Beschlagnahme von „Nazis töten.“-Plakaten der PARTEI war illegal

Demonstration gegen Nazi-Aufmarsch in Bielefeld am 08.11.2019; Foto: DiIE PARTEI Bielefeld
Demonstration gegen Nazi-Aufmarsch in Bielefeld am 08.11.2019; Foto: DiIE PARTEI Bielefeld

Seit dem 9. Mai 2018 sitzt, die wiederholt wegen Volksverhetzung verurteilte Holocaustleugnerin, Ursula Haverbeck ihre Haftstrafe in der JVA Bielefeld-Brackwede ab. Seitdem kommt es immer wieder zu Aufmärschen in der ostwestfälischen Metropole durch die Nazi-Splitterpartei Die Rechte und ihrem neonazistischen Umfeld.

Auch für den 9. November 2019, es jährte sich der 79. Jahrestag der Reichspogromnacht, hatten die Nazis eine Kundgebung unter dem Motto „Freiheit für Ursula Haverbeck“ angemeldet. Die inhaftierte Revisionistin hat am 8. November 1928 Geburtstag. Die Polizei Bielefeld hatte, aus Respekt vor den Opfern der Reichspogromnacht, versucht die Demonstration an diesem Tag zu verbieten:

Dieses Demonstrationsverbot wurde durch das Verwaltungsgericht Minden im September 2019 aufgehoben, weil es keinen Zusammenhang zwischen der rechtsextremen Demonstration und dem Gedenktag sehen konnte.

Ein breites Bündnis von demokratischen Parteien, darunter auch die Partei DIE PARTEI,  und Initiativen mobilisierte daraufhin für den 9. November 2019 zu einer Gegendemonstration.

Im Vorfeld der Demonstration kam es zu einem Zwischenfall: Mehrere Plakate der Partei DIE PARTEI, die entlang der Wegstrecke des Nazimarsches installiert waren – Motive: „Nazis töten“ und „Hier könnte ein Nazi hängen“ – wurden durch die Polizei beschlagnahmt.

Satirischer Konter auf Nazi-Plakate

Seit Jahren werden die menschenverachtenden und antisemitischen Plakate der Dorstfelder Nazis durch DIE PARTEI satirisch beantwortet: Auf das Plakat „Wir hängen nicht nur Plakate“ reagierte die Truppe um den ehemaligen TITANIC-Chefredakteur Martin Sonneborn (PARTEI-Vorsitzender) mit dem Gegenplakat „Hier könnte ein Nazi hängen!“.

Das Plakat Israel ist unser Unglück, eine Anspielung auf die Fußzeile „Die Juden sind unser Unglück.“ der Titelseite des nationalsozialistischen Hetzblatts Der Stürmer, wurde mit dem Plakat Israel zum Glück gut bewaffnet gekontert.

Die beanstandeten Plakate; Foto: DIE PARTEI Bielefeld
Die beanstandeten Plakate; Foto: DIE PARTEI Bielefeld

Staatsmacht zeigt in Anbetracht des Naziterrors Willen zum handeln

Erstgenanntes Plakat und das Plakat „Nazis töten“, das die Morde an Millionen von Menschen – Holocaust, Walter Lübcke, NSU, Zwickau etc. – thematisiert, wurden vor der Demonstration durch Ordnungshüter sichergestellt.

Aussagen der Plakate durch Artikel 5 des Grundgesetzes gedeckt

Trotz der Erklärungen der Beschuldigten, dass das beanstandete Plakat nichts anderes macht als die Mordtaten von Rechten zu thematisieren und das andere Plakat als Alternative zu Naziplakaten gesehen werden soll, wurden die Plakate beschlagnahmt.

Gegen drei Mitglieder der PARTEI wurde ein Ermittlungsverfahren wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§111 StGB) eingeleitet. Einen Tag später, während der Demonstration, wurden verbliebende Plakate entfernt. Von Teilnehmern der Demo mitgebrachte Plakate, mussten durch Überkleben des Wortes „töten“ zensiert (Siehe erstes und unterstes Bild!) werden.

Dieses Ermittlungsverfahren gegen Mitglieder der PARTEI wurde später eingestellt.

DIE PARTEI Bielefeld beantragte daraufhin am 6. Januar 2020 beim Amtsgericht Bielefeld, die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme festzustellen.

Das Gericht gab der Klägerin nun Recht und stellte am 19. Februar 2020 fest, dass die Beschlagnahme mangels strafbarer Inhalte der Plakate rechtswidrig war und die Aussagen als Meinungsäußerungen durch den Artikel 5 des Grundgesetztes gedeckt seien. Eine Strafbarkeit nach §111 sah das Amtsgericht Bielefeld ebenfalls als nicht gegeben an.

Die Partei Bielefeld siegt vor Gericht; Foto: Peter Ansmann
Die Partei Bielefeld siegt vor Gericht; Foto: Peter Ansmann

Polizei Bielefeld hat Grundrechte verletzt

Für den Düsseldorfer Rechtsanwalt Dr. Jasper Prigge, der DIE PARTEI in diesem Verfahren vor Gericht vertreten hat, ist die Entscheidung des Gerichts eindeutig: „Die Bielefelder Polizei hat hier Grundrechte verletzt. Es war von vornherein klar, dass die Plakate sich kritisch mit der von Neonazis ausgehenden Gefahr auseinandersetzen. Dies stellt offensichtlich keinen Aufruf zu Straftaten dar, wie das Amtsgericht nun bestätigt hat.“

Lena Oberbäumer, Vorsitzende DIE PARTEI Bielefeld; Foto: Peter Ansmann
Lena Oberbäumer, DIE PARTEI Bielefeld, bietet jetzt Seminare zum Thema Grundrechte an; Foto: Peter Ansmann

DIE PARTEI möchte die Polizei in Zukunft intensiver unterstützen

Das Bildungsangebot der PARTEI wurde jetzt aufgrund des Urteils erweitert.

Lena Oberbäumer vom Bielefelder Kreisverband der Partei DIE PARTEI: „Wir hatten die Polizei vor Ort ja direkt darüber informiert, wie die Plakate zu verstehen sind. Wir würden in Zeiten personeller Engpässe Fortbildungen und Seminare zum Thema Grundgesetz und Grammatik anbieten.“

Polizei hat teilweise Nachholbedarf in Sachen FDGO

Ganz falsch liegt DIE PARTEI mit ihrem Angebot nicht.

Beim letztjährlichen Nazimarsch in Duisburg, wurde auf antisemitische Sprechchöre und Hetzreden (Wir sind, damals wie heute, Hitlerleute!) nicht durch die Polizei vor Ort reagiert: Die Nazis durften, von der Polizei geschützt, fröhlich weitermarschieren und die Bevölkerung in Duisburg mit Hassgesängen und durch martialisches Auftreten terrorisieren.

Im Nazikiez in Dortmund-Dorstfeld leben die Rechtsextremisten ebenfalls, weitestgehend, ungestört von der Polizei.

Von Razzien und verletzten Rechtsextremisten (Stichwort: Putativnotwehr) hört man selten in den letzten Jahren. In den 80er Jahren wurde, zumindest gegen vermeintliche Linksextremisten, härter durchgegriffen. Die Samthandschuhe, die heute auf Seiten der Staatsmacht getragen werden, irritieren. Immerhin: Es gibt Korrekturen. So hat das OLG Karlsruhe gestern, via Klageerzwingungsverfahren, die Staatsanwaltschaft Karlsruhe zur Aufnahme von Ermittlungen wegen Volksverhetzung gegen DIE RECHTE gezwungen. (Der Pforzheimer Kurier schreibt dazu: Das Gericht benennt dabei ausdrücklich auch die „Gewalt und Willkürmaßnahmen – wie im Oktober 2019 in Halle geschehen“, also den Anschlag auf die Haller Synagoge. Der von Rami Suliman, dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Pforzheim, gestellte Antrag führt nun zur Anordnung von Ermittlungen gegen die angezeigten Parteivorsitzenden Sascha Krolzig und Sven Skoda und möglicherweise weitere Personen.)

Zensiert: "Nazis töten"-Plakat auf der Kundgebung am 9. November 2020; Foto: DIE PARTEI Bielefeld
Zensiert: „Nazis töten“-Plakat auf der Kundgebung am 9. November 2020; Foto: DIE PARTEI Bielefeld

Polizei greift durch: Gegen die erklärten Verteidiger der Verfassung

Ob bei der illegalen Erstürmung einer Wohnung in Duisburg (Wegen einer Israelflagge!), als Terroranhänger durch Duisburg zogen, Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Aktivisten die mit einer Satirewebsite in den Jahren 2015/2016 PEgIdA in Duisburg aufs Korn nahm oder in diesem Fall:

Die Energie, mit der gegen antifaschistische und antiislamistische Kräfte vorgegangen wird, vermisst man heute beim Umgang mit den Feinden von Demokratie, Freiheit und der liberalen Gesellschaftsordnung.

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Thomas Weigle
Thomas Weigle
4 Jahre zuvor

An anderer Stelle hat vor kurzem @Helmut Junge festgestellt, dass es spätestens in den 70ern als unanständig unter Linken galt, zur Polizei zu gehen. Das war so und nun rächt sich das. Was wurde bspw. in den 90ern gestaunt, wenn sich ein Polizist als Grüner outete…

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[…] (Beschlagnahme von „Nazis töten.“-Plakaten der PARTEI war illegal) […]

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[…] von Hanau und den Mord an Dr. Walter Lübcke – sorgte in der Vergangenheit bereits für Verwirrungen. Auf der Demo in Duisburg waren sie […]

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