Ich gebe zu, klammheimlich habe ich bereits am letzten Wochenende darauf ‚gewartet‘, um mich dann eh nur wieder klammheimlich darüber aufregen zu können. Doch da kam es in diesem Jahr (noch) nicht. Es dauerte, zumindest in den von mir genutzten Medien, bis zum gestrigen Freitagnachmittag, als ich dann tatsächlich erstmalig wieder das schwachsinnig frühe Gerede vom Tabellenführer der Bundesliga hören musste. Das hatte ich zuletzt auch schon einmal anders erlebt.
Auf Sky Sport News HD ließ man sich aber nun am gestrigen Freitag, in der Vorberichterstattung des zweiten (!!!) Spieltages, tatsächlich schon wieder dazu hinreißen Hertha BSC die Tabellenführung, zumindest für eine Nacht, in Aussicht zu stellen, wenn man denn das Heimspiel in Berlin gegen Werder Bremen womöglich gewinnen würde.
Das Ganze wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, wo alle Teams gerade einmal ein einziges Spiel absolviert hatten, Hertha dann überhaupt erst das erste Team mit möglicherweise zwei Siegen auf der Habenseite hätte werden können.
Selbst bei der Live-Übertragung am Abend erwähnte Kommentator Torsten Kunde bei Sky schon kurz nach dem Anpfiff die Tatsache, dass ja sogar ein Punkt theoretisch schon reichen würde und die Hertha wäre zumindest bis morgen Spitzenreiter der Tabelle. So kam es dann letztendlich ja auch. Das Spiel endete bekanntlich mit 1:1, Hertha hat, nach dem 1:0-Erfolg in der Vorwoche in Augsburg, als erstes Team der Eliteliga nun vier Punkte auf der Habenseite. Aber was bitte soll diese Sensationshascherei, diese lächerlich übertriebene Tabellenanalyse zu diesem frühen Zeitpunkt der Spielzeit?
Früher hieß es unter den Fußballfans mal weitestgehend übereinstimmend, es habe überhaupt erst wirklich Sinn eine Bundesligatabelle nach rund zehn Spieltagen ernsthaft anzuschauen, wenn sich dann erste Aussagekraft so langsam wirklich zuverlässig an einer Tabellen-Platzierung ablesen lässt und eben nicht nur den Zufällen eines noch nicht repräsentativen Saisonstarts geschuldet ist.
In Zeiten wo die Liga zunehmend auch überall irgendwie vermarktet werden muss, da mag man es ja inzwischen irgendwie noch akzeptieren, dass man vielleicht nur noch rund fünf Spiele aller Teams abwarten mag. Aber schon vor Spieltag Zwei eine Tabellenführung für ein Freitagsspiel ausloben und abfeiern? Einfach nur völlig blödsinnig! Denn die Hertha hat heute Morgen zusammen mit den Bremern genau genommen ja schon doppelt so viele Spiele absolviert wie die anderen 16 Clubs der Liga. Was soll ein Tabellenplatz da schon groß aussagen?
Und das besonders ‚Schöne‘ an diese Handhabung, durch die Zerstückelung der Spieltage kann man das jetzt von Freitagabend bis Sonntag an diesem langen Fußballwochenende gleich mehrfach tun. Ständig locken bzw. drohen neue Tabellenextreme, natürlich nicht nur an der Spitze, sondern natürlich auch unten im Keller. Wer steht heute Morgen eigentlich auf den Abstiegsplätzen? Als ob das ernsthaft irgendetwas aussagen würde.
Klar, auch ich werfe schon zu diesem Zeitpunkt des Fußballjahres am Ende eines Spieltages schon mal einen Blick darauf wie gut dieses oder jenes Team aus den Startlöchern gekommen ist. Aber an einem zweiten Spieltag für das Freitagabendspiel eine lockende Tabellenführung in Aussicht zu stellen, nur um vielleicht die Begeisterung im Vorfeld eines ganz normalen Bundesligaspiel zu puschen? Da kann man nur hoffen, dass die große Mehrzahl der Fans im Lande den Medienmachern bei diesem Blödsinn zumindest innerlich still und leise klammheimlich ‚den Vogel‘ zeigt… Man kann wirklich auch alles übertreiben. Beruhigend gestern für mich übrigens die Reaktion von Hertha-Trainer Pál Dárdai nach dem Spiel. Als dieser von Feldreporter Rolf ‚Rollo‘ Fuhrmann dort auch noch einmal explizit auf die gerade eroberte Tabellenführung angesprochen wurde, da entgegnete er schlich: „Das ist ein Witz, oder?“ und überging die Tatsache in seiner Antwort, analysierte anschließend lieber schlicht den Spielverlauf.
Aber wer zählt jetzt mit, wie häufig in den kommenden Stunden und Tagen die Tabellenführung im Fußballoberhaus wechselt? Und welche Teams werden es dann vermutlich sein? Heute Nachmittag Schalke (Heimspiel gegen Darmstadt 98)und am Sonntag dann der BVB (auswärts in Ingolstadt)?Egal was passiert, so manch ein Liveberichterstatter wird uns vermutlich auch heute Nachmittag schon wieder mit einem neuen virtuellen Tabellenführer daherkommen. Das gehört inzwischen offenbar fest zur ‚Vermarktungsstrategie‘ der Liga in einigen Medien. Dabei böte der Sport von sich aus schon ausreichend Spannung, um ihn noch mit solch einem ‚Witz‘ künstlich zu pushen.
Aber wie dem auch sei: Euch allen natürlich wieder ein schönes Fußballwochenende, egal wo! 🙂
Hertha's erster Sieg war in Augsburg und nicht in Mainz 🙂
@MoIssa: Jau! Logisch! War wohl noch zu früh heute Morgen. 😉 Habe es geändert. Danke für den Hinweis! 🙂
(Ich war in Gedanken wohl schon beim morgigen BVB-Gegner, in Ingolstadt. Die hatten ja in Mainz mit 1:0 gewonnen) 😉
Mensch Robin, sei doch nicht so beckmesserisch! Wann ist man schon mal Tabellenführer da in der Hauptstadt? Vor drei Jahren hat es die Eintracht nicht mal mit vier Siegen am Anfang es auf Platz 1 geschafft. Wenn man nicht Bayern oder BVB ist, nimmt man alles mit, auch eine Tabellenführung nur für eine Nacht.
Wenn wir heute nachmittag mit einem deutlichen Auswärtssieg die Tabellenspitze übernehmen, finde ich das gerecht, der Leistung angemessen, nur logisch und zukunftsweisend;-)
@Thomas: Seitens der Berliner, im konkreten Fall Dardai, hat man das aber ausgerechnet als "Witz" bezeichnet. Der wollte das gar nicht thematisieren. Das ist es ja. Waren die Medienvertreter die das herausstellten und eben gar nicht der Club selber. 😉
@Klaus: Ich wäre ja, ehrlich gesagt, schon mit einem 1:0-Erfolg völlig zufrieden. 🙂 Und übrigens: Man hat gestern ja schon am Beispiel Darmstadt gesehen, mit wie viel Energie die Aufsteiger immer so starten. Frag mal heute bei Schalke nach, ob die nicht auch gerne 1:0 gewonnen hätten heute…. 😉
Reines und völlig überzogenes Mediending. Selbst die Hertha-Fans stimmten mit beißender Ironie direkt nach dem Anpfiff der ersten Halbzeit den "Spitzenreiter, Spitzenreiter, Hey, Hey"-Gesang an. Das kann also JEDER in Berlin sehr gut einschätzen. Nur Sky und einige andere Medienvertreter fanden es so unglaublich witzig und spektakulär, dass sie daraus die komplette Spannung des eigentlich auch fußballerisch guten Freitagabendspiels (was ja die eigentliche Überraschung des Abends war).
Übrigens: Gutes ‚Näschen‘, Klaus! 😉
Robin, ich war mir bei Ingolstadt allerdings nie sicher, ob das auch klappt – siehe erste Halbzeit (mal wieder). Aber anscheinend sind Audis immer noch nicht so ausgereift und ausdauernd wie VWs, Opels oder Mercedesse;-)
Mir egal – TABELLENFÜHRER!!!! 😉