Bildungsbürger, Bürgerkinder, bürgerlich, gutbürgerlich, Bürgerklasse, bürgerliche Kreis, Bürgerschicht, Bürgergesellschaft, Gemeindebürger, Staatsbürger, Bürgerbegehren, Bürgerentscheide, eine bürgerliche Welt, eine gutbürgerliche Welt, bürgerliche Mittelschicht, bürgerliche Unterschicht, bürgerliche Oberschicht, bürgernah, bürgerfern,bürgerliches Gesetzbuch, Bürgermeister, Bürgerbeauftrager, bürgerliche Parteien, Bürgerwehren und und und. Von unserem Gastautor Walter Stach.
Zu einigen dieser Begriffe gibt es immerhin ein juristische Definition – z.B. in den Kommunalverfassungen zu .Gemeindebürger, Bürgermeister, .Bürgerbegehren, sh.Bürgerentscheid, einige lassen sich relativ problemlos beschreiben –sh.bürgernah, bürgerfern, Bürgerbeauftragter. Zudem wissen die Beteiligten in der Kommunikation, worüber sie reden, wenn vom Gemeidebürger oder der bürgernahen, der bürgerferne Verwaltung die Rede ist.
Aber dann! Finde ich z.B. in der „WELT“ die Begriffe „Bürgerschicht, bürgerliche Kreise, gutbürgerlich“ stehen sie regelmäßig in einen positiven Zusammenhang zum Inhalt des Berichtes, des Kommentars. Finde ich die selben Begriffe z.B. in der „TAZ“ dann regelmäßig mit kritischem Bezug, manchmal um zu polemisieren –und um zu diskriminieren?
Uninteressant, unwichtig, weil die Leser der WELT und die der TAZ jeweils wissen, was bzw. er gemeint ist und warum die Begriffe verwandt werden.? Vielleicht doch interessant, wichtig, nachdenkenswert, wenn es um den Versuch geht, auszugrenzen, abzugrenzen und dazu dann bewußt inhaltliche unklare, ungenaue, nebulöse Begriffe verwandt werden?
Bürgerliche Parteien? Dazu zählt herkömmlich nicht „meine“ Partei, die SPD. Das kann historisch begründet werden, geht jedoch heute fehl und kann durchaus diskriminierend aufgefaßt werden, denn „man“ stünde als Mitglied der SPD als einer nicht bügerlichen Partei, außerhalb des „Bürgerschaftlichen“.
„Bürgerliche Mittelschicht“ –gibt es eine bürgerliche Unterschicht? Gibt es eine Unterschicht, Mittelschicht, eine Unterschicht, die nicht bürgerlich sind?
„Bildungsbürger“ -Wer ist das? Wer hat die Definitionshoheit? Und welchem Zweck dient die Verwendung dieses Begriffes? Versuch der Abgrenzung zum „ungebildeten“ Bürger mit welchem Ziel?
Kann es der Kommunikation , kann es einer sachlichen Diskussion dienen, kann es dazu beitragen, Diskriminierungen , Eingrenzungen und Ausgrenzungen zu vermeiden, wenn „das Bürgerliche, der Bürger, die Bürgerlichkeit“ möglichst in allen ihren Verwendungs- und Beifügungsmöglichkeiten ausgelassen und nur noch dann genutzt werden, wenn sie exakt definierte juristische Begriffe sind, wie z.B. in unseren Kommunalverfassungen zu finden sind?
Das könnte dazu beitragen, daß jeder in Wort und Schrift gezwungen ist, mehr denn je darüber nachzudenken, was er denn konkret meint, wenn er z.B. vom „Bildungsbürger, von Bildungsbürgerkindern, vom Bildungsbürgertum „ spricht und das wiederum wäre eine Herausforderung zu mehr gedanklicher Klarheit die sich dann in sprachlicher Präzsion äußern würde.
Sind das „Sorgen“ eines „Bildungsbürgers“ weit ab von den alltäglichen Problemen der meisten Menschen –der nicht „Bildungsbürger“? Da ich nicht weiß, was ein „Bildungsbürger“ ist, kann ich schon deshalb diese Frage nicht beantworten
Henrik Ibsen sagt zum Bürgertum:
https://de.wikipedia.org/wiki/Lebenslüge#Begriffspr.C3.A4gung
Lebenslüge – Begriffsprägung
Der Begriff wurde von dem Dramatiker Henrik Ibsen Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt. Er prangerte damit scheinheilige Verlogenheit, Doppelmoral und krampfhaftes Festhalten am schönen Schein an, was in seiner Sicht typisch war für das Bürgertum seiner Zeit.
„Nehmen Sie einem Durchschnittsmenschen die Lebenslüge, und Sie nehmen ihm zu gleicher Zeit das Glück.“
– Relling : Ibsens „Die Wildente“
[…] Bildungsbürger, Bürgerkinder, bürgerlich: was ist das, was soll das, was will das? … ruhrbarone […]
Herr Stach, meinten Sie vllt die sogenannte deutsche „Leitkultur“? Das ist aber der gleiche Schwachsinn!
Melanie v.Hurt, nein, ich meine nicht die sog. Leitkultur, obwohl in der Tat auch dieser Begriff ähnlich viel sagend/nichts sagend ist wie „Bildungsbürger, Bildungsbürgerkinder u.ä. und unstrittig mit ihnen als “ verwoben“ zu gelten hat. Während es die „Leitkultur“ aber eben nur sehr sporadisch, z.B. aus Anlaß von CDU-Parteitagen, in die Medien und damit in die öffentliche Diskussion schafft, finde ich die „Bildungsbürger, die Bildungsbürgerkinder“ wesentlich häufiger in den Medien,dann aber nie auch nur mit dem geringsten Ansatz, diese Begrifflichkeiten mit Inhalt zu füllen. Darum scheint es denjenigen auch gar nicht zu gehen, die diese Begriffe verwenden, mit welchem Ziel auch immer.Insofern gibt es dann wieder die von Ihnen angesprochene Vergleichbarkeit mit der „deutschen Leitkultur“.
Wenn wir die Spezialisten mit Abitur und Hochschulstudium nicht als Bildungsbürger betrachten, wer bleibt dann eigentlich noch übrig?
Von einem Bildungsbürger sollte man doch erwarten können, daß er sich einigermaßen über die meisten Dinge, die ihn umgeben, auskennt, also erklären kann, wie elektrisches Licht entsteht, sein Auto funktioniert, daß er aber gleichzeitig auch weiß, daß es die Pyramiden erst nach den Dinosauriern gab, (nicht lachen, hab ich erlebt, daß das nicht immer so bekannt ist).
Wenn die FAZ über Bildungsbürger schreibt, meint sie normalerweise diejenigen, die sich über Literatur, Theater und evtl. auch über Kunst unterhalten können.
Werden diese Leute aber gefragt, warum es im Winter kälter als im Sommer ist, machen die Antworten richtig Spaß.
Umgekehrt natürlich sind Naturwissenschaftler und Ingenieure fast immer auf ihr Fachgebiet fixiert. Die haben dann „leider“ für die Geisteswissenschaften keine Zeit.
Was also ist heute ein Bildungsbürger? Früher gab es diesen Typus noch. Als nur 5% eines Jahrgangs das Abitur machten, hoben die sich bildungsmäßig mehr oder weniger deutlich von den anderen ab. Jetzt sind es etwa 45%, (Abitur und Fachhochschulreife zusammen) und die Zahlen steigen. Sind das dann alles Bildungsbürger? Als Elitebegriff, nur um sich abzugrenzen, ist die Gruppe viel zu groß, zumal es Handwerker ohne Abitur gibt, die mehr als die Akademiker verdienen, und sich selbst als Elite betrachten.
Dennoch gibt es ja das Phänomen des „ungebildeten“ Bürgers.
Nur wer ist das?
Wenn wir, um wenigstens diese Gruppe zu definieren, die Einschaltquoten im Fernsehen analysieren, könnten wir zu dem Schluß kommen, daß diejenigen, die sich den größten angebotenen Schwachsinn zu Gemüte führen, genau in die Gruppe hineingehören. Da die Einschaltquoten aber immer ein Ergebnis des Kampfes um die Mehrheit sind, könnte man ja sagen, dass die Mehrheit der TV-Benutzer offensichtlich zur Gruppe der „ungebildeten“ Bürger zu rechnen ist. Da müssen dann auch viele Abiturienten dabei sein, weil die ja fast die Hälfte unserer jungen Bevölkerung darstellen.
Außerdem müßte die von der FAZ definierte Bildungsbürgerschicht doch gegen all diesen Schwachsinn, der aus Steuergeldern finanziert wird, protestieren. Da tut sich aber nichts. Das ist für mich der endgültige Beweis, dass es diese Gruppe gar nicht gibt.
Helmut Junge, -5-, der Beitrag überzeugt mich.Wenn die FAZ danach also eine Gruppe begrifflich zu erfassen versucht, die es real gar nicht gibt, muß diese Feststellung auch z.B. auch gegenüber der TAZ gelten, die vor einigen Tagen in einem Artikel zur Bildung ebenfalls die Begriffe Bildungsbürger/ Bildungsbürgerkindern verwandt hat, selbstverständlich mit der gegenteiligen Intention.
Walter Stach,
ich vermute, FAZ und TAZ, aber nicht nur die alleine, schlagen die großen Schlachten der Vergangenheit.
Sie können es nicht lassen! Die TAZ heute -Kommentar, S.1 zum Literatur-Nobelpreis anT.Tranströmer:“………und ihr (der Lyrik)diesen Hang zum Bildungsbürgerlichen austreiben, der ihr schnell anhängt, in Deutschland noch mehr als anderswo“.Ich habe also wieder Anlaß zu fragen:“ Was ist das, was soll das, was will das ? Und wer sind hier die „Bildungsbürgerlichen“?