Ich bin Zeit meines Lebens fast gänzlich von Allergien verschont geblieben. Mal abgesehen von konzentrierten Vitamin C-Ansammlungen geht mir jeder Pollenflug am Arsch vorbei und sogar die Laktoseintoleranz ist selbstauferlegt. Als ausgewiesener Ruhrmensch bekomme ich jedoch bei folkloristischer Massenware, die sich „Grubenmann“ schimpft oder „Woanders is auch scheiße“-Slogan ziert, innerlich Pusteln. Wenn mir derlei Gedöns dann sogar als Auslegeware in einer Buchhandlung begegnet, vergesse ich meine gute Erziehung schneller, als die unsägliche Umbenennung der Zugverbindung zwischen Bochum und Gelsenkirchen in Glück-Auf-Bahn.
Gestern allerdings habe ich erstmals ein regional-patriotisches „Marken“-Produkt entdeckt, das mir gefällt. Den Nordstadt-Jutebeutel! Oben NORD, unten STADT und in der Mitte die vier Tribute to Black Flag-Balken. Erinnert an eine Grenzmauer, die den Rest der Stadt vor dem Dortmunder Sündenpfuhl schützen will. Auf der entsprechenden DaWanda-Seite wird das Statement-Utensil aus 100% Baumwolle zunächst als: „Ein stylischer Jutebeutel mit langen Henkeln und klarer Ansage an deine Umwelt“ angepriesen. Pardon, für Style bin ich zu alt und in welchem Wortsinn auch immer das Stück Stoff jetzt eine klare Ansage an meine Umwelt sein möge, interessiert mich in diesem speziellen Fall höchstens weit außen am Rande.
Aber dann heißt es weiter: „Wir scheißen darauf was der Rest sagt. Die Nordstadt sei dreckig, kriminell, heruntergekommen bla bla bla. Wir leben hier, wir mögen es hier und wir finden es gut, dass es hier nicht aussieht wie in der Südstadt!“ Da bin ich doch mal solidarisch mit dabei, ordere gleich eine Handvoll Exemplare für meine Jungs aus dem Kiez und wenn ich in meinem eigenen beschaulichen Heimatidyll demnächst damit rumlaufe, ist mir ein Raunen sicher gewiss. „Mensch, war der etwa in der Dortmunder Nordstadt und hat es überlebt?“ – Völlig übertrieben?
Ja sicher, aber ich erinnere mich an einen Abend vor ein paar Jahren. Eben im deklarierten „Problembezirk“ war ich bei Freunden zu Gast und machte mich spät in der Nacht mit anderen Besuchern der Party auf den gemeinsamen Rückweg zum Hauptbahnhof. Auf der Münsterstraße wurde den Weggefährten dann erst so richtig bewusst, wo sie gerade waren und ihr Wohlbefinden schwankte zwischen Furcht und Stolz. Denn der Ruf der Nordstadt reichte bis in ihre Heimat. Nach Düsseldorf!
Oh, äh, jetzt bin ich etwas abgeschweift, aber na jedenfalls bin ich generell so ziemlich der Letzte, der Kaufempfehlungen in irgendeiner Art in die Welt hinauszuposaunen gedenkt. Aber hier mache ich einmal eine Ausnahme. Für die Nordstadt! Imagepflege und Gedöns.
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