Die Debatte um das Bundesinstitut für Fotografie hat in den letzten Jahren für reichlich Diskussionsstoff gesorgt. Warum wurde trotz eindeutiger fachlicher Empfehlungen durch Experten für Essen, Düsseldorf als Standort gewählt? Dieser Artikel wirft einen tieferen Blick auf die Hintergründe, Akteure und Auswirkungen dieser Entscheidung. Von unserem Gastautor Karlgeorg Krüger.
Die Institutionalisierung der Fotografie hat in Deutschland eine lange Geschichte. Bereits in den 1970er Jahren gab es Bestrebungen eine nationale Institution für Fotografie zu gründen. Mit der Initiative von Frau Professor Grütters 2019 wurde das Vorhaben konkretisiert und rasch zu einem nationalen Projekt von hoher Priorität erkoren.
Die Stadt Essen, einst bekannt als das Herz der deutschen Schwerindustrie, hat in den letzten Jahrzehnten einen beeindruckenden kulturellen Wandel durchgemacht. Das UNESCO Welterbe Zollverein und die weit über die Stadt Essen strahlende Folkwanguniversität der Künste mit ihren vier Lehrstühlen für Fotografie sind nur zwei Beispiele für Essens kulturelle Errungenschaften.
Die Fachgutachten, die Frau Grütters in Auftrag gegeben hatte betonten u.a. auch die zentrale Lage im Ruhrgebiet und die bestehenden kulturellen Netzwerke als ideale Voraussetzungen für das Bundesinstitut für Fotografie.
Düsseldorf hingegen hat sich über Jahrzehnte als Kunst- und Kulturmetropole etabliert. Mit der renommierten Kunstakademie und zahlreichen Galerien und Museen bietet die Stadt eine lebendige Kunstszene. Politische Akteure argumentierten, dass das Bundesinstitut in Düsseldorf von diesem etablierten Netzwerk profitieren könne.
Der überraschende Entscheid des Haushaltsausschusses vom 11.11. 2022 in der sogenannten Bereinigungssitzung, beantragt durch Otto Fricke (MdB, FDP) auf Bitten der Düsseldorferin Agnes Strack-Zimmermann (MdB, FDP) für Düsseldorf sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Wie konnte es zu einer derartigen Diskrepanz zwischen überwältigenden fachlichen Empfehlungen und politischer Entscheidung kommen? Einige Insider spekulieren über regionale Machtspiele und die stärkere und engagiertere Lobbyarbeit Düsseldorfs, kräftig unterstützt durch den ehemaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet und seinem Freund Andreas Gursky, einer der treibenden Kräfte und renommierten Fotografen für das Bundesinstitut in der Landeshauptstadt Düsseldorf und auch durch seinem Nachfolger, dem Ministerpräsidenten Hendrik Wüst und seinem Kabinett und seiner Ministerin für Kultur und Wissenschaft Ina Brandes.
Der Essener Oberbürgermeister Kufen (CDU) und die eigens gegründete Bürgerinitiative unter der Leitung von Axel Wiesener und Richard Kiessler versuchten unermüdlich und aufwändig Transparenz in den undurchsichtigen Entscheidungsprozess zu bringen. Rechtliche Gutachten wurden von OB Thomas Kufen und der Bürgerinitiative in Auftrag gegeben, die eindeutig die Entscheidungen der Haushaltsausschüsse in Berlin und Düsseldorf zu Lasten der Interessen der Stadt Essen als verfassungswidrig bewerteten (u.a. Verstoß gegen das sogenannte Willkürverbot und das Recht aller Kommunen auf die kommunale Gleichbehandlung), doch die Entscheidung scheint unumkehrbar, klar und deutlich verkündet in der Pressekonferenz am 18.September in Düsseldorf durch die Ministerin Ina Brandes (CDU) und die Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und energisch auch durch den Düsseldorfer OB Stephan Keller (CDU).
Die Grundstücke
Mit der Bewerbung der Stadt Düsseldorf in 2019 wurde auch gleich ein Grundstück angeboten und zwar am Ehrenhof. Dies wurde im Verlauf der letzten Jahre und im laufenden Bewerbungsprozess wieder verworfen aus verschiedenen Gründen unter anderem auch wegen der Hochwassergefahr des nahen Rheins und der Gefahr eines Wassereinbruchs und einer möglichen Pilz- und Schimmelbildung. Eine Alternative gab es bis heute nicht, sodass das Grundstück am Ehrenhof wieder hervorgeholt wurde ohne nähere Angaben dazu zu machen in der Pressekonferenz vom 18. September.
Demgegenüber wird der Flächenbedarf unter Berücksichtigung der räumlichen Zusammenhänge in einem standortspezifischen Flächenmodell gegenübergestellt. „Es wird hierbei eine Differenz zwischen den erforderlichen Bruttogrundfläche gegenüber dem technisch realisierbaren Bauvolumen festgestellt. Insgesamt können 2.790 m² BGF nicht auf dem Grundstück realisiert werden..
Es besteht jedoch auch im Funktionsbereich Digitalisierung, Restaurierung und Konservierung durch die Verteilung auf mehrere Ebenen eine ungünstige Anordnung.“ steht auf seite 51 der Machbarkeitsstudie.
Der nicht realisierbare Flächenbedarf ist an einem weiteren Standort unterzubringen. Ein weiteres Grundstück ist aktuell nicht. Die Berücksichtigung eines weiteren Grundstückes hätte jedoch zur Folge, dass die organisatorischen Abläufe an zwei Standorten aufrechtgehalten werden müssen.
Essen hat auf d Zollverein von Anfang seit 2019 an passgenaues Grundstück reserviert und erfüllt die Anforderungen aus dem Bundeskonzept und den daraus implementierten baulichen Anforderungen für ein Fotoinstitut 1:1 und das bis heute.
Seite 51 der Machbarkeitsstudie Fotoinstitut: „Das Flächenmodell zeigt die Realisierung des Raumbedarfs in insgesamt 4 Obergeschossen und ohne die Berücksichtigung eines Untergeschosses. Jedoch könnte auch ein Teil des Raumbedarfs in ein Untergeschoss verlegt werden und somit die Bebauung auf 3 Obergeschosse beschränkt werden. In jedem Fall können durch die maximale Nutzung der bebaubaren Fläche auf dem Grundstück die Flächenbeziehungen gemäß Funktionsmodell realisiert und gut umgesetzt werden“,
Außerdem wird die Fotografie im Fachbereich Gestaltung der Folkwang Universität der Künste am Campus auf dem Zollverein-Gelände gelehrt im BA-Studiengang Fotografie.
Zukunft des Bundesinstituts
Mit der Ernennung der Gründungskommission durch Ministerin Brandes und Ministerin Roth und den Teilnehmern Moritz Wegwerth, Fotograf, Christian Scheidemann, Restaurator, Susanne Gaensheimer, Direktorin der Kunstsammlung NRW, Felix Krämer, Leiter der Stiftung Museum Kunstpalast und Peter Gorschlüter, Direktor des Museums Folkwang und der Kuratorin Inka Schube und der Restauratorin Katrin Pietsch soll der Standort Düsseldorf fachlich gefestigt werden.
Einen schalen Beigeschmack hat die Berufung von Moritz Wegwerth, dem Vorsitzenden des Vereins zur Gründung und Förderung eines Deutschen Fotoinstituts e.V. und damit alles andere als neutral sein wird, sondern höchst wahrscheinlich mit aller Macht dazu beitragen wird, den Standort Düsseldorf mit dem politischen Rückenwind aus Düsseldorf und Berlin auch unter gutachterlich festgestelltem Bruch der Verfassung durchzudrücken.
Die Stadt Essen hat auf Zollverein seit 2019 und das bis heute ein Grundstück angeboten, das alle Anforderungen der Machbarkeitsstudie erfüllt, wie in der Machbarkeitsstudie zu lesen ist:
Das Flächenmodell zeigt die Realisierung des Raumbedarfs in insgesamt 4 Obergeschossen und ohne die Berücksichtigung eines Untergeschosses. Jedoch könnte auch ein Teil des Raumbedarfs in ein Untergeschoss verlegt werden und somit die Bebauung auf drei Obergeschosse beschränkt werden. In jedem Fall können durch die maximale Nutzung der bebaubaren Fläche auf dem Grundstück die Flächenbeziehungen gemäß Funktionsmodell realisiert und gut umgesetzt werden.
Fazit
Die Standortwahl für das Bundesinstitut für Fotografie offenbart die komplexen Wechselwirkungen zwischen Fachwissen, politischem Kalkül und regionalen Machtinteressen.
Klar kommt damit auch zum Ausdruck, dass die Sonntagsreden für die Stärkung des strukturschwachen Ruhrgebietes durch Landes- und Bundespolitiker reine Lippenbekenntnisse ohne Wert sind
Es bleibt zu hoffen, dass das Institut trotz der anfänglichen und nicht ausgeräumten Kontroversen zu einem Leuchtturm der Fotografie in NRW wird und die hohen und gutachterlich sorgfältig erarbeiteten hohen Kompetenzen der Stadt Essen nicht unter den Tisch fallen und die Stadt stattdessen nicht mit unbedeutenden „Trostpflastern“ als kleine Nebenstelle des Bundesinstitutes für Fotografie abgespeist wird und der 2. beste Standort in NRW die Nr.1 wird
Karlgeorg Krüger (FDP) ist Sachkundiger Bürger im Rat der Stadt Essen, Mitglied des Kulturausschusses und Mitglied des Aufsichtsrates der Theater und Philharmonie GmbH Essen.
@ Autor: Wenn das alles so offenkundig verfassungswidrig ist, wieso hat dann noch niemand geklagt?