Benennt Gelsenkirchen endlich um: und zwar in Schalke. Ja, in Schalke, so wie der Fußballverein. Von unserem Gastautor Roland W. Waniek.
Gelsenkirchen hat nämlich ein Markenproblem, ein sehr großes sogar. Es ist eine Stadt, die auf dem absteigenden Ast ist. Der Niedergang der einst so bedeutenden Schwerindustrie hat Gelsenkirchen schwer gezeichnet: höchste Arbeitslosigkeit in Westdeutschland, hohe Verschuldung, hoher Bevölkerungsrückgang, hoher HartzIV-Anteil, verödete Innenstadt, verschlissene Infrastruktur…
Nur in einem ist Gelsenkirchen ziemlich gut: in Fußball. Sein Traditionsverein Schalke 04 spielt in Deutschland und Europa meistens recht weit oben mit, und das seit vielen, vielen Jahren. Damit geht ein hoher Bekanntheitsgrad des Vereins einher, weit über das Ruhrgebiet, weit über Deutschland hinaus. Wenn ich im Ausland erklären soll wo ich herkomme, so sage ich immer wieder, aus der Schalke-Stadt. Dann erhellen sich meist die Gesichter, ich sehe förmlich wie ein positives Kopfkino bei meinem Gegenüber anläuft.
Schalke 04 ist eine richtig starke Marke. Der Verein steht für Kampfgeist und Leidenschaft. Gelsenkirchen ist das genaue Gegenteil einer starken Marke. Gelsenkirchen ist aber nicht einfach nur eine schwache Marke wie Wuppertal, Remscheid oder Korschenbroich, nein, Gelsenkirchen hat sich sogar zu einer Negativmarke entwickelt. „Gelsenkirchen“ steht als Marke für wirtschaftlichen Niedergang, für zahllose ungelöste Probleme, für Hoffnungslosigkeit – ein Basket Case, wie die Engländer sagen.
Nicht, dass es in Gelsenkirchen keine positiven Aspekte gäbe – die gibt es zweifelsohne auch. Nur werden sie halt draußen nicht wahrgenommen, kein Mensch kennt sie außerhalb der Stadtgrenzen. Und genau das macht es zu einem Problem für das Stadtmarketing: „Gelsenkirchen“ ist draußen als Marke weitgehend negativ besetzt. Vorläufiger Höhepunkt: Kürzlich kursierte auf Facebook eine Top-Ten-Liste witzig-gemeiner Beleidigungswörter – an der Spitze: „Gesichts-Gelsenkirchener“.
Um ihren Abwärtstrend zumindest zu stoppen, wenn nicht umzukehren, braucht die Stadt Gelsenkirchen vor allem eins: Arbeitsplätze! Und Arbeitsplätze werden nun mal von Unternehmern geschaffen, die investieren. Direktinvestitionen von außerhalb werden gebraucht, und das mehr denn je in dem zunehmenden Standortwettbewerb der Städte und Regionen.
Aber welcher Unternehmer will schon sein Geld in einer Stadt investieren, deren Namen nur negativ konnotiert ist? Klar, manche tun es, aber viele eben nicht. Zu viele, die gar nicht einmal im Entferntesten an Gelsenkirchen als Standort denken, zu viele bei denen Gelsenkirchen nicht einmal auf dem Schirm erscheint.
Wenn Investoren an neue Standorte denken, so müssen diese Chancen verheißen, Zukunft versprechen, Aufbruch signalisieren und „sexy“ sein. Ein neuer Standort soll idealerweise positiv auf das eigene Unternehmen abstrahlen – wer will sich denn nicht in einem erfolgreichen, dynamischen Umfeld sonnen? „Gelsenkirchen“ ist aber leider negativ besetzt, in viel zu vielen Köpfen.
Das Gelsenkirchener Stadtmarketing kämpft seit Jahren mutig gegen das Negativimage der Stadt an. Man tritt niemanden ungerecht auf die Füße, wenn man sagt, der Erfolg ist leider äußerst bescheiden. Vieles wurde versucht, nur eines noch nicht: ein Re-Branding durch Umbenennung. Zahlreiche Industrieunternehmen, Versicherungen und Banken haben das schon vorgemacht, und das meist in ihren Krisenzeiten, wenn man mit einem neuen Konzept noch einmal von vorne durchstarten wollte. Ja sogar eine politische Partei hat das schon mal gemacht. Nach dem Erdbeben der Maueröffnung hat sich die einstige Staatspartei SED zunächst zur PDS umbenannt und ein paar Jahre später dann zur DIE LINKE.
Natürlich sind allein durch die Umbenennung die Probleme nicht verschwunden. Die zur Portigon mutierte WestLB hat immer noch immense Schulden, die zu ERGO mutierte Hamburg-Mannheimer hat immer noch die gleichen Drückerkolonnen, die früher zumindest mit ausgiebigen Orgien belohnt wurden, und DIE LINKE hat immer noch das Millionenvermögen der SED.
Eine Umbenennung kann jedoch die Ausgangsbasis für einen Neuanfang sein. Sie signalisiert die Abkehr vom Bisherigen, ist Symbol dafür, dass man künftig vieles anders, besser machen will. Um nicht mißverstanden zu werden: Re-Branding ist immer nur ein Element, nicht aber Garant eines erfolgreichen Neuanfangs. Dazu bedarf es einer umfassenden Strategie. Die eigentliche Arbeit kommt erst nach dem neuen Namen. Eine Umbenennung kann aber ein wirkmächtiges Symbol nach aussen und nach innen sein, kann Bremsbacken lösen, zu neuen Anläufen motivieren und neue Phantasie entstehen lassen – alles Dinge, die Gelsenkirchen gut gebrauchen kann.
Warum also nicht etwas Neues im Stadtmarketing ausprobieren und die Stadt einfach umbenennen? Und welcher Name liegt näher als der des so erfolgreichen Fußballvereins? Schalke statt Gelsenkirchen!
Schalke – ok Bekanntheitsgrad ja, aber positives Image?
Das muss selbst mir als Schalker entgangen sein.
Wohl eher ein eklatantes Führungsproblem wie NRW.
AEG wäre ein gutes Kürzel um die Situation zu beschreiben:
ans Elend gefesselt!
In der momentanen Lage bei den Blauen wäre "Schalke" ein mehr als passendes Synonym für Gelsenkirchen. Also eher ein epic fail, diese Idee;-)
Mit dem gleichen Gesicht nützt auch ein neuer Name nichts. Einfach mal ausprobieren. 🙂
Die alles entscheidende Frage ist doch: ist das Sommertheater nun von DO nach GE weitergezogen oder wird auf beiden Bühnen weiter ordentlich theatergedonnert? In DO ist es ja auf einmal verdächtig ruhig. Schade eigentlich.
Stimmt. Auch Annington heisst jetzt Vonovia. Wird nicht lange dauern, bis der Name auch ruiniert ist. Immobiliehaie werden durch steuerfinanzierte Armut reich. Aber was stört es die Eiche… Die Menschen, die dort wohnen müssen, haben ja keine Wahl. Genauso wenig wie Gelsenkirchener, die das miese Stadtimage nicht loswerden.
Namensänderung funktioniert vielleicht eine Weile in der Werbung – aber nicht für eine Stadt. Wenn das Produkt schlecht ist, nützt auf Dauer auch kein neuer Mantel. Und schon gar nicht vertreten durch Profifußball – den sich bald niemand im Stadion mehr leisten kann.
Selbst wenn äußerlich viele 70er-Jahre-SPD-Sünden positiv verändert wurden und die Mühen des amtierenden OB geachtet: Das Einzige, womit Menschen – neben Millionärs-Fußballern, die in Düsseldorf oder sonstwo leben – in dieser Stadt noch gut Geld verdienen können – ist Armutsverwaltung. Ein Eldorado für Arbeiter aus Forschung und Entwicklung mit hohen Gehältern, die wenigsten in der Stadt beheimatet – sowie steuerfinanzierter Dauer-Projektitis. Am perversesten ist es, wenn befristete Arbeitsberater Arbeitslose beraten und 12 Monate später selbst auf der anderen Seite stehen.
Die Armut steigt weiter nach oben aus bekannten Gründen. Die Stadt badet die Wegduck-Mentalität im Bund aus. GE- auserkoren als Sammelbecken für alle Armen dieser Welt, als Experemtierfeld für die Wissenschaft?? Hier muss so etwas wie eine offene Kapitulation her, mit der Androhung die Plünnen im Stadtparlament hinzuwerfen.
Sonst macht der letzte Alteingessessene der noch die Miete selber zahlt oder sein Haus mit Verlust verkauft, auch bald das Licht aus und zieht in die Nachbarstädte.