Brennende Halden

Die RAG sichert die Moltke-Halde im Gladbeck Foto: Laurin

Halden gehören zu den sichtbarsten Überbleibseln der langen Bergbaugeschichte Nordrhein-Westfalens. Die meisten von ihnen sind heute Landmarken und beliebte Ausflugsziele. Doch neun haben ein heißes Geheimnis.

Die vier Halden im Gladbecker Stadtteil Brauck bilden ein imposantes Ensemble. Anwohner führen ihre Hunde aus, Wanderer genießen den weiten Ausblick von ihren Gipfeln und Mountainbiker suchen sich immer wieder neue Pfade durch die Büsche ins Tal. Viele Menschen sind es meist nicht, die zwischen den Relikten des Bergbaus unterwegs sind. Aber wer seine Ruhe und sehenswert gestaltete Natur sucht, findet hier beides.

Nur eine der vier Halden ist für die Besucher gesperrt. Umrundet man die Graf-Moltke-Halde, findet man keinen Weg, der auf sie führt. Alles ist abgezäunt, auch von den Hinterhöfen eines am Wochenende ausgestorbenen Gewerbegebiets aus gibt es kein Durchkommen. Der Grund: Die Moltke-Halde birgt ein heißes Geheimnis: Sie brennt. Über 350 Grad heiß ist es in ihrem Inneren. Zu löschen ist der Brand nicht und er wird noch Jahrzehnte andauern. Die gesamte Halde müsste abgetragen werden, um ihn zu beenden. Ein Aufwand, der nicht zu leisten ist.
Dass Halden brennen, gehörte lange Zeit in allen Bergbauregionen der Welt zum Alltag: Kohle wird gemeinsam mit dem sie umgebenden Gestein abgebaut. Über Tage werden dann Kohle und Stein voneinander getrennt. Aber es blieb immer Kohle am Gestein, das später auf die Halden kam. Früher mehr, gegen Ende des Bergbaus immer weniger. Die Technik war nahezu perfekt geworden, als sie in Deutschland wegen des Kohleausstiegs keine mehr benötigte. In den früher wesentlich steiler geschütteten Halden entzündete der Druck irgendwann die Kohlereste. 250 Halden gibt es alleine im Ruhrgebiet. Vierzehn weitere finden sich im Aachener Revier, der ältesten Bergbauregion Europas. Und nach Auskunft der Abteilung „Bergbau und Energie in NRW“ bei der Bezirksregierung Arnsberg brennen neun von ihnen. Wobei die Bezirksregierung Arnsberg, zuständig für den Bergbau in ganz Nordrhein-Westfalen lieber von Oxidation spricht, was aber wenn es zu Hitze kommt, nichts anderes meint als brennen, jedoch gewählter klingt.

Bei sieben dieser Halden liegen die Temperaturen in Inneren bei moderaten 30 bis 100 Grad. In der Moltke-Halde in Gladbeck und Wehofen-Ost in Dinslaken können es bis zu 350 Grad sein.

Energie, die eigentlich zu schade ist, um als Abwärme die Umgebung zu heizen. Martin Feinendegen, der stellvertretende Leiter des Instituts für Geomechanik und Untergrundtechnik der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, und seine Kollegen gingen vor zehn Jahren im Rahmen eines Projekts des Bundesministeriums für Bildung und Forschung der Frage nach, wie Haldenschwelbrände genutzt werden könnten. Das 2011 veröffentlichte Ergebnis der Studie, bei der eine Geothermie-Pilotanlage auf einer Halde in Dinslaken installiert wurde, zeigte, „dass eine thermische Nutzung von Haldenschwelbränden möglich ist.“ Die erzielten Leistungen, so die Forscher in ihrem Abschlussbericht, lägen deutlich oberhalb derer von herkömmlichen Geothermieanlagen. Allerdings seien weitere Untersuchungen nötig: „Ein Problem ist,“ sagt Martin Feinendegen, „dass die Brandherde in Bewegung sind.“ Die Studie habe damals international für Aufsehen gesorgt. Vor allem in Australien sei das Interesse groß gewesen. Allerdings habe es kein Anschlussprojekt gegeben. Und so ist die in den brennenden Halden steckende Energie nach wie vor nur theoretisch nutzbar.

Auch die heißeste Halde Nordrhein-Westfalens wird weiterhin keine Energie liefern. Das ehemalige Bergbauunternehmen RAG, verantwortlich für die Moltke-Halde, wird bis 2023 versuchen, den Brand einzudämmen, bei dem auch Gase freigesetzt werden. Die Bäume an der Südseite der Halde werden gefällt, neue Erde aufgeschüttet und Hänge abgestützt. Es ist nicht das erste Mal, dass die RAG mit solchen Maßnahmen versucht, den Brand im inneren der Halde in den Griff zu bekommen. Und es wird nicht das letzte Mal sein.

Der Text erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Welt am Sonntag

 

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Bochumer
Bochumer
2 Jahre zuvor

Es wäre auch denkbar, in den Erbstollen Turbinen für die Stromerzeugung zu montieren. Dazu könnte auch Mal geforscht werden. Interessanter Text.

Philipp
Philipp
2 Jahre zuvor

Das ist auch wirklich ein Nachteil des Steinkohlebergbaus ggü. den Braunkohlenachfolgelandschaften im Osten. Die werden einfach geflutet und man hat neue Wassersportreviere und Sonstiges.

Hier muss Evonik mit seinen Gewinnen Halden, Stollen u. Grundwasser sichern (Ewigkeitsbergbau) und Wassersport in Bottrop geht nicht, es sei denn wir fluten endlich die Emscherzone oder reißen alles ab, bewalden es und machen dann endlich ökologisches Problemwolfwatching.

Vlt. brauchen wir wirklich mal einen Indianerfluchfilm über was sich hier alles in den Böden (und Köpfen) befindet, damit wir das Ruhrgebiet endlich verlassen können.

DEWFan
DEWFan
2 Jahre zuvor

Ein paar unserer künstlichen Berge im Pott entwickeln sich zu Vulkanen, dass muss man touristisch nutzen.

Philipp
Philipp
2 Jahre zuvor

@DEWFan

DEWFan
DEWFan
2 Jahre zuvor

#4 Philipp: nicht schlecht 😉

Unter dem Titel "Tanz auf dem Vulkan" kannte ich nur einen Song von Nena – viel besser, als die schon zu viel gehörten "99 Luftballons". Was die Dame heute macht – reden wir lieber nicht mehr drüber.

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