Ich schätze Boris Palmer sehr. Nicht wegen seiner Arbeit als Oberbürgermeister der Stadt Tübingen, die kann ich nicht beurteilen. Aber als Mensch – da schätze ich ihn. Denn Palmer ist eine ehrliche Haut und wir Ruhrgebietler, als die schlichten Wesen, die wir nun einmal sind, mögen solche Menschen.
Palmer ist nah an den Wählern der Grünen. Die wären zwar gerne so lässig wie Parteichef Robert Habeck, aber eigentlich sind sie wie Palmer: Er mag es gerne ordentlich, Krachmacher sind ihm ein Graus und alles soll schön nett und sauber sein. Und wenn die Dinge nicht nett und ordentlich sind, dann sollte schon mal der Staat eingreifen. Wo kämen wir dahin, wenn jeder machen würde, was ihm in den Sinn kommt?
Palmer spricht aus, was viele Grünen-Wähler denken und fühlen – fühlen, das ist wichtig bei den Anhängern der Grünen, die ja eine ausgesprochene Fühler-Partei sind. Aber was Palmer sagt, würden sie erst nach einem Viertelliter Biowein aussprechen, also nur, wenn sie sturzbetrunken sind und auch dann nur in einem vertrauten Rahmen. Unter Freund*innen sozusagen.
Denn mit der Toleranz und Weltläufigkeit ist es nicht ganz so weit her. Die Hochburgen der Grünen sind in der Regel die sichersten, saubersten, teuersten, ruhigsten und ausländerfreiesten Wohnquartieren des Landes. Und daran soll sich bitte schön auch nichts ändern. Wer so lebt, für den ist Tübingen keine Stadt, es ist ein Ideal. Und Palmer der ideale Grüne. Und irgendwann brauchen die Partei und ihre Anhänger auch keinen Habeck mehr, dann können alle zu Palmer stehen.
Übrigens:
Will man ein Foto der Stadt Tübingen verwenden, muss Tübingen schon etwas davon haben. Auf der Internetseite der Stadt findet sich folgender Hinweis:
„Die Universitätsstadt Tübingen räumt den Nutzerinnen und Nutzer an den überlassenen Bilddaten ein einfaches Nutzungsrecht honorarfrei* ein, sofern deren Verwendung den Zwecken der touristischen Werbung und Public-Relations-Arbeit dient.“
Also: Fahrt nach Tübingen. Tübingen ist eine schöne Stadt. Und sehr sehenswert. Auch der Oberbürgermeister ist sehr gut. Und er hat ein Dienstfahrrad. Tübingen ist immer eine Reise wert. Auch im Winter kann man in Tübingen viel Spaß haben. Tübingen ist toll. Jeder sollte einmal in Tübingen gewesen sein. Einmal? Tübingen ist die Stadt des Mehrfachbesuchs. Wirklich!
Seit dabei aber bitte nicht zu laut! Was ist zu laut? Dazu fragt am besten Hr. Palmer.
Dem Spießer ist scheißegal, mit welchem Parteibuch sich sein Idol zu tarnen glaubt.
"domm's g'schwätz", würde der schwabe hier sagen. stuttgart z.b. hat seit jahren einen grünen ob und ist gleichzeitig eine der deutschen städte mit dem höchsten migrantenanteil – noch weit vor berlin, duisburg oder köln. und ich weiß ehrlich nicht, ob ich diesen absurden grünenhass hier als pathologisch, amüsant oder eben ganz normal für strukturgewandelte fdp-fanboys finden soll.
Ich schätze, dass B. P. CSU & AfD kompatibel ist. Man schaue sich nur seine Äußerungen zu den Flüchtlingen an. So einer ist bei den rechten Strolchen hochwillkommen.
Merksatz: Wenn "grün" altert & welkt, dann wird es "braun".
@4 ingo:
Stuttgart hat auch riesige Probleme mit dem Bahnhof, Fahrverbote etc.
Es ist eben eine richtig grüne Musterstadt, in der es sich zu leben lohnt. Und im Landtag berauschen sich die Parteien an den grünen EnBW Anteilen. Hier wird natürlich bürgernah in der weiten Welt und in Offshore-Windparks investiert. Daneben wird die Kernenergie geschätzt. Denn "Kernkraft steht für eine zuverlässige und klimafreundliche Stromerzeugung. Denn Kernkraftwerke haben praktisch keinen CO₂-Ausstoß und können Strom rund um die Uhr produzieren."
https://www.enbw.com/unternehmen/konzern/energieerzeugung/kernenergie/stromproduktion.html
Ja, die grüne Welt hat was. Sie lebt von ihrer "Konsequenz". Es darf nur keiner hinter die Fassade schauen, dann bemerkt der Schwabe die Widersprüche seiner grünen Traumwelt nicht und kehrt weiter.
Das ist lokale grüne Politik vom Feinsten.
@#6 ke
klar hat stuttgart große probleme, und an manchen davon hat mit sicherheit die dortige lokalpolitik ihre schuld.
aber darum ging es mir gar nicht. eine der grundannahmen in dem kommentar war, dass die grüne klientel in ihren hochburgen so intolerant und nicht weltläufig sei, weil es dort u.a. kaum ausländer gebe. das ist aber einfach nicht wahr, wie ein schneller blick in die öffentlichen statistiken belegt. wenn man sich schon als "journalisten" bezeichnet, sollte man zumindest seine hausaufgaben machen und die fakten checken.
@Ingo: Ich verweise auf ein Interview mit der Soziologin Cornelia Koppetsch in der taz. Es geht um Quartiere, nicht um Städte: "Sie bewohnen die attraktiven Kieze und Innenstadtquartiere, die inzwischen so hohe Mieten und Immobilienpreise aufweisen, dass sich soziale Exklusivität wie von selbst einstellt. Zu den wirkungsvollsten kosmopolitischen Grenzanlagen gehört die kapitalistische Ausrichtung des Lebensstils. Kulturelle Offenheit wird somit kompensiert durch ein hochgradig effektives Grenzregime, das über Immobilienpreise und Mieten, über ein sozial und ethnisch hoch selektives Bildungswesen sowie über den Zugang zu exklusiven Freizeiteinrichtungen und Clubs gesteuert wird. Die Abgrenzung erfolgt nicht nach außen, denn hoch qualifizierte MigrantInnen sind hier selbstverständlich willkommen, sondern nach unten." http://www.taz.de/!5516398/
@Stefan Laurin: gutes interview mit frau koppetsch. nur dass sie in diesem zusammenhang mit keinem wort von grünen spricht, sondern von "kosmopoliten". das einfach gleichzusetzen, halte ich für unlauter.
aber was anderes: hast du dir mal überlegt, wieso palmer trotz seiner immensen medialen präsenz weder landes- noch bundespolitisch eine rolle spielt, sondern sich schon seit über zehn jahren in diesem pittoresken loch in der schwäbischen tiefebene als provinzmufti austoben musss? ich glaube: eben weil er NICHT nah dran ist an den wählern der grünen und eben NICHT das aussspricht und denkt, was die fühlen. sonst hätte der doch schon längst richtig karriere gemacht. palmer ist für mich der dieter nuhr der grünen: jeder schämt sich, keiner im umfeld traut es laut zu sagen, und alle hoffen, dass er endlich zu sat 1 wechselt…
@ingo: Das tut aber auch Adam Soboczynski, Feuilletonchef der Zeit, in seinem Artikel "Die verhassten Weltbürger", in dem er diese Gruppe mit den Wählern der Grünen nahezu gleichsetzt: https://www.zeit.de/2018/47/akademiker-weltbuerger-populismus-feindbild-afd
Er ist sicher nicht nahe dran an den durchschnittlichen Mitgliedern der Grünen, aber aber doch sehr nahe dran an den durchschnittlichen Wählern. Das muß nicht deckungsgleich sein.
Viel und weit gereist ist nicht gleich kosmopolitisch. Ich kenne so gut wie keinen grünen Kosmopoliten in meinem durchaus weiten grünen Bekanntenkreis. Da sind die grünen Menschen ob als Wähler oder Funktionäre nicht viel anders als der Rest der deutschen Bevölkerung. Migranten eingeschlossen. Die diesbezügliche grüne Lebensleitlinie heißt viel mehr "Provinz ist da wo ich bin". Und in dieser jeweiligen Provinz, egal ob in einer Großstadt oder auf dem Land, ist der Migrantenanteil in der Regel sehr niedrig und der an Privatschulen überdurchschnittlich hoch.
Rainald Grebes beschreibt die Situation im alten "Prenzlauer Berg" Song.
https://www.youtube.com/watch?v=As_o6l-G02Q
Das klingt nicht so wissenschaftlich, bringt es aber auf den Punkt:
Beispiele:
"Die Mieten hier sind bezahlbar, denn ich kann sie ja zahlen. "
https://www.songtexte.com/songtext/rainald-grebe/prenzlauer-berg-3381b491.html
"Hier kann man Spanier und Franzosen und sogar Engländer sehn
Willst Du Türken am Schnauzbart zubbeln, musst Du in'n Wedding gehn"
Ach, Herr Laurin.
Berlin ist die einzige Haupstadt in Europa, wo das Durchschnittseinkommen unter dem des Landes liegt. In seiner Kritik spricht Boris Palmer kein einziges mal von Zuwanderern oder Ausländern. Warum erfinden Sie etwas hinzu, was der Text nicht hergibt?
https://www.morgenpost.de/politik/article215933729/Berlin-Schelte-von-Gruenen-Politiker-Boris-Palmer-Nichts-klappt.html
Bei meinem letzten Berlin-Besuch zur Nacht der Wissenschaft 2018 gab es Baumaßnahmen mit Streckensperrung auf der sog. Stadtbahn (zwischen Bahnhof Zoo und Alexanderplatz) ohne wesentliche Infos. Die Fahrgäste untereinander kommentierten: "Dit is Berlin, wa.". Die kennen also selber die Mängel.
Lesetipp:
Schaut auf diese Stadt: Neue Geschichten aus dem barbarischen Berlin Taschenbuch – 23. Mai 2007
von Claudius Seidl (Autor), Georg Diez (Autor), Nils Minkmar (Autor).
@fazke: Was geht mich Berlin an? In dem Text beziehe ich mich nicht einmal auf die Stadt. BTW: Von dem Berliner Nahverkehr träumt man im Ruhrgebiet.
@Laurin: Ich dachte, Sie wurden zu diesem Text über Herrn Palmer wegen seines jüngsten Interviews gegenüber der Berliner Morgenpost (und dem folgenden Medienecho) angeregt. Aber dann scheine ich mich wohl selber geirrt zu haben. Viele Grüße.