Berliner Schloss: König, Kreuz und Kniebeschwerden

Stadtschloss Berlin Foto: Thomas Wessel


An diesem Wochenende soll dem Berliner Retro-Schloss, neudeutsch Humboldt-Forum, eine Laterne aufgesetzt werden, die rund 12 m hohe Krönung eines 650 Millionen schweren Ideenbaus. Ich hätte da einen Vorschlag. Von unserem Gastautor Thomas Wessel.

Die Laterne  –  Architektursprache für einen turmartigen Aufsatz eines Gebäudes, hier des Schloss-Surrogats  –   ist längst nach allen Märklin-Regeln nachgebaut, der Kran geordert, das Feuilleton empört. Dass man dem Schloss ein Kreuz aufpflanzen würde, war 2017 noch irgendwie hingenommen worden: Wenn Retro-Schloss dann Retro-Kreuz, das war so die Linie, das Kreuz sei Ornament wie ein Schnörkel am Gesims.

Die Kirchen damals haben das Nichtkreuz-Kreuz auf dem Nichtschloss-Schloss mit keinem vollen Herzen und keinen guten Argumenten, aber dennoch „begrüßt“. Die evangelische Kirche erklärte, so ein Kreuz auf so einer Kuppel sei „kein Herrschaftszeichen, sondern ein Anstoß, über Religion nachzudenken“. Wenn‘s sonst keiner tut. Als stünde dem Schloss und seinem reaktionären Gestus nicht der Berliner Dom direkt anbei, ein ästhetischer wie theologischer Kompagnon, dem man zutrauen darf, dass auch er genügend „Anstoß“ bietet, einmal nachzudenken über Religion. Über Fragen wie: Wenn Gott wohnte, dann eher im Schloss, im Dom oder im Stall?

Auf beiden Seiten der Straße  –  das ist die Crux des Humboldt-Forums und war schon immer die des Doms  –  passen Form und Inhalt partout nicht zusammen: Das Kreuz auf der Kuppel ist eben kein Karabiner, mit dem sich Staatsmacht und göttliche Autorität verhaken, biblisch gelesen ist es das Gegenteil: Strafe für den, der die Autorität der Staatsmacht relativiert. Aufs Schloss passt das Kreuz so wenig wie auf den goldlackierten Dom oder, das hat andere Gründe, auf die dritte Kuppel im Quartier, die des Bundestages. Eigentlich gehörte es unter die Erde.

Dahin, wo man  –  auf kurzem Wege zwischen Schloss und Dom und Bundestag  –  vor zehn Jahren elf Skulpturen der Klassischen Moderne geborgen hat, Werke von Otto Freundlich, Emy Roeder, Edwin Scharff ua, die von den Nazi beschlagnahmt und ab 1937 als „Entartete Kunst“ ausgestellt worden waren. Nach 1945 galten ihre Werke als verschollen, heute offenbaren sie, was der Boden birgt, auf dem wir stehen. Und dass sich, überall in Europa, die Erinnerung öffnen kann, sobald man eine Straße umpflügt.

Für diesen „Anstoß“ braucht es keine Kunstclowns wie die vom Zentrum für politische Blödheit, es braucht auch kein Kreuz auf Kuppeln, nun wird es dennoch aufgepflanzt. Mit Leseanleitung. Vor mehr als einem Jahr hat Laura Goldenbaum in KUNST & KIRCHE 2/2019 öffentlich gemacht, was „Laterne“ und „Rekonstruktion“ tatsächlich meint: dass einem in 34 cm hohen goldgefassten Lettern, unterhalb des Kreuzes eingebracht, erklärt werde, dass über der Staatsmacht „kein ander Heil“ sei. Außer „der Name Jesu“. Weswegen alle „im Himmel und auf Erden und“  –  siehe Otto Freundlich, 1943 im KZ ermordet –  „unter der Erde“ ihr Knie zu beugen hätten.

Beugen vor wem, vor Gott, vor Jesus, vor dem Staat? Oder ist das egal, Hauptsache knien? Autoritätsfrömmigkeit wird hier 1:1 re-inszeniert und das entgegen dem, was die biblischen Verse  –  es sind zwei, die der preußische König höchstselbst verrührt hat  –  eigentlich bedeuten: Sie sind beide nicht aus der Position der Macht formuliert, der eine  –  Apostelgeschichte 4  –  ein innerjüdischer Disput, der andere  –  Philipper 2  –  die heikle  Empfehlung an eine kleine Gemeinde, das Knie vor dem zu beugen, der einem Staatsverbrechen zum Opfer fiel, also gerade nicht vor dem Kaiser.

Warum da jetzt  –  Andreas Nachama hat das jetzt in der Jüdischen Allgemeinen gefragt  –  kein Protest komme von den Kirchen? Gute Frage, sie geht an alle Demokraten. Mein Vorschlag: Laternen gehören auf die Straße, damit sich niemand die Knie aufschürft.

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