„Besetze Häuser sind eine Chance“

az_plakat

Protest gegen die geplante AZ-Räumung

Seit Jahren kommt es in NRW immer wieder zu Hausbesetzungen. Für die Städte könnten sie eine Chance sein.

Sie kamen am 24. Juli um kurz vor fünf Uhr: Die Essener Polizei  sammelte sich am Bahnhof West und rückte auf die ehemalige Hauptschule an der Bärendelle vor. Im Schutze eines Räumpanzers vom Typ Sonderwagen 4, brachen die Beamten die Türen der zwei Tage zuvor besetzten Schule auf, vertrieben die Besetzer. Um sieben Uhr war die Aktion beendet, die Personalien aller, die sich in der Schule befanden, festgestellt und das Gebäude gesichert und ein junger Mann in einem Tigerkostüm nicht mehr auf dem Baum, auf den er geflüchtet war.

Fragt man Jeannette Kern, einer der Sprecherinnen der Stadt, führte an der Räumung der ehemaligen Schule in Frohnhausen kein Weg vorbei: „Das oberste Stockwerk der Schule ist einsturzgefährdet. Als Besitzer des Gebäudes haben wir eine Sicherungspflicht und müssen dafür sorgen, dass sich niemand in dem Gebäude aufhält.“

Nun sei man dabei die Schäden zu prüfen  die durch die Besetzung und die Räumung entstanden seien. Im Gebäude gäbe es kaputte Scheiben, Wände seine verschmiert und auch die Polizei hätte bei der Räumung Türen aufbrechen müssen.

Wie viele der Schäden, die nun festgestellt werden sollen, von der Besetzung stammen, wird schwierig sein herauszufinden. Als im Winter eine Gruppe Essener Bürger eine Besichtigung der seit Jahren leerstehenden Schule vornahmen fielen ihnen eingeschlagene Fenster auf, regnete es auf den Stabparkettboden und waren die Wände beschmiert gewesen. Am Tag vor der Räumung waren die Besetzer in dem Haus vor allem damit beschäftigt, zu putzen und Schutt einzusammeln. Ateliers wollten sie in dem Haus schaffen, ein kostenloses Kulturangebot für den Stadtteil, einen Freiraum um sich auszuprobieren.

„Die Stadt“, sagte einer von ihnen, „weiß doch mit dem Gebäude nichts anzufangen. Das verfällt doch hier alles. Es ist so schade um dieses schöne Haus.“

Das sieht Kern anders. Es gäbe drei Investoren für die Schule – es könnten Wohnungen entstehen, auch eine Büronutzung wäre denkbar. Fünf bis zehn Millionen müssten allerdings nach Schätzungen in das Gebäude investiert werden. Angesichts der mauen Lage auf dem Essener Immobilienmarkt Summen, die nur schwer wieder verdient werden können, gerade in einem Stadtteil wie Frohnhausen der nicht zu den bevorzugten Immobilienlagen der Stadt gehört.

Den Besetzern wirft Kern vor, sich dem Dialog mit der Stadt verweigert zu haben. „Es gab keine Sprecher, die mit uns verhandelt hätten und keine konkreten Forderungen.“

Die Besetzer sehen das anders, verweisen darauf, eine E-Mail-Adresse veröffentlicht zu haben, unter der sie erreichbar waren. Von der Stadt haben sie nie Post bekommen.

Das Autonome Zentrum in Köln-Kalk wurde noch nicht geräumt. Zwar hat die Stadt den 2011 mit den Besetzern der seit 2010 besetzten ehemaligen Kantine der Klöckner-Humboldt-Deutz AG zum 30 Juni gekündigt, aber noch ist das Gebäude besetzt. Die Stadt hat angekündigt, das Autonome Zentrum in den nächsten Wochen zu räumen, aber Anne, die Sprecherin der Besetzer, gibt sich optimistisch: „Ich glaube nicht, dass die letzte Entscheidung schon getroffen ist. Innerhalb der rot-grünen Koalition im Rat ist die Räumung umstritten. Die Grünen sind dagegen und wollen das Autonome Zentrum erhalten. Innerhalb der SPD machen sich vor allem Oberbürgermeister Jürgen Roters und die stellvertretende Fraktionschefin Susanna Dos Santos-Hermann für eine Räumung stark, aber es gibt auch dort Diskussionen und wohl die Angst vor einem Gesichtsverlust, wenn man einlenken würde.“

Dass mutmaßliche Anhänger des AZ das Schloss von Roters Haustür mit Uhu verschmiert haben und sich mit Plakaten über SPD-Politiker lustig gemacht haben, hat nicht zur Entspannung zwischen den Besetzern und den Sozialdemokraten beigetragen. “Wir haben“, sagt die AZ-Sprecherin, von den Aktionen aus dem Internet erfahren. Unser Ziel ist es nicht Politiker in ihrem Privatleben anzugreifen, wir wollen über ihre Politik streiten.“  Die Täter haben sich mittlerweile öffentlich bei Roters und Santos-Hermann entschuldigt: “Zuerst entschuldigen wir uns hiermit ausdrücklich dafür, dass unsere Aktion von Euch als eine persönliche Bedrohung eures Privatlebens wahrgenommen wurde.“

Die Stadt will die ehemalige Kantine abreißen und dort Grünflächen in Schulnähe schaffen. Deren Notwendigkeit wird von der AZ-Sprecherin nicht bestritten: „Stimmt, Köln baucht Grünflächen, aber das Zentrum muss dafür nicht abgerissen werden. Es gibt hier genug Platz.“

OB Jürgen Roters sieht das anders: „Die Stadt Köln benötigt das Gelände spätestens im September für die Umsetzung der dringend erforderlichen Schulerweiterung und -sanierung der in unmittelbarer Nähe befindlichen Kaiserin-Theophanu-Schule.“

Das AZ sei ein einzigartiges kulturelles Angebot in Köln und vor allem im rechtsrheinischen Kalk. „Wir bieten ein kostenloses Kulturangebot und Räume für Menschen, die etwas machen wollen.“ Es gibt einen Umsonstladen, der auch ein großes Bücherangebot hat, eine Fahrradwerkstatt, Computerkurse und Kinderbetreuung bei Veranstaltungen. „Viele unserer Gäste kommen aus Kalk, wir bekommen viel Unterstützung aus dem Stadtteil.“

Roters widerspricht dieser Einschätzung: Nach den bisherigen Erfahrungen, sehe er keinen Vorteil für Kalk durch das AZ. „Allerdings gibt es im Stadtteil bereits legale autonome Kulturinitiativen. Hingewiesen sei zum Beispiel auf eine private Initiative, die sich im Januar 2013 in Kalk aus dem Filmprojekt „Kalk für alle“ gebildet hat. Dieses Projekt hat Räume (…) eines ehemaligen Fahrradgeschäftes angemietet und nennt sich „RAUM ganz schön Kalk“. Die Anmietung wird privat von mehreren Projektunterstützern finanziert.“

Der Berliner Stadtplaner Arnold Voss spricht sich dafür aus, besetzte Gebäude wie in Essen und Köln nicht zu räumen oder wenn sich die als ungeeignet erweisen, Alternativen zu finden: „Viele der heute anerkannten und beliebten Kulturzentren sind aus Besetzungen der 70er und 80er Jahre hervorgegangen. Weil die Politik damals so klug war, diesen Initiativen Raum zu geben, haben wir heute eine UFA-Fabrik in Berlin, den Bahnhof Langendreer in Bochum oder die Frauenstrasse 24 in Münster.“ Die Häuser seien eine Chance – auch für die Städte. Besetzungen seien immer auch Zeichen von Konflikten innerhalb der Stadtgesellschaft und ein Dialog, die Suche nach Kompromissen meistens der bessere Weg als die schnelle Räumung. Die könnte immer noch erfolgen, wenn sich ein Projekt in die falsche Richtung entwickelt: „Wenn sich irgendwelche Spinner in einem Haus festsetzen kann die Politik jederzeit  so ein Haus räumen.“ Der Einschätzung von Voss widerspricht Kölns OB: „Projekte auf illegaler Basis wie das so genannte Autonome Zentrum in Heidelberg oder das Kunsthaus Tacheles haben sich von Ihrer Ursprungsidee her doch anders entwickelt. Eine zukunftweisende Entwicklung kann es für mich nur auf konfliktfreier, legaler Grundlage geben.“

Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag.

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toddererste
toddererste
11 Jahre zuvor

„Was Recht ist muss Recht bleiben… “
heißt es doch schon immer! Warum also an den altbewährten Weisheiten rütteln an die sich schon unsere Großeltern gehalten haben?

Schließlich ist man, nur weil man sich Künstler nennt, nicht direkt mit Privilegien ausgestattet! Wenn man Raum braucht hat man den zu bezahlen! Und wenn etwas illegal kann es auf keinen Fall richtig sein!
Der Staat weiß was zu tun ist! Wir müssen ihm einfach vertrauen. Jeder der sich Quer stellt gehört bestraft! Wo kommen wir denn hin wenn jeder einfach macht was er will!
Und ja! Eigentum verpflichtet! (Artikel 14 (2) GG) und die staatliche Obrigkeit steht da natürlcih in der ersten Pflicht! Wenn die SPD meint das es besser ist ein Objekt 10 Jahre leer stehen zu lassen ist das so! So war das immer und so wird es bleiben – gerade im Ruhrgebiet! Schließlich erleichtert es dem zukünftigen Investor, falls sich einer findet der würdig ist, das Objekt zu sanieren! Ich die Bausubsanz erst durch Wasser und Frost „weich“ lässt sie sich viel besser Formen!
Doch allein die Vertreter der Mehrheit (!) in Frage zu stellen zeigt die Natur dieser Querulanten!
Also setzt euch hin und wartet ab was euer Land für euch tut,wartet was unsere Vertreter uns sagen!

Schließt euch nicht diesen oben erwähnten illegalen „Projekten“ an!
Schränkt das Recht auf Demonstrationen ein!
Schafft die freie Meinungsäusserung ab!

Krieg ist frieden, Freiheit ist Sklaverei, Unwissenheit ist stärke!

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