Der DGEG-Verlag in Hövelhof hat sich erneut in einem überaus umfangreichen Werk mit einem Teilaspekt der Entwicklung des Schienenverkehrs im Ruhrgebiet zu Wort gemeldet.
Von unserem Gastautor Thomas Weigle.
Im Mai 1847 erreichte nun auch Dortmund der „Dampfwagen“. Nun war DO per Schiene mit Köln,Belgien und Paris, nach dem Lückenschluss nach Minden ab Oktober 1847 u.a. mit Berlin,via Breslau gar mit Wien verbunden. Auch Stettin und die Ostsee, waren via Berlin zu erreichen. 1853 war Königsberg, noch über den Umweg Stettin, erreicht, 1860 war Basel in Schienenweite und nun konnte im Osten auch das Zarenreich auf der Schiene erreicht werden, wo in der russischen Grenzstation Wirballen auf Breitspurzüge umgestiegen werden musste.
Bis heute ist der Dortmunder HBF ein wichtiger Knotenpunkt sowohl im Fernverkehr als auch im Regionalverkehr. Da Dortmund fast in der Mitte der Cöln-Mindener-Eisenbahn lag, wurde es Betriebsmittelpunkt, was umfangreiche Bauarbeiten für die dafür notwendige Infrastruktur erforderte.Und natürlich spielte von Beginn an der Montanverkehr eine tragende Rolle. War doch das Ruhrgebiet auch bald mit einem engen Netz von Zechen-und Werkbahnen versehen worden.
Die Eisenbahnen waren ein Jobmotor würde man heute sagen.Das galt natürlich im besonderen Maße für Dortmund, brauchte doch die aufstrebende Montan-und andere Industrien gute und verlässliche Verkehrswege. Zwar hatte der preußische Staat 1787 ein Chausseebauprogramm in die Wege geleitet, aber für einen schnellen und umfangreichen Personen-und Güterverkehr waren sie nur beschränkt tauglich. Selbst in sog. Schnellposten konnten nicht mal zwei Preußische Meilen ( 15km) in der Stunde erreicht werden. Dagegen war Köln nun nur noch fünf Stunden entfernt-ein Quantensprung!! Für damalige Zeitgenossen kaum vorstellbar.
Dortmund also war nicht nur eine Stadt der Montanindustrie, es wurde recht zügig eine Stadt, in der die Bahnen vieleArbeitsplätze bot. 1855 beschäftigte allein die CME bereits 1000 Menschen.Bahnhofspersonal, Lokführer, Heizer, Rangierer in großer Zahl, Bremser, Streckenarbeiter und Streckenläufer waren natürlich auch bei den anderen Bahngesellschaften, die Dortmund schienenmäßig erreichten, beschäftigt.
So war aus dem „heruntergekommenen und verwahrlosten Landstädtchen“ binnen weniger Jahre eine aufstrebende Industriemetropole geworden.
Allerdings wurden die Bahnstrecken in den schnell wachsenden Städten zu einem echten Hindernis für den Straßenverkehr. So waren die Schranken am Übergang Sedanstraße( heute Brinkhoff-/Schützenstraße)bspw. am 19.3.1895 satte neun Stunden und 24 Minuten geschlossen, an anderen Stellen waren es zwei bis vier Stunden- allein zwischen 6-20Uhr!! So blieb eine Hochlegung der Bahnstrecke(n) unumgänglich, wie eigentlich in fast allen größeren Städten im Kaiserreich.
Auch im vorliegenden Werk wird deutlich, dass die Entwicklung einer Stadt untrennbar mit der Eisenbahn verbunden ist. Dies zeigen auch die Werk-und Zechenbahnen, deren Entwicklung ebenfalls dargestellt ist. Das war auch den damaligen Stadtvätern vor 1847 klar, sie waren, wie es in einem zeitgenössischen Dokument heißt, „zu jedem Opfer bereit,“ um die Eisenbahn in ihre Stadt zu bringen, denn fast jede Stadt war damals am Bau der Eisenbahn interessiert, es gab heftige Auseinandersetzungen um die Streckenführungen. Nicht nur im Ruhrgebiet, sondern überall in den damaligen deutschen Staaten und später im Kaiserreich. In Baden, Bayern und Württemberg übernahm frühzeitig der Staat Planung und Bau des neuen Verkehrsmittels, was aber die Auseinandersetzungen um Streckenführungen nicht verhinderte. Preußen, damals der größte deutsche Staat,verstaatlichte erst in den 80er Jahren unter Bismarcks Federführung die Bahnen, nicht zu letzt, weil das Militär ungehinderten Zugriff auf das Schienennetz wünschte.Die Kriege von 1866 und 1870/71 wurden v.a. durch schnelle Truppenbewegungen auf der Schiene siegreich für Preußen beendet.
In dem umfangreichen Werk im Großformat bleibt praktisch kein Aspekt der Dortmunder Eisenbahngeschichte unerwähnt, Ein ausführlicher Blick wird am Ende auf die private „Dortmunder Eisenbahn“ geworfen, die über ein 33,5 km langes Schienennetz verfügt und in 2017 immerhin knapp 17 Millionen Tonnen Güter bewegte.
Die negativen Aspekte wie die Bahnreform und der frappierende Rückgang im Güterverkehr der DBAG bleiben nicht ausgespart,die Verantwortlichen werden benannt.Der SPNV wird positiv bewertet, der liegt ja auch nicht mehr nur bei der DBAG. Einmal mehr zeigt sich auch in Dortmund, dass die Berliner Vorstandsetage am Potsdamer Platz nicht wirklich ein Gewinn für die Eisenbahn, deren Mitarbeiter und Kunden ist.
Dankenswerterweise haben Autoren und Verlag nicht vergessen, die Entwicklung der Eisenbahn in Dortmund auch umfangreich bildlich zu dokumentieren. Vom „Dampfwagen“ bis zum ICE lässt sich die Entwicklung gut verfolgen, ebenso die der Anlagen der verschiedenen privaten Eisenbahngesellschaften der ersten Eisenbahnjahrzehnte über die preußische Staatsbahn, Reichsbahn, Deutsche Bundesbahn bis hin zur DBAG, die es bis heute nicht verstanden hat, was eine erfolgreiche Corporate Identity ausmacht. Die Bundesbahn wusste das lange Zeit noch, so lange jedenfalls ihre Chefs aus der Bahn kamen und nicht aus der sog.freien Wirtschaft.
Zahlreiche Karten, die den Verlauf und die Veränderungen im Dortmunder Eisenbahnnetz dokumentieren, runden das Lesevergnügen ab und geben dem Leser einen Einblick in die Vielzahl der Dortmunder Eisenbahnstrecken. Eine Zeittafel von der Eröffnung der CME am 15.5.1847 bis zur Inbetriebnahme des RRX-BW durch Siemens am Bahnhof DO-Eving am 6.9.2019 listet die wichtigsten Daten der Dortmunder Eisenbahngeschichte übersichtlich am Ende des Buches auf.
Zum Schluss noch ein Blick in die neueste Ausgabe „Eisenbahn Geschichte“,ebenfalls aus dem DGEG-Verlag, der uns in das Jahr 1958 führt,als es noch ein Vergnügen war in den roten Speisewagen der Bundesbahn zu frühstücken oder zu dinieren. Wir befinden uns im DSG-Speisewagen des F211 (Italien-Skandinavien-Express). Zur Frühstückszeit wird diesem Zug, der zur Tageswende die schweizerisch-deutsche Grenze zwischen Basel und Lörrach passiert hat, in Bebra ein Speisewagen beigestellt, der bis Großenbrode-Kai am Zug bleibt, von wo die Eisenbahnfähre „Theodor Heuss“ den Zug in 3,5 Stunden ins dänische Gedser befördert. An Bord des Speisewagens befinden sich: Oberkellner, Wagenkellner, Abteilkellner, Koch, Küchenhilfe, und, man will es kaum glauben, ein Silberputzer für das Besteck, das bei Gebrauch zu glänzen hat.Das waren noch Zeiten als Service bei der Bundesbahn und der DSG groß geschrieben wurde.
Swoboda, Rolf, Tempel, Norbert und Fiegenbaum,Wolfgang:
Die Eisenbahn in Dortmund, ISBN 978-3-946594-08-6
DGEG Medien, Hövelhof 2018, 45,00 Euro
Der Bericht macht Lust auf mehr. Ich brauche viel mehr Zeit ;-).
Die Eisenbahn hat ja auch eine massive Wechselwirkung mit der Stahlindustrie gehabt.
@ke Die Zeit lohnt sich. Ihr Hinweis auf die Stahlindustrie zeigt mir, dass ich diese nachlässiger Weise unter die Montanindustrie gezählt habe. Auf jeden Fall sind die Dortmunder Brückenbauanstalten aufgeführt, denn diese waren einst zahlreich in DO vertreten, worauf ich schon einmal an anderer Stelle hier hingewiesen hatte.
@2 T Weigle
Die alten Bilder mit Brücken aus der weiten Welt sind wirklich beeindruckend.
Dann haben wir heute bspw Henrichenburgs Brücke und die Stahlkonstruktion auf der Halde Hoheward.
Was ist nur los im Land?