Bülow-Austritt offenbart ganzes SPD-Dilemma: Querdenker gehen, die Ja-Sager bleiben!

Alle warten auf Frank Schwabe. Die SPD im Bundestagswahlkampf 2017 vor Ort in Waltrop. Foto: Robin Patzwaldt

Die SPD verliert mit Marco Bülow, der Dortmund für sie im Bundestag vertreten hatte, einen unbequemen Querdenker. Logisch, dass die Partei dies nicht unbedingt ungerne zur Kenntnis genommen hat. Querulanten machen einem häufig das Leben schwer. Das Unangenehmste an der Tatsache seines Austritts ist aus Sicht der Partei sicherlich, dass er sein Mandat im Parlament behalten wird, die SPD-Fraktion damit um einen Kopf kleiner wird.

Denkt man jedoch einmal ein paar Minuten in Ruhe darüber nach, dann hat die Meldung eine deutlich tiefere Dimension als zunächst gedacht. Es ist ja nicht nur ein einfacher Parteiaustritt eines Politikers, der sich in seiner Partei nicht mehr heimisch gefühlt hat. Das Ganze spielt sich ja vor dem dramatischen Hintergrund ab, dass die Sozialdemokratie seit Jahren in einem permanenten Sinkflug ist, dass es dazu immer weniger herausragende Persönlichkeiten in der Organisation gibt.

Viele Wähler haben sich in den vergangenen Jahren aus sehr unterschiedlichen Gründen von der SPD abgewendet. Neuen Meinungsumfragen zu Folge steuert die ehemalige Volkspartei aktuell auf die 15%-Marke zu. Woran das liegt? Dazu gibt es viele Meinungen und Diskussionsansätze. Fast allen gemein ist jedoch die Kernaussage, dass die SPD zuletzt viel Profil verloren hat. Sei es aufgrund der Unterordnung in einer Großen Koalition in Berlin, sei es wegen der Personalsituation, die immer mehr blasse Politiker wie Martin Schulz oder Andrea Nahles in Führungsrollen gespült hat.

Wenn jetzt ein Mahner, ein unbequemer Querdenker, wie Marco Bülow die immer profillosere SPD verlässt, dann spricht das, egal was man auch persönlich über die Partei oder Bülow konkret denken mag, Bände. Leute, die aktiv an einer Veränderung der Verhältnisse gearbeitet haben, die mit dem aktuellen Status Quo unzufrieden waren, verlassen frustriert die kriselnde Organisation.

Zurück bleiben in erster Linie die angepassten, die stromlinienförmigen Ja-Sager und blassen Berufspolitiker ohne eigenes Profil, mit wenig Persönlichkeit.

Das beste Beispiel dafür habe ich, der ich aus dem Kreis Recklinghausen komme, regelmäßig vor der eigenen Nase. Meinen Wohnort vertritt nämlich Frank Schwabe in Berlin. Der SPD-Mann ist in seinen Jahren im Bundestag bisher noch nie durch ein markantes Profil, durch starke eigene Meinungen aufgefallen. Zumindest mir und meinem Umfeld nicht. Er gilt bei vielen Beobachtern daher als typisches Beispiel für einen aalglatten Berufspolitiker moderner Prägung, als ein Karrierist.

Warum sollte man ausgerechnet so jemanden mit der ambitionierten Aufgabe betrauen die SPD aus der tiefen Krise zu führen? Wer traut solchen Leuten das überhaupt zu? Sind diese  nicht vielmehr einer der Gründe für die aktuelle Krise der Politik?

Es braucht daher nicht viel Vorstellungsvermögen, um die Gründe für den anhaltenden Sinkflug der SPD auch an diesen Entwicklungen festzumachen. Meinungsstarke Persönlichkeiten wie Marco Bülow gehen frustriert, stromlinienförmige Berufspolitiker wie Frank Schwabe hingegen bleiben zurück, gewinnen parteiintern durch diese Entwicklung automatisch weiter an Bedeutung.

Die Zukunft der Sozialdemokratie in diesem Lande sieht wohl, das zeigt das Beispiel Bülow eindrucksvoll, noch deutlich finsterer aus als es ohnehin schon länger den Anschein macht.

 

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HB
HB
6 Jahre zuvor

Wenn noch ein paar Querdenker wie Stegner und Kühnert gehen, wird die SPD vielleicht wählbar.

Im Sinne der SPD-Mitglieder sollte der Austritt zumindest sein. Die wollten die "große" Koalition und sollten sich jetzt mal konsequent von den Funktionären trennen, die nicht die Mitgliedermeinung vertreten.

ABRAXAS
ABRAXAS
6 Jahre zuvor

Stegner? Kühnert? Querdenker? Wo leben Sie? Das sind doch die biedersten Parteipflaumen, die man sich vorstellen kann. Die könnten heute doch auch in der CDU eine Heimat finden.

Thomas Weigle
6 Jahre zuvor

So lange die SPD eine große Volkspartei war, war auch Platz für Querdenker, die der Partei durchaus nicht geschadet haben. Jetzt, wo die Mandate knapp werden, da wird der Platz für solche eben knapp. Da sollte man sich aber nicht als beleidigte Leberwurst inszenieren, die gleichzeitig schon anderweitig angedockt hat.
Was macht eigentlich DIE BEWEGUNG? Lang nix mehr gehört von der.

Arnold Voss
6 Jahre zuvor

Das sehe ich anders, Thomas. Inszenieren gehört in der Mediendemokratie zum politischen Geschäft. In den von ihm selbst veröffentlichen Texten zu seinem Austritt ist allerdings nichts von Beleidigtsein zu lesen. Was die "Die Bewegung" betrifft, gibts dort keine Posten zu vergeben. D.h. sein diesbezügliches andocken ist rein sachlicher Natur. Anders wäre es, wenn er noch während der Legislaturperiode zur Partei Die Linke wechseln würde. Aber wenn er klug ist, wird er das nicht tun.

Unsere Parteienlandschaft ist schwer in Bewegung geraten und das ganz ohne Wagenknechts "Aufstehn". Dazu gehören natürlich auch mehr oder weniger prominente Aus- und Übertritte. Bei Bülow halte ich es sogar für möglich, dass er auch als unabhängiger Direktkandidat in Dortmund eine Chance hätte, so wie die Stimmung der Bevölkerung zu Zeit auch im Ruhrgebiet ist.

ke
ke
6 Jahre zuvor

Wenn ich etwas ändern will, muss ich auch in der Lage sein, Kollegen, Mitspieler , Führungspersonal davon zu überzeugen. Ist das hier gelungen?
Was würde eine 180 Grand Wende für die SPD bringen, wenn dort bereits andere positioniert sind?

Als Wähler zählt für mich auch, ob mein Abgeordneter für seinen Wahlkreis und mich etwas erreicht.

Hier fehlt mir die Sichtbarkeit nahezu aller Politiker im Dortmunder Umkreis. 3 Monate sichtbarer Wahlkampf, dann 3,75 Jahre abtauchen. Vielleicht eine Kirmes etc. eröffnen …

Ein Dilemma der SPD? Ich sehe hier kein Problem, da die Gender-Sternchen-Vorschläge doch eher weniger mit den Problemen der SPD-Zielgruppe jenseits der "Stadt-Eliten" zu tun haben. Diese Gruppen werden aber durch andere Parteien gut vertreten, aber in diesen Parteien gibt es weniger Parlamentssitze. Welche Vorschläge aus der linken Mottenkiste sollen denn ernsthaft Wähler überzeugen? Was ist daran Querdenken?

Warum kann man die Wähler/Interessierten nicht aufklären, wieso man nicht zu Abstimmungen geht, wenn Trasnparenz so wichtig ist?

Ein Direktmandat ist damit frei. Hoffen wir, dass sich starke Kandidaten mit konkreten Ideen für die Dortmunder Wähler bewerben.

ke
ke
6 Jahre zuvor

@4 A Voss:
Irgendwie ist es doch eher ein auf dem Parlamentssessel sitzen bleiben.

Die Strukturen der "Abnicker", die voller Intransparenz sind, wurden/werden weiter genutzt.
Konsequenz ist anders.

Eine unabhängige Direktkandidatur fände ich spannend. Ich würde dennoch auf den SPD Kandidaten setzen, auch wenn bspw. Herr Hoffmann von der CDU nur 10 Punkte hinter Herrn Bülow war. Beide hatten dabei höhere prozentuale Werte als ihre Parteien.
Der Wahlkreis liegt einfach im Herzen der SPD – Region.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor

@#4 Arnold Voss: Nicht nur in Berlin, auch in Dortmund hat man von Bülow in den letzten Jahren nicht allzuviel Nützliches oder Erbauliches mitbekommen – außer natürlich seine "Arbeitsnachweise" zum Thema "Sind doch alle gekauft, die Politiker!! Bah! Ich nich!!", was zwar einen gewissen Mainstream bedient, aber für Dortmunder (noch) kein Qualitätskriterium für politische Arbeit darstellt. Dafür müsste er wohl erst den B1-Tunnel, die nächsten 6 BVB-Meisterschaften, einen funktionierenden ÖPNV, überhaupt eine Anbindung des Flughafens und den Wegfall der Hundesteuer (Reihenfolge zufällig) anschieben…

walter stach
walter stach
6 Jahre zuvor

Robin,
1.
"man" kann den Parteiaustritt Bülows für alle möglichen Spekulationen nutzen, welche sich u.a. deshalb von einander unterscheiden, weil sie von ganz unterschiedlichen Standpunkten ausgehen -aus der Sicht eines SPD-Mitgliedes, aus der Sicht eines SPD-Gegners, aus der Sicht einer sich selbst als parteipolitisch "neutral" definierenden Person, aus der Sicht eines Dortmunders, aus der Sicht eines Ruhrgebietlers, aus Berliner-Sicht oder aus der Sicht eines prinzipiell parteiverdrossenen Menschen , rückblickend oder vorausschauend, mit einem Hang zur Prophetie oder in dem Bemühen, Wunsch und Wirklichkeit zu trennen.
Insofern kritisiere ich weder Deinen Kommentar noch die folgenden Beiträge, und zwar deshalb nicht, weil mein Blick auf Bülow und auf seinen Rücktritt eben auch ein individueller, dh., ein von meinem Standpunkt geprägter ist.

2.
Meine diesbezüglich erste Reaktion als SPD-Mitglied, als Bürger Waltrops, also aus der unmittelbaren Nachbarschaft zu Dortmund mit einigem Wissen über die Nachbarstadt, als "alter" SPDler, der in seinem politischen Leben in der SPD und darüber hinaus ehe dazu geneigt -und noch neigt- ehe gegen als mit dem "Strom" zu schwimmen, der in sozialen/wirtschaftlichen Angelegenheiten sich im Streitfall ehe für mehr staatliche Lenkung ausspricht, um sozialen Ungerechtigkeiten begegnen und um die Macht des global agierten Finanzkapitales einzuschränken, der gemeinsam mit Bülow gegen die 2. und die 3. Merkel-Groko gewettert hat, der….

Und der deshalb als erste Reaktion den Parteiaustritt von Bülow bedauert, nicht mehr, nicht weniger.

3.
Ich bin ganz und gar nicht in der Lage, die alltägliche politische Arbeit Bülows als Abgeordneter in Berlin, als Direktkandidat in seinem Do-Wahlbezirk, als Mitglied diverser Parteiorganisationen in DO , als engagierter Politiker in verschiedenen Funktionen -entgeltliche, ehrenamtliche- zu bewerten, geschweige denn, mit ein Urteil darüber zu bilden, ob er mit Blick auf sein gesamtes Tun (oder Unterlassen) ehe meinen Vorstellungen "vom idealen SPD-Politiker" nahe kommt oder ehe davon weiter entfernt ist als die meisten anderen SPD-Politiker die ich kenne.

4.
Ich bin auch nicht in der Lage, mich hinreichend begründet darüber auszulassen , ob der Parteiaustritt Bülows als Indiz herhalten kann für das Anwachsen der Kluft zwischen Parteimitgliedern, die z.B. ehe als GroKO-Sympathisanten oder ehe als GroKo -Gegner zu gelten haben, und zwar weniger deshalb, weil parteitaktisch, sondern vor allem weil sie inhaltlich gegensätzliche Vorstellungen von "richtiger" sozialdemokratischer Politik haben.

Insofern lasse ich es bei dem von mir geäußerten Bedauern und lese mit Interesse, was Andere je nach "Standpunkt und Interessenslage" -sh.vorstehend unter 1- dazu zu sagen haben, ohne versuchen zu wollen, mich auf all diese Bewertungen und Spekulationen einzulassen.

Der Parteiaustritt Bülows ist einer Nachricht wert. Der Parteiaustritt Bülows führt zwangsläufig zu politischen Kommentaren in den Medien und zu öffentlichen Diskussionen wie hier im Blog. Und ansonsten? "Wenn ein Sack Reis in China………"!!

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
6 Jahre zuvor

Der SPD fehlen bestimmt nicht selbsternannte Querdenker, sondern eher Leute die geradeaus denken können und das überzeugend.
Bülow war allem Vernehmen nach ein selbstverliebter politischer Autist. Von denen hat die SPD mehr als ihr gut tun kann.

walter stach
walter stach
6 Jahre zuvor

PS
Der Parteiaustritt Bülows ist -selbstverständlich und richtigerweise- erneut Anlass "für Freund und Feinde der SPD" , sich über deren Zukunft auszulassen, und angesichts der Personalie Bülow vor allem über die Zukunft der SPD unter personellen / personenbezogenen Aspekten -sh.Beitrag -2-.

Vor einigen Tagen habe ich bewußt provozierend in kleiner SPD-Runde erklärt, ich würde mir im Interesse der Partei wünschen, wenn kurzfristig die Partei- und die Fraktionsführung im Bundestag ersetzt würde durch drei Frauen : Justiministerin Barley -als Partei- und Fraktionsvorsitzende- ; Familienminsterin Giffey und MP Schwesig als deren gleichberechtigten Stellvertreter in Partei und Fraktion.

Ich gehe davon aus, , daß "man" in meiner Partei nicht einmal vor Ort, in örtlichen Gremien überhaupt bereit sein könnte, sich mit dieser Idee "näher zu befassen", geschweige denn, daß "man" diese Idee in der Region, im Land NRW oder gar auf Bundesebene anders als eine bloße "Schnapps-Idee" begreifen und behandeln könnte .
Es müssen ja auch nicht zwingend Barleys, Giffey, Schwesigs sein, aber es sollten bei einer zwingend gebotenen personellen Neuaufstellung in der Partei- und in der Fraktiosnführung auf Bundesebene nach Persönlichkeiten gesucht werden jenseits des hergebrachten, jenseits des herkömmlichen, jenseits des seit altersher gewohnten Typs des "Parteifunktionärs" -langjähriges Mitglied, immer dabei gewesen, wenn…. , in der Partei "hochgearbeitet" usw. Letzteres hat meinersetis nichts mit mangender Wertschätzung dieses Typs eines SPD- Mitgliedes in Parteiämtern, als Inhaber eines Mandates oder in einem Regierungsamt zu tun -im Gegenteil. Nur darum geht es eben jetzt und hier nicht. Es geht um die Suche nach der "Richtigen", nach "den Richtigen" an der Spitze von Partei -und Bundestagsfraktion. Und da kann man m.E. durchaus fündig werden, wenn…..Ja, wenn "man" bereit ist,, für frischen Wind in den etablierten Funktionärseliten der SPD" zu sorgen -radikal und sofort!.

Um Mißverständnisse zu vermeiden:
Mit der Person Bülow hat das -so oder so – nichts zu tun.

Jens Matheuszik
6 Jahre zuvor

Im Text heißt es:
„Leute, die aktiv an einer Veränderung der Verhältnisse gearbeitet haben, die mit dem aktuellen Status Quo unzufrieden waren, verlassen frustriert die kriselnde Organisation.“

Wen meint der Autor damit? ?

Thomas Weigle
6 Jahre zuvor

Vielleicht meint der Autor die mehr als 20.000 Mitglieder, die die Partei dieses Jahr verlassen haben. Denk ich mal.. Als ich noch Mitglied dieser Partei war, da stand sie kurz davor, das millionste Mitglied zu begrüßen, Und heuer? Deutlich weniger als eine halbe Million. Was ärgert ist, dass die SPD nicht zu einer personellen Veränderung in der Spitze bereit ist.
Nahles und die Abschaffung von H4, passt nicht. Von Rest der traurigen Spitzengenossen, naja…
Bülow, der seit 2002 im BT sitzt, wäre auch kein Garant oder gutes Beispiel für eine Erneuerung am Haupt der SPD gewesen. Sie geht einen schweren Gang, die SPD. Schröder und die folgenden GroKos haben einen Niedergang verschärft, der schon lange vor Schröder begonnen hat. Es waren die letzten Jahre der Kanzlerschaft Schmidts die den Niedergang einläuteten.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor

@#11 Robin: Auch wenn es die Bülow-Fans nicht wahrhaben wollen (ich kenne auch ein paar): was bitte nutzt der SPD oder der ganzen Politik und damit uns Bürgern jemand, der zwar gern und häufig "dem Volke nach dem Maule schwätzt" und dabei durchaus sympathisch und nicht abgehoben rüberkommt, aber außer dem Schwätzen und vielleicht dem einen oder anderen selbstverliebten Buch nichts, gar nichts an Ergebnissen rumkommt??

Natürlich legt er den Finger in die allseits bekannte offene Wunde der Lobbyisten-Abhängigen in Berlin, natürlich moniert er zu Recht inhaltsleere Bundestagssitzungen oder im Sande verlaufene Initiativen mancher Abgeordneter – aber wenn ich mir seine Antworten auf Abgeordnetenwatch anschaue, kommen mir Zweifel, ob seine Einschätzungen wirklich so "konsequent" und "querdenkerisch" sind oder ob er nicht – wie z. B. zur Frage zu seinem Abstimmungsverhalten bez. TTIP und Fracking aus 2016 – einfach nur nicht weiß, was mit wem oder gegen wen er da grade tut.

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