Für den Fall, dass es auch in diesem Sommer zu Starkregen und Hochwasser kommt sieht sich das nordrhein-westfälische Umweltministerium gut gerüstet.
Das Tief, das in Nordrhein-Westfalen im Juli vergangenen Jahres für starke Regenfälle sorgte, hieß Bernd. In 25 Städten traten Bäche und Flüsse über die Ufer. 49 Menschen starben allein in NRW an den Folgen der Naturkatastrophe. Der Sommer im Land ist eine eher trockene Zeit, aber wenn es regnet, kommt das Wasser schnell in großen Mengen. Die von Bernd angerichteten Verwüstungen hatten politische Folgen: SPD und Grüne setzten einen Untersuchungsausschuss durch. Dort stellten Experten wie die britische Hydrologie-Professorin Hannah Cloke fest, dass die Katastrophe vermeidbar gewesen wäre. Schon Tage zuvor sei absehbar gewesen, dass es zu Starkregen kommen würde. Der Meteorologe Jörg Kachelmann sagte im Ausschuss: „Es musste in dieser Situation niemand ums Leben kommen. Wenn alle das tun, was hätte getan werden müssen“. SPD und Grüne warfen der Landesregierung vor, versäumt zu haben, was hätte getan werden müssen: Schnell einen Krisenstab einzurichten, den es nie gab, und zügig auf Wetterdaten und steigende Flusspegel zu reagieren. Dass der einzige Fachmann im Landesumweltamt, der die hydrologischen Daten, die den Wasseranstieg zeigten, lesen konnte, im Urlaub war, belegte offensichtlich, dass das Land auf eine solche Katastrophe nicht vorbereitet war.
Hat die Landesregierung aus den Fehlern gelernt? Nach Informationen der Welt am Sonntag soll der Lanuv-Experte für Hochwasser bald in Elternzeit gehen. Die Behörde stünde dann für Monate wieder ohne Fachmann da. Auf Anfrage dementiert das Umweltministerium den Fall nicht im Detail. Es sei sichergestellt, dass „ausreichend fachlich qualifiziertes Personal zur Erfüllung der Aufgaben im Fall eines Hochwassers zur Verfügung steht“ und das „unabhängig davon, ob einzelne Kolleginnen oder Kollegen im Hinblick auf ihre konkrete Lebensplanung aktuell im Dienst sind.“ Perspektivisch sieht das LANUV jedoch Bedarf für weiteres Personal, um die vorgesehenen „künftigen Aufgaben im Bereich der Hochwasservorhersage dauerhaft gesichert erfüllen zu können.“
Allerdings kämen auch in diesem Jahr im Fall eines neuen Hochwassers die Daten aus unterschiedlichen Quellen. Das Land verfügt noch immer nicht über ein eigenes, funktionierendes Hochwasservorhersagesystems. Ein solches ist erst im Mai in einen Testbetrieb gegangen. Es soll Prognosen für Hochwassermeldepegel an Ruhr, Sieg, Werre und elf anderen Gewässern melden. Flüsse wie die Wupper oder die Ahr werden im Testbetrieb nicht erfasst, obwohl sie im Sommer 2021 zu den Gewässern gehörten, deren schneller Anstieg verheerende Schäden verursachte und mehreren Menschen das Leben kostete. Sie sollen, wie alle Flüsse im Land, im Laufe der Zeit angeschlossen werden. Wann dem Test- der Regelbetrieb folgt, ist noch unklar. Die Daten werden dann allerdings für alle Bürger zugänglich sein.
Das Hochwasservorhersagesystem ist Teil eines zehn Punkte Plans, den das Umweltministerium im Januar vorstellte. So sollen künftig die von den Kommunen erfassten und nach unterschiedlichsten Regelungen weitergemeldeten Daten über Pegelstände einheitlich erfasst werden. Eine entsprechende Verordnung, die ein solches einheitliches Vorgehen vorschreibt, soll allerdings erst nach dem Sommer, im dritten Quartal 2022, erlassen werden
Andere ohne Zweifel sinnvolle Maßnahmen aus dem „10-Punkte Arbeitsplan Hochwasserschutz in Zeiten des Klimawandels“ werden erst in Jahren umgesetzt sein: Überschwemmungsgebiete festzulegen, die den Flüssen bei Hochwasser Platz geben, sich in Bereichen auszubreiten, wo sie keinen Schaden verursachen, wird Jahre dauern und könnte zu Streitigkeiten mit Kommunen führen, die solche Flächen vielleicht schon als Baugebiet ins Auge gefasst haben. Auch bis Städte ihre Planungen in einer Weise geändert haben, dass Grünflächen und Wohngebiet „so gestaltet werden, dass die Böden bei Starkregen mehr Wasser aufnehmen können, wird ebensowenig kurzfristig umzusetzen sein wie die geplanten neuen baulichen Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Die fördert das Land zwar mit 80 Prozent, aber bauen kostet Zeit.
Eine Maßnahme wurde allerdings schon umgesetzt: Die Landesregierung richtete im April eine Hochwasserschutz-Kommission als Beratungsgremium ein. Die Mitglieder kommen unter anderem aus Wasserwirtschaft, Wissenschaft, Politik und Umweltverbänden und sollen die Umsetzung des 10-Punkte-Plans begleiten.
Der Text erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag