moment innerlich zugestimmt habe, bei ruhigeM Nachdenken bleiben mir die Fragen: 'Ist das so' ud 'Woher wissen wir das'? im Kopf?
Ist denn überhaupt klar, wer / welche Gruppe / in welcher Form sich so aufführt?
Tablets und Kameras helfen da nicht weiter, wie man (un-)schön in Köln und Bonn sehen kann. Zumindest die Kameras mutieren dort zur Zielscheibe.
Was würde dagegen sprechen, zunächst einmal herauszufinden, was 'die Jugendlichen' (allgemein) und 'diese Jugendlichen' (im Speziellen) eigentlich umtreibt?
Oder macht sich da schon Hilflosigkeit breit?
Wenn ja, dann könnte man die Tablets auch gleich sparen.