Bricht die Deutsche Fußball Liga tatsächlich mit der mächtigen FIFA?

DFB-Pokal und Meisterschale. Foto: Robin Patzwaldt
DFB-Pokal und Meisterschale. Foto: Robin Patzwaldt

Obwohl an diesem Wochenende die Fußball-Bundesliga ihren Spielbetrieb nach der 14-tägigen Länderspielpause wieder aufnahm, diskutiert Fußballdeutschland aktuell noch immer über die Rolle der FIFA bei der Aufarbeitung und Untersuchung der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar.
In diesem Zusammenhang hatte der Abschlussbericht des deutschen Richters Hans-Joachim Eckert zuletzt weltweit für heftige Diskussionen gesorgt. In einem aktuellen Interview mit der Süddeutschen Zeitung hat nun Christian Seifert, Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga (DFL) zu einem wahren Rundumschlag gegen die FIFA ausgeholt.
Letztendlich droht Seifert mit dem Boykott der umstrittenen Veranstaltungen. Doch ob dies tatsächlich mehr ist als eine Drohgebärde, das darf wohl bezweifelt werden. Immerhin positioniert sich der DFL-Boss mal klar und liefert so neue Diskussionsansätze.
Es sind schon unüblich deutliche Zitate, die da von Seifert überliefert wurden, übermittelt von einem Mann, der sonst häufig nur im Hintergrund wirkt. Doch Seifert vertritt immerhin eine der mächtigsten und einflussreichsten Ligen der Welt. Seine Aussagen dürften daher schon Beachtung finden. Und wenn ein solcher Mann für ein gemeinsames Vorgehen der großen europäischen Verbände gegenüber der FIFA eintritt, dann wird das eine gewisse Beachtung finden. Das weiß natürlich auch Seiffert selber.
„Man weiß nicht mehr, ob man sich wundern oder fremdschämen soll“, wird Seifert beispielsweise zitiert. „Als seriöse Organisation fühlt man sich von dieser Fifa nicht mehr vertreten, man fühlt sich da auch nicht mehr zugehörig.“ Und weiter: „75 Prozent der Spieler einer WM sind in Europa unter Vertrag, und wenn Europa ‚Wir spielen nicht mehr mit‘ sagt, dann ändert das alles“.
Laut dem 45-jährigen Fußballfunktionär wäre ein „Boykott die wirkungsvollste Waffe, aber man muss die Dinge zu Ende denken. Wenn England, Italien, Spanien oder wir die WM boykottieren würden, dann wäre das Kapitalismus in Reinform. Dann würde der europäische Fußball seine geballte ökonomische Macht ausspielen, und alle würden schreien: Europas Fußball nimmt Afrika und Asien in Geiselhaft! Das ist alles andere als einfach.“
Damit setzt Seiffert indirekt auch UEFA-Boss Michel Platini unter Druck, von dem er aber nicht glaube, dass sich dieser einem Boykott anschließen würde, wie er gegenüber der SZ erklärte.
„Es müssten sich erstmal alle einig sein, und daran habe ich große Zweifel. Frankreich etwa wird sich kaum gegen Katar wenden, nachdem der Franzose Platini als Katar-Verfechter gilt“, begründete Seifert seine Skepsis gegenüber dem Franzosen.
Laut dem DFL-Boss geht das Problem jedoch wesentlich weiter als von vielen Kritikern bisher diskutiert, und betrifft längst nicht nur Russland und Katar: „Das Erschütternde an dem Untersuchungsbericht ist doch, dass bis auf Belgien und Holland offenbar alle Bewerber versucht haben, mit ethisch fragwürdigen Mitteln den Zuschlag für die WM zu bekommen. Das belegt doch, dass es sich hier nicht um ein reines Personalproblem Blatter handelt. Sondern um ein Systemproblem FIFA.“
Seifert bricht letztendlich sogar mit dem Weltverband und sieht die DFL „von dieser FIFA nicht mehr vertreten, man fühlt sich nicht mehr zugehörig“.
Als Fußballfan möchte man diesen Ausführungen ja gerne entschlossen zustimmen und auf Veränderungen und Konsequenzen hoffen. Nach ein paar Minuten des Reflektierens neigt man jedoch rasch zu der Tendenz diese Aussagen als reine ‚Schaumschlägerei‘ abzutun.
Wird es tatsächlich zu Konsequenzen kommen? Dies dürfte aktuell doch nahezu ausgeschlossen sein. Zu übermächtig erscheint aktuell doch die Rolle der FIFA im Weltfußball.
Dies zeigt schon die seit Monaten laufende Diskussion über eine mögliche Verlegung der Katar-WM in den November/Dezember, obwohl Fußballweltmeisterschaften ja traditionell in der fußballerischen Sommerpause in den europäischen Ligen gespielt werden und bisher auch wurden. Die Top-Ligen in den Jahren 2021 und 2022 für eine völlig unsinnig vergebene Weltmeisterschaft an Katar büßen zu lassen wäre ja schon der erste Schritt sich diesem FIFA-System zu beugen. Und dazu waren diverse Fußballfunktionäre zuletzt ja schon durchaus bereit.
Nun soll der große Bruch mit der FIFA ausgerechnet von Seiffert organisiert bzw. angeführt werden? Ein spannender Ansatz, an dessen letztendliche Realisierung man allerdings nicht glauben kann bzw. muss…

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Thomas Weigle
Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Die Frage ist doch, wann und wo haben sportliche Boykotte was gebracht? Die RSA wurde vom internationalen Sport ausgeschlossen, hat dass das Ende der Apartheid beschleunigt? Moskau? Los Angeles? Der sportliche Boykott scheint mir doch eher eine stumpfe Waffe. Wenn die genannten Länder es schaffen, nicht nur nicht teilzunehmen, sondern wenn dadurch die Fernseheinnahmen und sonstige Einnahmen der FIFA massiv sinken und die in Europa tätigen Profis aus anderen Ländern sich zwischen auf Dauer Geld verdienen oder Patriotismus, sprich Teilnahme an der WM, entscheiden müssen, dann könnte es Wirkung zeigen.
Wahrscheinlicher ist aber, dass wir uns mit den WMs im Reich des Ruckzuckmilliardärs Putin und in Katar abfinden müssen.

stefan
stefan
10 Jahre zuvor

Spannend wäre ja auch, ob die WM 2006 auch ohne unsaubere Mitteln nach Schland geholt wurde und ob die DFL so sauber ist, wie sie behauptet.

Gerd
Gerd
10 Jahre zuvor

Zu wünschen wäre ein Boykott von Terrorfinanzierern wie Katar und kriegerischen Aggressoren wie Putin. Nur denke ich nicht, dass der kommerzielle Fussball dafür genug A… in der Hose hat.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

@ Stefan Die Frage ist längst geklärt: Es war die „Titanic“ mit einem Geschenkkorb an den neuseeländischen Delegierten.

Arnold Voss
10 Jahre zuvor

Beim internationalen Fussball geht es einfach um zu viel Geld, als dass es dort fair zugehen könnte. Schaut man sich dann auch noch das Personal an, was dort miteinander verhandelt, verliert man endgültig jede Hoffnung auf Besserung, egal wer da wem droht.

teekay
teekay
10 Jahre zuvor

Naja, Russland ist so eine ‚Fähnchen-im-Wind‘ Boycottdrohung-bis 2017 oder 18 hat man sich mit Putin versöhnt und säuselt was von ‚Völkerverständigung durch Sport‘; WM in Katar wird eher nicht kommen-eben weil die 2 grössten Märkte aufeinanderprallen: Die UEFA will sich ihre CL und Ligen nicht durch eine Winter-WM kaputt machen und FIFA muss einen Weg finden, wie man Katar los wird. UEFA ist wichtiger als Katar, das man immer in die böse Korruptionsecke stellen kann (was sollen die auch sagen ‚wir sind das Mutterland des Fussballs und alle Fans werden weinen‘?!). Irgendwie findet man da einen ‚Kompromiss‘ (‚Katar ist zu heiss, aber das Finale wird in einem neuen klimatisierten Stadion statt finden‘-quasi indoor zum ‚ausprobieren‘)-da wird es noch so manche Verrenkung geben. Aber: WM in Russland geht, Katar geht sogar im FIFA-Kommerzuniversum nicht.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Nachtrag zu „Titanic“, wenn man sucht, findet man dazu auch sicher das eine oder andere dazu im Netz. Die Titanic verschenkte damals meiner Erinnerung nach an Neuabonnenten eine Sammlung der schönsten Beschimpfungen von Blöd-Lesern in dieser causa. Und Rudi Völler wusste. „Das sind die Jungs, die die WM nach Deutschland geholt haben.“
Eine andere Version zeigte ein gewisser Harald S. in einer sog. Late Nigth Show. Dort sah man, wie Blatter einen Umschlag mit viel, sehr viel DM-Scheinen öffnete und Deutschland als Veranstalter ausrief. Das könnte aber auch ein Fake gewesen sein……

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

Seifert müsste einen gewissen „Kaiser Franz B.“ krachend vom Sockel reißen, um Transparenz nicht nur für Andere zu fordern, sondern um auch mal den eigenen Stall auszumisten. Ob diese mutige Tat dann den Shitstorm unserer Mediendemokratur, vertreten durch Sky und ARD/ZDF, überleben würde, wage ich ernsthaft zu bezweifeln.

Thomas Weigle
Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Seltsam unaufgeregt ist die Vergabe der Leichtathletik WM 19 an Katar letzte Woche über die Bühne gegangen, die Handball WM dortselbst im nächsten Jänner wartet mit einer außergewöhnlichen Ausladung einer sportlich qualifizierten Mannschaft auf, dafür erhielt der werbemäßig wichtige DHB eine Wildcard. Bei den OS 12 war man unzufrieden mit den Einschaltquoten der Handballübertragungen, Deutschland war handballmäßig nicht vertreten dort an der Themse…
Handball, Leichtathletik, Fußball WM. Läuft sich da wer unter der Wüstensonne am Golf warm für die Austragung des größten Sportereignisses? Oder ist das jetzt Verschwörungsdenken meinerseits? Gute Nacht allerseits

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
10 Jahre zuvor

@#10 Thomas Weigle:
Wer sich schon 2004 für 1 Mrd. Dollar die „Aspire Academy for Sports Excellence“ als größtes Trainingszentrum der Welt leistete (bekannt als Dauerwerbung bei eurosport), der hat sicherlich nicht vor, weiterhin nur Großmeister bei den lokalen Kamel- oder Pferderennen zu bleiben. Da wurden schon damals die ganz großen Räder gedreht, neben den o.g. Sportarten auch im Radsport (Katar-Rundfahrt, UCI-WM 2016), Motorradsport (Superbike, Moto-GP), Tennis, Squash, Golf etc. pp.
Schalke und Leverkusen kooperieren da übrigens auch schon seit Jahren, durch einen Ableger im Senegal werden afrikanische Fußballtalente gesucht und gefördert.

Ist also isngesamt nix Neues, dass dort der Rubel rollt.

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