Das wars: Die Opel-Produktion in Bochum ist nach über 50 Jahren beendet. Der größte industrielle Erfolg des Ruhrgebiets im Strukturwandel ist Geschichte. Trotzdem ist Bochum nicht Detroit. Leider.
Vor ein paar Monaten lief in Bochum ein Festival unter dem Titel: This is not Detroit. Es sollte eine trotzige Antwort auf das Ende der Opel-Produktion in Bochum sein, ein Signal, das man sich zu anderen Ufern aufmacht. Es war viel die Rede von postindustrieller Gesellschaft, von Schrumpfung und davon, dass es ja nett ist wieder etwas Gemüse selbst anzubauen. Also nicht viel mehr als aufgewärmtes Hipster-Gerede. Allein das Festival zeigte, das Bochum nicht Detroit ist. Leider.
Denn auch wenn die wirtschaftlichen Probleme Detroits deutlich schlimmer sind als in Bochum, zeichnet die Stadt etwas aus, was Bochum, was dem Ruhrgebiet fehlt: Es gibt privates Engagement. Katja Kullmann beschreibt in ihrem Buch „Rasende Ruinen“, wie zahlreiche Initiativen versuchen, den Armen in der Stadt zu helfen: Wenn dort Gemüse angebaut wird, hat das etwas mit der Sicherung der Ernährung zu tun und ist nicht in erster Linie ein Wohlfühlprogramm für gelangweilte Mittelstandskinder. Andere statten Armenwohnungen mit guten, neuen Möbeln aus, um ihnen zu Hause eine Umgebung zu schaffen, in der sie sich wohlfühlen. „Solidarity is the new sexy“, mit diesem Satz endet Kullmanns Buch.
Und es gibt auch wirtschaftlich neue Perspektiven. Nicht nur, weil Detroit nach einem Schuldenschnitt wieder ein wenig flüssig ist, sondern weil sich Unternehmen engagieren. Es gibt Detroit Venture Partners, eine private Initiative die Gründungen und Ansiedlungen unterstützt, weil sie eine ordentliche Rendite erwartet. Auch Kreative ziehen nach Detroit, angezogen von günstigen Mieten. Niedrige Löhne und niedrige Immobilenpreise ziehen Unternehmen wie Fossil lassen in der Stadt produzieren und schaffen neue Jobs.
Bei allen Problem gibt es in Detroit eine Aufbruchstimmung, gibt es mittlerweile auch gute Nachrichten und die haben sich die Stadt und ihre Bewohner selbst erarbeitet. In Bochum sehe ich nichts vergleichbares. Fast alles was passiert hängt an öffentlichen Fördertöpfen und die werden in den kommenden Jahren eher kleiner werden. Aufbruchstimmung, trotziger Überlebenswille? Fehlanzeige.
Wer die Mentalität der USA im Ruhrgebiet herbeiwünscht, sollte sich vor Augen führen, dass die Eigeninitiative in Detroit aus der sozialen Not heraus geboren ist. Die Stadt ist in die Insolvenz gegangen, sie hat die Hälfte ihrer Einwohner verloren, viele Gebäude im Zentrum sind verwaist, die Kriminalität ist sehr hoch. Ich bin immer noch froh, dass es in Deutschland ein Auffangnetz gibt, das das Schlimmste verhindert – denn es geht um das Lebensschicksal von 5 Millionen Menschen. Im Ruhrgebiet lässt es sich gut leben, das „Leiden“ bewegt sich auf hohem Niveau – lasst uns dankbar für diese Standards sein, statt die nackte materielle Not herbeizuwünschen.
Stefan,
meine Meinung zur Erinnerung:
Wenn BO, wenn die Region, wenn das Land NRW gemeinsam der Ansicht sind, der Re-industriealisierung der Opel-Fläche müsse „höchste Prioriät“ zukommen, dann müssen alle (!!) alles(!!) tun, um ihre Ressourcen (und die der EU) -Finanzen, kreatives-inovatives Potential- auf dieses Projekt zu konzentrieren.
Ich sehe das nach wie vor nicht!!
Wir sind nicht Detroit, wir sind nicht die USA, wir sind BO, wir sind im Ruhrgebiet.
In der Diskussion hier bei den Ruhrbaronen über Selbständige im Revier und über eine unbefriedigende Zahl derjenigen, die sich für die Selbständigkeit im Revier entscheiden, hat jemand -sorry,Name vergessen- m.E. zutreffend die Gründe für diese Siutation aufgezählt. Und die sind auch (mit-)bestimmend dafür, daß weder in BO noch im übrigen Revier die Menschen sich aus eigenem Antrieb, in eigener Verantwortung, risikobereit alleine und/oder in Gemeinschaft mit anderen, in unterschiedlichsten gesellschaftlichen Positionen, in den verschiedensten Berufen – mit Freude an Neuem, mit Mut zu Neuem-daran machen, z.B. etwas für sich zu tun oder etwas in Sachen Re-industriealisierung der Opel-Fläche anzupacken. Und diese Mentalität ist nicht nur die von jedermann im Revier, sondern auch die der politisch-adminstrativ verantwortlichen sog. Führungskräfte -Ausnahmen, die gibt es (!!), bestätigen die Regel,
Warten, hoffen auf Andere, die es schon richten werden!
Wird sich das solange nicht ändern, bis die Not der großen Mehrheit der Menschen im Ruhrgebiet annähernd mit der der Mehrheit in Detroit vergleichbar ist?
Und wenn die Aussage von Jens Schmidt -1- das Leitmotiv im Revier ist „Im Ruhrgebiet läßt sich gut leben. Laßt uns dankbar für diese Standards sein“, dann „gute Nacht“!
Wenn ich als Sozialdemokrat, der für einen starken Staat ist, das Lied von der Eigenverantwortung, der Eigeninitative des Einzelnen, der Kommunen, der Region singe (W i r packen es ), dann ist das kein Widerspruch zur Pflicht des Staates -Land NRW, Bund,EU) zu fördern, zu fordern, zu begleiten, zu unterstützen.
So sympathisch und beeindruckend das private Gemeinschaftshandeln ist (der gute alte Kommunitarismus lebt), aus diesem Land kam auch mal eine der intelligentesten Welfare-Politiken.
Das leider ist schon sehr lange her und heute nur noch in Umrissen zu sehen.
Bei uns in Duisburg wird jegliche Eigeninitiative von uns Bürgern von den (Parteien-) Apparatschiks gnadenlos zertrampelt. Sogar die hoffnungsvolle Abwahlinitiative „Neuanfang für Duisburg“ hat die SPD kaputtgekriegt – die anderen Parteien sind aber auch nicht viel besser. Und die Stadt schaffen diese Dilettanten auch noch, was sie schon im Schwelgernpark und Bruckhausen eindrucksvoll bewiesen haben. – Glückwunsch dazu …
Es geht das Gerücht, das eine neue städtische Gesellschaft gegründet werden soll: „ProKaputt DU“
Na, dann: Glück auf
Harald Jochums / Archetekt / Duisburg-Rheinhausen
@Harald Jochums, das Hauptproblem dabei ist, daß ein wirkungsvoller Protest immer von den Jungen ausgehen müßte. Das ist weit und breit nicht zu sehen. Die sind offenbar mit dem Niedergang einverstanden, oder was auch immer. Wo ich Protest sehe, sind es immer nur Leute in meinem Alter, die ihn vortragen.
@Helmut: Genau das beobachte ich auch. Egal welches ‚Problem‘. Alle meckern am Gartenzaun, aber kaum einer wehrt sich, oder protestiert sichtbar.
Wenn all das, was Wirtschaft und Politik in Deutschland absondern, korrekt wäre, müsste Bochum auch nicht Detroit sein. Aus den Opel-Werken wurden viele Facharbeiter in den Arbeitsmarkt geschickt, der diese so dringend benötigt, dass wir Arbeitskräfte aus dem Ausland anwerben müssen. Schenkt man dem Elendsgejammere der Wirtschaft Glauben, hätten all diese Fachkräfte bereits vor ihrem letzten Arbeitstag gute neue Arbeitsplätze gehabt haben müssen. Die Verlogenheit von Wirtschaft mit ihrem Komplizen Politik zwecks Profitmaximierung ist grenzen- und schamlos.
@Helmut Junge / Robin Patzwaldt
Die Alten sind aber auch nicht besser. Unsere Gesellschaft ist weichgespült. Und wir haben auch keine Demokratie, sondern eine „wirtschaftsgesteuerte, feudalistische Parteien-Oligarchie“. Was Demokratie bedeutet, müssen wir erst noch lernen – ist aber scheint’s nicht erwünscht von etlichen Damen und Herren. –
Und dazu müssen sich die demokratischen Kräfte zusammentun um nachzudenken, wie das gehen kann. Nur hier kommentieren bringt auf Dauer nicht weiter. –
Vorschlag: Rufen Sie mich doch einfach oder mehrfach an. –
Ideen gibt’s genug. Z.B. könnten wir Bürger uns in den Ratssälen versammeln, um unsere Probleme zu diskutieren. Und für Berlin habe ich ganz konkret ein „Haus der Bürger“ vorgeschlagen. Schau’n wir mal …
Harald Jochums / u.a. Archetekt für Ökologisches Bauen / Duisburg-Rheinhausen
@Harald Jochums, ich habe mich zur Jahrtausendwende ziemlich ernüchtert, wenn nicht frustriert aus der aktiven Politik zurückgezogen, und dabei bleibt es.
@Helmut Junge
„aus der aktiven Politik zurückgezogen“. –
Wenn Sie damit Parteien meinen, kann ich das gut verstehen. Ich denke auch eher an eine außerparlamentarische, parteien- und ideologienlose Opposition von uns Bürgern, gibt es doch eine Opposition innerhalb der Räte/Parlamente schon lange nicht mehr. –
Parteien sind für mich auch Auslaufmodelle, weil ich nicht glaube, daß sie sich reformieren können. Dazu ist das völlig unbedarfte „Personal“ garnicht in der Lage. –
Gruß aus dem Ruß
JO.
@ HJ (Harald Jochums) … bei Ihnen ist APO doch das Akronym für: Aus Prinzip Opposition.
So, wie ich Sie mal erlebt habe, sind Sie der typische Vertreter einer Vetokratie.
Prinzipien statt Pragmatismus?
Und Ideologiefrei? Bei Ihnen? C´mon 😉
Aber anscheinend suchen Sie sich ja gerade ein neues Feld für
ProfilierungProteste, nachdem Bruchhausen jetzt langsam schöner wird 😉@abraxasrgb
Sehr guter „Kommentar“, der zeigt, wie wir es nicht machen sollten: Anstatt inhaltlich was zu sagen, Andere mit wirren Unterstellungen erkennbar unwissend versuchen herabzusetzen wie es auch in Parteien üblich ist – und das Ganze auch noch gottgleich anonym. –
Rufen Sie mich doch lieber an. Bin gespannt. –
Harald Jochums / Duisburg-Rheinhausen
[…] des Monats: Bei Opel in Bochum stehen die Bänder still. Der letzte Zafira lief vom Band. Wieviel Detroit in Bochum steckt, wird sich erst noch weisen müssen. Ein mitfühlendes “Glückauf” an all jene, […]