Der Bahnhof Langendreer, bekannt als eines der ältesten soziokulturellen Zentren im Ruhrgebiet, will ab kommenden Freitag die Ausstellung „Guernica-Gaza“ zeigen. Von unserem Gastautor Sebastian Zimmermann.
Wem die Ausstellung unbekannt ist: Werke aus dieser sorgten bereits auf der Documenta 15 für einen Skandal, wie im Abschlussbericht zu den antisemitischen Vorfällen zu lesen ist:
„Der Hinweis auf ‚Guernica‘ hat die meiste Kritik an der Installation ausgelöst. Offensichtlich bezieht er sich sowohl auf ein historisches Ereignis als auch auf ein Picasso-Gemälde mit Symbolcharakter. Das historische Ereignis war der Angriff auf die baskische Stadt Guernica am 26. April 1937, einem Markttag: Die nationalsozialistische ‚Legion Condor‘ bombardierte wiederholt den Ort – in dem sich überwiegend Frauen und Kinder befanden, da die meisten Männer für die Spanische Republik kämpften – und tötete oder verwundete ein Drittel der wehrlosen Bevölkerung. Wenn sich ‚Guernica‘ im Titel dieses Zyklus in erster Linie auf dieses spezifische historische Ereignis bezieht – wie viele Kritiker behauptet haben –, dann setzt das Werk die Israelischen Verteidigungsstreitkräfte mit den Nazi-Truppen gleich; in diesem Fall kann Guernica Gaza als antisemitisches Werk gelten.“
Man kennt die üblichen Floskeln, aus denen auch die Ankündigung zur Ausstellung besteht: Ungewohnt, subversiv, kritisch usw. So heißt es auf der Homepage des soziokulturellen Zentrums: „Die Bilder des Künstlers Mohammed Al-Hawajri sorgten auf der documenta 15 für große Aufregung. Er setzt vermeintlich Bekanntes in ungewohnte Kontexte. In seiner Reihe Guernica-Gaza verbindet er Werke von Picasso, Van Gogh oder Chagall mit Momentaufnahmen aus dem Alltag im Gazastreifen. Er eröffnet neue Perspektiven auf die großen Meisterwerke der klassischen Moderne und macht dabei eine Welt sichtbar, die im Westen sonst kaum zu sehen ist.“
Dass es Mohammed Al-Hawajri nicht um Menschenrechte geht, sondern um Anschuldigungen fernab der Realität, wird auch im Bericht aufgegriffen: Selbst wenn wir Picassos Guernica als allgemeines Symbol für einen massiven Militärangriff auf eine unbewaffnete Zivilbevölkerung (und nicht für ein spezifisches historisches Ereignis) akzeptieren, ist der Guernica-Gaza-Vergleich durch die Tatsache diskreditiert, dass Gaza nicht „unbewaffnet“ ist. Genau so: „Man muss in diesen Fragen nicht Partei ergreifen, um zu erkennen, dass Gaza nicht Guernica ist, das heißt, dass es in Gaza nicht ausschließlich wehrlose Zivilisten und Zivilistinnen gibt (wie es in Guernica der Fall war). Die Hamas ist eine hochgerüstete Terrororganisation, die vom Iran, von Katar und von anderen Förderern unterstützt wird; daher wurde sie nicht nur von Israel, sondern unter anderem auch von der Europäischen Union, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten und Kanada als terroristische Vereinigung eingestuft“ heißt es in dem Abschlussbericht Gremium zur fachwissenschaftlichen Begleitung der documenta fifteen.
Dass man nicht ein Jahr nach den mörderischen Angriffen vom 7. Oktober 2023 meint, eine solche Veranstaltung durchführen zu müssen, kann nicht mit mangelnder Sensibilität entschuldigt werden. Man hat offenbar mit der Dämonisierung Israels kein Problem und nutzt diese, um auch die Genozid-Unterstellung mit solchen Ausstellungen noch zu unterfüttern, so sachlich falsch sie auch ist. Die Forderung nach Freilassung von Geiseln, dass Gaza von der Hamas befreit werden soll, all das kommt nicht vor. Es bleibt bei einer einseitigen Schuldzuweisung. Was wenig verwundert, da die Veranstaltung zusätzlich mit „In Kooperation mit dem Arbeitskreis Palästina Bochum“ angekündigt wurde, die wohl auch kein Interesse daran haben, ein realistisches Bild von Nahost zu zeigen, sondern sich in einer beleidigten Opferrolle suhlen wollen und dafür keine Realitätsverweigerung zu schade ist.
Mehr zu dem Thema:
In dem Magazin Tà katoptrizómena hat Andreas Mertin Bilder aus dem Zyklus Gaza -Guernica analysiert und kam zu dem Schluss:
„Am Anfang dieses Artikels schrieb ich, dass ich Auskunft geben wollte von einem Lernprozess, den ich selbst durchlaufen habe und in Folge dessen ich meine Meinung über einen Künstler und seine Bilder modifiziert habe. Am Anfang dieses Lernprozesses stand die Begegnung mit den Kunstwerken aufgrund von Pressemeldungen von Anfang Juni 2022, die die Arbeiten entweder als israelkritisch, antizionistisch oder eben als antisemitisch qualifizierten. Und damals dachte ich, es muss doch das Recht palästinensischer Künstler:innen sein, über ihre höchst subjektiven Erfahrungen in Gaza und im Westjordanland Auskunft zu geben. Das gehört zur demokratischen Kultur, das gehört zur Freiheit der Kunst. Das meine ich weiterhin. Ich sehe nun aber auch, dass einige palästinensische Künstler weitergehen, dass sie aus der Geschichte Codes aufgreifen, die zwingend als antisemitische gelesen werden müssen, und dass sie diese subtil in ihre Werke einbauen.“
„Gemeinsam handeln gegen Antisemitismus, Rassismus & rechten Hass“, stand das nichtmal großformatig über dem Eingang zur Halle? Nicht schön das alles. Danke an dieser Stelle einmal dafür, dass ihr auf so etwas hinweist.