Heute vor 69 Jahren hat die deutsche Wehrmacht kapituliert. Der Zweite Weltkrieg war, zumindest in Europa beendet. Im Pazifik wurde noch gegen Japan gekämpft. Aus Anlass des Tages der Befreiung vom Nationalsozialismus möchte ich heute eine kleine Leseempfehlung geben.
Schon 1971 erschien das erste der empfohlenen Bücher unter dem Titel „The Winds of War“, in deutscher Übersetzung „Der Feuersturm“. Ich habe den „Feuersturm“ vor ungefähr zwei Monaten in einem „Umsonst-Bücherregal“ gefunden. Der Titel wirkte auf mich erst mal abschreckend und ich rechnete mit einem Buch, das die Schrecken der Deutschen in Hamburg oder Dresden in den düstersten Farben beschreiben würde. Dem war aber nicht so, im Klappentext war von der Geschichte eines Navy-Offiziers und seiner Familie im Zweiten Weltkrieg zu lesen. Das ganze machte auf mich einen halbwegs interessanten Eindruck, und ohne dafür bezahlen zu müssen konnte man es ja mal mitnehmen. Als ich dann anfing den 900-Seiten-Wälzer zu lesen, hat es mich wirklich gepackt. Binnen einer Woche war „Der Feuersturm“ gelesen und die Nachfolgebücher „Der Krieg – Von Pearl Harbor bis zur Wende an der Ostfront“ und „Weltsturm – Von Stalingrad bis Dresden und Hiroshima“ mussten schnell angeschafft werden. Autor der Kriegstriologie ist Herman Wouk, der Ende Mai seinen 99. Geburtstag feiern wird. Der amerikanische Jude und Zionist hatte im Krieg selbst bei der US-Navy gedient, und von ihm stammen weitere bekannte Romane.
Doch zurück zu den drei Büchern. Im „Feuersturm“ werden wir in das Jahr 1939 versetzt. Hauptcharakter Victor ‚Pug‘ Henry wird auf den Posten des Marine-Attaché nach Berlin versetzt. Sein Sohn Warren lässt sich zum Flieger ausbilden, Tochter Madeline startet eine Karriere beim Rundfunk und Sohn Byron hat sein Studium der Kunstgeschichte abgebrochen und hängt in Italien herum. Von diesem Punkt ausgehend spannt sich die Handlung der Bücher rund um den Erdball, Victor Henry lernt in Berlin Nazi-Größen kennen und erlebt welche Stimmung im Deutschen Reich herrscht, Byron geht eine Beziehung zu einer Jüdin ein und erlebt, wie viel Antisemitismus auch in der amerikanischen Gesellschaft vorhanden ist. Allgemein zeichnen die Bücher ein sehr eindrückliches Stimmungsbild von Teilen der amerikanischen Gesellschaft vor und während des Krieges. Herman Wouk lässt seine Figuren immer wieder an entscheidenden Orten der Geschichte auftauchen und beschreibt die Ereignisse sehr eindrucksvoll. Auch die Auftritte von prominenten Personen der Zeitgeschichte, wie Roosevelt oder Stalin wirken nicht albern, sondern passen sich sehr gut in die Handlung der Bücher ein. Neben der Geschichte um die Familie Henry werden immer wieder Kriegserinnerungen des fiktiven deutschen Generals Armin von Roon eingestreut. Diese dienen einerseits dazu, den militärischen Verlauf des Krieges darzustellen, und andererseits dazu mit Hilfe von Kommentaren den deutschen Wahn anschaulich wiederzugeben.
Ob der deutsche Einmarsch in Polen, die Luftschlacht um England, die Belagerung Leningrads, der Holocaust oder der Kampf im Pazifik, der mit dem Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki beendet wird, all diese und viele andere Kriegsschauplätze haben ihren Platz in den Büchern und werden mit den Schicksalen der Figuren verwoben.
Die Kriegstriologie von Hermann Wouk hat mittlerweile zwar schon über 40 Jahre auf dem Buckel, trotzdem ist sie auch heute noch sehr lesenswert. Das Buch ist spannend,und durch kluge Figuren sehr lehrreich, ohne dabei jedoch angestrengt pädagogisch zu wirken.
Traurig, aber gut ist auch der Film „Die Brücke“:
https://de.wikipedia.org/wiki/Die_Br%C3%BCcke_%281959%29
„Heute vor 69 Jahren hat die deutsche Wehrmacht kapituliert.“ Das ist fraglos richtig, zumindest wurde die Kapitulation von den Westalliierten entgegengenommen, gegenüber der Sowjetunion wurde bekanntlich erst ein Tag später kapituliert.
Ich verstehe aber nicht, warum der 8. Mai seit der Rede Richard von Weizsäckers fast immer unwidersprochen als „Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus“ gefeiert wird. Ein Mensch, eine ethnische Gruppe oder auch ein ganzes Volk kann doch nur von etwas befreit werden, was ihm von außen aufgezwungen worden ist. Das war in Deutschland am 30. Januar 1933 aber nicht der Fall, und spätestens nach der Kapitulation Frankreichs am 22. Juni 1940 war der größte Teil der Deutschen wohl mit dem Nationalsozialismus einverstanden.
Deshalb plädiere ich dringend dafür, den 8. Mai richtig als „Tag der Zerschlagung des Nationalsozialismus“ zu feiern!
Obwohl ich gerne und viel lese, fällt mir so auf Anhieb gar kein guter Roman zum 2. WK ein.
Romane zum 1. WK, jede Menge! Angefangen von dem Klassiker „Im Westen nichts Neues“ von Remarque über Arnold Zweig bis zu diversen Artikeln und Kurzgeschichten von Tucholsky, und nicht zu vergessen Pat Barkers Triologie „Niemandsland“-„Das Auge in der Tür“-„Ghostroad“.
Aber WK2?
Da ist eine Lücke.
Über das 3. Reich allgemein: Ja, schon, da wären Feuchtwanger (Die Geschwister Oppermann; Exil), nochmal Arnold Zweig (Das Beil von Wandsbeck), Marcel Beyer (Flughunde).
Liegt das vielleicht daran, daß die guten Schriftsteller – wie Feuchtwanger, Tucholski und Zweig, nur als Beispiel, die Liste ist natürlich nicht vollständig – aus Deutschland vertrieben waren oder tot und die Enkelgeneration (Beyer) das eigentliche Kriegsgeschehen eher mit spitzen Fingern angefaßt haben (hin und her gerissen zwischen dem Vorwurf, Landserromantik zu verbreiten und den Vorhaltungen der Alten: „Du hast ja gut reden, warst ja nicht dabei!“)? Und Pat Barker? Nun, in England betrachtet man den 1. WK als „the great war“.
Und Amerikaner konzentrieren sich eher auf den Krieg im Pazifik.
Romane über die Nachkriegszeit fallen mir eher ein: „Die Erfindung der Curry-Wurst“ von Uwe Timm z. B., oder „Der Engel schwieg“ von Heinrich Böll, oder „Der Mann der durch das Jahrhundert fiel“ von Moritz Rinke, letzteres ein Werk, daß nicht nur lehrreich, sondern trotz des ernsten Themas sogar mit Humor punkten kann.
Ach doch, ein guter Roman über den 2. WK fällt mir jetzt doch noch ein: „Die Bücherdiebin“ von Markus Zusak. Markus Zusak ist Australier, aber seine Eltern stammen aus München.
Die Protagonistin des Buches ist Liesel. Liesel lebt in München bei einer Pflegefamilie, weil ihre Mutter Kommunistin ist und untertauchen mußte. Sie freundet sich mit dem Nachbarsjungen an und sie stiehlt Bücher.
Aber es ist nicht Liesel, die diese Geschichte erzählt.
Der Ich-Erzähler ist der Tod.
In Deutschland wurde das Buch seltsamerweise als „Jugenbuch“ annonciert.
Aber wie’s aussieht muß man ja schon froh sein, wenn der Verlag einem Buch nicht einen Titel verpaßt, der nix mehr mit dem Original zu tun hat…
@ | discipulussenecae #2
Der allergrösste Teil der Deutschen wäre mit dem Nationalsozialismus auch weiterhin mehr als einverstanden gewesen, wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte. Egal welche Verbrechen dazu noch begangen worden wären. Herrenmensch zu sein macht eben einfach Laune.
Deswegen war der Nationalsozialismus in Deutschland mit dem Ende des 2. Weltkrieges auch keineswegs völlig zerschlagen. Dieses Land war weiterhin von Altnazis und ihrer Denke verseucht und erst wenn der letzte von ihnen das Zeitliche gesegnet hat, ist dieses Kapitel der deutschen Geschichte beendet.
@#4 | Arnold Voss:
„und erst wenn der letzte von ihnen das Zeitliche gesegnet hat, ist dieses Kapitel der deutschen Geschichte beendet.“
Das dürfte nicht mehr so lange dauern…
„Zündschnüre“ von FJD fiele mir passend zum Ruhrgebiet ein, zum WK2 natürlich auch. Kam bei mir im Unterricht immer gut an.Wie wäre es mit „Holocaust“, gibt es auch als Buch, „Nackt unter Wölfen“ würde ich auch dazu zählen. Von Dieter Noll aus der DDR gibt es ein sehr gutes Buch, ich glaube „Die Abenteuer des Werner Holt“, oder so ähnlich, gibt es auch als Film.
#4/5 „Leider ist der Schoß fruchtbar noch…..“
8.Mai 2o14?
Ich habe noch die Diskussion hier bei den Ruhrbaronen anläßlich des 8.Mai 2o13 in Erinnerung, eine quantitativ und qualitativ bemerkenswerte.
Diskutiert haben wir vor einem Jahr vornehmlich und sehr kontrovers anhand der Begriffe:
„Tag der bedinungslosen Kapitulation“ und/oder „Tag der Befreiung“.
Hingewiesen wurde schon 2o13 auf die umfangreiche Literatur zum Kriegsende, zur Literatur über die Ereignisse der letzten Kriegstage, zu den unmittelbaren und den mittelbaren Folgen der Beendigung des Krieges für die Menschen weltweit, für die Menschen in Europa, für die Menschen in Deutschland, für den Staat Deutschland – Untergang oder Fortbestand-, und das alles sowohl in Sachbüchern als auch in der Belletristik.
Einschlägie Filme gibt es zahlreiche.
„Die Brücke“ von Bernhard Wicki gehört auch für mich zu den beeindrucksten Filmen über das Elend, die Schrecken der letzten Kriegstage, über die Verbrechen des Nazi-Regimes durch den Kriegseinsatz von Kindern und Jugendlcihen.
Ich denke, daß es wichtig ist, wenn in jedem Jahr der 8.Mai dazu dient, über den II.Weltkrieg, sein Ende und über seine Folgen mehr als sonst nachzudenken und zu diskutieren und dabei auf einschlägige Literatur hinzuweisen, wie hier durch Sebastian Weitermann geschehen.
Ich frage mich selbstverständlich , ob dieses Nachdenken, ob dieses Diskutieren, ob das Lesen einschlägiger Literatur Menschen einbezieht, die beispielsweise erst ab den 1975er Jahren geboren wurden.
Ist der 8.Mai 45 -seine Ursachen, seine Folgen- für sie, wenn überhaupt, nur noch ein Ereignis, dessen man sich als ein bedeutsames historisches unter vielen erinnert, etwa im Geschichtsunterricht oder den man registriert, weil das Geschehen den Hintergrund liefert für ein spannendes Buches, einen aufregenden Film?
Menschlich naheliegend ist es, daß für diese „Spätgeborene“ der 8.Mai in ihrem (politischen) Bewußtsein überhaupt keine Bedeutung hat und wenn, dann lediglich eine oberflächliche, resultierend aus spannender Lektüre oder einem aufregenden Film.
Menschlich ebenso naheliegend ist es, daß diejenigen, die wie ich -1938 geboren- den 8.Mai 45 bewußt erlebt haben, die sich an die vorangegangen letzten Kriegstage , die sich an den Einmarsch der ersten Elitesoldaten der US-Armee in die Heimtstadt erinnern, die sich an den dann einsetzenden Zuzug von Flüchtlingen und Vertriebenen erinnern, die sich später mit der staats- und völkerrechtlichen interessanten Frage zu befassen hatten, ob der l871 gegründete zweite deutsche Staat am 8.5.45 untergegangen oder fortbestand, daß für diese alten Menschen der 8.Mai l945 immer noch ein ganz besonderer Tag ist.
@#4 | Arnold Voss:
Großer Irrtum. Die Seuche ist dann (leider) noch lange nicht beendet. Ein Virus stirbt (ebenfalls leider) nicht mit seinen Trägern.
Korrekt Ulf, aber das was unter den Altnazis im dritten Reich in Deutschland und Europa durch Deutsche geschehen ist wird sich nicht wiederholen.
Der 8.Mai als fixes Datum hat für viele damalige Deutsche auch deshalb keine so große Bedeutung, ob als Tag der Befreiung oder Niederlage. Sie haben ihr „Kriegsende“ schon früher erlebt, z.B. die Aachener bereits im Herbst 44, in Bielefeld war es der 31.3/1.4. usw. Für meinen Vater war der Krieg erst mit der Heimkehr aus Russland Weihnachten 49 beendet, für meine hessischen Großeltern mit dem Einzug der Amerikaner Ende März/Anfang April. So wird es vielen ergangen sein. Von daher hat der 8.Mai im Bewusstsein zumindest der Westdeutschen und der „Spätheimkehrer“ , auch wg des umstrittenen Umgangs mit ihm und des Fehlens eines zentralen Gedenkens nie die Bedeutung gewinnen können wie in der DDR. Für die Sieger dagegen, von denen zumindest ein Teil wirklich als Befreier kamen, ist es bis heute natürlich DAS DATUM, ob 8. oder 9. Mai.
Ich hatte in der 11 einen Klassenlehrer, der keinen Hehl aus seiner Trauer über die Niederlage und die aus den Fenstern gehängten weißen Fahnen machte. Wohlgemerkt, er hat keine Naziideologie vertreten, sondern seine Gefühle, die er als Heranwachsender hatte, geschildert. Was dennoch damals bei uns auf viel Unverständnis stieß, da uns 67 noch nicht klar war, welchem Einfluss Kinder und Jugendliche in Schule und HJ, BDM, usw. ausgesetzt waren.
-4-,-5-8-9
Der 8.Mai bietet Anlaß, darüber nachzudenken und zu diskutieren, ob die Ursachen für die Nazi-Herrschaft (mithin auch für deren Folgen -Holocaust, Krieg,Kriegsende, Flucht und Vertreibung, rd.45 Jahre Teilung Deutschland usw.-)
so einmalig waren, daß sie nicht wiederholbar sind.
Allein dieses Nachdenkens und dieser Diskussion wegen -sh.4,5,8,9- dient der 8.Mai eines jedens Jahres einer guten Sache.
#4 | Arnold Voss: Natürlich sind nicht alle Nazis sofort nach dem 8. Mai bessere Menschen geworden, und es stimmt auch, daß viel zu viele von ihnen nach 45 nahezu unbehelligt in ihren Funktionen weitermachen konnten. Aber wenn mann sich die Geschichte einmal realistisch anschaut, wäre es damals ziemlich unmöglich gewesen, die ganze Führungselite eines Landes auf allen Ebenen komplett auszutauschen und das schon gar nicht vor dem Hintergrund des beginnenden Kalten Krieges. Das soll keinesfalls die Fehler entschuldigen, die in der jungen BRD gemacht wurden, sondern einige Entscheidungen auch für die Nachgeborenen eher nachvollziehbar machen.
Zudem gibt es m. E. kein Land in Europa, das sich so konsequent seiner historischen Schuld, seiner Schande und seiner Verantwortung gestellt hat wie Deutschland. Ich will da nur an Österreich, Spanien oder Italien erinnern; selbst die Opfer der deutschen Agression, wie etwa Frankreich oder die Niederlande, haben da noch einiges aufzuarbeiten. Und auch der ‚Erste antifaschistische Staat auf deutschem Boden‘ östlich der Elbe hat so einige Nazi-Strukturen zumindest indirekt übernommen.
Daher frage ich Sie konkret: Wie wollen Sie den 8. Mai denn sinnvoll benennen?
#8 | Ulf: Jeder Politologe weiß, daß es es in einer Demokratie westlicher Konstruktion immer einen nicht auszurottenden Bodensatz von Nazis, Faschisten, Vollidioten oder was auch immer gibt, dem mit Argumenten nicht beizukommen ist. Und auch in dieser Hinsicht sind wir in Deutschland in einer recht guten Position, was die Wahlergebnisse der extremen Parteien angeht; eine Position, die sicherlich auch der ständigen öffentlichen Sensibilisierung gegenüber den Neonazis zu verdanken ist. Da lohnt sich vielleicht auch mal ein Blick über die Grenzen, um zu sehen, wie leichtfertig in anderen Ländern mit diesem Thema umgegangen wird. Eine konkrete nationalsozialsitische Gefahr in Deutschland heraufzubeschwören ist für mich kontraproduktiv und macht ein paar Spinner wichtiger, als sie sind!