
Ich mochte schon die Verzweiflung, die einem aus einer der letzten Online-Werbungen des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) vor der Bundestagswahl ansprang: eine Kachel im Manga-Stil mit Klaus Ernst, Sevim Dağdelen und Sahra Wagenknecht, bei der die Namensgeberin der Partei aussah wie Heidi auf Ketamin. Die Torschlusspanik hatte die Partei zu Recht ergriffen: Bei der Bundestagswahl scheiterte sie knapp an der Fünf-Prozent-Hürde. Dem BSW fehlten 13.435 Stimmen. Nachdem in vielen Städten Plausibilitätskontrollen durchgeführt wurden und es klar war, dass es zu Übertragungsfehlern aus den Wahllokalen gekommen war und BSW-Stimmen dem Bündnis Deutschland zugeordnet worden waren, schrumpfte der Abstand zur Fünf-Prozent-Hürde auf 9.529 Stimmen. Knapp, sehr knapp, aber es reicht, um die Republik vor einer weiteren Putin-Partei im Bundestag zu bewahren. Mehr noch: Wäre das BSW ins Parlament gekommen, wäre nur noch eine Regierung aus CDU, SPD und Grünen möglich gewesen. Es hätte keine demokratische Oppositionspartei gegeben. Eine Katastrophe.
Das Bundesverfassungsgericht hat gestern alle BSW-Anträge auf Neuauszählung abgelehnt. Der Weg, den die Partei nun gehen muss, will sie eine Neuauszählung erzwingen: Sie muss gegen das amtliche Wahlergebnis klagen, das der Bundestag heute veröffentlichen wird. Das Verfahren, bis es dann zu einer Neuauszählung käme, würde zwei Jahre dauern. Und ob es etwas am Endergebnis ändern würde, ist mehr als zweifelhaft. Wahlexperte Matthias Cantow von Wahlrecht.de sagte der taz, im amtlichen Ergebnis könnten sich zwar noch immer einzelne unentdeckte Fehler finden. Allerdings nicht von der Größenordnung, dass sie mandatsrelevant seien. Und mit rund 4.300 zusätzlichen Stimmen fehlen dem BSW immer noch über 9.000 Stimmen.
Zeit, Abschied zu nehmen: von Hetzerinnen gegen den Westen und die Ukraine wie Sevim Dağdelen und Sahra Wagenknecht, von einer Partei, auf deren Parteitag in Bonn im Januar die Verschwörungstheorie verbreitet wurde, das Coronavirus käme aus einem US-Labor, von der Kälte und Brutalität, mit der sich die Vertreter des BSW über die Opfer der Ukraine äußerten, von Israelkritik, die oft die Grenze zum Antisemitismus überschritt, von einem Querfrontprojekt, das zu jedem Zeitpunkt so wirkte, als wäre es im Kreml entworfen worden. Es besteht nun die Hoffnung, dass das ganze BSW-Projekt scheitert. All die Widerwärtigkeiten, für die das BSW stand, werden mit dem Ende der BSW-Gruppe nicht aus dem Bundestag verschwinden: Die AfD klingt nicht anders. Auch sie besteht aus mit Putin eng verbundenen Sockenpuppen, deren Ziel die Zerstörung der Republik ist. Aber eine lupenreine Kremlpartei im Parlament ist weniger schlimm als zwei von ihnen.
Und dass es am Ende so knapp war, ist besonders schön. Seit gestern bekomme ich ein schadenfrohes Grinsen nicht aus meinem Gesicht. Und das ist doch was in diesen Tagen. Habt ein schönes Wochenende und lasst es krachen. Oder wie es der ehemalige Jungle World-Redakteur Ivo Bozic so schön sagt: Stay Punk!