Bochum: Verpatzte Franken-Spekulation wird teuer

Stadtwerke Zentrale in Bochum: Foto: Stadtwerke Bochum Lizenz: Copyright
Stadtwerke Zentrale in Bochum: Foto: Stadtwerke Bochum Lizenz: Copyright

Von der amerikanischen Schriftstellerin Ayn Rand stammt der kluge Satz: „Man kann die Realität ignorieren – aber man kann nicht die Konsequenzen der Realität ignorieren.“  Bochums Stadtkämmerer Manfred Busch und Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz sollten ihn einrahmen lassen und in ihren Büros aufhängen.   Um einen Schlag sind seit Donnerstag die Bochumer Schulden gestiegen, weil sich Bochum wie viele Städte in Nordrhein-Westfalen bei Krediten in Schweizer Franken verzockt hat. Bei den Versuchen, sich ums sparen zu drücken wurden immer verwegenere Wege beschritten: Cross-Border-Leasing, Anleihen und Währungsspekulationen. Währen der Schulden immer weiter ansteigen, wird die Stadtverwaltung aufgebläht, beteiligen sich die Stadtwerke an der Steag und leistet man sich ein neues Konzerthaus , obwohl es von denen in den Nachbarstädten genug gibt.

SPD und Grüne werden nun nicht umhinkommen zu sparen. Auch bei ihrer Stammwählerklientel, den Beschäftigten der Stadt und ihrer Volkseigenen Betriebe. Dort ist noch jede Menge zu holen.  Nicht bei den Arbeitern, die die Mülltonnen abholen und den Busfahrern, aber in den Genossenversorgungswerken der Verwaltungen und Vorständen. Und es muss auch über die städtischen Beteiligungen gesprochen werden. Was nicht unbedingt nötig ist, muss verkauft werden. Eine Stadt ist kein Konzern.

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Sebastian Dicke
Sebastian Dicke
9 Jahre zuvor

Kredite bei ausländischen Investoren pauschal als Währungsspekulation zu bezeichnen ist schon etwas undifferenziert, wie ich finde. Lag es nicht eher an den Zinsen, die bei Kreditvergaben schweizer Investoren niedriger ausfielen als anderswo?

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
9 Jahre zuvor

Für mich sind die Fremdwährungskredite nicht nachvollziehbar. Warum mussten die Kämmerer weiteres Risiko aufbauen?

Warum muss in Unternehmen investiert werden, die globale Akteure sind?

Eine schlanke Verwaltung, die günstige Dienstleistungen für den Bürger bringt sollte das Ziel.
Dass der Bürger nicht interessiert und soziale Politik nur bei der Umverteilung stört, sieht man zurzeit daran, wie sehr die öffentliche Unternehmen die hohen Gaspreise festigen.

Gas wird es auch in Zukunft in großen Mengen geben. Es gibt keinen nachvollziehbare Grund, warum die Energiepreise weiter steigen sollten. Eine Ausnahme bildet hierbei natürlich die Steuer und Umverteilungsabgaben auf Energie.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
9 Jahre zuvor

Apropos Gas Bei uns gebiert sich der lokale Energiekrake als vormundschaftliches Unternehmen, dass trotz weniger Gasverbrauches ( 20% saget die TWO, wir selbst haben ein Drittel weniger verbraucht) und gesunkener Preise den Abschlag bei Gas um 20 Euro erhöhen will. denn: „Wir hatten 2014 das wärmste Jahr seit 20 Jahren. Es wäre deshalb fahrlässig, die Verbräuche in diesem Zeitraum zur Basis zukünftiger Abschlagszahlungen zu machen.“ Und auch im Hinblick auf finanziell schwächere Kunden: „gerade diese Kunden würden wir ins offene Messer laufen lassen…, dass der Verbrauch im kommenden Jahr vermutlich steigen wird, und empfehlen, die Abschläge freiwillig anzupassen, würden doch genau die das nicht tun, die es am dringendsten tun sollten.“ Das Motto scheint bei den Technischen Werken Osning (TWO) zu sein: HER MIT DEN MONETEN. Wie ist das eigentlich im Pott, in Bochum bspw.?

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@#1 Sebastian Dicke: Solche Kassa-Kreditgeschäfte von Kommunen werden von den Kreditgebern im Allgemeinen mit besseren Zinskonditionen ausgestattet, da man bislang – ähnlich wie bei Banken selbst – davon ausging, dass ein (Bundes)Staat solche Kommunen nicht einfach pleite gehen lässt. Somit genießen Kommunen bessere Ratings als die Privatwirtschaft – die dann, wie Stefan schon schrieb, sich natürlich selbst ganz anders absichern muss.

Dieses traditionelle Vertrauen gerät aber immer mehr ins kräftige Schwanken. Deshalb hat NRW ja auch die Zügel/Regeln für die Kreditaufnahmen im letzten Jahr kräftig angezogen. Aber viele Kämmerer scheinen eher den Weg ins krimininelle Millieu anzustreben…

Sebastian Dicke
Sebastian Dicke
9 Jahre zuvor

@Thomas Weigle: Gewinne kommunaler Unternehmen kommen den Eigentümer(n) zugute, also den Städten und Landkreisen und zwar über Gewinnausschüttungen.

keineEigenverantwortung
keineEigenverantwortung
9 Jahre zuvor

@4: Ich erinnere mich an einen Radiobericht, in dem ein lokaler Versorger im Ruhrgebiet ähnlich argumentiert hat.
Man kümmert sich um die Menschen. Es ist doch sinnvoll, insbesondere den wirtschaftlich schwachen Menschen zu helfen. Wenn das Wetter besser ist, kann man dann ja eine Rückzahlung als „Geschenk“ auszahlen. 🙂

Ich nutze jeweils den günstigen halbwegs seriösen Anbieter. Natürlich wird vom Sponsoring, Unterstützung der Stadt-Finanzen etc. berichtet. Ist das wirklich der Fall?
Ein Bericht in der Zeitung, wenn max. 1000 EUR gespendet werden, gleichzeitig genehmigen sich die lokalen öffentlichen Unternehmensleiter (es sind oft sehr viele pro Unternehmen) gigantische Gehälter. Da denke ich lieber an mich und zahle evtl. höhere Beiträge im Verein oder höhere Eintrittspreise.

Volker Steude
9 Jahre zuvor

Die Zahlen zu dem Geschäft für Bochum:
2010 wurden die noch laufenden 2 Kredite für zusammen 220 Mio. Franken für 150 Mio. aufgenommen.
Im März diesen Jahres laufen die Kredite aus. Dann muss die Stadt 220 Mio. Euro = 220 Mio. Franken aufwenden, um die Kredite abzulösen.

Das bedeutet, es entsteht ein Währungsverlust von 70 Mio. Euro. Der Kämmerer rechnet einen Zinsgewinn von 6,5 Mio. dagegen. Bedeutet im Ergebnis einen Verlust von 63,5 Mio.

Dass derartige Fremdwährungsgeschäfte sehr hohe Risiken bergen, wussten alle Beteiligten. Der Stadt steht das Wasser bis zum Hals. Die Handelnden versuchen alles, um nicht sparen zu müssen, denn dann erkennen und spüren auch die Bürger den Ernst der Lage. Die Hemmungen fallen und die Akteure gehen (fast) jedes Risiko ein, um an Geld zu kommen.

TuxDerPinguin
TuxDerPinguin
9 Jahre zuvor

@9:
also war es wirklich ein bewusstes Zocken den Kredit in Franken zu wählen? Ich verstehe den Sinn dahinter nicht. Die Schweizer Notenbank hat den Wechselkurs ja relativ stabil gehalten 1,20-1,25 über 3 Jahre hinweg. Was gibts da zu spekulieren? Wenn überhaupt, dann hätte man sich denken können, dass wie jetz die Schweizer Notenbank zu klein ist, und der Franken aufgewertet werden muss…

ich hätte wirklich angenommen, dass Franken eine Voraussetzung für einen guten Kredit wäre… viele osteuropäische Häuslebauer etwa haben Kredite in Franken, weil die Banken nur solche Kredite gewährten (die sind jetz natürlich arm dran)

@8: Es stimmt schon, dass Sparkassen und Stadtwerke etwas fürs Allgemeinwohl tun. So ist durch die Haushaltslage den Kommunen ja oft mehr oder weniger verboten z.B. Förderung zu leisten für ein Konzert, was ein lokaler Kulturverein organisieren möchte. Sparkasse und Stadtwerke springen da oft mit Sponsoring ein. So betreiben sie halt Kultur- oder Sportpolitik von sich aus.
Sparkassen und Stadtwerke sind die einzigen kommunalen Unternehmen, die Gewinne einbringen. Dies muss dann die Verluste der anderen ausgleichen, die ansonsten halt anders gedeckt werden müssten.

Ich bin trotzdem weder bei einer Sparkasse noch bei Stadtwerken.. dafür spende ich direkt an für mich sinnvolle Tätigkeiten/Organisationen. Das schlechte Gewissen sollte kein Grund sein, bei beiden zu verbleiben. Schließlich gibt’s bei beiden ja auch negative Implikationen wie die mMn generell zu hohen Vorstandsbezüge. Man findet auch für wesentlich weniger qualifiziertes Personal für diese Tätigkeiten.

Dirk Gleba
Dirk Gleba
9 Jahre zuvor

Wieso nur den Bochumer Kämmerer und die OB an den Pranger stellen. Die Ratsmitglieder sind genauso verantwortlich. Leider sind in der Regel bei den Ratsmitgliedern, und das gilt nicht nur für Bochum, das Interesse und die Kenntnisse bei Finanzfragen eher rar gesäht. Man konzentriert sich eher auf die Ausgabenseite, weil es dort was zu verteilen gibt. Woher die Kohle kommt und welche Risiken damit verbunden sind, dass ist egal. Ist ja nicht das eigene Geld. Zudem finden solche Entscheidungen auch noch nicht-öffentlich statt, so dass das Thema erst immer dann öffentlich diskutiert wird, wenn es in die Hose gegangen ist.

Prinzipiell ist gegen Fremdwährungskredite nicht zu sagen. Wenn man sich des Risikos bewusst ist, dass der Zinsvorteil auch ganz schnell wieder durch Währungsschwankungen weg sein kann. Wenn man diesen Weg schon bestreitet, dann müssen die Verantwortlichen sich auch um das Risiko kümmern. Aber auch hier lag der Focus wohl auf anderen Themen. Der „Zinsvorteil“ muß ja unter die Leute gebracht werden oder man muss sich um das eigene „Konzert-Denkmal“ kümmern.

Jedenfalls haben die Ratsmitglieder und OB Scholz Glück gehabt: Die einen sind gerade wieder gewählt worden und die andere tritt nicht mehr an. Die Strafe über den Wahlzettel muß also nicht mehr gefürchtet werden.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
9 Jahre zuvor

@#10 Tux: Es wäre keine Zockerei gewesen, wenn Bochum das trotz aller letztjährigen Erfanrungen mit dem Schweizer Leitzins *immer* vorhandene Risiko einer grundsätzlichen, politischen Änderung für Währungssysteme von vornherein einkalkuliert und mit einer sog. „Drohverlustrückstellung“ abgesichert hätte. Das schreibt bei solchen Swaps auf der Passiva-Seite der kommunalen Bilanz (Geschäfte mit Verbindlichkeiten) die NRW-Gemeindeordnung zwar nicht zwingend und konkret vor, lässt sich aber aus §75 Abs. 1 und § 90 Abs. 2 Satz 2 GO NRW sowie aus den entsprechend auch für die Privatwirtschaft gültigen Regelungen des Handelsgesetzbuches abgeleitet werden.

Erforderlich bei solchen Summen und bei der Zuordnung solcher Transaktionen und „Wetten“ auf die Positionen des städt. Haushalts ist ein funktionierendes Risikomanagement. Und wofür große AGs und Banken ganze Zentralen mit tausenden von Mitarbeitern benötigen, scheint bei den meisten dieser „SWAP-Kommunen“ evt. nur der Hausmeister oder die Sekretärin des Kämmerers zuständig zu sein.

Was ebenso immer wieder zu Problemen führt, ist dann die bilanztechnische Bewertung solcher Geschäfte. Nur um dem Spardiktat der Kommunalaufsicht zu entkommen, werden massenweise Haushalte „gepimpt“, indem solche Risiken einfach nicht abgebildet werden oder erst dann im Haushalt auftauchen, wenn es für eine Korrektur oder Auflösung des Geschäfts viel zu spät ist.

Eine Beschreibung der Richtlinien für NRW lässt sich als PDF von der Gemeindeprüfungsanstalt Nordrhein-Westfalen runterladen:
http://gpanrw.de/media/1352810510_bilanzierung_von_derivaten_end190111.pdf (sogar mit Rechenbeispiel für ein Fremdwährungsdarlehen in Schweizer Franken ab S. 25:-)))

Simpel
Simpel
8 Jahre zuvor

Heute wurde der Verlust realisiert.

Angeblich 49 Mio. € verpulvert.

Wir ham's ja!

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